VG Wort

Schöner Verlegen – mit dem Geld anderer Leute

buecher
Foto: Robert Agthe

Können Sie sich schon mal drauf einstellen: Mit der großen, tollen deutschen Buchkultur ist es jetzt vorbei. Der Bundesgerichtshof hat sie auf dem Gewissen. Mit einem Urteil entzieht er ihr die Geschäftsgrundlage – und das nur, weil er irgendsoein Gesetz unnötig gesetzestreu auslegt.

Fast alle großen Verlagsmedien haben in den vergangenen Tagen schon mal nachrufartige Todeswarnungen veröffentlicht. Sie tragen Überschriften wie: „Die Bücher werden darunter leiden“, „Ein verheerendes Urteil“ und „Ein fatales Urteil“.

Ein Gastbeitrag von Jo Lendle, dem Chef des Münchner Hanser Verlags, in der „Welt“ beginnt mit den Worten:

Lesen Sie gern? Bücher? Dann war der 21. April ein schlechter Tag für Sie.

Ein Gastbeitrag von Jörg Sundermeier, dem Chef des „Verbrecher“-Verlages, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beginnt mit dem Satz:

Nun ist ein weiterer Baustein aus dem Fundament unserer Literaturlandschaft entfernt.

Wenn jetzt wirklich das große Verlagssterben einsetzte, wäre das eine bemerkenswerte Ironie: Es würde bedeuten, dass das ganze schöne Geschäft über viele Jahre nur funktionierte, weil Verlage rechtswidrig Geld kassierten, das eigentlich den Urhebern zugestanden hätte.

Es geht um weit über Hundert Millionen Euro Tantiemen, vor allem aus der Geräteabgabe. Die Preise von Kopierern, USB-Sticks, Smartphones usw. enthalten eine Vergütung für das Recht, private Kopien von urheberrechtlichen geschützten Werken anzufertigen. Dieses Geld steht nach deutschem und europäischem Recht den Urhebern zu: als Ausgleich dafür, dass sie es hinnehmen müssen, dass ihre Werke für den privaten Gebrauch vervielfältigt werden.

Die Verwertungsgesellschaft VG Wort, die dieses Geld ausschüttet und von Verlegern und Urhebern gemeinsam gegründet wurde, beteiligt aber seit ehedem auch die Verleger mit pauschalen Anteilen zwischen 30 und 50 Prozent an diesen Tantiemen. Der Urheberrechtsexperte Martin Vogel weist seit vielen Jahren darauf hin, dass diese Praxis rechtswidrig sei – die VG Wort veruntreue so das Geld der Urheber. Nachdem er 2012 und 2013 schon in den ersten beiden Instanzen gewonnen hat, gab ihm nun auch der BGH recht.

Das Urteil kommt nicht überraschend. Im vergangenen November hatte der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Belgien entschieden, dass solche Tantiemen den Urhebern zustehen. Damals räumte sogar die VG Wort, die das vorher lange nicht glauben wollte, endlich ein, dass ihre „gegenwärtige Praxis der Verlegerbeteiligung insgesamt in Frage gestellt worden“ sei.

Der Aufschrei der Verleger ist trotzdem so hysterisch und panisch, als habe sich eine unvorhersehbare Naturkatastrophe ereignet. Und so sehr man verstehen kann, dass vor allem kleinere Verlage nun um ihre Existenz bangen, so unredlich und aberwitzig sind weite Teile der Reaktionen.

„Die Unverfrorenheit mit der allseits die Unabhängigkeit des Gerichts in Frage gestellt wird, weil es nicht die wirtschaftlichen Interessen der Verleger bedient hat, ist schon bemerkenswert“, sagt Martin Vogel. Seit rund 20 Jahren sei klar, dass es keinen rechtlichen Grund gibt, die Verleger an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen zu beteiligen. „Wenn diese Erkenntnis in der Öffentlichkeit nicht hinreichend bekannt ist, dann liegt das unter anderem daran, dass diese Meinung in der Presse nicht dargestellt wird, um die Interessen der Verleger nicht zu gefährden.“

An keiner Stelle ist in den Kommentaren und Reaktionen ein Wort des Bedauerns zu hören, dass man offensichtlich jahrelang Urheber um ihnen zustehendes Geld gebracht hat. Wenn die Beteiligung der Verleger in der bisherigen Form gegen das Gesetz verstößt, dann muss eben sofort das Gesetz geändert werden, so die Logik. (Und Union und SPD kann es damit kaum schnell genug gehen.) Als könne es gar nicht sein, dass die Rechtslage tatsächlich so ist, wie sie ist, als müsse es sich um ein Versehen, einen Formfehler handeln. Als hätten die Verlage ganz naturgemäß einen Anspruch auf einen Teil dieses Geldes, selbst wenn sie keinen Anspruch darauf haben.

Die Politik, klagt Vogel, falle auf das Jammern der Verwertungsgesellschaften und Verleger herein und drohe „mit sofortigen Einschnitten bei den der Urhebern, dem schwächsten Glied aller Betroffenen. Urheber haben, das zeigt sich erneut, keine Lobby. Keiner hat in den einschlägigen Artikeln ihre Rechte dargestellt. Das hätte man von seriösen Blättern erwarten müssen, wenn man ihnen nicht allgemein eine verminderte Glaubwürdigkeit zubilligen will.“

Die Frage der Rechtmäßigkeit klingt in mehreren Kommentaren ohnehin bloß wie eine lästige Formalie. Bei Rainer Dresen, dem Justiziar der Verlagsgruppe Random House, liest es sich, als sei es ein völlig abwegiger Spleen des Klägers, Wert darauf zu legen, dass es bei der Verteilung der Millionen nach Recht und Gesetz zugeht. Dresen schreibt im „Buchmarkt“:

Für den Kläger Dr. Vogel ging es, und dieser Gedanke macht einen als von den zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen unmittelbar bedrohten Verlagsmitarbeiter schier wahnsinnig, neben dem ihm offenbar heiligen Prinzip der buchstabengetreuen Auslegung des Gesetzes, „nur“ um knapp zweieinhalbtausend Euro.

Ja, wo kämen wir da hin, wenn jetzt plötzlich jeder anfänge, am Prinzip der „buchstabengetreuen Auslegung des Gesetzes“ festzuhalten, wenn doch alle so zufrieden waren mit einer bequemen Kommt-nicht-so-drauf-an-wen-kümmerts-haften Ignoranz der Rechtslage (insbesondere natürlich die Verlage, die besonders davon profitierten). Fast alle.

Dresen verspottet den Kläger als einen einsamen, komischen Vogel, der schon in seiner früheren Position in der Rechtsaufsicht der VG Wort „alles ganz genau betrachtete“. Dresen bringt es nicht einmal über die Tastatur, Vogel einfach zuzugestehen, dass er Recht hatte, sondern nennt dessen Meinung bloß „formal durchaus fundiert“ – wie bei einem Kind, das aus reiner Renitenz und Streberhaftigkeit darauf besteht, dass zwei mal zwei vier ist, obwohl die Lehrerin Eis für alle versprochen hatte, wenn man sich unauffällig auf fünf einigen könnte.

Der Hinweis, dass es Vogel „nur“ um zweieinhalb Tausend Euro gegangen sei, er also aufgrund einer läppischen Summe das Sterben des Verlagswesens in Deutschland in Kauf nimmt, ist dabei besonders perfide und irreführend. Dass Vogel nur in eigener Sache klagte – auf das Geld, das ihm persönlich zusteht – war eine Notwendigkeit, weil der Deutsche Journalisten-Verband ihm Rechtsschutz verweigerte. Vogel musste auf eigene Faust und Rechnung klagen – das konnte er sich nur deshalb leisten, weil es formal nur um eine so kleine Summe ging.

Vogel ist in den vergangenen Jahren in vielfacher Form angefeindet worden. Vertreter von VG Wort, Journalisten- und Verlegerverbänden waren ihm vor, es gehe ihm nur ums Geld, oder, perfider, er führe nur einen persönlichen Rachefeldzug und nehme es dabei in Kauf, finanzschwachen Urhebern zu schaden, was er, ausgestattet mit einer Richterpension, sich ja leisten könne. Insofern hat es Vogel nicht überrascht, dass sich die Anfeindungen auch nach seinem Sieg vor dem BGH fortsetzen.

Im allgemeinen Jammern und Wehklagen wird jetzt auch so getan, als sei das Urteil ein Ausdruck der Geringschätzung der Verlagsarbeit, des Lektorierens und der Autorenpflege sowie der Vermarktung von Büchern. Frei von jeder juristischen Argumentation erklärt die Autorin Wiebke Porombka bei „Zeit Online“, wer in diesem Fall alles „irren tut“ (sic!). Sie hyperventiliert, die Entscheidung sei „erschreckend und kaum nachvollziehbar“, „kurzsichtig“ und „schlimm“. Sie verklärt die Verlagsarbeit zu einem edlen, quasi selbstlosen Prozess und macht Schriftsteller, die ohne Verlag publizieren, als „selbsterklärte Autoren“ verächtlich – ganz so, als würde man erst dann zum richtigen Urheber, wenn man von einem Verlag dazu erklärt wurde.

„Dass ein deutsches Gericht nicht in der Lage ist, den Entstehungsprozess von kulturellen Werken zu erfassen, stimmt mehr als bedenklich“, schreibt sie. Dass ein deutsches Gericht auf der Grundlage von Gesetzen Recht spricht, scheint völlig abwegig.

Der BGH tut (…) so, als wären die Arbeit von Verlagen und jene der Autoren zwei voneinander getrennte Bereiche, die man auch getrennt voneinander beurteilen könne.

Dabei geht es gar nicht um eine „Beurteilung“ der Arbeit von Verlagen, sondern um Rechte, und Verlage haben andere als Urheber – wie eng auch immer ihre Arbeit miteinander verknüpft sein mag. Man wünschte sich, ein Verlag wäre der Autorin in den Arm gefallen, während sie das schrieb, aber den Verlagen war der Unsinn vermutlich gerade recht.

Weil vor allem kleine und mittelgroße Verlage Bücher von hohem künstlerischen Wert veröffentlichten, mit denen nur wenig zu verdienen sei, seien sie „nicht nur auf unternehmerische, sondern auch auf kulturelle Institutionen angewiesen“, schreibt Porombka. Irgendwie scheint sie die VG Wort für eine solche „kulturelle Institution“ zu halten, die die Verlage für ihren selbstlosen Einsatz belohnt – und nicht für eine Verwertungsgesellschaft, die treuhänderisch die Rechte von Urhebern verwaltet.

Vogels Klage und ihr Erfolg sind kein Ausdruck fehlender Wertschätzung, sondern fehlender Rechte. Auch Buchhandlungen haben einen wichtigen Anteil an der Buchkultur, und trotzdem erhalten sie kein Geld von der VG Wort und keinen Ausgleich für die Privatkopie. Weil sie, wie die Verlage auch, keinen Rechtsanspruch darauf haben.

Den hat allein der Urheber. Er muss es hinnehmen, dass seine Werke in einem begrenzten Rahmen kopiert werden und erhält dafür einen finanziellen Ausgleich. Der Verleger hingegen schließt einen Vertrag mit den Autoren und erhält nur Nutzungsrechte. „Mit ihnen muss er nach dem gesetzlichen Geschäftsmodell am Markt wirtschaften“, sagt Martin Vogel. „Ob er das erfolgreich macht, ist sein Risiko. Dieses Risiko vermag er nicht einfach dadurch zu vermindern, dass er im Verein mit den Funktionären der VG Wort und der Gewerkschaften sich bis zur Hälfte der Urhebervergütung zuweisen lässt, sondern muss es über seine Buchpreise steuern. Das jetzige Lamento der Verleger, das unisono von der Presse unkritisch bar jeder Kenntnis der Rechtslage übernommen wird, beruht auf einem unzulässigen Geschäftsmodell. Das haben sie freilich selbst zu verantworten.“

 

Korrektur, 28. April. Ich habe einen Halbsatz entfernt, in dem ich dem DJV vorwarf, panisch und hysterisch auf das Urteil reagiert zu haben. Hat er eher nicht.

44 Kommentare

  1. Also geht es Ihnen Herr Niggemeier darum, dass Verlage nicht jammern sollen, weil es schlicht und einfach keinen Paragrafen für sie gibt, in dem geregelt steht, dass ihnen ein Anteil zusteht, oder geht es Ihnen allgemein darum, dass Verlage hysteriscvh herumgieren, wo es ihnen einfach nicht zusteht.
    Hm, ich weiß nicht, ich finde das Argument von Porombka schon berechtigt, denn Lektorat, Herstellung, Druck, Vertrieb und Werbung sind nicht ohne….
    Man könnte natürlich auch streng urteilen und sagen, kopiert wird Werk und Idee des Urhebers, also ist er derjenige dem die Anteile ganz allein zustehen, während die Verlage nur das Medium (also nicht die Bitschaft, frei nach McLuhan) bereitstellen, welches logischerweise nicht kopiert werden kann, da es ja „nur“ Format (Buch in Soft- oder Hardcover) und Netz (ISBN, Buchhandel usw.) ist …. hm….

  2. @Ste: Es sagt ja niemand, dass Verlage nicht viel Geld und Mühe in ein Buch stecken. Und dass sie dafür nicht bezahlt werden sollen.

    Das System, mit dem das passiert, ist der Kaufpreis. (Von dem der Autor mit Glück 10 Prozent erhält.)

  3. Hört auf zu jammern, Verleger! Wenn das Geld den Urhebern zusteht, dann steht es ihnen zu, Schluss! Gründet eine eigene VG, was auch immer, aber lasst die Autoren in Ruhe!

    Das schreibe ich als Mitgesellschafter eines Kleinstverlages!

  4. Danke, Stefan Niggemeier. Der geballte Verlegersozialismus ist ein Graus, die getroffene Meute jault und klagt in einem fort. Die Bücklinge in CDU/CSU/SPD haben nichts anderes zu tun, als sich dem Geschrei und Gezeter zu fügen. Doch der Rechtsstaat wird dem Treiben Grenzen aufzeigen.

    Seit Grass und Böll gibt es auch keine echten Autoren mehr, sondern nur noch betreutes Schreiben. Zeit, diese dunkle Epoche durch mehr Aufklärung zu beenden.

    STE: es geht nur um die VG WORT, nicht um den Markt. Jedem Verlag ist es durch das BGH-Urteil erlaubt, mit seinen Autoren endlich auf Augenhöhe zu verhandeln, und die hergestellten Medien am Markt mit vernünftigen Preisen zu platzieren. So wie Bäcker und Metzger uns ernähren und dabei ganz ohne VG BROT und VG FLEISCH ein unternehmerisches Risiko tragen, wird auch der Verleger sich dem stellen müssen, wenn er denn geistige Nahrung uns anbieten will.

  5. Na sicher ist Verlagsarbeit _Arbeit_. Und finanzielles Risiko.
    Der Punkt ist, dass Verlage im Verhältnis Urheber-Verleger sowieso schon die deutlich stärkere Partei sind (in aller Regel jedenfalls).

    Offen gesagt, wenn ein Verlag auf das VG-Wort-Geld angewiesen wäre, könnte man das auch anders lösen: Schriftschaffende kriegen alles Geld von der VG, und dafür anteilig weniger vom Verlag.

  6. Vielen Dank für den Kommentar und diese Art der Richtigstellung oder zumindest einmal des Referierens der Teile der Fakten, die das Urteil aus Urhebersicht durchaus erfreulich erscheinen lassen. Das ist mir in vielen anderen Medien vor lauter Meinunghaben erschreckend zu kurz gekommen. Interesssant auch Dresen, der vom „ihm offenbar heiligen Prinzip der buchstabengetreuen Auslegung“ schreibt; hat man bei anderen Urteilen so auch noch nicht allzu oft gehört… Die Solidarisierungen in diesem Fall sind mir schleierhaft, es scheinen sehr viele sehr wenig Ahnung zu haben, was Buchautoren in diesem Lande so für Honorare bekommen (außer sie sind irgendein Promi). Aber auch davon war ja kaum etwas zu lesen. Intersssant dürfte es nun aber sein, wie die zuküftige Lösung aussieht – ich fürchte, dass dort die Autoren auch wieder schlecht dastehen. Denn sie sind in den meisten Fällen noch immer die kleinsten und schwächsten Teilnehmer der Veranstltung.

  7. Lieber Stefan Niggemeier, mir geht es wie Ihnen: ich finde es bewundernswert, mit welcher Hartnäckigkeit und mit welchem juristischen Geschick und gegen welche Anfeindungen und Widerstände Dr. Vogel dieses Verfahren über viele Jahre betrieben hat. Ich gönne ihm in gewisser Weise seinen „Erfolg“, auch wenn er nach meiner Einschätzung kaum jemanden wirklich etwas bringen und vielen massiv schaden wird. Nicht nur den kleinen Verlagen, die der bibliophile Dr. Vogel so sehr liebt, und von denen nicht wenige jetzt auf der Strecke bleiben werden.

    Das weiß Dr. Vogel alles, aber offenbar sind das Kollateralschäden für ihn. Als ich kürzlich erlebte, wie Dr. Vogel bei einer Veranstaltung zur „Zukunft des Urhebrrechts“ selbst von seinen eigenen Autorenverbänden öffentlich angegangen wurde, da wollte ich näher erfahren, was diesen mutig und einsam kämpfenden Mann antreibt. Ich habe noch vor Ort mit ihm gesprochen, wir haben danach telefoniert und ich habe ihn zu uns in den Verlag eingeladen um ihm zu zeigen, mit welchem Herzblut und Aufwand junge, engagierte und nicht eben hoch bezahlte Menschen sich für das Kulturgut Buch einsetzen. Teilweise finanziert wurde dieser Einsatz bislang auch durch die VG Wort-Ausschüttungen, die Verlage erhalten als Kompensation für entgangene Verkaufserlöse durch Kopien und Ausleihen von Büchern, die es ohne jene Mitarbeiter nicht oder nicht so geben würde.

    Das Engagement unserer Verlagsmitarbeiter hat ihn durchaus beeindruckt. Aber er hat sich immer wieder darauf zurückgezogen, dass der Gesetzgeber, also in gewisser Weise ja er selber, war er doch maßgeblich an einer wichtgen Gesetzesänderung beteiligt, Ausschüttungen an Verlage einfach nicht erlaube. Sorry, kann man halt nix machen. So, übertrieben gesagt, sein erstaunlich simplizistisches Weltbild. Immerhin, man konnte rasch merken, dass es Dr. Vogel nicht um seinen persönlichen finanziellen Vorteil geht. Ihm geht es tatsächlich um das Prinzip. Das Prinzip, ein von ihm selbst zuvor nicht unmaßgeblich verändertes, nur noch für eine Handvoll Experten wirklich zu verstehendes Gesetz ohne jede Sympathie für die jahrzehntelang bewährte Praxis bis an die Grenzen der Belastbarkeit auszulegen. Natürlich, das kann man so machen, vielleicht ist seine Auslegung sogar zwingend. Nicht ohne Grund jedenfalls folgte ihm und seiner Sichtweise nun auch der BGH.

    Was nach dem Urteil wirklich betroffen macht, ist die Tatsache, dass Dr. Vogel durchaus anerkennt, dass Verlage durch die im öffentlichen Interesse hinzunehemende Möglichkeit, Bücher zu kopieren und auszuleihen, wirtschaftliche Einbußen erleiden und deshalb dem Grundsatz nach eine Entschädigung verdienen. Ja, sagt Dr. Vogel, wirtschaftlich versteht er das sehr wohl. Das tut den Verlagen weh, und gerecht ist das auch nicht. Aber, da ist er erstaunlich unsentimental, that’s the law, wie man in den USA sagen würde.

    Da aber macht es sich Dr. Vogel, der sich gerne als Freund der Literatur und der Verlage bezeichnet, meines Erachtens sehr leicht und zieht sich auf einen reinen Formalismus zurück. Aber, da haben Sie Recht, Herr Niggemeier, Dr. Vogel hat gewonnen, da darf er es sich auch endlich mal leicht machen und sich freuen, und ein bisschen die Autorenverbände ironisch behandeln und die Verleger kritisieren und die Existenzängste gerade der kleinen, ihm doch so am Herzen liegenden Verlage lapidar abtun.

    Was mich aber viel mehr interessieren würde ist, ob Dr. Vogel überrascht davon ist, dass die Geräteindustrie nur darauf gewartet zu haben scheint, dass er gewinnt und sich Autoren und Verleger nun entzweien. Die Industrie wird das nutzen und alles daran setzen, die Geräteabgabe, die doch gerade, Tablets und Smartphones sei Dank, kräftig stieg, wieder zu reduzieren. Einen ersten Vorstoß hat der mächtige Verband der Geräteindustrie Bitkom unverblümt just am Tag nach dem Urteil gemacht. Die Geräteindustrie, nicht die Autoren und leider auch nicht Dr. Vogel sind die wahren Gewinner.

  8. @ Herr Dresen,

    Ihre Bemerkung, Herr Vogel sei von „seinen eigenen Autorenverbänden“ angegangen worden ist interessant und entspricht dem, was seitens vieler Gegner des Urteils seit Tagen kolportiert wird. Tatsächlich gibt es jedoch für Wissenschafts- und Fachbuchautoren keinen Autorenverband. Dies wird lediglich seit Tagen denen suggeriert, die sich in dem Bereich nicht so gut auskennen. Besagte Verbände mögen für einen Teil der Schriftsteller oder einen Teil der Journalisten sprechen, sind aber keine Vertreter von Autoren aus anderen Bereichen. Abgesehen davon werden sich die Freischreiber beim „Angehen“ sicher nicht beteiligt haben, denn die haben erst jüngst Herrn Vogel einen Preis verliehen. Die Behauptung also, er sei „von seinen eigenen Autorenverbänden“ angegangen worden, ist gleich in mehrfacher Hinsicht nicht nur falsch, sondern kann mangels Verband für Wissenschaftsautoren nicht mal richtig sein.

  9. Lassen Sie doch mal den Herrn Vogel in Ruhe. Er hat weder das Gesetz gemacht, noch das Urteil geschrieben. Rechtsstaat funktioniert nur, wenn individuelle Rechte geltend gemacht werden. Irgrndwann wäre halt ein anderer gekommen, mit demselben Ergebnis.

  10. Vorweg: Mich ärgert die Geräteabgabe, weil sie seit Jahrzehnten Leuten Geld zuschiebt, das ich mit meiner Arbeit erwirtschafte.

    Danach: Es ist verständlich, wenn sich St.N. darüber echauffiert, dass Betroffene nicht begeistert sind, wenn Gesetze „buchstabengetreu ausgelegt werden“. Dazu sind Gesetze eigentlich da.

    Es ist mit dann freilich unverständlich, wenn sich St.N. weiter echauffiert, dass so ein -für vermeintlich unfair erkanntes- Gesetz von den dazu eingesetzten Gremien (den Parteien im Bundestag) geändert werden soll, damit es seinen Zweck dem (unterstellten) Sinne nach erfüllt. Es passiert jede Woche, dass Gesetze nachgebessert werden.
    Das wird deshalb nicht besser, bietet aber keinen Grund, es hier so zu betonen.

  11. Nun wird aber abzuwarten sein, ob sich das Gesetz so nachbessern lässt, dass es dann a) den von den einflussreichen Verlegern (*hust*SPD*hust*) so gewohnten Geldsegen wieder sprudeln lässt und dabei b) verfassungskonform ist. Denn, ähm – warum gleich sollte irgendwer auf anderem Wege zwangsweise Geld an die Privatwirtschaft abführen müssen als über den Kaufpreis? Aber neben dem Leistungsschutzrecht ist noch ein Bettchen frei im Pflegeheim für kaputte Gesetzesvorhaben, direkt in der Abteilung bei Prof. Dr. Börsenverein.

  12. @Rainer Dresen: Schade, Herr Dresen, dass Sie gar nicht auf meine Kritik eingegangen sind.

    Da fällt der BGH ein Urteil, das eine langjährige Praxis der Verteilung von Tantiemen für rechtswidrig erklärt, und Sie meinen, das Thema, über das wir jetzt unbedingt diskutieren sollen, ist die Persönlichkeit des Klägers? Und nicht, wie es kommen konnte, dass so lange gegen geltendes Recht verstoßen wurde, warum die Verlage von ihren Vertretern nicht entsprechend vorgewarnt oder vorbereitet wurden, welche Rolle die Journalistenverbände über all die Jahrzehnte gespielt haben, ob der Vorwurf berechtigt ist, dass die VG-Wort-Verantwortlichen das Geld der Urheber veruntreut haben? Sie wollen wirklich über das „simplizistisches Weltbild“ von Herrn Vogel reden und nicht über den Glauben der Verlage, sie hätten ein Recht auf Geld, auf das sie kein Recht haben?

    Werden Sie als Jurist von Ihren Kollegen nicht eigentlich schräg angesehen, wenn Sie in irgendwelchen Rechtsstreits sagen: „Gott, ja, wenn man die Rechtslage jetzt wörtlich nehmen würde, sähe der Fall anders aus, aber das wäre ja simplizistisch.“ Ein hohes deutsches Gericht urteilt – zugespitzt gesagt – dass Urhebern über einen langen Zeitraum Geld genommen wurde, das ihnen zustand, und es Verlagen gegeben wurde. Und als Reaktion auf dieses Urteil rufen nun alle: „Haltet den Dieb!“ – meinen damit aber nicht die Verlage oder die VG Wort, sondern den erfolgreichen Kläger?

    Ich fand den Umgang der vermeintlichen Journalistenvertreter von Ver.di und DJV mit Herrn Vogel abstoßend (ich habe es einmal live erlebt), und ich kann nicht glauben, dass man die Tatsache, dass er Recht bekommen hat, nun zum Anlass nimmt, ihn noch mehr und vor noch größerem Publikum anzufeinden. Ich finde es unanständig, wie Sie aus diesem komplexen Thema und Streit die Geschichte eines verschrobenen Juristen machen, der zuviel Tagesfreizeit hatte und deshalb dachte, och Gottchen, schau ich mir doch mal, ob was lustiges passiert, wenn man an die Ausschüttung von vielen Millionen Euro mit dem Anspruch rangeht, dass sie buchstabengetreu nach dem Gesetz erfolgen muss.

    Es geht in diesem Rechtsstreit nicht um die Frage, ob die Kollegen in den Verlagen gute Arbeit leisten. Das ist ein Ablenkungsmanöver. (Ich finde, ein durchsichtiges, andererseits scheint ja zu funktionieren.) Ich glaube gern, dass viele Verlage in einer prekären Situation sind, aber sind viele Urheber das nicht auch? Komisch, dass deren Existenzängste in der Diskussion in diesen Tagen oft gar nicht vorkommen.

    Was die Frage angeht, ob nun droht, dass die Tantiemen insgesamt gesenkt werden: Darauf hat Herr Vogel selbst schon geantwortet. Der Bitcom fordert nicht erst seit vergangener Woche, sondern seit über 10 Jahren, die Gerätepauschalen abzuschaffen. Dass er als Reaktion auf das Urteil gefordert hat, die Abgaben zu senken, kann ich nicht erkennen. In der Pressemitteilung heißt es, im Gegenteil: „Eine neue Verteilung der Urheberrechtsabgaben muss für Verbraucher und Unternehmen kostenneutral erfolgen.“

    Und bitte entschuldigen Sie, dass ich bei der Formulierung „der mächtige Verband der Geräteindustrie“ ein bisschen schmunzeln musste. Es gibt vermutlich kaum Verbände in Deutschland, die so mächtig sind und so viel Einfluss auf die Politik nehmen, wie die der Verleger.

  13. @ Rainer Dresen

    Martin Vogel findet, dass im Rechtsstaat Gesetze auch angewandt werden sollten. Das ist für Sie ein „erstaunlich simplizistisches Weltbild“?

  14. Ich bin wieder einmal froh, dass ich mich aktiv gegen die Mitgliedschaft im DJV entschieden habe. Det Verein ist mit einfach zu kuschlig mit Verlegern, als Journalist sehe ich mich da nicht vertreten.

    Danke für den Text.

  15. sehr schöner Text. Die Verlage jammern, aber wieviele Urheber (Autoren und Illustratoren) können alleine von dem Publizieren von Büchern leben? Die Urheber sind das letzte Glied an der Kette, obwohl sie diejenigen sind, die die Grundlage für die Verlagsarbeit liefern. Schön, dass hier mal die Rechte der Urheber angesprochen werden.
    Vielen Dank

  16. Da auch Frau Porombkas Beitrag -in Zeit Online veröffentlicht – angesprochen wurde, lohnt es sich vielleicht eine direkte Antwort darauf zu lesen: „„Einfach mal die Fresse halten“* oder Man darf nicht die Frösche fragen, wenn man einen Sumpf trockenlegen will.“ http://www.entruestet.wordpress.de Da werden viele der Argumente des Artikels pointiert aufgegriffen.

  17. @Moritz, hast du gesehen, dass Stefan Niggemeier die Passage über den DJV entfernt hat (siehe auch Nachtrag am Ende des Artikels)? In welchen Punkten ist der DJV deiner Meinung nach „kuschlig“ mit den Verlegern?

  18. Ich finde es wirklich sehr unbefriedigend, dass gerade dann, wenn die Sache interessant wird, einer der beiden Diskutanten sich entzieht. Grrrr!

  19. Das steht ein Elefant im Raum namens Leistungsschutzrecht. All das, was die Verlage zurecht als Leistung aufführen, für das sie Schutz und natürlich eine monetäre Beteiligung an privaten Kopiertätigkeiten fordern, hat nichts mit der Schaffung von Werken zu tun. Und somit steht Ihnen keine Beteiligung an Ausschüttungen für Urheber zu. Dennoch ist es eine Leistung. Nun ist es aber so, dass jene, die vorgeben auf Seiten der Urheber zu sein, im Regelfall auch Büttel der Digital Industrie sind. Und somit seit Jahren gegen eine Leistungsschutzabgabe agieren. In Abwägung des geringsten Widerstands und politischen Schadens liegt es somit für Politiker aller Parteien nahe, lieber Geld das allein Urhebern zusteht, bewusst zweckzuentfremden, um damit Verleger Geld zuzuschieben, dass den Verlegern wg, eines fehlenden durchsetzbaren Leistungsschutzrecht fehlt. Dieser Elefant im Raum taucht aber verständlicherweise nirgends auf. Das ziehen Digital Blogger, Verleger und Politiker an einen Strang. Das Geld anderer Leute wollen nicht nur die Verleger von den Autoren, sondern in weit höheren Ausmaß kalifornische Digitalkonzerne von den Verlegern UND Autoren.

  20. @PETER JEBSEN: Sorry, war gestern nicht mehr auf der Seite.
    Es ist nicht nur das Debakel mit der VG Wort, es scheint da eine allgemeine Einstellung im oberen Bereich des DJV zu sein.
    Ich hab mich 2009 selbstständig gemacht als freier Fachjournalist und gerade da war der DJV ständig auf Verlegerkuschelkurs, vor allem beim Thema Internet.

    Egal was, Google war an allem schuld, vor allem an den schlechten Zahlen der Verleger (tatsächlich hätten andere Firmen sich die Finger nach den Ergebnissen abgeschleckt). Statt dass der Verein den Journalisten (egal ob angestellt oder frei) den Rücken stärkt, war es immer „man muss Vertrauen in die Verleger haben, yadda yadda yadda.“

    So oder so, ich fühlte mich da überhaupt nicht vertreten. Und die aktuelle Geschichte bestätigt mich darin mal wieder. Leider.

  21. Ich persönlich finde es sehr schwierig, dass die Leistung eines Verlages mit einem pauschalen Prozentanteil abgegolten werden soll.
    Da je nach Manuskript auch sehr unterschiedliche Leistungen erbracht werden.
    30% für ein wertsteigerndes Lektorat und ein gründliches Korrektorat eines belletristischen Werkes von hundert und mehr Seiten und der gleiche Prozentsatz für ein Bilderbuch, dessen wenige Sätze keiner Verbesserung bedurften und dessen Bilder ohne Änderung abgedruckt werden können…
    Und warum brauchen gerade wissenschaftliche Werke eine so intensive Mitarbeit des Verlags, dass dabei gleich 50% als gerecht empfunden werden (von Verlagsseite)? Sind Wissenschaftler alle der Rechtschreibung nicht mächtig? Können sie keine Grammatik? Wissen sie nicht, wie man richtig zitiert?
    Eine wissenschaftliche Arbeit ist im Vergleich zum Schreiben einer Geschichte eine sehr mühsame Angelegenheit und durch die Recherche oftmals um einiges aufwändiger. Daher kann ich verstehen, dass gerade wisschenschaftliche Autoren sich über den praktizierten Verteilungsschlüssel geärgert haben.
    Ich würde mich sehr freuen, wenn der Drang, ein neues Gesetz zu machen, dazu führt, dass sich alle Beteiligten an den Tisch setzen und darüber reden, bei welcher Art Buch, wer wieviel Anteil am Endprodukt hat und wessen Leistung wie am besten gewürdigt wird.
    Kein Autor (mich eingeschlossen) wünscht sich ein „Wüten“ des Lektorates in seinem Manuskript, nur damit der Verlag eine „Leistung“ nachweisen kann.

  22. @Moritz, falls für dich der Bundesvorstand auch zum „oberen Bereich“ des DJV zählt: Ich bin seit gut vier Jahren Mitglied des Gremiums und kann den angeblichen „Verlegerkuschelkurs“ nicht bestätigen.

    Es mag sein, dass einzelne DJV-Repräsentanten mal Statements abgaben, die in die von dir geschilderte Richtung gingen. Aber dass „Google an allem schuld“ sei, war nie die offizielle Linie des DJV. Und: Wer soll wann gesagt haben, „man muss Vertrauen in die Verleger haben“?

    Was bestätigt dich an der „aktuellen Geschichte“? Es gibt kein offizielles Statement des DJV, das besagt, dass andere Parteien als Urheber Gelder kassieren sollten, die laut Gesetz Urhebern zustehen.

    @Stefan, darf ich die Tatsache, dass du innerhalb eines guten Tages keinerlei Indizien für deine Behauptung präsentiert hast, dass der DJV „in dieser Sache vollständig kuschelig mit den Verlegern“ sei, als Beleg dafür werten, dass du keine gefunden hast? ;-)

  23. .. es entsteht immer geradezu der Eindruck, die Verlage würden nur an der VG Wort verdienen. Tun sie aber (gerade) nicht. Und im Rahmen der Vergütung für den Autor können sie ja problemlos (versuchen zu) berücksichtigen, dass dieser 100 % der VG Wort erhält. Wenn das Gejammer auf Grund von Rückzahlungsverpflichtungen nun groß ist: Die Rechtslage war klar, sie wollte nur keiner (Verlage, VG Wort) wahrhaben; da kann man nun kaum mit irgendeiner Schutzwürdigkeit argumentieren.

  24. Als jemand, der selbst eine Dissertation über einen Verlag veröffentlicht hat, kann ich den Aufschrei der Verlage nicht nachvollziehen.

    Ich habe einen Vertrag mit dem Verlag geschlossen, für den ich eine vereinbarte Leistung erhalten habe und die ich entsprechend bezahlen musste. Ich wiederhole: BEZAHLEN musste. Ich habe nicht etwa eine Vergütung für den Verkauf meiner Rechte erhalten, sondern habe für den Druck eines Buches in vereinbarter Auflage bezahlt. An den laufenden Verkaufserlösen erhalte ich eine Gewinnbeteiligung im unteren einstelligen Prozentbereich. Wenn der Verlag damit am Ende des Tages immer noch einen Verlust machen sollte, dann ist das eindeutig eine Fehlkalkulation seinerseits.

    Woraus sich aus diesem Vorgang ein Anspruch des Verlags auf Vergütung der Vervielfältigung meines geistigen Werkes ergeben sollte erschließt sich mir nicht, selbst wenn die Gesetzeslage eine andere wäre.

  25. mich hat das urteil und der artikel sehr gefreut. auch die reaktion einiger offizieller ist interessant. danke an uebermedien dafuer.

    es wird wirklich zeit für einen weiteren rechtsstreit (und viiiiele artikel) zu den absurden regelungen der geräteabgabe. schön, dass herr dresen da die BITKOM erwähnt. man kann nur hoffen, dass die in dem punkt mal gas geben. die abgabenanteile, die man bei anschaffung von usb-sticks, sd-karten usw. zahlt, sind einfach nicht mehr zu verteidigen. hier werden den bürgern hohe millionenbeträge fuer eine lediglich potentielle vervielfaeltigung von werken abgeknoepft.

    wieso soll ich abgaben an die vgwort zahlen, wenn ich meine urlaubsfotos verwalte (3x zahlung fuer kamera, sd karte und rechner), meine eigenen texte von arbeit archiviere(2x zahlung),kontoauszüge speichere (2x zahlung ) oder meine bereits bezahlten hörbucher auf em handy höre(3x zahlung)?

  26. Vermutlich zielte der „Kuschelkurs-Vorwurf“ an den DJV auf die Tatsache ab, dass vor Jahren der DJV als einzige Organisation eine absolut verlegerdevote Stellungnahme zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger (Kapitalisierung von Suchmaschinensnippets auf Kosten der Informationsfreiheit im Internet) abgegeben hatte.

    http://www.urheberrecht.org/topic/lsr-presse/beginn/Stellungnahme_P__ppelmann-Rechtsausschuss.pdf

    http://www.internet-law.de/2013/01/dem-djv-geht-der-aktuelle-gesetzesentwurf-zum-leistungsschutzrecht-nicht-weit-genug.html

  27. Irgendwer schrieb oben: Verlegersozialismus. Das ist ja wohl ein bewusstes in den Dreck ziehen des Wortes „Sozialismus“. Ich hätte ja eher Verleger-Kartell verwendet.

    Im Übrigen: Wer das Lektorieren von wissenschaftlichen Publikationen nach Indien auslagert, indie Hände von Ahnungslosen, damit in Kauf nimmt, dass alles zehnmal so lange dauert wir früher (miese Qualität) und dann behauptet, es würden die Urheber betreut und das wäre ja Arbeit… ich denke, die Verlage nehmen ihre Arbeit da nicht so wichtig wie sie in den Stellungnahmen behaupten. Ganz übler Verleger-Kapitalismus…

  28. Ich weiß ja nicht, wie das bei anderen Autoren ist. Doch als ich beispielsweise meine Dissertation (Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) veröffentlichte, lag die alleinige Verantwortung für das Lektorat, das Auffinden (und Finanzieren!) geeigneter Bilder, etc. bei mir. Das versuchte ich dann durch willige Freunde und Bekannte zu kompensieren, die mit unendlicher Geduld korrekturgelesen und mir private Bilder gebührenfrei überlassen haben. Geld habe ich nie vom Verlag erhalten, im Gegenteil musste ich einen „Druckkostenzuschuss“ in vierstelliger Höhe leisten, als Berufsanfänger keine leichte Sache. Eine verlagsseitige Leistung, die über Satz und Druck hinausging, gar einer „Betreuung“ gleichkäme, konnte ich nicht erkennen. Von daher hat mich das Urteil gefreut und läßt für künftige Publikationen hoffen. Gottlob bin ich nicht auf das Geld angewiesen, aber es erfüllt mich mit einer gewissen Genugtuung, dass ich zumindest diese wenigen Früchte meiner publizistischen Tätigkeit in Zukunft nicht mehr teilen muss…

  29. @H.N.

    Die Qualen mit Dissertationen, einen Fachverlag zu finden, der aufgrund des schmalen Absatzmarktes des Werkes gar keine Gewinne machen kann und konsequenterweise die Übernahme der Druckkosten fordert, sind lange und schlechte Tradition. Wir leben aber im Onlinezeitalter. Promotionsordnungen, die eine heutzutage noch wie zu Goethes Zeiten gedruckte Dissertationen in voller Kenntnis der anfallenden Druckkosten verlangen, sind veraltet und sollten geändert werden. Entweder sollte die Universität diese Kosten zurückerstatten oder aber die Abgabe in elektronischer (langzeitarchivierbarer) Form erlauben, inklusive Nutzungseinräumung für die Bibliothek, die dann mit print-on-demand eigene Druckexemplare nach Bedarf anfertigen lassen kann.
    Leider ist die Hoffnung auf VG-WORT-Ausschüttungen im wissenschaftlichen Literaturbetrieb oft übertrieben hoch. Das wird sich auch mit dem Urteil nicht entscheidend ändern.

  30. Kiffen Sie gern? Cannabis? Dann war der 9. März 1994 ein schlechter Tag für Sie.

    Die buchstabengtreue Auslegung von Gesetzen ist wirklich ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

    Erst gestern wurde deswegen der florierenden Drogenhandel eines Freundes durch einen Staatsanwalt mit zuviel Tagesfreizeit zugemacht.

    Diesem Staatsanwalt ging es neben dem ihm offenbar heiligen Prinzip der buchstabengetreuen Auslegung des Gesetzes, „noch nicht einmal“ um knapp zweieinhalbtausend Euro.

    Nun ist ein weiterer Baustein aus dem Fundament unserer Betäubungsmittellandschaft entfernt.

    Und ohne das Leistungsschutzrecht kann ich dann bald auch keine Bücher mehr konsumieren …

    Herr Keese, übernehmen Sie!

  31. Vielen Dank! Mich ärgert die einseitige Darstellung in der Presse enorm! Gerne wird vergessen, dass es z.B durchaus möglich bleibt, dass Verlage und Autoren sich über den Schlüssel einigen.
    Abgesehen davon ist der Kommentar von Frau Porombka voller falscher Vorstellungen davon, was Urheberrecht eigentlich ist.
    Hier meine Sicht als Brettspielautor: http://www.spielbar.com/wordpress/2016/05/01/15899

  32. Skandalträchtig erscheint an der öffentlichen Behandlung des Falles die Rolle des DPMA als u.a. für die Rechtsaufsicht über die VG Wort zuständiger Behörde. Angesichts des immensen Schadens, der den Urhebern verlegter Werke auf Grund der rechtswidrigen Verteilungspraxis der VG Wort entstanden ist sowie des Umstands, dass dies ab Ergehen des landgerichtlichen Urteils, spätestens mit Zurückweisung der Berufung durch das OLG München auch allgemein in der Öffentlichkeit bekannt geworden war, gilt die auch dafür, dass sich die zuständige Staatsanwaltschaft – wohl bis heute nicht – dazu berufen fühlt, die Notwendigkeit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die für diese Verteilung Verantwortlichen auch nur zu prüfen.
    Das gilt besonders auch für die nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils erfolgte Auszahlung von (Verleger-) Anteilen unter Vorbehalt. Wegen dieser Beträge wäre statt dessen eine Hinterlegung der vermeintlich den Verlagen zustehenden Anteile geboten gewesen. Glaubt man den Lobbyisten droht zumindest bei einigen Verlagen, dass die Rückforderung der Vorbehaltszahlungen durch die VG Wort sich als uneinbringlich erweisen wird; die drohende Insolvenz von Verlagen wird wortreich beschworen.
    Diese Gefährdung treuhänderisch gebundenen Vermögens war absehbar, da sich Niemand darauf verlassen konnte, dass die Vorbehaltsleistung nicht im allgemeinen Geschäftsbetrieb ge- und verbraucht sondern beim Zahlungsempfänger gesichert zurückgestellt werden würde.

    Wer sich an der Diskussion des Sachverhaltes beteiligt, sollte die Begründung des BGH- Urteils im Wortlaut lesen (siehe: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=6&nr=74554&pos=200&anz=592). Wer sich der Mühe unterzieht, kann als Werkurheber Hoffnung schöpfen, dass Alles nicht wieder so werden kann, wie es bis Ergehen des durch den Bundesgerichtshof bestätigten Urteils des LG München einmal gewesen ist. Der Urteilsleser versteht schnell, dass den Bestrebungen der Verlagslobbyisten zur schnellstmöglichen Begründung eines Leistungsschutzrechtes für Verlage nach den darin genannten europarechtlichen Vorgaben (vgl. Urteilsgründe Rz. 42 ff., 46 ff.) einen Riegel vorgeschoben ist. Das gilt auch für eine ganze Reihe weiterer Erwägungen, mit denen die Verleger offenbar im Wege künftiger Änderung des Urheber- und Verlagsrechts hoffen, zum nun „gekippten“ Verteilungsmodell im Ergebnis zumindest teilweise zurückzukommen. Durch etliche vom BGH zitierte Urteile des EuGH ist klar, dass eine Änderung der bestehenden Rechtslage nur dann möglich ist, wenn es den Lobbyisten gelingt, europarechtliche Grundlagen des deutschen Urheberrechts zu ändern, z.B.
    Rz. 46 :“ Die Mitgliedstaaten dürfen …. weder Rechtsvorschriften schaffen, wonach die Rechtsinhaber auf ihren Anspruch auf gerechten Ausgleich verzichten können, noch eine unwiderlegbare oder abdingbare Vermutung der Abtretung der den Rechtsinhabern zustehenden Vergütungsansprüche an Dritte aufstellen (vgl. EuGH, GRUR 2012, 489 Rn. 96 bis 109 – Luksan/van der Let),
    Rz. 48 am Ende: „Die Mitgliedstaaten dürfen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union den originär den Urhebern zustehenden gerechten Ausgleich nicht durch eine Beteiligung der Verleger schmälern.“,
    Rz 54″Verleger sind keine zugunsten der Urheber geschaffenen sozialen und kulturellen Einrichtungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union; sie sind mit solchen Einrichtungen auch nicht vergleichbar (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 11. Juni 2015 – C-572/13, juris Rn. 130 – Hewlett-Packard/ Reprobel). Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Verleger die Urheber durch die finanziellen Investitionen im Rahmen der verlegerischen Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes und entsprechende vorbereitende und begleitende Maßnahmen nicht zumindest indirekt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Genuss des ihnen vorenthalte-tenen Teils des gerechten Ausgleichs kommen lassen.“,
    Rz 60, 61 „Entgegen der Ansicht der Revision liegt darin, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG „zumindest die Urheber“ eine Vergütung für dieses Verleihen erhalten müssen, keine unionsrechtliche Grundlage für eine Beteiligung der Verleger an den Erlösen der Beklagten aus der Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche wegen des Verleihens eines Werkes durch eine der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG, die auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG entsprechend anwendbar ist.
    Die Verleger gehören nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG nicht zu den Inhabern des ausschließlichen Rechts nach Art. 1 dieser Richtlinie, die Vermietung und das Verleihen zu erlauben oder zu verbieten. Sie können daher keine Vergütung aufgrund der Ausnahme gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG erhalten, wenn dadurch den Urhebern die Vergütung, auf die sie aufgrund dieser Ausnahme Anspruch haben, ganz oder teilweise entzogen wird.“
    Rz 70 ff.: Darüber hinaus widerspräche es dem Unionsrecht, wenn die Bestimmung des § 63a Satz 2 Fall 2 UrhG dahin ausgelegt würde, dass sie einen originären Anspruch der Verleger auf pauschale Beteiligung an den Erlösen der Beklagten aus der Wahrnehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche begründet (vgl. oben Rn. 43 bis 57).“

    Auch weitere Details der Begrünung zum Verlagsvertragsrecht eröffnen wohl keinen, zumindest keinen einfachen Weg zurück.
    Das von Martin Vogel erstrittene Urteil ist eine Sternstunde für alle Urheber.

  33. @Mende das DPMA ist eine oberste Bundesbehörde und untersteht dem Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz, bei Kritik an der Aufgabenwahrnehmung ist es sicherlich möglich, sich an die Leitung der Behörden zu wenden.

    Der klagende Verlag will jetzt – zusammen mit dem Börsenverein – vor das Verfassungsgericht ziehen. Ich bin gespannt, wie die Argumentation da aussehen wird, weil Verlage, anders als Autoren, keinen Grundrechtsschutz geniessen.
    Quelle: http://publishingperspectives.com/2016/05/jessica-sanger-germany-copyright-court/

  34. @Mende: Ob das wirklich die erhoffte „Sternstunde für Urheber“ ist? Sternstunden sind bekanntlich sehr seltene Erscheinungen. A propos: Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass sich der sonst so umtriebige Geräteherstellerverband Bitkom mit Stellungnahmen zum Urteil sehr zurückhält?Die Geräteindustrie, von der ja bekanntlich der Großteil der VG Wort-Erlöse stammt, könnte versucht sein, die Gelegenheit zu nutzen und abwarten, bis die Solidargemeinschaft Autoren/Verlage endgültig Geschichte ist (die meisten Kommentare hier gehen ja eher emotionslos in diese Richtung ) und dann trocken darauf verweisen, dass die bisherigen Zahlungen für Urheber UND Verlage gedacht waren. Wenn zukünftig nur noch Urheber bedacht werden dürfen, tja, dann könnte man schon auf die Idee kommen, den bisherigen Verlegeranteil ganz zu streichen und den Autoren nur noch den bisher schon erhaltenen Autorenanteil zu bezahlen. Dann, die VG Wort als Interessenvertreter gegenüber der Industrie fällt ja nach diesem Szenario aus, können die Autorenverbände (welche sind das denn eigentlich?) das auf eigene Faust mit den Geräteherstellern ausfechten. Könnte sein, dass man sich dann die guten alten Zeiten wieder zurückwünscht, wo Autoren und Verlage an einem Strang zogen. Ist nur so ein Gedanke.

  35. @Rainer Dresen: Sie schließen das aus der Tatsache, dass Bitcom sich mit Stellungnahmen sehr zurückhält? Vor einem Monat (Ihr Kommentar #8 hier) schlossen Sie dasselbe noch aus der Tatsache, dass Bitcom sofort eine Stellungnahme abgegeben habe.

    Also: Was immer Bitcom macht oder nicht macht, es ist ein schlechtes Zeichen für die Urheber. (Hören Sie sich manchmal selbst beim Denken zu?)

    Meinen Hinweis, dass Martin Vogel auf genau diese Ihre Befürchtung schon eingegangen ist, haben Sie oben einfach ignoriert. Naja.

  36. @ Stefan Niggemeier: es heißt Bitkom, nicht Bitcom. Das nur, weil Sie ja der fröhliche Typ Oberlehrer zu sein scheinen. Aber ich gebe auf, zu versuchen, die hier von Ihnen geschürte Euphorie über Vogels Pyrrhussieg zu relativieren. Die Zukunft wird zeigen, ob es als Folge dessen irgendjemand besser gehen wird.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.