VG Wort

Presseverlage hoffen auf finanzielle Hilfe durch Journalisten

Die deutschen Journalisten sollen einen Teil ihrer Tantiemen, auf die sie rechtlich Anspruch haben, den Verlagen überlassen. Dazu will der Verband deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) sie drängen.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom Frühjahr, wonach Verlage jahrelang Geld von der Verwertungsgesellschaft Wort bekommen haben, das eigentlich den Urhebern zugestanden hätte. Die Verlage müssen dieses Geld nun für die vergangenen drei Jahre zurückzahlen. Sie hoffen aber, dass die VG Wort ein Verfahren organisiert, mit dem einzelne Urheber auf das ihnen zustehende Geld zugunsten des jeweiligen Verlages verzichten können.

Öffentlich diskutiert wurde das bislang nur bei Buchverlagen: Eine Reihe kleinerer Verlage gibt an, durch die fälligen Rückzahlungen in akute Existenznot gebracht zu werden. (Manche erwecken gerade den Eindruck, ohnehin eher gemeinnützige Einrichtungen als kommerziell agierende Unternehmen gewesen zu sein.) Einige Buchautoren wollen ihn gern helfen und dazu auf ihr Geld verzichten.

Die Presseverlage schienen von dieser Diskussion nicht betroffen. Doch dieser Eindruck trog. Das macht ein Beitrag von VDZ-Justiziar Dirk Platte in der VDZ-Zeitschrift „Print & more“ deutlich. Er schreibt darin:

Wie beim Urheber waren und sind die VG-Wort-Ausschüttungen auch bei den Verlagen Teil der Kalkulation. Sollten sie den Verlagen für die Vergangenheit und die Zukunft entzogen werden, müssen die Verlage diese Kalkulation überdenken. Schon aus dem sich hier heraus ergebenden Eigeninteresse sollte jeder Text- und Fotojournalist gut überlegen, ob er nicht doch seine Rückforderungsansprüche gegen die Verwertungsgesellschaften ab 2012 an die Verlage – für die er in diesem Zeitraum gearbeitet hat – abtritt. Ein dafür erforderliches Abtretungsformular wird es in Kürze geben.

Das liest sich wie eine Drohung: Wenn ihr nicht auf die Rückforderungen verzichtet, müssen wir leider die Honorare senken – oder Mitarbeiter entlassen.

Die VG Wort bestätigt auf Anfrage, dass ein von ihr geplantes Verfahren, mit dem Urheber ihre Ansprüche an Verlage abtreten können, für alle Verlage gilt – also auch für Presseverlage. Ein Vorschlag für ein solches Verfahren wurde bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im September von einer Sperrminderheit verhindert. Dabei war aber immer nur die Rede von Buchverlagen.

Die Presseverlage sind in der VG Wort in einer besonderen Situation: Das Geld, das sie aus Vergütungen für die Vervielfältigungen mit Druckern oder Speicher-Medien bekommen haben („Presserepro“) ging nicht an sie direkt, sondern an ihre Verbände, die damit Journalistenausbildung finanzierten. Dieses Geld müssen die Verbände nach Angaben der VG Wort in jedem Fall bis zum 30. November vollständig zurückzahlen.

Die Presseverlage haben aber auch Anteile von anderen Vergütungen, vor allem der Online-Nutzung von Pressetexten bekommen („Metis“). Auch dieses Geld steht ihnen nach dem BGH-Urteil nicht zu. Auf eine Rückzahlung dieser Erlöse könnten die jeweiligen Urheber, also die Journalisten, aber zugunsten der Verlage verzichten – wenn die nächste außerordentliche Mitgliederversammlung der VG Wort am 26. November ein entsprechendes Verfahren beschließt.

Dass nicht nur Buchautoren ihren Buchverlagen unter die Arme greifen sollen, zwischen denen oft ein enges, vertrauensvolles Verhältnis besteht, sondern auch Journalisten den Presseverlagen, war in der Öffentlichkeit bislang kein Thema. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ etwa hatte in ihrer Berichterstattung über die VG Wort das Gegenteil behauptet. Medienredakteur Michael Hanfeld hatte Freischreiber, den Verband der freien Journalisten, scharf kritisiert. Der Verband hatte sich gegen die Verrechnungsmöglichkeit ausgesprochen und sie mit einer Sperrminderheit verhindert. Hanfeld schrieb, die Freischreiber-Journalisten spielten sich für ein Thema auf, das sie „allenfalls indirekt“ etwas angehe. Die „Freischreiber“ träten „als vermeintliche Anwälte für eine Klientel auf, deren Interessen sie erkennbar nicht vertreten“. Hanfeld behauptete: „Die Presseverlage, welche die Gegner der VG Wort als vermeintliche Nutznießer des Verteilungsschlüssels ausgeben, sind bei alldem raus.“

Auch aus dem Verwaltungsrat der VG Wort hatte es geheißen, das Thema Abtretung betreffe die Presseverlage nicht.

Die Verlage selbst wissen es offenbar besser – und wollen sich das Geld, von dem sie meinen, dass es ihnen, wenn schon nicht zusteht, so doch zustehen sollte, von den Journalisten zurückholen.

Erstaunlicherweise scheint es dem VDZ aber nicht nur um das Geld aus den Online-Texten zu gehen, sondern auch um die Reprographie-Abgabe, bei der es laut VG Wort ein solches Verfahren gar nicht geben soll. VDZ-Justiziar Dirk Platte schreibt:

Die vielen festen und freien Journalisten, die für die Presseverlage arbeiten, haben die Möglichkeit, ihre Auszahlungsansprüche an die Verlegerverbände abzutreten, um den Fortbestand der Weiterbildungsangebote zu sichern.

Die Weiterbildungsangebote sind aber die, die bisher aus dem Verlegeranteil der Reprographie-Abgabe bezahlt wurden. Wegen des Wegfalls dieses Anteils hat der Zeitungsverlegerverband sein Bildungswerk bereits geschlossen.

Auf Nachfrage, ob man in Plattes Äußerungen eine Drohung lesen muss, dass Journalisten mit Honorarkürzungen rechnen müssen, wenn sie nicht auf die Rückzahlungen verzichten, antwortet der VDZ wolkig:

Der Artikel von Dirk Platte appelliert an den Zusammenhalt der verlegerischen und journalistischen Mitglieder in der VG Wort. Die Vertretung beider Gruppen ist die Stärke dieses Zusammenschlusses im Außenauftritt. Es liegt im Interesse aller Beteiligten mit den Folgen der Urteile behutsam umzugehen. Hierzu gehört es, Verfahren anzubieten, die die seit Jahrzehnten im Konsens bestehende Aufteilung der Reprographieabgabe beibehalten, um die Erlössituation der Beteiligten stabil zu halten.

Jedenfalls dann, wenn die Mitgliederversammlung der VG Wort in ihrer Sondersitzung am 26. November die so genannte Verrechnungslösung verabschiedet, gehen wir davon aus, dass es eine verbindliche Vorlage für eine Abtretungserklärung gibt – ähnlich wie bei der VG Bild-Kunst jetzt schon.

Der VDZ vermischt hier offenkundig unterschiedliche Themen: Die vorgeschlagene Möglichkeit, frühere Ansprüche zu verrechnen (aber nicht aus der Reprographie-Abgabe), mit einer zu beschließenden zukünftigen Neuverteilung. Verleger, VG Wort und Politik arbeiten bereits an Möglichkeiten, dass Verlage in Zukunft wieder Anteile aus den VG-Wort-Einnahmen bekommen. Offenbar will der VDZ aber über eine entsprechende rechtliche Änderung hinaus Druck auf Journalisten ausüben, auch auf ihnen zustehendes Geld mehr oder weniger freiwillig (aus „Eigeninteresse“) zu verzichten.

Auf der Mitgliederversammlung der VG Wort am 26. November soll sowohl die zukünftige Verteilung des Geldes, als auch die Rückabwicklung der Zahlungen an die Verleger beschlossen werden. Letzteres hätte eigentlich schon im September beschlossen werden sollen. Vor allem Mitglieder der Freischreiber hatten das verhindert – nicht zuletzt, weil der Vorschlag mit dem Verrechnungsverfahren erst zu Beginn der Sitzung bekannt wurde und die Zeit für eine genaue Prüfung fehlte.

Die Freischreiber waren dafür kritisiert worden – nicht nur von FAZ und „Süddeutscher Zeitung“, sondern auch den Mitgliedern anderer Berufsverbände und Berufsgruppen. Ein Vorwurf lautete, dass sie durch die Vertagung der Entscheidung eine schnelle Auszahlung der Tantiemen der vergangenen Jahre an die Urheber verhinderten.

Auch davon kann aber keine Rede sein. Die Vertagung hat, wie die VG Wort auf Nachfrage bestätigt, bislang nicht dazu geführt, dass sich das Verfahren verzögert. Nach wie vor sollen die Verlage das Geld in der Regel bis Ende November zurückzahlen. Eine Ausschüttung an die Urheber könnte dann Mitte 2017 erfolgen.

[Offenlegung: Ich bin Mitglied bei Freischreiber und habe im September für die Vertagung und gegen die geplante Verrechnungsmöglichkeit gestimmt.]

9 Kommentare

  1. Die Zeitungen benötigen also Zuschüsse zu ihren Druckkosten.
    Gibt es demnächst auch Druckkostenzuschusszeitungsverlage?

    Ich schreibe einen Artikel und bezahle eine Zeitung, dass sie ihn druckt?

    Völlig neues Geschäftsmodell, aber wenn normale Journalisten zu teuer sind…

  2. Ach ja, der Hanfeld…

    Die Frage, die sich mir stellt, ist die: Hat er gewusst, dass das, was er da behauptete, nicht stimmte, oder hat er es nicht gewusst?

    Wenn er es nicht gewusst hat, scheint er ungefähr so helle zu sein wie ein Stück Weißbrot im Ententeich.
    Sollte er es doch gewusst und trotzdem anderes behauptet haben, muss sich jeder selbst denken, zu was ihn das dann macht. Volker Pispers hatte da mal einen Vorschlag, den man sich selbst zusammenstückeln musste…

    Immerhin: Mit der FAZ ist er zumindest in beiden Fällen beim ideologisch richtigen Arbeitgeber.

  3. Als nächstes stellt sich dann die Frage,
    ob den Verlagen die Mitarbeiter dann bekannt gemacht werden, die netterweise gespendet oder nicht gespendet haben.
    Nur so halt, versteht sich.

  4. Ich bin inzwischen Mitglied geworden und kann damit gegen die Verrechnungsmöglichkeit stimmen. Arbeite gerade die Unterlagen durch :-)

  5. Zur Abstimmung kommt am 26.11. wohl exakt der Vorschlag, der am 10.9. keine Mehrheit fand. Er ist zumindest sympathisch, weil die Verleger dort einem anonymen Verfahren zustimmen und keinen Einblick erhalten, wer sich mit ihnen solidarisiert oder nicht. Sie selbst können nicht erklären, x oder y haben abgetreten. Das gilt aber nur für die Jahre 2012 bis 15, 2016 ist schon tricky. Da könnten die Verlage versuchen zuzulangen.
    Problematischer finde ich allerdings die Zukunftsaussichten. Offenbar waren die Vertreter der Urheber am 10.10. in den Gremien nicht in der Lage, auch nur einen Jota an Verbesserungen bei der Verteilung zwischen Verlag und Urheber herauszuholen und damit das Urteil zu Gunsten der Urheber auszulegen. Vor allem die völlig veraltete Wissenschaftsregel mit der Teilung 50:50, aber auch METIS, wo die Verleger 40% erhalten. Für das Setzen von Zählmarken!!!!

  6. Zumindest die Mitglieder des Deutschen Journalistenverbandes und die von ver.di sollten der Aufforderung des VDZ Folge leisten. Denn diese Verbände haben während des gesamten Rechtsstreits mit der VG Wort, der den Autoren nun einen finanziellen Zuwachs beschert, massiv – meist unter der Gürtellinie – gegen meine Klage polemisiert, damit Verlegern, Presseverleger eingeschlossen, weiterhin bis zu 50 Prozent an den allein den Autoren zustehenden Vergütungen beteiligt werden können. Pikanterweise waren es gerade diese Verbände, die auf der Mitgliederversammlung der VG Wort vom 10.9.2016 wegen der Verzögerung der Nachausschüttungen am lautesten die Journalisten des Freischreibers angriffen, weil diese sich eine längere Bedenkzeit zur Überprüfung der zu Beginn der Versammlung vorgelegten Beschlussvorlagen des Vorstandes vorbehalten wollten – zu Recht, wie ein sorgfältiger Blick in die zur Abstimmung gestellten Texte zeigt.
    Wenn jetzt von Seiten des DJV so vehement eine schnelle Auszahlung gefordert und das Ansinnen der Presseverlage zurückgewiesen wird, ist das nichts anderes als das, was Gewerkschaften sonst nachhaltig anprangern: Trittbrettfahrerei. Verbände, die so handeln, sollten ihren Mitgliedern offen sagen, dass sie unter Vernachlässigung von deren Interessen stets die Einführung einer gesetzlichen Verlegerbeteiligung am Aufkommen der allein den Urhebern zustehenden Vergütung befürwortet haben. Sie sollten ihren Mitgliedern auch sagen, dass diese Vergütungen in Zukunft wieder halbiert werden, und warum die Verleger das Geld eher benötigen als ihre in prekärer wirtschaftlicher Lage befindlichen Urheber.
    Wer die Auffassung dieser Verbände teilt, sollte auf die Nachforderung gegenüber der VG Wort zugunsten der Presseverlage verzichten. Denn was mit Zustimmung der Gewerkschaften den Presseverlagen morgen zustehen soll, sollte ihm konsequenterweise heute nicht versagt werden. Wer hingegen mit dem BGH der Auffassung ist, dass den Urhebern die gesetzliche Vergütung vollständig zusteht, sollte solche Verbände, die mit allem Einsatz gegen die Interessen ihrer Mitglieder agiert haben, verlassen. Die Interessen der Verbandsfunktionäre, die in der Vergangenheit die Veruntreuung von allein den Urhebern zustehenden Millionenbeträge mit zu verantworten haben, sind eben nicht die Interessen der Mitglieder dieser Verbände.
    Nun versuchen DJV und ver.di ihr Versagen zu bemänteln, indem sie ihren Mitgliedern weiszumachen versuchen, die Zustimmung zur gesetzlichen Einführung der Verlegerbeteiligung im Tausch gegen geringfügigen Korrekturen des geplanten Urhebervertragsrechts sei ein großartiger politischer Deal. Nur: gesetzliche Vergütungsansprüche, die dem Urheber, und allein dem Urheber, – verfassungsrechtlich abgesichert – zustehen, sind keine Handelsware. Auf sie können Funktionäre zulasten der von ihnen vertretenen Urheber auch nicht zum Teil verzichten, schon gar nicht, wenn, wie nun im Gesetzentwurf der Großen Koalition vorgesehen, Europäisches Recht verletzt wird.
    .

  7. Die ganze Angelegenheit wird langsam zum Tollhaus. Da fordert unsere Kulturstaatsministerin nun Steuergeld für Verlage, die unter Vorbehalt gezahlte Mittel nicht zurückzahlen können. Mhhh, ich frage mich, ob sie auch Autoren unterstützt, die die Umsatzsteuer auf die Auszahlung wegen der miesen Honorare für ihren Lebensunterhalt ausgeben mussten und nun nicht in der Lage sind, diese an das Finanzamt weiter zu leiten.
    Wo bleibt der Aufschrei? Von allen in der VG Wort, die der Auszahlung an die Verlage trotz der ersten Urteile von 2012 zugestimmt haben? Und damit das Geld der Autoren riskierten?

    Und Zugeständnisse beim Urhebervertragsrecht. Die CDU/CSU hält sich für Harry Potter und ihren Entwurf für den Stein der Weisen. Dass es keine oder kaum nennenswerte Zugeständnisse geben wird, hat der DJV heute nun selbst beklagt.

    Offenbar hätten sie mal Herrn Burda zuhören sollen, der je nun endlich mal öffentlich den unternehmerischen Fehler eingestand, die Inhalte der Verlage kostenlos im Netz publiziert zu haben. Jeder Bäcker, der seine Brötchen an der nächsten Ecke verschenkt, wäre heute pleite – auch weil er Mindestlohn zahlen müsste. Im deutschen Journalismus ist mittlerweile hoffähig, dass Verlage sich auf Kosten der Freien sanieren – und nun darf die unabhängige vierte Gewalt auf Staatsknete hoffen!!!

  8. Platte sagt: »…gehen wir davon aus, dass es eine verbindliche Vorlage für eine Abtretungserklärung gibt – ähnlich wie bei der VG Bild-Kunst jetzt schon.«

    Dies ist falsch. Es gibt keine Abtretungserklärung, die die VG Bild-Kunst ihren Mitgliedern zur Verfügung stellt. Es wird sie auch nicht geben.

  9. Ich frage mich eh, wie das steuerrechtlich aussieht. Wenn ich zugunsten anderer auf mir zustehendes Einkommen verzichte, so muss ich das Einkommen dennoch vollständig versteuern – der Verzicht ist ja mein Privatvergnügen und kann wohl kaum steuermindernd geltend gemacht werden (Ausnahmen gibt es zwar für z. B. Unterhaltszahlungen und bestimmte Spenden an z. B. Parteien, aber meines Wissens nicht zugunsten von Verlagen – oder sind die jetzt auch gemeinnützig?). Oder wie würde sich so ein Verzicht (also z. B. eine Abtretung wie hier geplant) sonst auswirken? Oder sehe ich hier Probleme, wo gar keine sind, und das ist alles ganz einfach?

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