Anzeigentabu

Die Linke darf bei Axel Springer trinken, aber nicht werben

Dürfen Zeitungen Wahlwerbung der AfD bringen? Bei der Madsack-Mediengruppe, die 15 regionale Tageszeitungen verlegt, führte die Frage in der vergangenen Woche zu einem Gesellschafterstreit. Die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft der SPD, der gut 23 Prozent von Madsack gehören, war nicht damit einverstanden, dass der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ) und der „Neuen Presse“ mehrseitige Werbeprospekte der Partei beilagen. Darüber berichtete „Spiegel Daily“. Die HAZ brachte schließlich eine redaktionelle Erklärung, in der es hieß:

Die Meinungsfreiheit ist die Grundlage unserer Demokratie. Wer sich auf die Meinungsfreiheit beruft, kann sie Andersdenkenden nicht verwehren. Deshalb wäre es falsch, Wahlwerbung von Parteien abzulehnen, die sich nicht (wie etwa die NPD) eindeutig verfassungsfeindlich positionieren.

Journalisten anderer Verlage widersprachen. „Tagesspiegel“-Chefredakteur Lorenz Maroldt twitterte:

Beim Tagesspiegel machen wir keine Geschäfte mit einer Journalismus-feindlichen Partei wie der AfD. Hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun.

Eine besondere Position, was die Grenzen der Toleranz beim Anzeigengeschäft angeht, nimmt allerdings Axel Springer ein. Der Verlag lehnt nicht nur Werbebuchungen von der AfD, sondern auch von der Linken ab.

Das hat Tradition. Im vorigen Bundestagswahlkampf 2013 gelangte eine interne Parteien-Auflistung an die Öffenlichkeit, deren Wahlwerbung „in jedem Fall abgelehnt“ werden solle. Darauf standen die Parteien, die dem Springer-Konzern zu „extremistisch“ waren, darunter „Die Rechte“, NPD und Republikaner auf der einen, MLPD, DKP und KPD auf der anderen Seite des politischen Spektrums. (Die KPD ist seit 1956 verboten.) Auch die Linke war für Springer jenseitig; sie wurde als „sozialistisch, teilweise linksextremistisch“ eingeordnet.

Die damals junge AfD hatte der Verlag noch nicht abschließend beurteilt: „Über die grundsätzliche Behandlung der Partei wird noch entschieden.“

Und diesmal? Auf Anfrage teilt Springer mit: „Wir lehnen Parteianzeigen dann ab, wenn sie gegen geltendes Recht oder die Grundsätze von Axel Springer verstoßen oder die betreffende Partei unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Deshalb veröffentlichen wir keine Wahlwerbung von AfD und LINKE.“

Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen beide Parteien an sich nicht. Innenminister Thomas de Maizière verkündete 2014, dass keine Bundestagsabgeordneten der Linken mehr beobachtet werden. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht sind lediglich einige Mitgliederzusammenschlüsse als extremistisch aufgeführt. Die AfD kommt nicht gesondert vor; der bayerische Verfassungsschutz beobachtet nach eigenen Angaben aber einzelne Personen in der Partei.

Im Falle der Linken erscheint es zumindest verwunderlich, dass die Partei offenbar gegen diese Grundsätze verstößt, die beiden Spitzenkandidaten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch aber von „Bild“ zu „Deutschlands Top 100“ gezählt werden, mit denen sich das Blatt gerne schmückt. Beide waren Anfang des Monats bei der gleichnamigen „Bild“-Veranstaltung zu Gast.

Ausriss: „Bild“

Dazu erklärt die Pressestelle von Springer: „Als journalistisches Haus ist es für uns selbstverständlich, über alle relevanten Parteien zu berichten oder Vertreter dieser Parteien zu Veranstaltungen einzuladen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung ist uns wichtig, auf Anzeigenerlöse verzichten wir aber.“

Die Linke reagiert entspannt auf den Anzeigen-Boykott. Die Partei schalte „in Ermangelung der für uns wichtigen Zielgruppen“ sowieso keine Anzeigen in Springer-Produkten, teilt die Pressestelle mit.

5 Kommentare

  1. „Die Partei schalte „in Ermangelung der für uns wichtigen Zielgruppen“ sowieso keine Anzeigen in Springer-Produkten, teilt die Pressestelle mit.“

    Das ist eine kühne These. Ich würde mal naiv behaupten, die Zielgruppe der Bild sind gerade die wutbürgerlichen Wähler der Linken sowie der AfD, je nachdem, was gerade gut ankommt.

  2. Ich nehme an, dass sollte auf Diplomatensprache heißen: „Wir wollen nicht von BILD-Lesern* gewählt werden.“ oder „Proletarier ja, aber so prollig nun auch wieder nicht.“
    Und generell ist BILD eher rechts als links.

    * Mir ist klar, dass Springer mehr als BILD macht, und der Linken wohl auch, aber SO formuliert wäre das ja nicht mehr diplomatisch.

  3. „„Tagesspiegel“-Chefredakteur Lorenz Maroldt twitterte:
    Beim Tagesspiegel machen wir keine Geschäfte mit einer Journalismus-feindlichen Partei wie der AfD. Hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun.“

    Das ist ziemlicher Unsinn. Ist man „journalismusfeindlich“ wenn man eine durchgängige Anti-AfD Berichterstattung kritisiert?
    Natürlich kann jede Zeitung selber entscheiden von wem sie Anzeigen annimmt, aber es hat schon etwas mit Meinungsfreiheit zu tun, wenn zusätzlich im redaktionellen Bereich die Aussagen einer Partei entweder nicht gebracht werden, oder nur ablehnend-einseitg darüber berichtet wird.
    Der frühere Bild Chefredakteur Dieckmann hat in der Dokumentation „Nervöse Republik“ ja ganz offen zugegeben, die AfD „zu bekämfen“. Das in Verbindung mit dem Bild-Anzeigenboykott spricht nicht für guten Journalismus, sondern für Meinungsjournalismus mit Journalisten, die sich als politische Akteure verstehen.
    Wobei ich von der Bild-Zeitung aber ohnehin nicht gerade einen besonders guten Journalismus erwarte…..

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