Verfahren gegen Ringier

Wenn die Verletzung von Persönlichkeitsrechten kein gutes Geschäft mehr ist

Exklusiv für Übonnenten

An Heiligabend vor zehn Jahren machte die Schweizer Boulevardzeitung „Blick“ mit einer süffigen Exklusivgeschichte auf. „Sex-Skandal um SVP-Politiker“, titelte sie und fragte neben den Fotos des Mannes und der Grünen Kommunalpolitikerin Jolanda Spiess-Hegglin: „Hat er sie geschändet?“

Es war der Auftakt einer beispiellos ausufernden Berichterstattung in den Schweizer Medien, in der intimste Details öffentlich ausgebreitet wurden und Spiess-Hegglin sich über Jahre heftigen Spekulationen, Unterstellungen und Verleumdungen ausgesetzt sah. In den sozialen Medien wurde sie anhaltend beschimpft, beleidigt und bedroht. Was in der Nacht vom 20. Dezember 2014 nach einer Feier in einem Restaurant in der Stadt Zug wirklich geschah und unter welchen Umständen es zum sexuellen Kontakt zwischen dem rechten Politiker und der grünen Politikerin kam, ist bis heute ungeklärt – beide sagen, sie könnten sich nicht erinnern, womöglich waren K.O.-Tropfen im Spiel, womöglich ein weiterer unbekannter Mann.

Was aber geklärt ist: Große Teile der Berichterstattung, nicht nur im „Blick“, sondern auch ihn anderen Medien, verstießen massiv gegen das Persönlichkeitsrecht von Spiess-Hegglin. Sie ist nicht selbst mit dem Fall an die Öffentlichkeit gegangen; sie hat der Veröffentlichung nicht zugestimmt; sie hat den SVP-Politiker nicht beschuldigt.

Seit fast zehn Jahren kämpft sie gegen die Berichterstattung. Das scheint zeitweise ein Vollzeit-Job zu sein. Sie hat zahlreiche juristische Erfolge gegen verschiedene Medien erzielt. Ein „Weltwoche“-Redakteur, der ihr unterstellte, eine Vergewaltigung erfunden zu haben, um einen Seitensprung zu erklären, wurde wegen übler Nachrede verurteilt. Marc Walder, der Geschäftsführer des Medienkonzerns Ringier, der den „Blick“ herausgibt, hat sich öffentlich bei ihr entschuldigt.

Und nun, knapp zehn Jahre nach dem ersten Artikel, dem alleine im „Blick“ über 150 weitere folgten, hofft sie auf einen besonderen juristischen Sieg: Ringier soll dazu verurteilt werden, die Gewinne herauszugeben, die das Unternehmen mit widerrechtlichen Berichten über sie erzielt hat. Am heutigen Mittwoch findet vor dem Kantonsgericht in Zug die Verhandlung statt.

Spiess-Hegglin kämpft dafür, dass mit Medienopfern kein Geld mehr gemacht werden kann. Das ist auch hierzulande ein Wunsch, den viele teilen, die es schwer hinzunehmen finden, dass der Preis dafür, die Rechte von jemandem zu verletzen, regelmäßig nicht so hoch ist wie der Gewinn, der dadurch erzielt wird. In der Schweiz ist die Gesetzeslage besonders günstig, um das durchzusetzen.

Intime Details

DNA-Analyse belegt "Kontakt im Intimbereich"
Ausriss: „Blick“

Es geht in dem Verfahren beispielhaft um vier Artikel aus den Jahren 2014 und 2015:

  • Unter der Überschrift „Sex-Skandal in Zug: Alles begann auf der ‚MS Rigi‘“ schilderte der „Blick“ die von anderen beobachtete Annäherung zwischen den beiden Politikern und spekulierte über ein Sexualdelikt. „Beschreib…

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