Die „Schwäbische Zeitung“ auf Kollisionskurs mit dem Pressekodex
Claudia Paganini ist Philosophie-Professorin und Sprecherin der Fachgruppe Kommunikations- und Medienethik in der Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Sie hat also schon zahlreiche medienethische Fragen gewälzt, zum Beispiel viel über Reality-TV geforscht, ein medienethisches Minenfeld. Über einen Beitrag, den die „Schwäbische Zeitung“ im Mai veröffentlichte, sagt Paganani allerdings: „Der Artikel lässt mich als Medienethikerin fast ratlos zurück.“
In dem Beitrag geht es um eine Turnerin, die im Alter von 16 Jahren an einer Lungenembolie verstarb. Der Presserat hat der „Schwäbischen“ im September deswegen eine Rüge erteilt, es ist bereits die dritte in diesem Jahr.
Die zentralen Sätze des Textes lauten:
- „Eine Lungenembolie kann Folge einer Corona-Erkrankung sein.“
- „Allerdings ist derzeit nicht bekannt, ob und und wenn ja wann (…) sich (die Verstorbene) mit Corona infiziert hatte.“
- „Auch die Corona-Impfung kann eine Lungenembolie zur Folge haben.“
- „Ob – und wenn ja mit welchem Vakzin – die 16-jährige Sportlerin geimpft war, wurde bislang nicht gesagt.“
Das ist ungefähr so, als würde man bei einer Person, die an einem Herzinfarkt gestorben ist, die Risikofaktoren aufzählen, die zu so einem Tod führen können – und dann anfügen: Ob diese Faktoren auf die verstorbene Person zutreffen, wissen wir aber nicht.
Der Presserat begründet die Rüge damit, dass die Zeitung „über die Hintergründe des Todesfalls spekulierte und damit potenziell das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex schädigte“. Außerdem verstoße die Redaktion „mit ihren Vermutungen“ gegen Ziffer 2, die journalistische Sorgfaltspflicht, wozu Recherche unverzichtbar gehört, und die „Grundsätze der Medizinberichterstattung“ nach Ziffer 14 des Pressekodex. Die ausführliche Begründung der Rüge hat der Presserat noch nicht veröffentlicht.
„Dekontextualisierung“ von Fakten
Claudia Paganini sagt, der „Schwäbische“-Artikel sei „in höchstem Maße irreführend“, und es sei besorgniserregend, dass „kein Gespür für journalistische Arbeit“ zu erkennen sei. Bei manchen medienethischen Streitfragen könne man die Position der anderen Seite zumindest nachvollziehen; das sei hier nicht der Fall.
Typisch für den Text ist die „Dekontextualisierung“ v…
Tach. Da hat sich eine kleiner Fehler eingeschlichen. Der Link zu „Zeit Online“ geht auch zu Medieninsider. Ich nehme an, ihr wolltet hierhin: https://www.zeit.de/kultur/2024-10/schwaebische-zeitung-afd-querdenker-lokaljournalismus-nordkurier, oder?
Ja, genau. Danke für den Hinweis!
Das klingt ein bisschen nach einem KI fail. Mir sind in letzter Zeit öfter Artikel in verschiedenen Medien aufgefallen, in die random Fakten eingestreut waren, die mit dem Kern des Artikels nichts zu tun hatten (aber durch einen Begriff aus dem semantischen Feld ausgelöst waren, wie hier zum Beispiel „Lungenembolie“ und „Corona“). Leider habe ich kein Beispiel, weil die sinnlosen Passagen meist ein paar Stunden später heimlich herausgelöscht werden, wenn es doch mal einem Menschen auffällt…. Zum Beispiel stand mal in einem
Beitrag des rbb zur Festnahme am Flughafen BER eines Mannes, der seine Frau gerötet hatte (August 24) ein Absatz über die Verzögerungen beim Bau des BER (wurde kurz danach gelöscht).
*getötet haben soll – muss das korrekt heißen, sorry
@Andrea #3: In diesem Fall muss man leider von bewussten Formulierungen ausgehen. Aber was Sie beschreiben, ist tatsächlich interessant: Wir hatten das mal an einem Beispiel von Focus Online aufgeschrieben: https://steadyhq.com/de/uebermedien/posts/e388b102-c85c-4caa-8612-04b7dd2c20ca
Deutlicher kann man es eigentlich nicht mehr sagen: Querdenker, Schwurbler etc kommt her, hier habt ihr eine Zeitung mit der ihr eurem Käse einen, auf den ersten Blick seriösen Anstrich geben könnt.
Es ist wirklich bedauerlich dass man anscheinend keine ernstzunehmenden Konsequenzen mehr fürchten muss (zb Einbruch der Auflage weil die Leser fortgehen) wenn man seine Zeitung zum Dummlaberblatt umfunktioniert.