Der Autor
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
Peter Maffay lebt. Vielleicht muss man das als erstes klarstellen, denn auf Nachrichtenseiten findet sich gerade wieder diese Anzeige, die das Gegenteil nahezulegen scheint:
Wer den Fehler macht, darauf zu klicken, kommt zu einer Seite, die sich als „Tagesschau“ ausgibt, und immerhin nicht behauptet, dass Peter Maffay gestorben ist. Stattdessen behauptet sie, dass Peter Maffay von der Deutschen Bundesbank verklagt wird, weil er in der Talkshow von Markus Lanz versehentlich sein Handy so in die Kamera gehalten hat, dass man die Internetseite sehen konnte, mit der man mit einem Zeitaufwand von nur 20 bis 30 Minuten täglich Tausende von Euro verdienen kann. Minutiös wird der vermeintliche Dialog zwischen dem staunenden Moderator und dem cleveren Musiker nacherzählt, in dem Maffay berichtet, dass er nur 250 Euro in dieses Programm investieren musste, das ihm nun jeden Tag Zehntausende einbringe, sogar im Schlaf.
(Sicherheitshalber nochmal der Hinweis: All das ist nie passiert.)
Maffay habe dann für Lanz in der Sendung freundlicherweise gleich ein Konto eingerichtet, und der habe nur 20 Minuten später schon 184 Euro Nettogewinn gemacht, ohne irgendetwas tun zu müssen. Daraufhin habe dann die Bundesbank angerufen und aufgefordert, die Live-Sendung zu stoppen und zurückzuziehen.
Der Autor des Artikels konnte den „Markus Lanz“-Regisseur aber angeblich davon überzeugen, ihm eine Kopie der Aufnahme zu geben. Man müsse nun aber schnell den Wunder-Link von Peter Maffay benutzen, weil dieser Artikel womöglich auch schnell wieder gelöscht werde. „Die Mächtigen Leute in Deutschland wollen nicht, dass der normale Bürger so leicht Geld verdient“, heißt es weiter, aber: „TAGESSCHAU meint JEDER sollte das Recht haben und diese Möglichkeit nutzen können.“
Nach einem Test urteilt die, nun ja, Redaktion:
„Wie wir bei TAGESSCHAU sind Sie vielleicht ein wenig skeptisch, was das Geld verdienen System im Internet angeht. Mittlerweile sind alle begeistert und wir können nur jedem empfehlen diesen Test zu starten.“
Das ist alles, zugegeben, nicht ganz unlustig, und die Fälschung ist an manchen Stellen geradezu rührend liebevoll halbprofessionell gemacht. (Hier als PDF komplett.) Man sieht in einem Screenshot sogar scheinbar, wie Markus Lanz sein Mobiltelefon übergibt, auf der Maffay ihm die Geld-Zauber-App installiert.
Gleichzeitig ist diese Betrugsmasche ein riesiges Ärgernis. Sie wirbt für angeblich „seriöse“ Broker – eine Beschreibung, der viele Nutzer im Internet vehement widersprechen und Praktiken beschreiben, die exakt so seriös sind wie diese Art der betrügerischen Werbung. (Kurz gesagt: Man ist sein Geld schnell los, kriegt es schwer wieder, soll noch mehr geben und wird telefonisch belästigt.)
Ein Ärgernis ist es natürlich unmittelbar für Peter Maffay und Markus Lanz, deren Persönlichkeitsrechte in krasser Weise verletzt werden; Lanz hat im vergangenen Jahr mal erzählt, wie oft er von Leuten angesprochen werde, die eine ähnlich gemachte Fake-Seite für wahr hielten, die behauptete, er sei verhaftet und mundtot gemacht worden. Ein Ärgernis ist es auch für die „Tagesschau“ und das ZDF. Vor allem ist es aber ein Ärgernis für Leute, die auf solche Betrugsmaschen hereinfallen.
Es scheint außerordentlich schwer zu sein, die Verantwortlichen zu belangen. Diese konkrete Masche mit Peter Maffay bei Markus Lanz läuft seit Monaten, aber sie ist nur eine von vielen Versionen, die seit Jahren im Umlauf sind.
Die Seiten, zu denen die Werbeanzeigen führen, sind wechselnde Attrappen. Sie geben sich unter entsprechenden URLs zum Beispiel als Händler von Saunahäusern oder Deckenlichten aus – mit täuschend echt wirkendem Text und Stockbildern. Diese falschen, aber harmlosen Inhalte werden dann, während die Anzeigen laufen, gegen die Täuschungsseiten zum Beispiel im Look der „Tagesschau“ ausgetauscht. Wenig später ist davon unter diesen Adressen nichts mehr zu sehen, es erscheint wieder die Sauna- oder Deckenlicht-Händler-Seite. Wer diese Seiten aus dem Ausland ansteuert, bekommt die für den deutschen Markt gemachten Fake-Seiten teilweise gar nicht zu sehen – vermutlich auch das Teil der Tarnung.
Auch die Namen der Anlegerangebote, für die so geworben wird, ändern sich immer wieder. Und wer nach ihnen googelt, bevor er Geld überweist oder seine Telefonnummer angibt, wird nicht unbedingt schlauer: Eine Internet-Suche nach diesen Firmen findet oft Adressen, die sich als kritischer Verbraucherjournalismus ausgeben, aber offenkundig ihrerseits auch nur dazu dienen, eine falsche Seriosität dieser Angebote zu suggerieren.
Wenn es schon nicht gelingt, diese krummen Geschäfte selbst zu stoppen, warum ist es nicht wenigstens möglich, deutsche Mediennutzer vor der irreführenden Werbung zu schützen? Über die Anzeigen mit Maffay bin ich nicht in irgendwelchen dunklen Ecken des Netzes gestolpert, sondern bei der „Welt“ und „Der Westen“ (okay, halbdunkle Ecken). Ähnliche Anzeigen finden sich immer wieder fast überall, zum Beispiel im „Spiegel“.
Große Medien garantieren ihren Werbekunden, dass sie mit ihren Anzeigen nicht in irgendwelchen schmuddeligen Umfeldern auftauchen, die dem Image ihrer Marke schaden können, „Brand Safety“ nennt sich das. Warum können sie nicht umgekehrt dafür sorgen, dass ihr Publikum zuverlässig vor solchen betrügerischen Werbepraktiken geschützt wird? Auch im eigenen Interesse, denn solche Anzeigen färben auch auf das Image des Mediums ab, das sie offenkundig zulässt.
Die Antwort auf diese Frage ist unbefriedigend: Beim „Programmatic Advertising“ werden je nach Profil des Nutzers unterschiedliche Anzeigen ausgespielt. Kaum ein Medium kann oder will auf die Erlöse aus diesen nicht selbst vermarkteten Anzeigen verzichten. Das Geschäft und die Abwicklung übernehmen riesige internationale Werbenetzwerke. Die Medien selbst haben nur wenig Einfluss darauf, welche Anzeigen angezeigt werden, und die Möglichkeiten, bestimmte Adressen oder Absender zu sperren, werden durch das Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel der Betrüger erschwert. Torsten Kleinz hat das Geschäft vor einiger Zeit im „Spiegel“ ausführlich erklärt.
Aber es gibt jemanden, der etwas dagegen tun könnte: Google. Das Unternehmen, das weltweit mehr als ein Viertel aller Erlöse aus Digitalwerbung macht. Der Internetriese könnte nicht nur theoretisch etwas gegen solche Werbung tun, sondern auch praktisch. Er hat sogar die Mittel dazu eingeführt. Er nutzt sie nur nicht.
Zu jeder Anzeige, die über Google ausgespielt wird, kann man sich seit einiger Zeit Informationen anzeigen lassen: im „Ads Transparency Center“. Nutzt man das, findet man die Information:
„Zur Verifizierung von Google müssen Werbetreibende ein Überprüfungsverfahren zur Identitätsbestätigung durchlaufen. Dazu müssen Name und Standort des Werbetreibenden mit amtlichen Dokumenten nachgewiesen werden.“
Beim flüchtigen Lesen könnte man denken, Werbetreibende müssten dieses Verfahren durchlaufen, um auf Google werben zu können. Sie müssen dieses Verfahren aber nur durchlaufen, um verifiziert zu werden. Lassen sie sich nicht verifizieren, können sie trotzdem werben, solange sie nicht von Google aus irgendwelchen Gründen dazu aufgefordert werden.
Über den Werbekunden, der hinter der betrügerischen Maffay-Anzeige steckt, weiß Google allem Anschein nach nichts außer den Namen des Unternehmens, den dieser Kunde angegeben hat – und der entweder stimmt oder nicht stimmt. „Der Werbetreibende hat seine Identität noch nicht bestätigt“, steht da, und trotzdem wirbt er schon auf Google. Wenn Nutzer oder Medien die Werbung als Betrug melden, löscht Google die Anzeige und sperrt womöglich den Werbetreibenden – bis er sich mit einer neuen Identität anmeldet, die dann im Zweifel auch nicht überprüft wird.
Auf meine Frage, warum Google Anzeigen von Kunden zulässt, die sich nicht identifiziert haben, antwortet mir ein Sprecher:
„Der Schutz unserer Nutzer:innen hat für uns oberste Priorität. Wir haben strenge Anzeigenrichtlinien, die festlegen, welche Arten von Anzeigen und Werbetreibenden wir auf unseren Plattformen zulassen. Wir setzen unsere Richtlinien rigoros durch, und wenn wir Anzeigen finden, die dagegen verstoßen, entfernen wir sie. Wir investieren kontinuierlich beträchtliche Ressourcen, um bösartige Akteure zu stoppen, und wir evaluieren und aktualisieren unsere Richtlinien und verbessern unsere Technologie, um unsere Nutzer:innen zu schützen.“
Das ist als PR-Wortgeklingel ganz eindrucksvoll, aber klärt nichts. Die Google-Pressestelle schickt noch ein paar Hintergrundinfos mit, in denen erzählt wird, dass es sich um ein Katz-und-Maus-Spiel handele, bei dem die Gegner auf die verbesserten Schutzmaßnahmen von Google mit immer ausgefeilteren Strategien und Täuschungen im großen Stil reagierten: So würden gleichzeitig tausende Accounts angelegt oder dem System andere Anzeigeninhalte angezeigt als den Nutzern. „Cloaking“ heißt der Fachausdruck für dieses Verschleiern der wahren Inhalte und das Vorgaukeln falscher Tatsachen.
2023 habe Google über 5,5 Milliarden Anzeigen blockiert oder entfernt und über 12,7 Millionen Konten von Werbetreibenden „wegen schwerwiegender Verstöße gegen unsere Richtlinien“ gesperrt, heißt es im jüngsten „Ads Safety Report“ der Firma. Details, wie die Schutzsysteme funktionieren, will man nicht bekanntgeben, weil solche Informationen von den Gegenspielern oft ausgenutzt würden, aber es handele sich um eine Mischung aus menschlichen Überprüfungen und automatisierten Systemen.
2020 hat Google das Verifikations-Programm gestartet, das von Werbekunden angeblich verlangt, Angaben über ihr Geschäft zu dokumentieren. Es werde schrittweise eingeführt, heißt es, und irgendwann einmal, am Ende, würden es alle Werbekunden durchlaufen müssen. Bei bestimmten, besonders gefährdeten Themen und Regionen, müssten Unternehmen sich auch jetzt schon verifizieren lassen, um werben zu können.
Aber für alle gilt das eben noch nicht. Auch vier Jahre nach der Einführung dieses Programmes noch nicht.
Wie kann das sein? Warum macht Google nicht die Verifikation zur Pflicht? Was ist das Problem?
Auf meine nochmalige Nachfrage bei Google bekomme ich zur Antwort:
„Das Überprüfungsverfahren, das wir 2020 eingeführt haben, wird weiter ausgerollt – auch in Deutschland.“
Die Pressestelle schickt auch nochmal einen Link mit zu einer Seite, auf der Google detailliert erläutert, welche Art von Anzeigen sie nicht erlauben, darunter auch Clickbait-Taktiken. Aber die Richtlinien sind ja nicht das Problem. Das Problem ist, dass Google sie nur lückenhaft durchsetzen kann, solange Werbetreibende sich nicht identifizieren müssen.
„Wir möchten, dass Nutzer fundierte Entscheidungen im Hinblick auf die Anzeigen und Werbetreibenden treffen können, die sie auf Google sehen. Das bedeutet, für die Nutzer muss transparent dargestellt werden, wer unsere Werbetreibenden sind, wo sie ansässig sind und welche Anzeigen sie präsentieren. Wir erzielen mit diesen Seiten keinerlei Einnahmen.“
Es muss transparent dargestellt werden – es wird aber nicht dargestellt.
Google schreibt:
„Google setzt sich für ein sicheres und vertrauenswürdiges Werbesystem für alle ein. (…) wir überprüfen die Identität von Werbetreibenden (…).“
Wer würde ahnen, dass damit nicht gemeint ist, die Identität aller Werbetreibenden zu überprüfen.
Oder die Google-Formulierung:
„Wir möchten Nutzern eine sichere, vertrauenswürdige Werbeumgebung bieten und die Einhaltung neuer Vorschriften ermöglichen. Aus diesem Grund müssen Werbetreibende ein oder mehrere Überprüfungsverfahren durchlaufen.“
Nicht alle.
In einem Blog-Eintrag zum Start des „Ads Transparency Centers“ schrieb Google:
„2020 (…) haben wir ein globales Programm zur Überprüfung von Werbetreibenden eingeführt. Danach müssen Google-Werbetreibenden Informationen über ihr Unternehmen, ihren Standort und die von ihnen verkauften oder beworbenen Produkte verifizieren.“
Nur die, die an diesem Programm teilnehmen.
Google ist davon überzeugt, dass es hilft, wenn Werbetreibende sich identifizieren müssen. Google ist auch davon überzeugt, dass es hilft, besorgten Nutzern zu erzählen, dass Werbetreibende sich identifizieren müssen.
Aber es müssen sich nicht alle identifizieren. Und deshalb muss Peter Maffay weiterhin täglich auf vermeintlich seriösen Nachrichtenseiten für Betrüger werben.
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Er hat unter anderem für „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und den „Spiegel“ über Medien berichtet.
Kassiert Google denn Geld wenn diese clickfake Werbung geklickt wird?
Ja, klar!
Ich hab neulich eine Youtube-Werbung die für ein evtl. sogar gefährliches Scam-Produkt geworben hat an Google gemeldet.
Man sah überhaupt kein Problem in der Werbung.
Das fand ich schon krass das nichtmal auf meldungen der Benutzer reagiert wird.
Gilt vermute ich dann auch für die ganze rechtsextreme Propaganda die dort immer mal wieder gerne als Werbung eingeblendet wird.
Das ist ein solches Ärgernis, und ich habe absolut null Verständnis dafür, dass Google hier kein Riegel vorgeschoben wird! Dass der Konzern selbst kein Interesse daran hat, das Problem abzustellen, und dass mit den angeblich wirksamen Maßnahmen nur die (zu Recht!) Empörten ruhig gestellt werden sollen, ist klar. Dabei wäre es neben einer echten Verifizierung doch ein Leichtes, auch die Inhalte systematisch auf problematische Inhalte zu scannen – bei nackten weiblichen Brüsten klappt das ja auch. Jeder Depp kann mit Google eine Rückwärtsbildersuche machen, aber es soll in der Belegschaft von Google niemanden geben, der ein Programm bastelt, das in betrügerischer Werbung verwendete typische Bild- und Textmuster in Echtzeit erkennt?!
Ich bin deshalb so emotional angefasst bei dem Thema, weil ich beruflich (in der Betrugsabteilung einer Bank) täglich mit den Opfern dieser Betrugsmasche (Anlagebetrug, auch Boilerroom Scam genannt) zu tun habe. Die Werbungen sollen erstmal nur neugierig machen. Die meisten Leute sind nicht blöd, die denken sich, das ist ja zu gut um wahr zu sein. Aber der Anfangsbetrag mit den 250 EUR ist gerade so gewählt, dass Leute mit genügend Geld sich denken: naja, falls nichts dran ist, sind halt 250 EUR weg, das kann ich schon mal riskieren. Und dann geht es los: Die 250 EUR vervielfachen sich vermeintlich in wenigen Tagen (dazu gibt es extra Kontosimulationen, in die man sich einloggen muss, ganz wie echtes Online Banking), der „Broker“ meldet sich telefonisch und lässt das Opfer nicht mehr vom Haken. Mitunter zahlen sie den „Gewinn“ (wenige 100 EUR in wenigen Tagen) sogar aus, dann ist das Opfer völlig überzeugt, dass alles seriös ist. Die folgenden Zahlungen sind dann vierstellig und fünfstellig. Wir kommen dann oft genug nicht mehr rational bei den Opfern durch, die Täter betreiben Gehirnwäsche auf höchstem Niveau. Inzwischen werden auch Deepfakes eingesetzt, z.B. hat eine Kundin ein Videotelefonat mit „Uschi Glas“ geführt, die ihr „höchstpersönlich“ das „System“ erklärt hat. Wir haben Kunden, die sich nicht mal von Ermittlern der Polizei überzeugen lassen. Und nicht wenige Fälle mit Verlusten im sechsstelligen Bereich.
Es ist ein Skandal, dass Google da mitmacht und auch die seriösen Medien da offensichtlich nicht ausreichend Druck ausüben. Unter den Artikeln z.B. im Spiegel (online) gibt es doch inzwischen nur noch Müllanzeigen. Wollen die wirklich in so einem Umfeld seriösen Journalismus machen?
So richtig werbeträchtig sieht das Foto nicht aus. Eher so Peter Maffay, als er nach einer durchfeierten Nacht aufwacht und merkt: Scheiße, ich bin einem fetten Scam aufgesessen…
@Kritiker: Stimmt, aber die Bilder sind extra so gewählt, dass sie maximal Aufmerksamkeit erzeugen, also hier: „boah, der Maffei sieht aber schlecht aus, was ist denn da los“.
Das Ziel ist, dass erstmal möglichst viele klicken, dann, dass sie sich halt spaßeshalber mal anmelden. Dann werden 250 EUR bezahlt, um es „mal auszuprobieren“ und man gibt seine Kontaktdaten an. Und dann hat man eigentlich schon verloren, denn sobald man etwas investiert hat, steht der realisierte Verlust (die Erkenntnis, dass das Geld weg ist) immer gegen die Chance, sehr viel zu verdienen, sodass man eher bereit ist, noch mehr zu zahlen als sich einzugestehen, reingelegt worden zu sein (das hat auch eine narzisstische Komponente: „es kann kein Betrug sein, denn ich bin ja nicht blöd“). Dazu kommt die Gehirnwäsche durch die Täter, die täglich mehrmals anrufen und Druck und Hoffnung machen. Das sind Meistermanipulatoren. Je mehr ein Opfer investiert hat, umso schwerer ist es für uns als Bank, mit der Botschaft durchzudringen, dass es Betrug ist. Das Problem ist, dass die Opfer sich selbst gegen ihre eigenen Zweifel und die ihres Umfelds immunisieren. Je höher der Bildungsstand, umso schwerer tun wir uns, denn umso größer die narzisstische Kränkung, die die Erkenntnis mit sich bringen würde. Kann ja nicht sein, dass der junge Bankberater mehr Ahnung hat als ein erimitierter Professor für Finanzwesen (hatten wir schon, kein Witz!).
Ich habe kürzlich versucht, mich bei Google als Werbetreibender verifizieren zu lassen, und der ganze Vorgang war ein Desaster. Erst wurde die Verifikation abgelehnt, weil mein Gewerbeschein angeblich ohne Unterschrift nicht gültig sei (was nicht stimmt), dann wurde mir auf meine Nachfrage hin erklärt, die Adresse auf meinem Personalausweis (den ich nie hochgeladen hatte) stimme nicht mit der Adresse überein, die in meinem Google Konto hinterlegt ist. Gaga-Kommunikation (aber sehr freundlich). Der Vorgang sollte dann von einem Mitarbeiter untersucht werden, das könne 5-7 Tage dauern, ist inzwischen aber einen Monat her.
Meine Hypothese ist, dass da eine von der Wirklichkeit überforderte KI im Einsatz ist, und Google es im Moment einfach nicht besser hinbekommt, was andererseits natürlich nur eine oberflächliche Erklärung und keine Entschuldigung sein kann, weil sie ihre Manpower anscheinend lieber in andere Projekte investieren. Die Forderung, nur noch Anzeigen von verifizierten Werbetreibenden auszuliefern, würde jedenfalls im Moment dazu führen, dass viele Anzeigen von seriösen Werbetreibenden gar nicht ausgeliefert werden würden.
@Inga (#6):
Diese psychologischen Mechanismen finde ich echt interessant. Dass man da reinstolpern kann, wenn man unbedarft ans Thema rangeht, kann ich mir durchaus vorstellen. Wieso das aber auch gestandenen Finanzprofs passiert, begreife ich nicht – denen sollte doch klar sein, dass man eine Über-Rendite auf Dauer nur durch Glück und Zufall bekommt (oder durch Insider-Deals, was verboten ist).
Anscheinend sind Gier und FOMO bei vielen in der Lage, die Vernunft auf blind zu schalten. Dabei ist es eigentlich gut möglich, sich mittels Aufklärung gegen sowas zu immunisieren. Sogar auf YouTube…
Neulich wurde auf Youtube für mindestens 80 Minuten eine „Live“-Werbung ausgestrahlt, wo Elon Musk aufrief, ihm Bitcoins zuzusenden (um sie dann doppelt wieder zu bekommen): https://x.com/kwoid/status/1806048344902369614. Man kann eigentlich niemanden erreichen, bei dem Google-Laden. Und wenn bei Twitter dann jemand reagiert, wird auf den Support verwiesen, statt selbst zu eskalieren.
Während des Artikellesens habe ich bereits 264 Euro netto verdient, nach der Kommentarspalte waren es 305. Gerade ruft die Bundesbank an, Dr. Nagel persönlich, sein Konto stünde bei 2.833, ich solle es aber keinem erzählen, damit Markus Lanz nicht noch was abhaben will. Unterdessen ist Peter Maffay ist mit seinen Kryptogewinnen bereits über 7 Brücken geflohen.
Es muss doch auch den Verlagen irgendwie möglich sein das abzustellen. Hat Google denn keinerlei seriösere Konkurrenz?
Ich überlege immer wieder mein „Zeit“ Abo mit Verweis auf solche „Werbung“ zu kündigen. Dort ist solche Werbung nicht von Teasern zu echten Artikeln zu unterscheiden.
@sb „Die Forderung, nur noch Anzeigen von verifizierten Werbetreibenden auszuliefern, würde jedenfalls im Moment dazu führen, dass viele Anzeigen von seriösen Werbetreibenden gar nicht ausgeliefert werden würden.“
habe das gleiche Problem – bin Psychologin und biete Beratung an zwei Standorten mit Untermietverträgen. Verifikation abgelehnt, weil an keinem der Standorte ein festes Schild mit meinem Namen an Eingang/Hausfassade. Ergebnis: in meinem Teasertext bei Google steht weiterhin ein Begriff, von dem ich inzwischen weiß dass er zur Abmahnung führen kann – Änderung unmöglich.
Es ist geradezu aberwitzig, wie hoch Google die Latte bei der Verifizierung hängt, um dann Betrug bei Werbung so durchgehen zu lassen.