Schreiben deutsche Medien die Wahlergebnisse in Frankreich schön?
Der Rechtsruck sei erfolgreich verhindert worden: Mit diesem Tenor haben viele deutsche Medien über die Parlamentsneuwahlen in Frankreich berichtet. Dabei hat der rechtsextreme Rassemblement National am vergangenen Wochenende die meisten Stimmen geholt, die Partei erzielte ein besseres Ergebnis als jemals zuvor bei Parlamentswahlen. Dass trotzdem ein linkes Wahlbündnis gewonnen hat, liegt am französischen Mehrheitswahlrecht, das sich vom deutschen System stark unterscheidet.
In deutschen Berichten zur Wahl müsste dieser Unterschied eigentlich immer kurz erklärt werden, sagt Kathrin Müller-Lancé, Politikredakteurin bei der „Süddeutschen Zeitung“. Journalisten sollten eher vorsichtig erleichtert sein. Falsch sei es auch zu behaupten, dass Frankreich an den radikal linken Politiker Jean-Luc Mélenchon gegangen sei, schließlich säßen in dessen Linksbündnis auch noch andere Parteien. Dass Mélenchon Premierminister werde, sei noch nicht ausgemacht.
Was ist dran an dem „verhinderten Rechtsruck“ in Frankreich? Wie entscheidet Kathrin Müller-Lancé, ob sie eine Partei als links- oder rechtsextrem labelt? Und welche Themen fehlen generell in der deutschen Berichterstattung über unser Nachbarland? Darüber spricht die SZ-Redakteurin in einer neuen Folge von „Holger ruft an…“ – und sie erzählt auch, welche Klischees über Frankreich ihr in deutschen Medien immer wieder begegnen:
(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)
Links:
- Überblick über die Wahlergebnisse in Frankreich („Süddeutsche Zeitung“)
- Wer hat wen gewählt? („Süddeutsche Zeitung“)
- Wahl in Frankreich – Links gewinnt, aber wer regiert? (Deutschlandfunk)
- FAQ: Was man zu den Neuwahlen in Frankreich wissen muss (RND)
- Was wird nun aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frankreich? (Übermedien-Podcast vom 17. Juni 2022)
Oh, das Ende war jetzt etwas abrupt, ist das Absicht?
Jau, gelegentlich zünden meine kecken Ausstiegsfragen nicht, und dann muss ich früher schneiden ;)
Bin gerade ganz gehörig gestolpert über eine Formulierung von Frau Müller-Lancé: Ich stelle mir Nazis oder Rechtsextrimisten mit Springer-Stiefel und Glatzen vor. Die können schon alle reden.
Die Vorstellung sollte doch antiquiert sein. Stellt sich die Frage, warum Bebilderungen von Nazis in Medien regelmäßig mit diesem Stereotyp arbeiten bzw. auf diesen Stereotyp reduzieren?
Einen schönen Gruß
Ich finde den Beitrag gut und ich freue mich endlich über einen ausgewogenen und präzisen Bericht über Frankreich. Das fehlt im allgemeinen in den deutschen Medien.
Ich möchte doch ein paar Punkte ergänzen.
Die Figur von Mélenchon ist zwar umstritten, aber das Programm seiner Partei beruht auf Prinzipien des Keynesianismus, was bis in den 90 mainstream war. Die Partei als radikal links einzustufen ist für mich übertrieben.
Der Kern des Programms der RN ist und bleibt rechtsextrem, obwohl Marine Le Pen, auch mit Hilfe von den Medien, wie auch hier erwähnt, versucht, es zu verharmlosen. In keinen Fall ist die RN von heute milder als die FN von damals.
In den deutschen Medien wird Macron immer als gemäßigt dargestellt, obwohl er nicht gezögert hat, mehrmals die Rhetorik und sogar Teile des Programms der Rehtsextremen zu übernehmen. Er hat selber aktiv zum Rechtsruck beigetragen.
Nach meines Wissens hat kein deutsches Media erklärt, wie das französische Sozialsystem funktioniert, und daher wird aus Unwissen (und Neid ?) in Deutschland nicht verstanden, inwieweit u.a. die letzte Rentenreform brutal, ungerecht und in diesem Ausmaß unnötig war. Sowie den davon resultierenden Hass der Franzosen gegen Macron. Dieser Punkt fehlt in diesem Bericht.
Und das Clichée von der Deutschen, die sehr nah an der Regel sind, hat sich leider schnell bestätigt. Sofort wurden diesbezüglich Sorgen über eine linke Bündnis verbreitet. Es wird sofort über benötigten Sparkurs gesprochen, ohne zu erwähnen, dass Schuld an fr. Schulden der letzten Jahren hauptsächlich die zahlreichen Steuergeschenke von Macron sind.
Entschuldigung für den langen Beitrag.