Wundersame Krillkapseln

Klatschblatt-Reklame mit einer Verstorbenen

In Quatschmagazinen steht nicht nur in den Artikeln Quatsch, sondern auch in den Anzeigen, die sich als Artikel tarnen. Pharmaunternehmen machen das gerne so: Bewerben ihre Pillen und Wässerchen mit Pseudo-Artikeln oder -Interviews mit angeblich Geheilten oder so genannten Expertinnen, die das Produkt großzügig bejubeln. Drüber steht dann zwar klein „Anzeige“, aber wirken soll es wie Journalismus.

Jörg Thomann hat am Wochenende auf so eine Anzeige hingewiesen, in seiner lesenswerten Kolumne „Herzblatt-Geschichten“ in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Er hatte eine der Expertinnen aus der Anzeige gegoogelt – und musste dann sein „herzliches Beileid“ aussprechen.

Doppelseitige Werbung für "Krillkapseln" in der Zeitschrift "Das neue Blatt".
Krill-Werbung mit angeblichen Experten Ausriss: Das neue Blatt

Es geht um eine Doppelseite im Klatschmagazin „Das neue Blatt“ aus dem Hamburger Bauer-Verlag, auf der für Krillkapseln geworben wird. Krill, so nennt man winzige Krebstiere, die Wale gerne verspeisen. In kleine Kapseln gepresst sind sie angeblich auch supergut für den Menschenkörper: Herz, Knochen, Gelenke – ein echtes Nahrungsergänzungs-Wundermittel!

Das muss man natürlich erst mal glauben, also braucht es glaubwürdige Menschen, die bezeugen, wie wundervoll das Mittel ist. Zum Beispiel: eine Apothekerin. So eine ist in der Anzeige abgebildet und gibt ihren „guten Rat“, was hier bedeutet: Sie wirbt für ein ganz spezielles Krillpräparat.

Die blonde Frau im weißen Kittel trägt keinen Namen. „Die Apothekerin“ sei ja auch schon Autorität genug, schreibt Thomann. Das stimmt. Mit so einem schneeweißen Kittel kann man Menschen ganz einfach blenden, zumal solche, die geblendet zu werden von Klatschblättern gewöhnt sind.

Speist man das Foto der „Apothekerin“ in die Bilder-Rückwärtssuche bei Google ein, stellt man fest, dass sie sogar eine „kompetente Apothekerin mit verschränkten Armen“ ist – so steht es über dem Stockfoto, das ein „Business-Fotograf“ aus der Eifel gemacht hat und zum Kauf anbietet. Eine andere Aufnahme aus derselben Stockfoto-Serie zeigt die „kompetente Apothekerin“ dann allerdings als „Seniorin mit Schal in einer Apotheke“, hinter der irre grinsend an einem Regal eine andere Apothekerin-Darstellerin steht.

Zwei Ausrisse aus Anzeigen für Krillkapseln, in denen jeweils eine angebliche Apothekerin gezeigt wird, die "Christine Maurer" heiße. Es sind aber unterschiedliche Personen.
Christine Maurer, die Frau mit den zwei Gesichtern Ausriss: Anzeigen in „Das neue Blatt“ und „Freizeit Revue“ (r.)

In anderen Anzeigen für Krillkapseln hat die „Apothekerin“ überraschend einen Namen, sie heißt „Christine Maurer“ und „berichtet von erstaunlichen Erfolgen“. Ihr persönlich größter Erfolg bleibt jedoch unerwähnt: Dass sie in weiteren Anzeigen auch „Christine Maurer“ heißt, aber anders aussieht, was möglicherweise passiert, wenn man zu viele Krillkapseln einwirft.

Kurzum: Dass da eine Apothekerin Krillkapseln lobt, ist Schmus. Es gibt die Apothekerin nicht. (Lustig, übrigens: Manchmal gibt in der Anzeige nicht die vermeintliche Apothekerin „guten Rat“, sondern der schleichwerbesagenumwobene Hademar Bankhofer. Es ist derselbe Text, Wort für Wort.)

Krill-Expertin, seit vier Jahren tot

Bis hierhin war es alles bloß irreführend, jetzt wird es auch noch traurig. In der Anzeige wird auch eine Frau namens Tina Sampalis „interviewt“, sie sei „die Krill-Expertin“ weltweit. Sie ist echt, so eine richtige studierte Medizinerin. Das Problem ist nur: Sie lebt nicht mehr. Was man, ganz simpel, durch Googeln feststellen kann.

Auf den Nachruf-Seiten der kanadischen Zeitung „The Gazette“ steht, dass Sampalis Anfang März 2020 mit nur 58 Jahren an Krebs verstorben sei. In dem Nachruf steht auch, dass sie die „Vorteile von Krill-Öl für die menschliche Gesundheit“ entdeckt habe. Dass sie eine Krill-Expertin war, trifft also anscheinend zu. Womit wir beim nächsten Problem wären: Sampalis hat, als sie noch lebte, für ein Unternehmen gearbeitet, dass Krill-Öl vertreibt. Eine unabhängige Expertin war sie also eher nicht.

Darauf hat vor Jahren schon das pharmakritische Magazin „Gute Pillen – Schlechte Pillen“ (GPSP) hingewiesen. Diese Krillkapselanzeigen gibt es nämlich schon sehr lange, sie erscheinen regelmäßig in Klatschblättern verschiedener Verlage. GPSP kritisierte damals, dass die Expertin als „führende Wissenschaftlerin“ bezeichnet, ihre Tätigkeit für ein Krill-Öl-Unternehmen aber verschwiegen werde. Und das Magazin erwähnte, dass etwa die Behauptung, Krillprodukte würden die Gelenke schützen, nicht erlaubt sei.

„Und etwas Kurioses fiel uns auf“, schreibt GPSP noch. In manchen Krillkapselanzeigen kommen auch Menschen vor, die behaupten, Krillkapseln hätten ihr Leben verändert. Deren „persönliche“ Zitate aber fänden sich auch in anderen Anzeigen für das Produkt, allerdings „mit anderen Personennamen und anderen Gesichtern“. Was nun nicht verwundert. Vorsichtshalber steht klein unter den Anzeigen:

„Persönlichkeitsangaben wurden aus Datenschutz-Gründen geändert.“

Datenschutz, mhm.

Jörg Thomann fragt in seiner Kolumne, ob die Anzeige nicht vielleicht mal überarbeitet werden sollte angesichts der Tatsache, dass eines der Werbegesichter leider verblichen ist. Und was sich daraus „hinsichtlich der Seriosität des Produkts“ schließen lasse. Nun ja, da müsste man vielleicht mal eine Stockfoto-Apothekerin hinzuziehen, vielleicht hat die da einen „guten Rat“.

Sicher ist: Man wird in diesen Klatschblättern vergackeiert, wo es nur geht.

8 Kommentare

  1. Interessant wäre noch zu wissen, ob es das Interview zumindest vor ihrem Tod so ähnlich mal gab, oder ob das nun auch noch komplett erfunden wurde?

  2. Schreibt die „Freizeit Revue“ da wirklich zweimal direkt nacheinander „Apoheke“ (ohne „t“)? Spricht auch nicht gerade für Professionalität. Da ist bestimmt auch der Datenschutz dran schuld oder die KI hatte Husten…

  3. @Michael: Ja, das wäre interessant. Aber schwer zu überprüfen.

    @Sven: Ja, haha, das steht da so!

  4. @Sven Ackermann (#2):

    „Da ist bestimmt auch der Datenschutz dran schuld oder die KI hatte Husten…“

    Vielleicht ist „Apohekerin“ auch einfach keine geschützte Berufsbezeichnung. Eine Apoheke darf jeder betreiben. Mal sehen, wie weit ich komme, wenn ich als Dilom-Ingeniur eine Archiekturbüro aufmache…

  5. „Neuer“ Wirkstoff aus der Antarktis ist auch pures Boulevard-Gold. Man meint, beim mutmaßlichen Alter der Leser:innen müsste diesen eigentlich das noch intakte Langzeitgedächtnis verraten, dass man ihnen den gleichen Sermon bereits untergejubelt hat, als sie noch jugendlicher waren. Schließlich hatte die arme Dahingeschiedene ihre sensationöse wissenschaftliche Entdeckung gewiss nicht erst ganz kurz vor ihrem Ableben gemacht, sondern es geschafft, selbige mit Hilfe der Klatschpresse zu kommerzialisieren.

  6. Danke für den Link zu den Stockfotos mit der irre grinsenden Darstellerin. Leider wurde die Gelegenheit verschenkt, darauf hinzuweisen, dass die blonde ältere und die brünette jüngere Person auf verschiedenen Aufnahmen nicht nur ihre Identitäten, sondern auch noch Schal und Mantel wechseln.

    Ich vermute, es sind zwei Manifestationen einer Persönlichkeit, und wünsche mir daraus ein verstörendes Video.

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