Hype um Nightjets

Wie Medien einer Bahn aus Österreich die PR-Arbeit abnehmen

Schlagzeilen "Renaissance der Nachzüge", "Das Comeback der Nachzüge"
Screenshots: SWR, Stern, DLF, Wirtschaftswoche

Wenn es um die Bahn geht, sind deutsche Medien in der Regel nicht zimperlich. Das Schimpfen über Chaos und Versagen gehört schließlich zu den letzten Dingen, die die Gesellschaft noch zusammenhalten. Doch es gibt eine Ausnahme, ein Thema, bei dem Medien seit einiger Zeit regelrecht in Verzückung geraten: Nachtzüge. Kaum eine Zeitung, kaum ein TV-Sender, der in den vergangenen Jahren nicht vom „Comeback“ oder der „Renaissance“ des Nachtzugs schwärmte. Was so klingt, als hätte es irgendwann mal eine Zeit gegeben, in der hierzulande gar kein Nachtzug fuhr. Was nicht stimmt.

Was es gab: eine Renaissance der medialen Aufmerksamkeit für Nachtzüge. Und das ist ja erst mal gut. Nachtzüge sind romantisch, Nachtzüge erzählen Geschichten. Und noch viel wichtiger: unter den richtigen politischen Randbedingungen können Nachtzüge eine echte, klimafreundliche Alternative zum Flugzeug sein. Problematisch wird es jedoch, wenn Medien dabei helfen, einen Hype zu erzeugen, der mit der Realität nicht immer etwas zu tun hat. Und so einem Unternehmen wie den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) in die Karten spielen, das das für sich zu nutzen weiß. Zum Leidwesen der Reisenden.

Eine Legende entsteht

Um zu verstehen, wie der Nachtzug zum Medienliebling wurde, sind zwei Ereignisse wichtig. Das erste: Nachdem die Deutsche Bahn ihr Liniennetz immer weiter zusammengestrichen hatte, stieg sie 2016 komplett aus dem klassischen Nachtzuggeschäft mit Liege- und Schlafwagen aus. Nicht rentabel sei das, sagte die Konzernspitze. Kein Wunder, sagten andere, nachdem man über Jahre alles dafür getan hatte, die Nachtzüge schlecht zu rechnen und vor den Kund:innen zu verstecken. Große Medien wie die „Zeit“ und der „Spiegel“ fuhren zum Abschied noch einmal mit. In Portraits wie „Pavlik macht Schluss“ oder „Holstein steigt aus“ setzten sie den Menschen, die den Nachtzug ausmachten, ein Denkmal. Das war zwar ehrenwert, kam aber ein bisschen zu spät.

Die ÖBB traten auf den Plan und übernahmen einen Teil der Wagen der DB und knapp die Hälfte der Strecken, die noch übrig waren. Alles bekam einen frischen Look und ein zeitgemäßes Branding – der Nightjet war geboren und die ÖBB meldeten bald schon „schwarze Zahlen“. Eine kleine Bahn aus den Alpen schaffte das, was den Piefkes bei der großen DB nicht gelingen wollte. Diese hübsche Geschichte schwang seitdem in Medienberichten über den Nachtzug immer mit.

Die ÖBB wurden fortan als Retter des Nachtzugs gefeiert, kritisch hingesehen wurde kaum noch. Und die Österreicher wollten mehr: Der Nightjet sollte zum Synonym für Nachtzugreisen werden. Dabei half ihnen das zweite Ereignis.

Der „Greta-Effekt“

Ein Morgen im Januar 2019 am Hauptbahnhof von Zürich. Gerade ist der Nachtzug aus Hamburg angekommen. Am Bahnsteig hat sich die Presse versammelt und wartet auf eine besondere Reisende. Greta Thunberg muss sich vorgekommen sein, als beträte sie nicht die Schweiz, sondern einen fremden Planeten. Für die damals 16-Jährige ging es weiter zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Auch die Schweizer Pendlerzeitung „20 Minuten“ folgte ihr, nicht ohne mehrfach darauf hinzuweisen, dass sie schon seit 30 Stunden unterwegs war. Mit dem Zug. Verrückt.

"Spiegel"-Schlagzeile über Gretas Nachzug-Reise, dazu ein Foto der Aktivistin vor ÖBB-Zug
Screenshot: Spiegel.de

Was von der Szene in Zürich blieb, waren ikonische Fotos. Greta Thunberg mit ihrem weltberühmten Schild „Skolstrejk för klimatet“. Im Hintergrund: ein Schlafwagen des ÖBB Nightjet. Thunberg wurde damit zu so etwas wie der ersten Nachtzug-Influencerin. Der Begriff „Flugscham“ schwappte aus Schweden herüber und wurde später von der „Zeit“ in „Zugstolz“ umgemünzt. Der „Spiegel“ schrieb vom „Greta-Effekt“, der ganz Europa von neuen Nachtzugstrecken träumen lasse. Nur die Deutsche Bahn wollte weiter nicht mitmachen.

Spätestens seit diesem Ereignis sind die Medien voll dabei beim Thema Nachtzug. Einige machen das wirklich gut, etwa die „taz“, die in ihrer schon seit 2016 unregelmäßig erscheinenden „Nachtzugkritik“ einen launigen Überblick über Europas Nachtzugnetz gibt – und dabei nicht vergisst, dass auch andere Anbieter, etwa aus Kroatien, Ungarn und Schweden, auf deutschen Gleisen verkehren. Ein ähnliches Konzept verfolgt der WDR mit der Doku-Reihe „Im Nachtzug durch Europa“, in der die Reporter:innen Nachtzüge von der Côte d’Azur bis zum Polarkreis unter die Lupe nehmen. Das ist unterhaltsam, informativ und zeichnet ein differenziertes Bild.

Bei anderen dagegen sind Nachtzug und ÖBB Nightjet viel zu oft deckungsgleich. Wann immer es ums Reisen durch die Nacht geht – die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass gleich ein blauer Schlafwagen mit Nightjet-Schriftzug durchs Bild rollt. Dabei stehen allein im deutschsprachigen Raum den 21 Linien der ÖBB gut ein Dutzend „EuroNight“-Verbindungen anderer Staatsbahnen gegenüber. Dazu kommen private Anbieter wie „Urlaubs-Express“, „European Sleeper“ oder „Snälltåget“.

Neues vom Hypejet

Die ÖBB bespielen den Hype um ihren Nightjet perfekt. Sie fahren Kampagnen in den sozialen Netzwerken, produzieren hochwertige Werbefilme und versorgen Medien mit Material. Das alles verfehlt seine Wirkung nicht: Die Nightjets sind lange im Voraus ausgebucht, Plätze im Schlafwagen oft Wochen bis Monate. Wer sich nicht so weit vorher festlegen kann oder will, schaut in die Röhre.

Doch um in den Medien präsent zu bleiben, müssen die ÖBB News produzieren. Beim Nachtzug heißt das: neue Verbindungen. Jahr für Jahr schließen sie öffentlichkeitswirksam eine neue Stadt an ihr Nightjet-Netzwerk an, immer nach derselben Choreografie: Erst Gerüchte durchstecken, dann offiziell bestätigen, schließlich Tickets in den Verkauf geben. Jeder Schritt sorgt medial für Aufsehen und verfestigt die Legende vom „Comeback“ der Nachtzüge, das wir den ÖBB zu verdanken haben. Und am zweiten Wochenende im Dezember, zum alljährlichen Fahrplanwechsel, wird dann zur Premierenfahrt der rote Teppich ausgerollt, für Medien aller Art und Politik-Prominenz.

Zu beobachten war das zuletzt in Berlin, wo im Dezember 2023 zwei neue Nightjet-Verbindungen nach Paris und Brüssel an den Start gingen. Allein die „Berliner Zeitung“ berichtete elfmal – von ersten Infos („Das sind die Fahrzeiten und die Preise“) über den Verkaufsstart („Ticketverkauf für Nachtzug von Berlin nach Paris beginnt“) bis zu Wasserstandsmeldungen, wie es so läuft („Die Premierenfahrt ist bereits ausgebucht“). Auch „Tagesspiegel“, „Berliner Morgenpost“, RBB, „Zeit“ und „Süddeutsche Zeitung“ berichteten, dass die Nachtzüge auf dieser Verbindung erstmals nach vielen Jahren wieder unterwegs seien. Bei tagesschau.de hieß es:

„Nach vielen Jahren Pause geht es heute Abend wieder mal im Schlafwagen von Berlin nach Paris und Brüssel: Mit dem gestrigen Fahrplanwechsel steht die beliebte Verbindung erstmals seit 2014 auf der Anzeigentafel der Deutschen Bahn.“

Klingt gut, ist aber doppelt falsch. Erstens gab es zwischen Berlin und Paris bis 2020 einen Nachtzug, und zwar von der russischen Bahn. Die Züge boten zwischen Deutschland und Frankreich attraktive Fahrzeiten und wurden auf diesem Abschnitt durchaus genutzt. Und zweitens: Auf der Strecke Berlin –Brüssel fährt seit Mai 2023 der private „European Sleeper“ – pikanterweise in direkter Konkurrenz zum Nightjet.

Es mag pedantisch wirken, aber: Lässt man Tatsachen wie diese einfach weg, wirkt das Engagement der ÖBB gleich noch eine Spur heldenhafter, die „Renaissance der Schlafwagen“ noch ein bisschen beeindruckender.

Wachstum mit Folgen

Dabei kann der Nightjet eigentlich gar nicht nennenswert wachsen, denn dazu fehlt den ÖBB das Rollmaterial. In Europa herrscht chronischer Mangel an Liege- und Schlafwagen. Neue Wagen sind zwar bestellt, aber die Konstruktion und Lieferung zieht sich über Jahre. Um dennoch kurzfristig neue Linien eröffnen zu können, werden Reservekapazitäten abgebaut. Zuletzt fuhren die ÖBB den Nightjet praktisch auf Verschleiß.

Die Folge: kurzfristige Wagenausfälle und Reisende, die am Abend zum Bahnhof kommen und erfahren müssen, dass ihr Schlafwagen nicht am Zug ist. Statt nach einem Arbeitstag ins rollende Bett zu fallen, dürfen sie dann – wenn überhaupt – die Nacht im Sitzwagen verbringen. Das ist eigentlich der Super-GAU beim Nachtzug. Wer so etwas erlebt, und dann auch noch seine Fahrkarte nur anteilig erstattet bekommt, wird so schnell vermutlich keinen Nachtzug mehr buchen. Nur: Die ÖBB können sich das erlauben. Durch den Hype ließe sich mancher Zug zwei- oder dreimal ausverkaufen, ein paar enttäuschte Reisende sind da zu verschmerzen.

In deutschen Medien erfährt man von all dem kaum etwas. Im Ausland scheint man dagegen etwas weniger die Nightjet-blaue Brille aufzuhaben. Eine Statistik zu Wagenausfällen präsentierte etwa der „Der Standard“ aus Österreich. Und im französischen „Le Figaro“ war von einer „chaotischen Nacht“ zu lesen, in der Fahrgäste beinahe handgreiflich wurden, weil sie sich wegen eines ausgefallenen Wagens stehend im Gang wiederfanden.

Bin ich im Imagefilm?

Aber das ist alles nichts gegenüber dem eigentlichen Highlight, das die ÖBB für den Fahrplanwechsel am 10. Dezember 2023 geplant hatten: Nach langen Jahren des Wartens sollten endlich die ersten Einheiten der komplett neu konstruierten Nightjet-Züge in Betrieb gehen. Insgesamt 33 dieser „Nightjets der neuen Generation“ sind bei Siemens bestellt.

Dass die ÖBB Geld in die Hand nehmen und nachhaltig in den Nachtzug investieren, ist zu begrüßen, keine Frage. Und die neuen Züge sind vielversprechend. Es gibt zum Beispiel Schlafkapseln für Alleinreisende im Liegewagen. Aber auch: Weniger Plätze pro Zug, insbesondere in den Schlafwagen. Und das bei stetig steigender Nachfrage. Möglicherweise ein strategischer Fehler, den aber kaum jemand hinterfragt hat.

Statt sich mit kritischen Punkten wie diesem auseinanderzusetzen, ließen sich viele Medien von den Hochglanz-Zügen um den Finger wickeln. Das nahm teils groteske Züge an. „Bock, hier zu schlafen und dabei nach Wien zu fahren?“, fragte der NDR, unterlegt von treibenden Beats, in einem Clip auf Instagram. Dass der NDR bei den Schriften in seinen Videos ein ähnliches Rot verwendet wie das der ÖBB, war Zufall. Aber man konnte dennoch nicht leicht erkennen, ob es sich hier um einen Imagefilm oder einen journalistischen Beitrag handelte. Wie groß denn die Betten sind? Ob es auch Plätze für Menschen im Rollstuhl gibt? In den Kommentaren gab die NDR-Redaktion gerne Auskunft. Und die Marketing-Abteilung der ÖBB war sicher dankbar, dass man ihnen hier kostenlos die Arbeit abnahm. Die beste PR ist eben immer die, die man selber nicht machen muss.

Screenshots aus NDR-Video über den ÖBB-Nightjet.
Screenshot: Instagram/NDR

Heimlich, still und leise: neue Preise

Bei der tatsächlichen Premiere der neuen Nightjets ging es dann nicht mehr so glatt. Von den ersten planmäßigen Fahrten fielen einige aus, andere fühlten sich an wie ein Beta-Test, weil die moderne Technik streikte. Aber geschenkt, inzwischen haben die ÖBB die meisten Probleme im Griff und der Betrieb läuft stabiler.

Gravierender war die Einführung des neuen Preissystems. Das ist seit Ende 2023 komplett dynamisch, also von der Nachfrage und anderen Faktoren abhängig, und lässt die Preise für eine Fahrt mit dem Nightjet in ungekannte Höhen schießen. Für einen Platz im Schlafwagen – auch in den älteren Modellen, wohlgemerkt, die neue Tarife gelten für alle Nightjet-Linien – werden plötzlich 400, 500, ja zum Teil bis 750  Euro aufgerufen. Kommunikation oder Transparenz seitens der ÖBB gab es dazu nicht. Ihr sonst so munter vor sich hin kalauernder X-Account war rund um den Fahrplanwechsel auffällig stumm. Der Verdacht liegt nahe: Während alle Welt über die neuen Nightjets staunte, wollte man die saftigen Preiserhöhungen heimlich, still und leise durchdrücken. Schön blöd wirkt dagegen die Deutsche Bahn, die ihre alljährlichen Aufschläge von ein paar Prozent brav Monate im Voraus ankündigt – und dafür die üblichen Prügel kassiert.

Und die Medien? Schienen überrumpelt. Zu den wenigen, die die Preiserhöhungen thematisierten, gehören Schweizer Zeitungen wie der „Tagesanzeiger“ und „Blick“. Mit etwas Verzögerung meldeten sich auch der „Standard“ und die „Kleine Zeitung“ aus Österreich zu Wort. Deutsche Medien blieben dagegen weitgehend still, sie berichteten nur vereinzelt über den „Preisschock“. Obwohl man hier getrost von einer klassischen „Mogelpackung“ sprechen könnte, wurden die Preise doch um das doppelte, teilweise das dreifache erhöht – bei gleicher Leistung. Ist sowas bei Keksen oder Fruchtgummis der Fall, wird ja sonst immer gerne berichtet.

Die ÖBB ficht das alles nicht an. Sie bleiben bei ihrer Mauertaktik, äußern sich nicht oder nur ausweichend. Auch als Luxusgut werden sie wohl für ihren Nightjet noch genügend Abnehmer finden – und genügend Medien, die begeistert darüber berichten. Mit einer Mobilitätswende hat das dann allerdings nichts mehr zu tun. Klimafreundlich reisen muss man sich halt einfach leisten können.

10 Kommentare

  1. Interessant aufgedröselt. Kann die Kritik verstehen (vor allem an den Preisen), finde aber, der Hype hat auch seine guten Seiten: Nachtzüge galten seit Ewigkeiten als abgeranzte Billigtransporter für bekiffte Schulklassen; nun werden sie plötzlich als coole Alternative zum Flugzeug mit Abenteuer-Faktor gefeiert. Als Eisenbahnfan gefällt mir das. Und die neuen Nightjets sind richtig schick.

    Bis das Angebot mit der neuen Nachfrage mithält, dürfte es leider dauern. Habe gerade spaßeshalber versucht, ein Nightjet-Ticket von Berlin nach Paris Mitte Juni (!) zu buchen. Nichts zu machen, egal in welcher Kategorie und an welchem Wochentag.* Kein Wunder, dass sich die ÖBB ihre Preise aussuchen kann.

    Frage an den Experten: Der European Sleeper ist ja ein super Angebot, wenn man, wie ich, in Berlin wohnt. Aber warum hält der nicht – bei fünf Stunden Fahrtzeit zwischen Berlin und Bad Bentheim – auch in Potsdam, Magdeburg, Braunschweig und Hannover? Das dürfte doch ohne (großen) Zeitverlust machbar sein und den Kundenkreis um einiges erweitern?

    *Oder bin ich zu doof? Kann auch sein.

  2. Lieber Kritischer Kritiker,

    zwischen den beiden Extremen („abgeranzte Billigtransporter für bekiffte Schulklassen“ und „Top-moderner Gadget-Nachtzug, den sich aber niemand mehr leisten kann“) gibt es viel Raum. Gute Nachtzüge mit hoher Kapazität und fairen Preisen zu verbinden, gelingt etwa den Eisenbahnen in Finnland oder Italien. Klar, dem Reisenden aus Potsdam oder Hannover hilt das wenig, soll aber nur zeigen: Es ist möglich und der Weg, den die ÖBB nun einschlagen, nicht alternativlos.

    Zum European Sleeper: Sie haben Recht, der Zug hält in der Tat nicht zwischen Berlin und Bad Bentheim. Da spielen wohl Kostengründe eine Rolle. Trassen und Halte kosten Geld, welches in dem Fall an die DB fließt. Was die Trassen betrifft gibt es einen vergünstigen Nacht-Tarif, der zur Anwendung kommt, falls ein Zug zwischen 23 Uhr und 6 Uhr nicht planmäßig hält. Ohne den Fahrplan jetzt noch mal studiert zu haben, würde ich darauf tippen, dass das Auslassen von Halten wie Hannover etwas damit zu tun hat.

    Viele Grüße,

    Sebastian Wilken

  3. @Kritischer Kritiker
    Das dürfte nicht an Ihnen liegen, der Nachtzug München – Rom ist auch regelmäßig kurz nach Verkaufsbeginn schon ausgebucht. Hatte das vor zwei Jahren mal in Erwägung gezogen, aber mehr als das Dreifache beim Preis und das Vierfache bei der Reisedauer im Vergleich zum Fliegen war es mir dann nicht wert. Insofern ist das mit der Alternative bis jetzt leider oft noch eher gedanklicher Natur. Aber wenn es in zehn oder fünfzehn Jahren mal soweit ist, hat man zumindest bei der Vermarktung gute Vorarbeit geleistet. ;-)

  4. @Sebastian Wilken (#2):

    Trassen und Halte kosten Geld, welches in dem Fall an die DB fließt. Was die Trassen betrifft gibt es einen vergünstigen Nacht-Tarif, der zur Anwendung kommt, falls ein Zug zwischen 23 Uhr und 6 Uhr nicht planmäßig hält.

    Danke für die Antwort! Das klingt schlüssig – und nach einem ziemlich dysfunktionalen Konzept für private Nachtzug-Anbieter. Ob sich durch die InfraGo daran was ändert? Fürchte nicht. Vermutlich entstehen ja tatsächlich Kosten, wenn ein Bahnhof mitten in der Nacht in Betrieb gehalten werden muss.

    zwischen den beiden Extremen („abgeranzte Billigtransporter für bekiffte Schulklassen“ und „Top-moderner Gadget-Nachtzug, den sich aber niemand mehr leisten kann“) gibt es viel Raum.

    Mein Gegensatz bezog sich weniger auf die realen Züge als auf das Image, das früher mies war und sich nun durch die begeisterte Berichterstattung verbessert hat. An den meisten Nightjets hat sich ja bislang nichts geändert, immer noch die alten Waggons. Dennoch ist es wieder angesagt, mit ihnen zu reisen. Was mich, wie erwähnt, freut.

    @Ritter der Nacht (#3)

    Hatte das vor zwei Jahren mal in Erwägung gezogen, aber mehr als das Dreifache beim Preis und das Vierfache bei der Reisedauer im Vergleich zum Fliegen war es mir dann nicht wert.

    Der Preis ist ein starkes Argument, bei der Reisedauer kommt’s drauf an: Wenn ich einfach nur schnell von A nach B will, klar. Wenn ich wirklich reisen möchte, ist es für mich was anderes. Im Zug erlebt man den Raum anders; man spürt, wie weit man unterwegs ist; man sieht die Landschaften, die man durchquert. Mit dem Nachtzug München-Rom fährt man in den Morgenstunden durch die Toskana. Wunderschön.

  5. @Kritischer Kritiker
    Das ist in der Tat ein Punkt, hatte sogar noch überlegt, explizit „das war mir das Reiseabenteuer nicht wert“ zu schreiben. Wenn ich eine Woche Zeit für einen Ort wie Rom habe, von dem ich möglichst viel erleben will, sind die abgehende Zeit UND der Kostenfaktor leider zu viel an Abschlag für mich. Kann mir aber vorstellen, das irgendwann einmal tatsächlich mehr als Reise zu konzipieren. Ich meine, es war Habeck, der bei Jung & Naiv ein bisschen von seinen Nachtzugerlebnissen erzählte, das klang schon recht romantisch.

  6. Tja, hier kann sich manch andere Firma mal ein wenig PR Handwerk abschauen. Es gibt viele Beispiele, bei denen Ich mich immer wieder frage: Warum gibt hier eine Pressestelle überhaupt eine Antwort auf eine Anfrage, damit können die sich doch nur schaden.

    Einfach mal die Klappe halten und mauern ist zwar nicht die feine englische Art, im Zweifel aber, für das Unternehmen, die bessere Taktik…

  7. @Ritter der Nacht (#5):

    Kann mir aber vorstellen, das irgendwann einmal tatsächlich mehr als Reise zu konzipieren.

    Lohnt sich. Habe als Schüler und Student oft Interrail gemacht. Klar sind Aufenthalte in Rom, Paris oder Barcelona die Highlights, aber auf den Wegen dazwischen lernt man Europa nochmal ganz anders kennen. Wenn man morgens im Zug die Augen aufschlägt, und draußen zieht gerade die Côte d’Azur vorbei – unbezahlbar!

    Meine aufregendste Zugreise hatte ich übrigens bei einem Schüleraustausch in Russland: Wir fuhren 1993 mit dem Nachtzug von Moskau nach Kasan – die Waggons waren alter Sowjet-Standard, die Klos verdienten die Bezeichnung „unbeschreiblich“, im Nachbarabteil soffen und sangen abgelöste Wachsoldaten des Lenin-Mausoleums. Und draußen endlose Sümpfe und Birkenwälder. Will ich nicht missen…

  8. @Kritischer Kritiker(#7):

    Wo sie gerade den Nachtzug an die Côte d’Azur erwähnen – den gibt es übrigens immer noch. Oder, um genau zu sein, seit ein paar Jahren wieder (ich meine den Intercités de nuit Paris–Nizza). Und die französische Bahn zeigt, wie man es eben auch machen kann: Ein solides Produkt mit hoher Kapazität zu einem fairen Preis anbieten.

    Für einen Platz im Liegewagen zahlt man realistischerweise um die 50 Euro (2. Klasse) bzw. 100 Euro (1. Klasse). Und man muss nicht einmal ein halbes Jahr im Voraus buchen, um noch einen Platz zu bekommen. Dafür gibt es vielleicht kein Wireless Charging für das Smartphone oder bunte Kirmes-Beleuchtung wie beim neuen Nightjet, aber dafür ein tolles Reiseerlebnis, bei dem man sogar noch die Fenster öffnen und die Nase in den Fahrtwind halten kann.

  9. Bin mal per Nachtzug von Florenz nach hause gefahren.
    Zum Glück wurde mir rechtzeitig gesagt, dass der vom Bahnhof Marsfeld abfuhr und nicht Hauptbahnhof.
    Ich wusste gar nicht, dass Florenz auch ein Marsfeld hat, aber Reisen bildet.

    Aber ja, wenn Medien über Alternativen zu Flugreisen schreiben, können die ja gerne Werbung gegen innereuropäische Flüge machen, aber halt nicht pro einen einzelnen Mitbewerber.

  10. Das Problem „Schlafwagen wurde durch Sitzwagen ersetzt“ hatte ich vor drei Wochen auf dem Weg von Freiburg nach Berlin. Ich war tatsächlich sehr sauer, als ich vom Zugchef noch in Richtung des „Ersatz-Sitzwagens“ geschickt wurde, statt dass mir da schon gesagt wurde, dass der Schlafwagen nicht dabei ist. Am Ende konnte ich nach sehr deutlicher Ansage noch einen Platz im vierer Liegewagenabteil statt dem gebuchten Einzel-Schlafwagenabteil ergattern und konnte (neben den beiden unbekannten Mitreisenden) erstaunlich gut schlafen. Netterweise wurde mir dann noch der Sitzwagen bestätigt sodass inzwischen auch 100% des Reisepreises erstattet wurde. Alles in allem ein glimpflicher Ausgang. Ich bin nur froh, dass ich am nächsten Morgen nur zu Hause angekommen bin und keinen Kundentermin hatte.
    Fazit: schön, dass es Nachtzüge gibt. Schlecht, dass diese an der Kapazitätsgrenze agieren. Richtig schlecht, dass es die ÖBB nicht schaffen, mich oder andere Reisende zu informieren, wenn der Zug in Zürich ohne Schlafwagen losfährt!

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