Debatten über Israel

Deborah Feldman fühlt sich gecancelt, dabei ist sie genau die jüdische Stimme, die deutsche Medien lieben

Als Fabian Wolff sich im Juli dieses Jahres outete, war das mediale Erstaunen und Entsetzen groß. Jahrelang hatte sich der Berliner Autor als prominente jüdische Stimme ausgegeben – und aus dieser Sprecherposition die Seiten renommierter Medien gefüllt. Nun gab er in einem länglichen Essay bei „Zeit Online“ bekannt: Familiäre Nachforschung habe ergeben, es sei Essig mit seinem Judentum; seine verstorbene Mutter habe ihn belogen.

Bei der „Zeit“ war man halbgar um Aufklärung bemüht: Wolffs Essay, den der Chefredakteur der „Jüdischen Allgemeinen“, Philipp Peyman Engel, als „unerträglich larmoyant, Ich-bezogen und zwischen Selbstverliebtheit und Opfergestus changierend“ bezeichnete, wurde ein weiterer Text von Meron Mendel zur Seite gestellt, dem Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main. Mendel wurde 1976 in Israel geboren und lebt seit 20 Jahren in Deutschland, er schrieb dann eine „Außenbetrachtung“, die er selbst als Blick eines Israelis bezeichnete.

Die Zeitung legte später noch einen „Faktencheck“ nach, der weitgehend zu dem Ergebnis kam, Wolff sei von seiner Mutter belogen worden und habe sich ansonsten in seinen eigenen Worten „fundierten Spekulationen“ bedient, die leider „von bewussten Täuschungen teilweise nur mit gutem Willen zu unterscheiden“ seien.

„Zu ängstlich, eitel oder dumm“

Soweit das Sommertheater, das wie ein Menetekel wirkt für die Art der Diskussionen, die jetzt um den Krieg zwischen der Hamas und Israel in Deutschland geführt werden. Denn das jahrelange Hofieren Wolffs beruhte weder auf seiner außergewöhnlichen Schreibkunst, noch auf seinen phänomenal ausgedachten jewish insights, sondern einzig und allein darauf, dass er eine dezidiert „israelkritische“ Haltung einnahm – die er in einem vielbeachteten Essay auswalzte – und zudem bemängelte, diese jüdische Sprecherposition sei in Deutschland unerwünscht.

Man muss sich angesichts von Wolffs Hochstapelei noch einmal vor Augen halten, wie empathisch dieser Text 2021 gefeiert wurde – und welche Unglaublichkeiten er enthält, wenn man im Nachhinein weiß, dass der Autor sein Judentum nur inszeniert hat: Es gebe „viele Jüdinnen*Juden in Deutschland, vielleicht sogar eine Mehrheit“, schreibt Wolff, die zur pro-israelischen deutschen Staatsräson „den Kopf schütteln und sich bedrängt fühlen, aber nichts sagen, weil sie politische Ziele teilen, oder weil sie die vermeintliche Harmonie nicht stören wollen, oder weil sie zu ängstlich, eitel oder dumm sind, um zu verstehen, was wirklich gespielt wird.“

Dann zählt er auf, wie viele seiner (offenbar vor allem israelischen und amerikanischen) jüdischen Freundinnen und Freunde linke Positionen verträten, die Israel „radikal kritisieren, sogar seine Abschaffung fordern“ oder sich in der vom Bundestag in einer Resolution als antisemitisch eingestuften Boykott-Kampagne BDS engagierten. Das deutsche Publikum goutierte ausführlich, dass hier ein Jude (der in Wirklichkeit deutscher (Ur-)Enkel der Holocaust-Tätergeneration ist) mal eben erklärt, nicht-israelkritische deutsche Jüdinnen und Juden seien einfach „ängstlich, eitel oder dumm“.

Der deutsche Judenfetisch

Auftritt Deborah Feldman: Die aus Brooklyn stammende Autorin hat in ihrem autobiografischen Debütroman „Unorthodox“ ihr Aufwachsen in der ultraorthodoxen Satmarer-Gemeinde und ihr Ausbrechen daraus beschrieben. Das Buch verkaufte sich millionenfach und wurde von Netflix zu einer gleichnamigen Mini-Serie verarbeitet. Seit 2014 lebt sie in Berlin, das sie romantisierend zu „dem Ort in der Welt, an dem alle Heimatlosen zu Hause sind“ erklärt hat.

Deborah Feldman in verschiedenen Talkshows
Deborah Feldman im ZDF-„Morgenmagazin“, im „Spiegel“-„Spitzengespräch“ und bei „Markus Lanz“ Screenshots: ZDF, „Spiegel“

Feldman ist seit Jahren ein gern gesehener Gast in deutschen Talkshows und Medien, gerade hat sie mit „Judenfetisch“ ein neues Buch vorgelegt, in dem sie sich ausgehend von persönlichen Beobachtungen in ihrem Berliner Umfeld und einer Reise zur israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem damit auseinandersetzt, was jüdische Identität jenseits der Religion bedeutet. Dabei attestiert sie den Deutschen einen Judenfetisch, der zwischen Shoah-Erinnerung, Philosemitismus und bedingungsloser Israel-Unterstützung kreise. Bemerkenswerterweise verfällt sie dabei in der Ablehnung deutscher Konvertiten selbst in identitäre Zuschreibungen zur Frage, wer „echter Jude“ sei.

Vor allem seit Ausbruch des Krieges ist Feldman medial omnipräsent: Sie war bei Markus Lanz (zum wiederholten Mal), sie war im ZDF-„Morgenmagazin“, sie gab lange Interviews in der „Berliner Zeitung“, der „Rheinischen Post“ und anderswo, schrieb einen Gast-Kommentar für den „Guardian“ und war im großen „Spiegel“-Video-Talk mit Markus Feldenkirchen und Gregor Gysi.

Feldman macht es sich leicht

Bei Lanz behauptete sie dabei unwidersprochen, die israelischen Opfer der Hamas-Attentate vom 7. Oktober seien offene, friedensliebende Menschen wie sie selbst gewesen und daher „ungünstig für die israelische Regierung“. Die Opfer seien „nur insoweit nützlich, als dass wir damit Gewalt rechtfertigen können“. Mit großem moralischem Impetus sagte sie anschließend, die einzig legitime Lehre aus dem Holocaust sei „die absolut bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte für alle. Punkt. Wer den Holocaust instrumentalisieren will, um weitere Gewalt zu rechtfertigen, hat seine eigene Menschlichkeit verwirkt.“

Man könnte einwenden, dass das Dilemma ja nun gerade darin besteht, dass eine „bedingungslose Verteidigung der Menschenrechte“ für die von der Hamas angegriffenen israelischen Zivilist:innen leider nur in unmittelbarer Gegengewalt bestand. Überlebt wurde nur dort, wo es in Einzelfällen gelang, Dörfer und Kibbuzim mit Waffen zu verteidigen oder bis zum Eintreffen der Armee auszuharren. Dass es für beide Seiten des Konflikts keine gewaltlose Möglichkeit der Wahrung der „Menschenrechte“, ja nicht einmal der Wahrung der eigenen Existenz gibt, entgeht Feldmans moralischem Rigorismus leider. Und dabei wäre das nur der Ausgangspunkt für alle ethischen, philosophischen, politischen und militärischen Betrachtungen des Konflikts.

Feldman macht es sich demgegenüber eben nicht besonders schwer (was ihre und die mediale Behauptung ist), sondern besonders leicht. Der Applaus des Publikums ist ihr dabei gewiss: Nicht nur bei Lanz waren alle ergriffen und berührt, auch in sozialen Medien und in weiten Teilen des deutschen und internationalen Journalismus ist Feldman eine äußerst gefragte Stimme.

Wie in den Dreißigern, nur gegen die anderen

Feldmans Position geht einher mit einer überbordenden Kritik an der israelischen Regierung, die in toto als rechtsradikal beschrieben wird, unabhängig davon, dass mittlerweile auch eine der großen Oppositionsparteien der Kriegsregierung beigetreten ist. So ist Feldman auch Mitinitiatorin eines offenen Briefes jüdischer Intellektueller, den die „taz“ veröffentlicht hat. Darin wird nicht nur zum Gewaltverzicht aufgerufen und Solidarität mit allen zivilen Opfern bekundet, sondern auch massive Kritik am deutschen Diskurs und der deutschen Politik geübt.

So wird Polizei und Behörden vorgeworfen, willkürlich pro-palästinensische Demonstrationen zu verbieten und mit „wahlloser Brutalität“ vorzugehen. Die von der Polizei behauptete Gefahr von „volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen“ wird pauschal verneint, sie dienten nur als Ausrede, um „legitime und gewaltfreie politische Äußerungen zu unterdrücken“.

Dass es auf jeder einzelnen Demonstration zu Ausrufen wie „From the river to the sea“ oder Drohungen im Sinne von „Mohammeds Armee wird wiederkehren“ kam; dass Polizist:innen angegriffen wurden; dass Menschen, die bei McDonald‘s oder Starbucks gastierten, durch Gassen von Blockierern Spießrutenlaufen mussten (weil diese Ketten angeblich Israel unterstützen); dass Gegendemonstrant:innen massiv bedroht und die Pressefreiheit auf den Demos durch die Organisator:innen immer wieder eingeschränkt wurde – all das kommt selbstredend nicht zu Wort.

Stattdessen wird eine Parallelrealität beschrieben, in der „Menschen mit Migrationshintergrund in ganz Deutschland ins Visier genommen und Zivilisten belästigt, verhaftet und verprügelt“ werden. „Fußgänger werden auf dem Bürgersteig angerempelt und mit Pfefferspray attackiert. Kinder werden rücksichtslos angegriffen und verhaftet.“ Das Bild, das im Kopf entstehen soll, ist offenbar das des Berlins der dreißiger Jahre, nur dass die Opfer diesmal nicht die Juden sind.

Omnipräsent gecancelt

Bizarrerweise fühlt sich Feldman trotz ihrer medialen Präsenz ungehört und gecancelt, sogar bedroht. So sagte sie bei Markus Feldenkirchen:

„Ich fühle mich als Jüdin, die Israel kritisiert, bedroht. Meistens von anderen Juden und deutschen Konvertiten, von Deutschen, die so tun, als wäre sie Juden und von Deutschen, die behaupten, sie wären Antisemitismusbeauftragte.“

Auf X likte sie einen Beitrag, der behauptete, die Reaktion auf ihre Position in Deutschland lasse sich nur noch als „Gleichschaltung“ bezeichnen.

Im niederländischen „NRC Handelsblad“ sind ihre Vorwürfe ähnlich schrill: So bezeichnet sie den Großteil der Jüdinnen und Juden in Deutschland als

„deutsche Konvertiten oder Pseudokonvertiten oder Deutsche, die einmal einen jüdischen Urgroßvater entdeckt haben, oder Deutsche, die eigentlich aus der Sowjetunion stammen und überhaupt keine Ahnung vom Judentum haben, sich aber hier als solche positionieren mussten. Von mir aus kann ganz Deutschland zum Judentum konvertieren, wenn sie es für sich tun und nicht, um mich zum Schweigen zu bringen. Als Juden in Deutschland werden wir vom staatlich finanzierten Judentum bedroht, das eigentlich nichts mit dem Judentum zu tun hat, sondern eine deutsche Erfindung ist, um die Juden erneut zu unterdrücken und zu verdrängen. Das Judentum wurde in Deutschland gekapert.“

Das ist so starker Tobak, dass man sich umgekehrt fragen muss: Wie kann eine derart diffamierende Position überhaupt so starkes Gehör in deutschen Medien finden? Wieso wird jemand, der augenscheinlich alle Jüdinnen und Juden in Deutschland, die nicht Teil ihrer peer group sind, ablehnt und verachtet, zum Sprachrohr, zu einer „jüdischen Stimme“ verklärt, die irgendeinen Anspruch auf Repräsentation ausgerechnet derjenigen haben sollte, die sie partout nicht repräsentieren will?

Die Antwort ist dieselbe wie bei Fabian Wolff: Weil sie einen deutschen Voyeurismus befriedigt, der sich an innerjüdischem Zwist ergötzt – und als nützliche Alibijüdin fungiert für das, was man immer schon mal selbst sagen wollte: Diese Orthodoxen sind doch genauso schlimm wie die Islamisten. Israel ist doch ein verbrecherischer, rechtsextremer Staat. Die Ostjuden sind doch nur Beitragserschleicher, die sich als Juden ausgeben.

Ich bin einer von denen, die sie meinen

Dazu eine persönliche Anmerkung, denn wenn es um Sprecherpositionen geht, wäre es unredlich, die eigene nicht zu thematisieren. Ich habe mich jahrzehntelang aus deutsch-jüdischen Debatten in der Öffentlichkeit rausgehalten, um bei genau diesen neurotischen Spielen nicht mitzuspielen. Ich möchte keine „jüdische Stimme“ für irgendwas sein, ich möchte nicht bei jeder Entwicklung in Nahost in Redaktionskonferenzen oder in Weinbars oder auf Podien oder in Fußballstadien gefragt werden, was „unser Jude“ so zum Thema denkt. Aber da ich nun einmal irgendwie auch zu jeden deutschen Juden zähle, von denen schon Fabian Wolff fand, sie seien „zu ängstlich, eitel oder dumm“, möchte ich Feldman und ihren medialen Claqueren antworten.

Es macht mich unermesslich wütend, dass in Deutschland seit Jahren eine Blase vornehmlich Berliner, vornehmlich linksradikaler, vornehmlich israelischer und amerikanischer Expats meint, sie müsse den deutschen Jüdinnen und Juden jetzt mal erzählen, wo es langgeht. How dare you? Ich komme aus einer deutsch-jüdischen Familie, bin einer jener vielen „Vaterjuden“, die auch bis heute ohne formelle Konversion keiner Gemeinde beitreten können.

Mir ist die Diskussion darüber, wer nun eigentlich „wirklich“ Jude ist, in all ihren Facetten vertraut. Und auch ich habe meinen Beef mit dem institutionalisierten Judentum in Deutschland, das Menschen wie mich zu einer orthodoxen Konversion zwingen will, bevor ich in ihrem Verein mitmachen darf. Deshalb lasse ich mir aber umgekehrt nicht von 2014 mit viel Geld nach Hipster-Kreuzkölln gezogenen Lautsprechern die Authentizität absprechen.

Mein Großvater wurde aus Berlin vertrieben, er kehrte später mit seinen Kindern zurück. Meine ebenfalls in Berlin geborene Schwester ist direkt nach dem Abitur nach Israel ausgewandert und lebt heute mit ihren drei Kindern im Süden des Landes, weil sie der Meinung war, man könne als Jüdin nicht in Deutschland bleiben. Die Schwester der Frau eines entfernteren Cousins ist nach Gaza entführt (oder tot). Ich bin in den achtziger und neunziger Jahren in Neukölln aufgewachsen, in dem Frau Feldman sich genauso typisch amerikanisch-romantisierend eingerichtet hat wie alle anderen US-Expats, die Berlin so inspirierend offen finden, auch.

Ich kann sehr viel darüber erzählen, wie „inspirierend“ diese Zeit war, auch unter dem Gesichtspunkt eines manifesten, sehr gewalttätigen Antisemitismus türkisch-arabischer Streetgangs, von dem Feldman sagt, er existiere gar nicht, denn sie habe ihn nie erlebt. Nur die Schule ihres Sohnes, die sei so ungünstig weit weg gelegen gewesen, da habe man jetzt doch umziehen müssen. Ein Schelm, wem da noch andere Gründe einfallen würden.

Repräsentative Repräsentanten

Mir wäre sehr daran gelegen, wenn als Repräsentant:innen deutscher Jüdinnen und Juden mehr Menschen aufträten, die repräsentativer sind. In Wirklichkeit mundtot gemacht werden nämlich nicht medial bestens vernetzte israelkritische Berliner Expats, sondern die große Mehrheit finanziell sehr schlecht gestellter Einwander:innen aus der ehemaligen Sowjetunion, vornehmlich aus Russland und der Ukraine. Sie sind es, die kaum vorkommen – und ihre Ansichten, Sorgen und Nöte (die natürlich auch nicht monolithisch sind) unterscheiden sich mehrheitlich massiv von denen einer bestimmten Berliner Bubble, die ihre linke, „intersektionale“ Agenda mit einer jüdischen verwechselt – oder bewusst instrumentalisiert.

Dazu gehört auch, dass man sich medial darauf einstellt, dass Jüdinnen und Juden unterschiedlicher Meinung sind und nicht immer nur ergriffen zuhört, wenn blanker Unsinn erzählt wird, sondern kritische Fragen stellt. So behauptet nicht nur Feldman zum Beispiel permanent, die deutsche Mehrheitsgesellschaft gefährde mit ihrer pro-israelischen Haltung Juden zusätzlich, weil dadurch die politische Rechte gestärt würde. Stattdessen wünscht man sich die „Normalität“ US-amerikanischer, britischer oder anderer europäischer „linker“ Nahost-Diskurse auch hierzulande, die spezielle deutsche Geschichte hin oder her.

Doch das Gegenteil ist wahr: Die Bedrohungslage für Jüdinnen und Juden in Frankreich zum Beispiel ist um ein Vielfaches höher als in Deutschland. Mehrere Menschen wurden in den letzten Jahrzehnten bestialisch ermordet, die Anzahl der Übergriffe allein seit diesem Kriegsbeginn ist vierstellig, rund 60.000 französische Juden haben in den letzten gut 15 Jahren das Land aus Angst verlassen. Das ist ein Grund, warum sich Qualität der Croissants in Tel Aviv sehr verbessert hat und Netanja heute sprachlich an die Riviera erinnert.

Das französische Gegenstück zum deutschen Zentralrat der Juden, der CRIF, spricht eindeutig davon, dass die größte Gefahr von arabisch-islamistischem und linkem Antisemitismus ausgehe. Den Teufel werden deutsche Jüdinnen und Juden tun, hier eine „Normalisierung“ hin zu solchen Verhältnissen zu dulden. Warum sollten sie auch?

Im Gegenteil: Es wurde in der Berliner Republik nach 1990 tatsächlich mehr in der Frage der Bekämpfung des Antisemitismus erreicht als anderswo. Die erschütternde Unkenntnis der Geschichte des Antisemitismus, der Shoah und des Nahost-Konflikts, die täglich auf Videos von „woken“ US-Colleges und britischen Universitäten zu bewundern ist – und die den Nährboden für die nächsten Jahrzehnte judenfeindlicher Gewalt im Gewand des „Antikolonialismus“ bildet – ist nicht erstrebenswert. Ausnahmsweise ist es in Deutschland tatsächlich sicherer für Juden als anderswo. Diese Butter sollte man sich auch medial nicht vom Brot nehmen lassen.

16 Kommentare

  1. Ich erkenne die Welt nicht wieder, wie sie hier beschrieben ist. Dass Feldmans Ansichten viel stattfinden, sehe ich einfach nicht. In meiner Wahrnehmung dominiert die Art bedingungslose Israelunterstützung, die Kritik an Israels Politik oder Solidaritätsbekundungen gegenüber Palästinenser*innen mit Antisemitismus gleichsetzt.

    Ich würde mir hier für einige der pauschalen Behauptungen Belege wünschen, was die angeblich falsch dargestellte Realität betrifft.

  2. Schöner Wutanfall, Herr Reisin. Danke. Schade, wie sich Frau Feldman entwickelt hat. „Unorthodox“ habe ich damals fasziniert gelesen; was ich über „Judenfetisch“ zu hören bekam, erschien mir, gelinde gesagt, befremdlich. Nun scheint sie in der deutschen Öffentlichkeit genau die Lücke zu füllen, die Herr Wolff notgedrungen verlassen musste: Israelfeindlichkeit in Deutschland mit jüdischem Segen auszustatten.

    Passende Kritik zu „Judenfetisch“ von Carsten Hueck aus dem Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/deborah-feldman-judenfetisch-dlf-d905f84a-100.html

    @Erwinzk:

    Die „Politik Israels“ – der Regierung Netanjahu, der Siedler-Bewegung, der Nationalisten, etc. – wird in Deutschland oft und offen scharf kritisiert. Das ist nur selten antisemitisch, oft stimme ich zu. Und die Bevölkerung in Gaza braucht derzeit Schutz und jede humanitäre Hilfe, die möglich ist.

    Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es die Hamas genau auf die Bilder angelegt hat, die jetzt entstehen: Sie lebt von der weltweiten Empörung über tote Zivilisten – deshalb hat sie es so eingerichtet, dass der Kampf gegen sie möglichst viele zivile Opfer fordert. Zynischer geht es nicht.

    Antisemitisch ist die sogenannte „Israelkritik“, die zwar stets so tut, als hänge sie sich an einer konkreten Politik auf, in Wahrheit aber den ganzen Staat Israel negieren will – weil schon dessen Existenz rassistisch, kolonialistisch, völkermörderisch oder sonstwas sei. Israel wird zum „Juden unter den Staaten“ gemacht, in klassisch antisemitischer Tradition.

    BDS, Frau Thunberg & Co. spielen derzeit nolens volens das Spiel der Hamas mit – indem sie so tun, als töte Israel palästinensische Zivilisten nur aus Spaß und bösem Willen. Und Frau Feldman gibt dem leider Schützenhilfe.

  3. #1 „In meiner Wahrnehmung dominiert die Art bedingungslose Israelunterstützung, die Kritik an Israels Politik oder Solidaritätsbekundungen gegenüber Palästinenser*innen mit Antisemitismus gleichsetzt.“

    Das sehe ich anders. Beispielsweise dominieren medial mittlerweile Bilder der palästinensischen Zivilbevölkerung, insbesondere aus dem Shifa Krankenhaus.
    Im Spiegel sind bereits seit dem 7. Oktober viele kritische Berichte über Netanjahu erschienen. Gerade heute ein Artikel darüber, dass Informationen der israelischen Armee mit Vorsicht zu begegnen sei.

    „Bedingungslose Israelunterstützung“ ? Kann mich nicht entsinnen, dass auch nur einmal gelesen zu haben, dass die Vernichtung der Hamas ein erstrebenswertes Ziel sei.

  4. Danke, danke für diesen angemessen wütenden Kommentar!

    Es ist schon interessant, wie sehr Medien und Öffentlichkeit nach „abweichenden“ marginalisierten Sprecher*innen lechzen. Da fallen mir etwa Necla Kelek und Hamed Abdel-Samad ein, die so präsent sind, weil sie antimuslimischen Rassismus aus der passenden Sprecherposition bedienen. Oder H. M. Broder: ein Jude, der die AfD hofiert, das ist doch mal was! (Inzwischen hat sich das Verhältnis wegen russlandpolitischer Differenzen wieder etwas abgekühlt.) Feministische Transphobe werden auch viel lieber gehört als solche von Rechtsaußen. Und so weiter.

    Manche übertreiben es, wie Evelyn Hecht-Galinski oder Akif Pirincci, und werden dann tatsächlich gecancelt, die anderen hingegen werden von Talkshow zu Interview gereicht und jammern trotzdem darüber, wie sie so schrecklich mundtot gemacht werden. So gecancelt zu werden, davon können die meisten Minderheitenstimmen nur träumen!

  5. Auch von mir herzlichen Dank für diesen Kommentar, Herr Reisin! Ich halte jeden Satz für wahr!
    Danke auch für die persönlichen Schilderungen.
    Danke auch an Vorredner #2, #3 und #4.

    Dieser ganze Komplex Nahost, Judentum und Antisemitismus ist schon lange und jetzt erst recht so erfüllt von Niedertracht, Scheinheiligkeit und Doppelstandards, daß ich manchmal – in echt und ohne Übertreibung – dastehe und verzweifelt bin. Da tut es gut, auf dieser Website immer wieder klare Luft zu atmen.

    Ich lasse hier jetzt mal das argumentieren. Ich bin dessen gerade so müde. Es ist doch alles schon gesagt.

    Wie gesagt: Einfach nur danke!

  6. @Earendil:

    Da fallen mir etwa Necla Kelek und Hamed Abdel-Samad ein, die so präsent sind, weil sie antimuslimischen Rassismus aus der passenden Sprecherposition bedienen.

    Bitte, was tun die? Nicht im Ernst, oder? Liberale Muslime, die den politischen Islam-Mainstream kritisieren, bedienen Rassismus? Das ist false balancing der reinsten Sorte. Niemand hat Frau Feldman für ihre Abrechnung mit der Orthodoxie kritisiert, in der sie aufgewachsen ist. Aber liberale Muslime, die sich gegen Islamismus wehren, bedienen Rassismus. Alles klar.

    Den Verrat der Linken an diesen Leuten werde ich nie begreifen: Man nimmt die größten Arschlöcher als authentische Vertreter des Islams hin, aber die fortschrittlichen Kritiker werden des Rassimus‘ geziehen…

  7. Die Zeitung legte später noch einen „Faktencheck“ nach, der weitgehend zu dem Ergebnis kam, Wolff sei von seiner Mutter belogen worden (nicht wurden).

  8. @KK: Es ist manchmal ein schmaler Grat, aber grade Ihnen würde ich eigentlich schon ein Gespür für den Unterschied zwischen Kritik und Hetze (oder zumindest deren bereitwilliger Bedienung) zutrauen. Liberale Muslime? Da fallen mir Namen wie Kermani, Ates, Kaddor, Güvercin ein, und wenn man sich besser auskennen würde, könnte man sicher noch etliche mehr nennen. Leute wie Kelek und Abdel-Samad dagegen sind bloß Islamhasser – pardon, Islamkritiker natürlich. („Islamkritik“, ein Wort wie „Israelkritik“ – gibt’s für keine andere Religion bzw. kein anderes Land.)

    Trotzdem bereue ich diesen Vergleich, auch wenn er mir durchaus passend erscheint. Aber es war ja klar, dass das Widerspruch hervorrufen würde, und war quasi eine Aufforderung zum Derailing. Vielleicht können wir das so stehen lassen, dass wir die genannten Personen halt unterschiedlich beurteilen, uns im Hinblick auf Frau Feldman hingegen halbwegs einig sind?

  9. Ich kannte D. Feldmann von ihrer Veröffentlichung des Buches „Unorthodox“, das ich beeindruckend fand. Als ich sie dann bei Lanz sah, baute sich mein Eindruck der Glaubwürdigkeit darauf auf, es entstand regelrecht Mitleid mit ihrer Situation.
    Deswegen bin ich sehr dankbar für die Informationen die ihr gegenwärtiges Agieren beleuchten.
    Wieder ein toller Beitrag, ein typischer Reisin eben.

  10. @Earendil (#8):

    Vielleicht können wir das so stehen lassen, dass wir die genannten Personen halt unterschiedlich beurteilen, uns im Hinblick auf Frau Feldman hingegen halbwegs einig sind?

    Können wir. Mich macht die ganze Sache derzeit ziemlich dünnhäutig. Mein Tonfall war daneben. Sorry nochmal.

    Zum Thema „Islamkritik“: Ich gehe immer davon aus, dass eine Religion nichts ewiges, unveränderliches ist, sondern Ausdruck aktueller sozialer und politischer Bedingungen. Ich halte gar nichts von Aussagen á la: „Im heiligen Buch XY steht dies und das, also sind dessen Anhänger alle so und so“ (zum Beispiel „demokratieunfähig“).

    „Islamkritik“ ist für mich die Kritik einer politisch-religiösen Bewegung, die sich ab der Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelt hat und leider ziemlich dominant geworden ist. Ich schätze Kelek und Abdel-Samad als Gegenstimmen. Dass sie dabei auch als Stichwortgeber für gruselige Leute missbraucht werden, ist weniger ihnen selbst anzulasten, als den polarisierten Verhältnissen unserer Zeit.

    So, und nun zurück zum Thema: Frau Feldman…

  11. Wem nützt eigentlich eine „Staatsräson“? Meiner Meinung nach vor allem denen, die sie für ihre Gebietskörperschaft verkünden. Ansonsten: Es gab und gibt auch das ziemlich genaue Gegenteil des so mantrenartig verkündeten „Wir stehen an eurer Seite“ – Benjamin Netanjahu wurde ja schon einige Male gewählt, das Echo darauf im dt. Blätterwald lässt sich mit „arrogantes Geschrei“ bezeichnen,
    Kommentatoren mit dem größten Berufsrisiko „wackliger Bürostuhl“ meinten ganz genau zu wissen, warum dieser Politiker aber so was von die falsche Wahl gewesen sein sollte. Und der schon vor längerer Zeit verstorbene Ariel Scharon? Hat damals immerhin letztlich Gaza als palästinensisches Gebiet möglich gemacht – im ÖR Fernsehen aber wurde er damals durchweg als Krieger und Polarisierer dargestellt.
    Dass übrigens Leute über „Gecancelt werden/Zensur“ klagen, obwohl sie recht umfassend zu Wort kommen, ist (leider) recht weit verbreitet.

  12. @ Earl Offa: An der Seite Israels zu stehen bedeutet ja nicht, an der Seite Netanjahus zu stehen. Das wäre auch Verrat an der – sypatischeren – Hälfte Israels, die ihn seit Monaten aus guten Gründen bekämpfen. Dass der Mann der falsche in der Position ist, ist ja wohl offensichtlich.

    Scharon war den überwiegenden Teil seines politischen Lebens ein rechter Hardliner (nicht zu vergessen seine indirekte Mitverantwortung für die Massaker von Sabra und Schatila), hat aber als Ministerpräsident Schritte zur beendigung der Besatzungspolitik eingeleitet, bekanntlich schon damals gegen den Widerstand Netanjahus. Das war ein „only Nixon could go to China“-Moment und brachte ihm viel Achtung, auch im „deutschen Blätterwald“. Netanjahu hätte etwas Ähnliches tun können. Stattdessen wird er (hoffentlich bald) in die Geschichte eingehen als korrupter Typ, der für sein privates Schicksal bereit war, die israelische Demokratie zu opfern – und als politisch Verantwortlicher für das schlimmste sicherheitspolitische Versagen in Israels Geschichte. Das festzustellen hat nichts mit arrogantem Geschrei zu tun.

  13. Diese Rhetorik, die „.einen deutschen Voyeurismus befriedigt, der sich an innerjüdischem Zwist ergötzt“, greift immer wieder, und ich ertappte mich schon selbst dabei, der Zwist-Voyeur zu sein.
    Zum Beispiel bei der Zeit Headline: „Jüdischer Notar wollte mit Anne Frank Verrat wohl Familie schützen.“ Der Zwist, der interne Verrat wird als Fakt dargestellt, nur über das Motiv musste noch gemutmaßt werden.
    Der Presserat hat die Beschwerde damals übrigens abgelehnt.

  14. Hallo, ich finde den Beitrag nicht sehr hilfreich, weil in vielen Bereichen ad personam formulierend. Was hat eine Bemerkung zu Frau Feldmans finanziellen oder Wohnverhältnissen oder die Frequenz ihrer Talkshoweinladungen mit ihrer inhaltlichen Position zu tun?
    Dazu hätte ich mir eine sachlicher Prüfung ihrer Positionen gewünscht.

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