Reality-TV sagt natürlich wenig bis nichts über die Realität aus. Reality-TV ist Realität fürs TV, das heißt: gestaged, gefilmt, geschnitten. Allerdings stimmt das nur halb, denn selbstverständlich steckt auch in jeder Inszenierung fürs Fernsehen zumindest inszenierte Realität, die manchmal sogar realer wirken kann als die mutmaßlich realere Realität außerhalb des Fernsehens.
Die Kolumne
Samira El Ouassil ist Zeitungswissenschaftlerin, verdient ihr Geld aber mit Schauspielerei und politischem Ghostwriting. Außerdem ist sie Vortragsreisende und macht, zusammen mit Friedemann Karig, den Podcast „Piratensender Powerplay“. Bei Übermedien schreibt sie seit 2018 jede Woche über Medien, Politik und Kommunikation.
Solch eine Seherfahrung hatte ich beim Schauen der aktuellen Staffel von „Sommerhaus der Stars“, einem RTL-Format, das nicht für seinen Bildungsauftrag bekannt ist. Aber die aktuelle, dritte Folge halte ich für eine sehenswerte, geradezu lehrbuchartige Darbietung eines realen wie gegenwärtigen Diskurses rund um den Liberalismus, beziehungsweise rund um verschiedene Vorstellungen von Liberalismus, und vornehmlich um das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft.
Nicht erst seit der Pandemie, während der uns mehr als zuvor bewusst wurde, weshalb in Gesellschaften eine gewisse Notwendigkeit zur kollektiven Kooperation existiert, wurden in zahlreichen Debatten Konflikte zwischen einer individuellen Selbstentfaltung und einer gemeinschaftlichen Rücksichtnahme verhandelt. Auch im Falle der Klimakrise erscheint es notwendig, darüber zu sprechen, wie eine Gesellschaft mit unterschiedlichen Ressourcen umgehen sollte, damit ein freies, sicheres Leben nicht nur jetzt für einige, sondern auch in Zukunft für alle Menschen möglich bleibt, vor allem, wenn der globale Norden auf Kosten des globalen Südens lebt. (Siehe hierzu beispielsweise das Buch „Demokratie im Feuer: Warum wir die Freiheit nur bewahren, wenn wir das Klima retten – und umgekehrt“ von Jonas Schaible.)
Gesellschaftsdebatten, sommerhausifiziert
Globale Pandemie, menschengemachter Klimawandel, „Ich“, „Wir“ – das klingt wie das ganz große Besteck und nach einer sozialen Gemengelage, die unübersichtlich ist und schwer konkret gemacht werden kann. Falsch gedacht! Ausgerechnet das „Sommerhaus der Stars“ bietet überraschend erhellende Momente, in denen sich soziale Dynamiken entwickeln, bei denen sich die Teilnehmenden regelrecht zu Stellvertreterinnen konträrer gesellschaftspolitischer Positionen mausern.
Das Format schöpft zwar seinen Unterhaltungswert stets aus erstaunlich leidenschaftlichen Pärchenstreitigkeiten und oftmals grenzwertigen gemeinschaftlichen Feindseligkeiten zwischen den Menschen, die rund um die Uhr gefilmt mehrere Wochen in einem Haus verbringen. Der erste wirklich große kollektive Beef entsteht aber seit einigen Staffeln vorhersagbar um eigentlich banale Haushaltstätigkeiten und Fragen der gerechten Essensverteilung. Als auch in diesem Jahr die Stimmung zwischen Küche und Kühlschrank hochkochte, fühlte ich mich, wie gesagt, an gegenwärtige Diskurse in journalistischen und sozialen Medien erinnert.
Die One-Woman-Krawallerie
Die markante Szene aus der dritten Folge, die hierbei so unterhaltsam wie lehrreich die dialektischen Tücken des Denkens über Liberalismus und Eigenverantwortung veranschaulicht, dreht sich um Melonenstücke und ein Hähnchen. Dazu muss man wissen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner ein begrenztes Kontingent an Ressourcen, wie Essen, Alkohol oder Geduld, unter sich aufteilen und über den Tag einteilen müssen. Zwar sind diese Dinge keinesfalls so begrenzt wie beispielsweise im Dschungelcamp, dennoch entsteht auch hier schnell die fundamentale Frage, wer wie viel und was wann konsumieren darf. Es handelt sich um einen Konflikt, der praktisch dank der fernsehproduktionellen Verknappung der Mittel zwischen dem Recht auf individuellen Konsum und der Notwendigkeit einer gemeinschaftlich gerechten Rationierung entsteht.
Wer im Reality-TV egoistisch handelt und auf sein individuelles Recht pocht, der nimmt oftmals in Kauf, dass andere nichts von bestimmten Vorräten abbekommen; und wer beständig darauf besteht, dass Ressourcen möglichst gerecht unter allen verteilt werden, der schränkt den Handlungsspielraum derjenigen ein, die eher selbstbestimmte Entscheidungen treffen wollen, die weniger die Bedürfnisse anderer und der Gruppe berücksichtigen.
In besagter Szene treten die Teilnehmerin Walentina Doronina und ihr Freund Can Kaplan als antikollektive Abkapsler auf; eine Rolle, die sie sich in den bisherigen Folgen strebsam erarbeitet haben, denn: Stress sells! Das weiß vor allem Doronina, eine One-Woman-Krawallerie, bekannt aus anderen Reality-Formaten, die aus aufmerksamkeitsökonomischer Routine wo und wann immer möglich auf Kollision aus ist. Mit der Zielsicherheit eines antiautoritären Kometen knallt sie in jeden gemeinschaftlichen Frieden, um die anderen Teilnehmenden ihrer angeblichen „Fakeness“ zu überführen.
Ihr beständig sie umkreisender Satellit Kaplan, ein loyaler Ritter und partner in cringe, der sie stets edelmütig vor der Wut derjenigen verteidigt, die sie zuvor gekonnt provoziert hat, scheint im Gegensatz zu ihr nicht grundsätzlich oder aus Überzeugung etwas gegen ein gemeinschaftliches „Wir“ zu haben. Er mag die Gruppe nur nicht, weil die Gruppe seine Freundin nicht mag – beziehungsweise seine Freundin das eben so will.
Verfechter des Hähnchenkollektivismus
Den beiden gegenüber steht als Verfechter eines Hähnchenkollektivismus der Teilnehmer Eric Stehfest, GZSZ-Schauspieler und Bestseller-Autor des Entzugsberichtes „9 Tage wach“, der nach eigener Aussage die Wiedergeburt eines Ritters aus dem Jahre 1311 ist. Als moralischer Flügel gesellen sich der Teilzeit-Toxiker Aleksandar „Aleks“ Petrovic, privat vor allem selbsternannter Fitnesstrainer der Emotionen seiner Freundin, sowie als eine Art Reality-TV-Rousseau Zico Banach hinzu, den man aus „Die Bachelorette“ des Jahres 2021 kennen könnte, wenn man ihn kennen würde.
Die Problematik: Funktioniert das Zusammenleben im Sommerhaus, wenn jeder an sich denkt? Oder sollte man gemeinschaftlich handeln? Und wie sinnvoll ist überhaupt ein Gemeinschaftsdenken in einer TV-Situation, die nicht nur eine spieltheoretische ist, sondern buchstäblich eine Spielsituation, in der alle Konkurrenten sind? Wie viel Egoismus verträgt das Gefangenendilemma des Sommerhauses, um am Ende gewinnen zu können (denn zu egoistische Mitspielerinnen und Mitspieler können ja ggf. rausgewählt werden) und wie viel gemeinwohlorientiertes Handeln ist angebracht, um das Spiel bestenfalls bis zum Ende durchzustehen?
Die Situation: Nachdem sie das Gefühl hatten, nichts von einer gemeinschaftlich aufgeteilten Melone angeboten bekommen zu haben (ein falscher beziehungsweise bewusst falsch verstandener Eindruck), entschließt sich das Team „Nach uns die Sintflut“ aka Doronina und Kaplan allein und vor allen anderen, erstmal für sich ein Hähnchen zu backen, das Tier also auf eine Weise zuzubereiten, die andere Mitessende eher nicht berücksichtigt. An diesem Tag steht offenbar nur ein Hahn zur Verfügung, weshalb die zweisame Mahlzeit bei der „Gemeinschaft“ nicht gut ankommt. Eric Stehfest wird zum Sprecher dieses Gar-nicht-gut-Findens. (Funfact: Er ist im Dschungelcamp dadurch bekannt geworden, dass er willentlich eine Prüfung abbrach, und somit auf eine Essensration für alle verzichtete, aus Rache gegen aus seiner Sicht manipulative Mitstreitende; sein Fazit damals: „Für mich gibt’s kein Team!“ – ergo keine Verpflichtung für ihn, das Essen für andere zu erspielen.)
Stehfest: „Ich weiß, das ist ein Wettbewerb, aber es gibt so ein paar Sachen, die müssen wir alle teilen miteinander – und das ist das Essen. Wir brauchen alle Energie. Da hätte man gemeinsam einen Weg finden können, wie man das Hähnchen, das eine was ja sowieso zu wenig ist für alle, trotzdem so verarbeitet, dass alle wenigstens ein bisschen was davon haben. Meine Meinung.“
Walentina Doronina springt auf und will nun ebenfalls ihren Standpunkt deutlich machen: „Stopp! Jetzt sag ich kurz was. So, ich hab das Hähnchen gemacht für alle, ich hab den Salat gemacht für alle, alle können sich bedienen, ich habe gesagt: ‚Das Hähnchen ist fertig‘.“
Es handelt sich hier um eine schöne Darbietung einer vermeintlichen Fürsorge, die behauptet, dass der eigene Egoismus doch im Grunde zum Wohle aller erfolgte und von Anfang an als generöses Angebot für die Versorgung aller gedacht war. Auch wenn nicht genug für alle da ist (dafür hätte das Tier laut Stehfest als Frikassee zubereitet werden müssen) und nur wenige von dem Hähnchen essen, könnten am Ende trotzdem rein theoretisch doch alle davon profitieren. Die Debatte darüber, wer wann zum Wohle aller oder eben nicht gehandelt hat, ist damit eröffnet.
Stehfest: „Ich hab euch beim Kochen schon gesagt, dass das Huhn, wenn ihr es so zubereiten werdet, nicht für alle reichen wird. Hab ich gesagt.“
Doronina: „Aber ich muss ja auch nicht für alle kochen.“
Kaplan: „[…] Aber letztes Mal kamen wir [zum Frühstück] an und es waren keine Eier mehr da. Die waren alle aufgegessen.“
Stehfest: „Frühstück hat bisher noch nie jemand zusammen gemacht!“
Petrovic: „Das habt ihr immer nur für euch gemacht!“
Doronina: „Ich habe hier mit Sicherheit nicht jetzt das große Festmahl gemacht für alle.“
Petrovic: „Sieht man.“
Doronina: „Undankbar!“
Petrovic: „Sieht man! WIR haben immer für ALLE gegrillt!“
Kaplan: „Du warst der Erste, der ankam…“
Petrovic: „Ich hab für dich gegrillt! Wo du die Würstchen nicht nehmen wolltest!“
Kaplan: „Habe ich darum gebeten?!“
Petrovic: „Ich habe daran gedacht, weil du Moslem bist und nur Kalb isst!“
Doronina: „Hä? Ist er doch gar nicht!“
Kaplan: „Ich bin kein Moslem.“
Petrovic: „Aus Respekt zu deiner Religion!“
Kaplan: „Ich bin kein Moslem.“
Doronina: „Er ist kein Moslem.“
Petrovic: „Ja, aber du isst kein Schwein!“
Doronina: „Ja und? Ist man dann Moslem?“
Petrovic: „Ich hab das respektiert!“
Kaplan: „Ich esse Schwein.“
Petrovic: „Nein, du Lügner, du hast gesagt, ‚Ich esse kein Schwein‘.“
Kaplan: „Ich hab gesagt, ‚Ich VERZICHTE auf Schwein‘.“
Petrovic: …
Kaplan: ….
Nach diesem Ausbruch einer stellvertretenden Identitätspolitik, in einem liebgemeinten Versuch, der nicht existierenden muslimischen Community im Haus entgegenzukommen und nach kurzer Irritation über diesen dadaistischen Moment einer religiösen Fehlzuschreibung auf Grundlage von Schweinefleisch – kehren wir zur Hähnchen-Melonen-Revolution zurück.
Der ehemalige „Bachelorette“-Teilnehmer Zico Banach meldet sich zu Wort, um die Ethik des Teilens und die Tragik der Allmende wieder in den philosophischen Diskurs rund um Ressourcenverteilung ins Gespräch zu bringen: „Eric hatte gerade was angemerkt, was ihn gestört hat. Das kann man doch mitnehmen.“
Doronina: „Wisst ihr was? Das ist so absurd! Warum beschäftigt ihr euch nicht mit euch selbst und macht selber Content!“
Was für eine großartige Diskursverschiebung vom Ressourcenproblem hin zum neoliberalen Dispositiv einer Aufmerksamkeitsökonomie. Am Ende wird mit einem überraschenden defensiven Haken den Mahlzeitmahnern unterstellt, dass es ihnen ja gar nicht um das Hähnchen ginge, sondern um Sendezeit im Lichte bzw. Schatten der Kochenden.
So wird die Kritik an nicht gemeinschaftlichem Handeln erfolgreich zu einer ebenso egozentrischen Handlung umdeklariert, wodurch die Kritikerinnen des egoistischen Individualismus scheinbar einer Verlogenheit überführt werden können – schließlich handeln sie in der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie durch ihre Anklage und die dadurch forcierte Sendezeit ja ebenso ichbezogen! Sie selbst sind ja Opportunistinnen ihrer gewollten Sichtbarkeit und haben offenbar ein kompetitives Bedürfnis nach mehr Bekanntheit. Als Einzelner die Missstände anzuprangern, wird somit auch nur zu einem bigotten Mittel der persönlichen Content-Produktion. (Ein Vorwurf, der auch häufig im aktuellen Liberalismus-Diskurs bezüglich der dazugehörigen Sachbuch-Veröffentlichungen zu hören ist.)
Doronina ist in dieser Logik fast wieder gerecht, denn sie scheint überzeugt: Wenn jeder an sich denkt und sich mit sich selbst beschäftigt, haben ja alle eine Beschäftigung. Fuck das Hähnchen! Jeder ist seines Contents Schmied! Sollen sich die Frikassee-Kommunisten halt mehr anstrengen, statt von den unterhaltsamen Früchten des von ihr hart erarbeiteten Kochindividualismus zu profitieren.
Gemeinschaft ohne Gemeinschaft
Man könnte behaupten, dass gamifizierte Realityshows wie das „Sommerhaus der Stars“ spielerisch das Konzept des neoliberalen Ideals der Meritokratie inszenieren. Die Entscheidung darüber, wer verdienstvoll gewinnt und wer zurecht verliert, entscheidet sich im „Sommerhaus“ hauptsächlich über die Leistung in den Pärchenspielen. Dabei kann man sich ein autonomes, antisoziales Verhalten prima erlauben, solange man in den Sport-, Geschicklichkeits- und Denkspielen besser als die anderen abschneidet, und sich so vor dem pädagogischen „Du störst die Gruppe!“-Rauswurf der Mehrheit schützen.
Sozialverträglichkeitsverteidiger Zico Banach versucht schließlich ein letztes Mal, die Notwendigkeit zur Kooperation heraufzubeschwören: „Wir leben in einer Gemeinschaft und wenn einer da ist …“
Kaplan: „NEIN! Wir leben nicht in einer Gemeinschaft!“
Doronina: „Wir leben nicht in einer Gemeinschaft! Nein! Wir leben NICHT in einer Gemeinschaft!“
Stehfest: „Gut, dann ist es so. Ich fand es einfach scheiße, weil wir die ganze Zeit jetzt versucht haben, zumindest das, was wir teilen müssen, eben zu teilen.“
Genau das war der Moment, der mich dazu verleitete, diese doch eigentlich so unwichtige Reality-Aufstellung aufzuschreiben, ein Moment der realen Realität. Wie kann man sich Essen teilen müssen, wissen, dass man sich essen teilen muss, und zugleich die Idee, dadurch Teil einer wie auch immer definierten Vorratskammer-Gemeinschaft zu sein, derart überzeugt als abwegig empfinden?
Die empörte Vehemenz, mit der Doronina und Kaplan den Gemeinschaftsbegriff ablehnen, ist bemerkenswert, der Anspruch auf Selbstbestimmung und Autonomie nachvollziehbar und der performative Widerspruch, den ihr Handeln erzeugt und den sie überhaupt nicht als solchen wahrnehmen, faszinierend. Wer Fleisch vom Essen aller konsumiert, erkennt durch seine Handlung den Anspruch aller anderen auch auf dieses Essen an und müsste, um nicht bigott zu sein, aber auch um das eigene Recht auf Fleisch zu bestätigen, dafür argumentieren, dass jeder andere auch die Möglichkeit auf Hähnchen bekommt. Und dennoch erschien ihnen beim Verteidigen ihres Nahrungs-Individualismus die Erwähnung der sozialen Abhängigkeiten geradezu kurios.
Dabei nehmen die natürlich Einfluss auf die Qualität und die Umsetzbarkeit der individuellen Freiheit. Der Einzelne handelt nicht im luftleeren Raum einer nicht existierenden gesellschaftlichen Matrix, sondern seine Freiheit steht immer in einem Verhältnis zur Freiheit und zur Entfaltung aller anderen Individuen, wodurch manche mehr als andere von ihrer individuellen Freiheit profitieren können – sie also nicht immer für alle zugleich möglich ist. Ein gerechter Egoismus funktioniert nicht, weil er by design diejenigen bevorteilt, die sich ungerechter verhalten.
Sind wir nicht alle Walentina?
Wenn wir uns die Auseinandersetzungen um die Bewältigung der Klimakrise, um ökonomische Ungerechtigkeiten oder andere Gefangenendilemmata anschauen, denken und handeln wir nicht genau so überzeugt wie Walentina Doronina, ganz ohne die kognitiven Dissonanzen als störend zu empfinden? Würde man mir sagen, dass ich mit dem Rest der Welt in einer Gemeinschaft bin, würde ich im ersten Moment ebenso irritiert verneinen.
Der Glaube von Doronina und Kaplan an das Ideal einer freiheitlichen Unabhängigkeit von allen anderen, die sich mit ihnen 24/7 in einem Haus befinden, ohne dass daraus auch nur irgendeine ethische Pflicht zur Rücksichtnahme oder gar Verantwortungsübernahme entsteht, ist eine wirkmächtige Selbsterzählung wie ein beliebtes Meritokratiemärchen, im Haus wie draußen – von der im Reality-TV immerhin nur RTL profitiert.
Am Ende dieser Emanzipationsquerelen der Fressfreiheitsverteidiger und Melonenmarxisten meldet sich plötzlich auch noch unerwartet der Trash-TV-Adel zu Wort, in persona der kindischen Kaiserin Claudia Obert, und ruft im besten Marie-Antoinett’schen „Sollen sie doch Kuchen essen!“-Ton in die aufgebrachte Runde: „Das Schlimme ist, es gibt keinen Alkohol! Aber zum Futtern ist doch hier genug. Wir hungern ja doch nicht!“
Als hätte man sich einen Philosophen an den Hof geholt, um der Monarchin die Revolution des Pöbels zu erklären, stellt Banach fest: „Es geht doch nicht um’s Hungern. Das hat keiner gesagt.“
Königin Obert: „Als hätte man noch nie ein Hähnchen gehabt in seinem Leben!“
Banach: „Darum geht es doch nicht!“
Obert: „…oder Bolognese!“
Banach: „Es geht einfach nur darum, dass…“
Doronina grätscht genervt zurück in den aussichtslosen Diskurs: „Mein Gott! Es gibt doch wesentlichere Probleme!“
Banach: „WALENTINA! Ich REDE gerade! HALLO!“
Doronina: „Nein, ihr seid auch nicht rumgegangen, wo die Melone ankam! Es reicht doch langsam mal!“
Alle brüllen ein bisschen durcheinander. Kurzer „Männer-Streit“ mit Kaplan, der nicht will, dass Banach seine Lebensgefährtin brüsk anfährt. Königin Obert zieht sich indes still aus der Konfliktzone des Fußvolkes zurück. Doronina wettert unberührt weiter: „Kümmert euch doch mal um euch selbst! Wo ist denn das Problem, Alter? Kümmert euch doch einfach um eure Partnerschaft! Ihr seid hier, weil ihr etwas gewinnen wollt! Warum müsst ihr immer auf einen gehen?“
Obert proklamiert abschließend herrschaftlich, dass ihr das von Edith Stehfest tatsächlich für alle gekochte Essen ohnehin nie geschmeckt hätte. Die Monarchie kann dem nutritiven Kollektivismus ganz offensichtlich nichts abgewinnen. Die Hausköchin Stehfest beschließt die Kelle nun fortan niederzulegen und in den Kochstreik zu gehen. Soll halt jetzt jeder für sich selbst kochen.
6 Kommentare
(dafür hätte das Tier laut Stehfest als Frikassee zubereitet werden müssen)
Was ich aus diesem Artikel mitnehme: Ich koche Samstag ein Hühnerfrikassee. Danke für den Tipp, Herr Stehfest!
Ich gehe sonst mit dem Kommentar „Ich schmeiß mich weg vor Lachen“ eher sparsam um, aber hier ist er doch am Platze. Eine Kostprobe:
„Was für eine großartige Diskursverschiebung vom Ressourcenproblem hin zum neoliberalen Dispositiv einer Aufmerksamkeitsökonomie. Am Ende wird mit einem überraschenden defensiven Haken den Mahlzeitmahnern unterstellt, dass es ihnen ja gar nicht um das Hähnchen ginge, sondern um Sendezeit im Lichte bzw. Schatten der Kochenden.“
:-D, :-D, :-D
Was Frau Doronina nun wohl antworten würde? Vielleicht: „Mach doch selbst mal Content!“ Die Schergen der Königin ihrerseits hätten (natürlich auf deren Geheiß) sicher die Akademie geschlossen, wo derart monarchiefeindliche Unbotmäßigkeiten gelehrt und verbreitet werden.
Ich habe jetzt die Stimmen aus Loriot-Sketchen im Kopf, die mit verteilten Rollen den Text ablesen…
off the record:
Ich kenne nicht einen dieser „Stars“.
RTL ist wohl endgültig zum eigenen Kosmos geworden.
@Frank Gemein (#4):
Eric Stehfest kannte ich schon. Hat mal einen autobiographischen Beststeller über seine Chrystal-Meth-Sucht geschrieben, der sogar verfilmt wurde.
Alle anderen kannte ich auch nicht, aber sie sind wohl fürs Berühmtsein berühmt. Königin Obert zum Beispiel tritt (ausweislich Wikipedia) seit über zehn Jahren in Reality-Formaten auf – zum Beispiel in „Promi Shopping Queen“ (Vox), „Die Festspiele der Reality Stars“ (Sat. 1) oder „Kampf der Realitystars“ (RTL Zwei).
Woher der Promi-Status ursprünglich stammt, geht aus dem Wiki-Eintrag nicht wirklich hervor (sie betreibt wohl ein – mir unbekanntes – Modelabel). Aber man kann davon ausgehen, dass sie für die deutsche Reality-TV-Zielgruppe geradezu weltberühmt ist. ;-)
@Earl Offa (#2):
Die Schergen der Königin ihrerseits hätten (natürlich auf deren Geheiß) sicher die Akademie geschlossen, wo derart monarchiefeindliche Unbotmäßigkeiten gelehrt und verbreitet werden.
Wie man liest, wurde die Königin nebst ihres Loverboys inzwischen aus dem Haus geworfen. Vive la révolution!
@KK:
Danke für die Aufklärung. Hab also nicht wirklich was verpaßt. Das beruhigt :D
Was ich aus diesem Artikel mitnehme: Ich koche Samstag ein Hühnerfrikassee. Danke für den Tipp, Herr Stehfest!
Ich gehe sonst mit dem Kommentar „Ich schmeiß mich weg vor Lachen“ eher sparsam um, aber hier ist er doch am Platze. Eine Kostprobe:
„Was für eine großartige Diskursverschiebung vom Ressourcenproblem hin zum neoliberalen Dispositiv einer Aufmerksamkeitsökonomie. Am Ende wird mit einem überraschenden defensiven Haken den Mahlzeitmahnern unterstellt, dass es ihnen ja gar nicht um das Hähnchen ginge, sondern um Sendezeit im Lichte bzw. Schatten der Kochenden.“
:-D, :-D, :-D
Was Frau Doronina nun wohl antworten würde? Vielleicht: „Mach doch selbst mal Content!“ Die Schergen der Königin ihrerseits hätten (natürlich auf deren Geheiß) sicher die Akademie geschlossen, wo derart monarchiefeindliche Unbotmäßigkeiten gelehrt und verbreitet werden.
Ich habe jetzt die Stimmen aus Loriot-Sketchen im Kopf, die mit verteilten Rollen den Text ablesen…
off the record:
Ich kenne nicht einen dieser „Stars“.
RTL ist wohl endgültig zum eigenen Kosmos geworden.
@Frank Gemein (#4):
Eric Stehfest kannte ich schon. Hat mal einen autobiographischen Beststeller über seine Chrystal-Meth-Sucht geschrieben, der sogar verfilmt wurde.
Alle anderen kannte ich auch nicht, aber sie sind wohl fürs Berühmtsein berühmt. Königin Obert zum Beispiel tritt (ausweislich Wikipedia) seit über zehn Jahren in Reality-Formaten auf – zum Beispiel in „Promi Shopping Queen“ (Vox), „Die Festspiele der Reality Stars“ (Sat. 1) oder „Kampf der Realitystars“ (RTL Zwei).
Woher der Promi-Status ursprünglich stammt, geht aus dem Wiki-Eintrag nicht wirklich hervor (sie betreibt wohl ein – mir unbekanntes – Modelabel). Aber man kann davon ausgehen, dass sie für die deutsche Reality-TV-Zielgruppe geradezu weltberühmt ist. ;-)
@Earl Offa (#2):
Wie man liest, wurde die Königin nebst ihres Loverboys inzwischen aus dem Haus geworfen. Vive la révolution!
@KK:
Danke für die Aufklärung. Hab also nicht wirklich was verpaßt. Das beruhigt :D