Zahl junger Autobesitzer

Verkehrsministerium macht falsche „Bild“-Meldung noch falscher

Gestern verbreitete das Bundesverkehrsministerium auf Twitter eine Statistik, an der fast alles falsch war. Sie beruhte auf einer falsch abgeschriebenen „Bild“-Meldung, die auch schon nicht richtig war. Heute früh hat das Ministerium den Tweet dann gelöscht und heute Mittag in einer neuen Fassung veröffentlicht, die zwar nicht mehr ganz so falsch ist wie die ursprüngliche, aber immer noch falscher als die von „Bild“.

Beginnen wir mit den Fehlern von „Bild“. Das Blatt berichtete am Sonntag vergangener Woche über eine Umfrage, wonach das Auto für drei von vier Deutschen unverzichtbar sei, und ergänzte das mit Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes über die Zahl junger PKW-Besitzer:

„Brisant in Zeiten der Klima-Debatten und der hochgesteckten Ziele beim ÖPNV: Eine Trendwende bei der jungen Bevölkerung scheint nicht in Sicht zu sein. Laut Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg steigt die Zahl der Auto-Halter unter 24 Jahren von 2016 bis 2022 Jahr für Jahr an.

Kamen im Jahr 2016 noch 164 Autohalter auf 1000 Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren waren es zuletzt 188 – Rekordstand.“

In einer Grafik zeigte sie die Entwicklung der Zahlen, konkret: den Anteil der PKW-Halter in der Altersgruppe von 18-24 Jahren.

Statistik: Zahl der jungen Autobesitzer steigt weiter
Screenshot: Bild.de

Der Anteil der Autobesitzer unter den 18- bis 24-Jährigen steigt nach den „Bild“-Zahlen zwar seit sechs Jahren. Daraus folgt aber nicht, dass die Zahl der jungen Autobesitzer steigt, wie „Bild“ über der Grafik und im Text behauptet. Die absolute Zahl der Menschen in dieser Altersgruppe in Deutschland sinkt nämlich seit Jahren. Wenn von diesen weniger Menschen mehr ein Auto haben, ergibt sich daraus nicht unbedingt eine steigende absolute Zahl an Autohaltern.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sagt auf Anfrage von Übermedien, die „Bild“-Grafik stamme nicht von ihm. Es verweist auf zwei Veröffentlichungen, die die Datenbasis für die „Bild“-Auswertung sein „könnten“.

Laut der öffentlichen Statistik des KBA ist die absolute Zahl der jungen Autobesitzer zuletzt gesunken: Am 1. Januar 2023 waren es 1,08 Millionen; in den beiden Vorjahren jeweils rund 1,15 Millionen.

„Bild“ interpretiert die Statistik also falsch – und das auch in der Überschrift, sowohl online („Immer mehr junge Pkw-Halter“) als auch gedruckt, wo es der Artikel sogar auf die Titelseite schaffte („Selbst Zahl der jungen Autohalter STEIGT“).

Auto für drei von vier Deutschen unverzichtbar! Selbst Zahl der jungen Autohalter STEIGT
Ausriss: "Bild"

Das Säulendiagramm ist dazu noch irreführend, weil es nicht bei null beginnt, sondern bei 140. Dadurch werden die Unterschiede optisch übertrieben. Immerhin kann man aus der Grafik ersehen, dass die vermeintliche Null-Linie hier bei 140 liegt.

Von vielen Fehlern einen korrigiert

Im Gegensatz zum Bundesverkehrsministerium. Das hat in seiner Visualisierung der Zahlen nämlich ebenfalls die Y-Achse abgeschnitten, aber ganz ohne die Achse zu beschriften. Oder wie es in den Leser-Anmerkungen unter dem Tweet zutreffend hieß:

„Die Länge der Balken ist nicht proportional zu den Werten gestaltet, sodass der Unterschied zwischen den Werten größer erscheint, als er tatsächlich ist.“

Das war aber wahrscheinlich noch das kleinste Problem des vielfach verunglückten Tweets. Ein größeres war, dass für das Jahr 2020 der Wert des Jahres 2021 angegeben war, weshalb dieser Wert auch in keiner Weise zum dargestellten Balken passte.

Dieser Fehler ist der einzige, den das Bundesverkehrsministerium in seiner neuen Fassung des Tweets korrigiert hat. Dabei ist das Elend noch größer. Die Werte geben, wie gesagt, PKW pro 1000 Personen in der Altersgruppe 18-24 an. Das Bundesverkehrsministerium interpretiert sie aber falsch als die Zahl der PKW in 1000.

Es schreibt in dem Tweet deshalb, auch in der neuen Version:

„Gab es 2016 164.000 junge Autohalter, sind es in 2022 ganze 188.000 – ein absoluter Rekord.“

Die Zahlen sind nicht nur falsch, sondern völlig abwegig. Es gab in den vergangenen Jahren jeweils über eine Million junge Autohalter.

Und in absoluten Zahlen gibt es aktuell auch keinen „absoluten Rekord“. Und es stimmt auch nicht, wie das Verkehrsministerium in der Überschrift der Grafik schreibt, dass die „ZAHL DER JUNGEN AUTOBESITZER IN DEUTSCHLAND STEIGT!“

Diese Fehlinterpretation hat sie womöglich aus der „Bild“-Zeitung übernommen, was ohnehin ein bisschen lustig ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt untersteht als Behörde nämlich dem Bundesverkehrsministerium. Man würde denken, die Leute von Volker Wissing könnten sich interessante Statistiken direkt von dort besorgen (womöglich gleich mit richtiger Interpretation), statt den Umweg über die „Bild“-Zeitung zu gehen (und deren falsche Interpretation zu übernehmen).

Hinzu kommt natürlich noch, dass auch der Jubelton des Tweets merkwürdig ist, mit dem das Ministerium die angebliche „Rekordzahl an Autobesitzern unter 24 Jahren“ verkündet. Auf die erregten Ausrufezeichen aus dem Ursprungstweet hat man in der neuen Fassung zwar verzichtet, doch das Framing „Jung & unabhängig“ hat man erhalten. Aber wenn wenigstens die Fakten stimmten!

8 Kommentare

  1. Falsch ist übrigens auch, dass das Bundesverkehrsministerium die Altersangabe „18 – 24 Jahre“ übersetzt mit „unter 24 Jahren“. Nicht nur wegen der 17-Jährigen. Sondern auch wegen der 24-Jährigen.

    Aber das Fass wollte ich nicht auch noch aufmachen. (Ich wollte aber zumindest darauf hinweisen, dass ich weiß, dass es existiert. Das Fass.)

  2. Wow, was für ein Clusterfuck. Der Tweet kam mir heute tatsächlich unter, und ich hatte schon gestaunt, weil mir knapp 190.000 Autos für alle 18- bis 24-jährigen der Republik nicht gerade rekordverdächtig erschienen. Bin mal gespannt, wann das BMDV merkt, dass es immer noch Unfug verbreitet (und ob es irgendwen stört).

    Die Rahmung von Autobesitz als Unabhängigkeit ist natürlich ein typischer FDP-Move und angesichts des Versagens beim Klimaschutz eine Dreistigkeit.

    Festzuhalten bleibt aber auch: Die gern kolportierte Geschichte von „der“ jungen Generation, die vor lauter Klimabewusstsein gar nicht mehr auf die Idee käme, ein Auto zu besitzen – die ist ebenfalls Quatsch. An der Autonutzung hat sich bei den Jungen so wenig geändert wie bei den anderen. Schade, eigentlich.

  3. Es mag ja sein, dass die Zahl der jungen Autobesitzenden in absoluten Zahlen gesunken ist, wenn und weil der Anteil dieser Personengruppe an der Gesamtbevölkerung gesunken ist. Aber da sich die „Bild“-Statistik offenbar auf den Anteil der Autobesitzenden pro Tausend Personen bezieht, ist es doch offenbar richtig, dass der relative Anteil der Autobesitzenden innerhalb dieser Gruppe (geringfügig) gestiegen ist. Aus welchen Gründen auch immer.

  4. ..und da die meisten jungen Fahranfänger offiziell gar kein Fahrzeug auf sich angemeldet haben sondern das wegen Versicherung etc als Zweitwagen auf die Eltern läuft ist die Zahl an sich substanzlos

  5. „Beliebtheit“ und „Unverzichtbar“ sind natürlich auch nicht so neutrale Vokabeln. Kann jemand wirklich nicht auf ein Auto verzichten, oder will das nicht, weil das Auto so „beliebt“ ist? Ist jemand zu faul zum Fahrradfahren oder ist der Weg zur Arbeit wirklich nicht fahrradtauglich? Liegt es vllt am ÖPNV?
    All das kann man doch nicht an einer einzelnen Zahlenreihe festmachen.

  6. Danke für diesen Beitrag! Hatte mich bei der Meldung schon gewundert, aber es dann einfach hingenommen. Schön, dass hier so aufschlussreich gezeigt wird, wie hart ein erfahrenes Presseorgan bei so etwas Grundlegendem völlig daneben liegen kann und es das als grober Fehler sogar auf Seite 1 schafft. Schade, dass eine etwaige Korrektur wohl niemals bis zur Kernleserschaft durchdringen wird (und auch nicht in deren Weltbild passen dürfte).

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