Wochenschau (153)

Wie ich lernte, Barbie (nicht) zu lieben

Für diesen Artikel ist Samira El Ouassil mit dem Michael-Althen-Preis für Kritik 2023 ausgezeichnet worden. Die Jury lobte an diesem Text ganz besonders, dass es Samira El Ouassil weniger darum gehe, eine eindeutige Meinung zu formulieren. Sondern darum, den eigenen Zweifeln nachzuspüren.


In der berühmten Essay-Sammlung „Mythen des Alltags“ von Roland Barthes ist ein kurzer Text von wenigen Seiten zu finden, der überrascht, weil sich aus ihm eine leise Begeisterung oder gar Bewunderung des französischen Philosophen herauslesen lässt, und zwar für einen Rohstoff, der aufgrund seiner Vielgestaltigkeit durchaus faszinierend sein kann, aber für Mensch wie Natur nicht ganz unschädlich ist: Plastik.

„Plastik [ist] nicht nur eine Substanz, es ist die Idee ihrer unendlichen Transformation; es ist, wie sein gewöhnlicher Name sagt, die sichtbar gemachte Allgegenwart. Übrigens ist es gerade deshalb ein wunderbarer Stoff: Ein Wunder ist immer eine plötzliche Transformation der Natur. Von diesem Staunen bleibt das Plastik durch und durch geprägt: Es ist weniger Objekt als Spur einer Bewegung. Und da diese Bewegung hier fast unendlich ist und die ursprünglichen Kristalle in eine Vielzahl immer erstaunlicherer Gegenstände verwandelt, ist Plastik im Grunde ein Schauspiel, das entziffert werden muß: das seiner Endprodukte.“

Als ich diese Zeilen erneut entdeckte, dachte ich sofort: Barthes hat damit bereits Greta Gerwigs „Barbie“ treffend beschrieben. Ein spezifisches Endprodukt wird auf der Bühne seiner eigenen Plastikwelt präsentiert und das Schauspiel einer Transformation dargeboten, das staunen lässt und zugleich genauer verstanden werden will.

Ich bin von „Barbie“ so fasziniert wie Barthes vom Plastik. Und das erzeugt bei mir eine kognitive Dissonanz. Denn natürlich ist dieser wunderschön inszenierte, toll gespielte, umwerfend ausgestattete Film auch eine zweistündige Werbung für eine fragwürdige, unter unmenschlichen Bedingungen hergestellte Ware, welche die Objektifizierung der Frau seit ihrem Bestehen popkulturell unterstützt hat.

Ryan Gosling und Margot Robbie posieren vor dem Barbie-Logo
Margot Robbie und Ryan Gosling bei der Europa-Premiere von „Barbie“ in London Foto: Imago / Avalon.red

Das Pink!

Eigentlich sollte man es in einem Text über Barbie tunlichst vermeiden, über die eigene Kindheit und das Verhältnis zu diesem Spielzeug zu sprechen. Es erscheint so naheliegend, zu sentimental wie unangenehm nostalgisch. Ich kann jedoch nicht erklären, was mir an diesem Film gefällt, ohne zu beschreiben, was ich an Barbie als Spielzeug schon als Kind hasste.

Mein Verhältnis zu dieser Puppe war schon immer kompliziert. Zum einen versprach Barbie als Identifikationsangebot eine Art jugendliche Selbstermächtigung („Du kannst alles werden, was du willst!“); zum anderen konfrontiert sie ihre Besitzerinnen mit ihrer stereotypischen westlichen Normschönheit („Du kannst alles werden, was du willst – wenn du entsprechend aussiehst und tolle Kleider trägst!“). Heute weiß ich natürlich, dass sie zudem ein umweltschädliches, turbokapitalistisches Konsummonster ist (das zu allem Überfluss auch noch auf einer Frauenkarikatur namens Lillie der „Bild“-Zeitung basiert).

Damals in meiner Kindheit spielte ich zunächst sehr gerne mit Barbies. Die Kleider! Das Frisieren! Das Pink!

Später kam ich in eine Phase, in der ich genau diese Dinge mehr als verachtete. Die Kleider. Das „Frisieren“. Dieses Pink.

Denn in meiner Pubertät versuchte ich andere, nicht minder liberale Konzepte von Weiblichkeit zu performen, wie beispielsweise das „Cool Girl“ oder das „Pick me Girl“.

Ich hatte in meinem Teenager-Dasein bereits begriffen, dass „weiblich“ allgemein als „schwach“ gilt. Und schwach wollte ich auf keinen Fall sein, damit hatte ich eher schlechte Erfahrungen gemacht.

Stupid Girls

Barbie war das perfekte neoliberale Produkt einer apolitischen Epoche, der Neunzigerjahre, und ihrer hedonistischen, kauforientierten Loveparade-Spaßgesellschaft, die dem Beat des Marktes folgte, in der Feminismus irgendwas mit Alice Schwarzer war und der Humor von Harald Schmidt als intellektuell galt. 1996 versuchten mich die Spice Girls mit Zeilen wie „So tell me what you want, what you really, really want“ und durch ihre GIRLPOWER! von den Fesseln des Patriarchats zu befreien. Die Vergewaltigung in der Ehe war bei Erscheinen ihres Songs „Wannabe“ in Deutschland noch legal.

Ein Jahrzehnt später, im Jahr 2006, erschien der Song „Stupid Girls“ von Pink. Würde man die Sängerin fragen, gegen wen sich der Song richtet, würde sie sicherlich nicht sagen, dass es darum geht, dass alle Mädchen dumm sind. Im Videoclip sieht man allerdings ein Mädchen, das im Fernsehen verschiedene Vorbilder eines seltsamen Frauseins betrachtet: ein It-Girl, Damen, die sich ihre Brüste vergrößern lassen oder Rugby spielen, eine Präsidentin.

Der Song schießt zwar nicht gegen junge Frauen, aber der Clip vermittelt eine andere Botschaft als die Lyrics: Frauen werden als Karikaturen und Klischees gezeichnet; als Personen, die glauben, bestimmte Dinge leisten zu müssen, die sich objektifizieren und operieren lassen, sich schminken und bräunen. Die Frauen im Fernsehen werden als weniger intelligente, eher dümmliche rosa Barbies mit der schillernden Oberflächlichkeit von Seifenblasen dargestellt, deren persönliche Verunstaltung und ästhetische Überoptimierung allein ihrer eigenen Eitelkeit geschuldet sind – und nicht etwa einer patriarchalen Gesellschaft, die den Wert einer Frau an ihrem Aussehen misst.

Ich lehnte zu dieser Zeit Pink – also die Farbe, nicht die Sängerin – ab (obwohl ich Pink – also die Farbe – eigentlich bis heute sehr mag). Ich wurde zu einer besseren Videospielerin als alle Männer in meinem Umfeld (weil ich Videospiele tatsächlich liebe) und machte gerne anzügliche Witze auf Kosten meines Frauseins, wie: „Ich spreche gut Deutsch – für eine Frau, hahaha!“ Ich gefiel mir in der Pose eines strategischen Understatements und kam mir dabei richtig clever vor.

Das war meine kleine Guerillataktik im Umgang mit Jungs und Männern, die ich nicht für besser, smarter oder fähiger hielt, aber von denen ich wahrnahm, dass sie mir schaden könnten, wenn ich mich nicht angemessen verhalte und nach bestimmten Regeln funktioniere. Die männliche Gunst erschien mir überlebensnotwendig. Zugleich hielt ich mein Verhalten für ein emanzipiertes Aufbegehren gegen archetypisch feminin codierte Schönheitsideale. Für mich war dies Ausdruck einer besonderen Stärke und eines vorteilhaften Durchsetzungsvermögens. Bloß kein Weibchen, kein „Stupid Girl“ wie im Pink-Song sein.

Mit dieser Haltung lief ich natürlich genau in die Falle einer internalisierten Misogynie und folgte dem leisen Klang eines patriarchalen Echos. Denn egal, ob ich mich selbst feminisierte und objektifizierte, um einem sexistischen Blick zu gefallen, oder eine archetypische Weiblichkeit demonstrativ konterkarierte, um ebenfalls einem sexistischen Blick zu gefallen, der alles Weibliche als schwach und nicht erstrebenswert wahrnimmt: Ich war so oder so nicht nur selbst unfrei, sondern ich verstärkte auch die Dynamiken, die alle Frauen unfrei sein lassen.

Permanente Selbstleugnung

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben und jetzt denken: „Mein Güte, was schreibt die da, was für unnötige Gedankengänge!“ – dann sind sie vermutlich ein Mann. Die eigene Identität permanent den geschlechtlichen Kräfteverhältnissen anzupassen, läuft auf die Auflösung des eigenen Ichs hinaus. Männliche Macht besteht auch darin, dass sich Frauen permanent in einen Zustand der Selbstleugnung versetzen müssen, der sie glauben lässt, diese Sublimierung sei eine erstrebenswerte Selbstoptimierung und Ausdruck der eigenen Emanzipation.

Und auch wenn meine persönliche Coming-of-Age-Geschichte völlig irrelevant erscheinen mag – genau an diesem Punkt hat mich der Film tatsächlich abgeholt. Denn ich verspürte beim Schauen ehrlich und ernsthaft eine eigenartige Erkenntnis, ein befreiendes Platzen eines Knotens in meiner Brust, was mein eigenes Frausein angeht. Vor allem am Ende, wenn Barbie (Margot Robbie) zu einer echten Frau, zu einem Menschen wird. Hier schließt der Film mit einem Gedanken, den man als die Grundidee des feministischen Existentialismus nach Simone de Beauvoir bezeichnen könnte: Um wirklich frei zu sein, muss man sein Dasein als Objekt hinter sich lassen und sich selbst als handelnde Akteurin begreifen wie bejahen.

In ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ betrachtet die französische Schriftstellerin, wie der Status einer Frau gesellschaftlich im Verhältnis zum Mann als Norm definiert wird, wodurch sie nie eine wahrhaftige Souveränität ihres Daseins erfahren kann. Das, was die Gesellschaft als „weiblich“ wahrnimmt, ist ein Konstrukt, Ergebnis der Sozialisierung, von Geschlechterrollen und Verhaltensweisen, die durch gesellschaftliche Normen, Erwartungen und Konditionierungen erlernt werden.

Wir alle werden planlos in diese Welt geworfen, aber wir existieren in dieser nicht als Objekte, sondern wir haben bestenfalls auch ein Verständnis für unsere eigene Existenz. Diese sollte uns einen Sinn geben, der uns dazu antreibt, ein echtes, authentisches Leben zu leben. Authentizität wiederum bedeutet, zu erkennen, wer wir sind, damit wir nach unseren Bedürfnissen handeln und herausfinden können, wer wir eigentlich sein wollen, ohne der Vorstellung anderer entsprechen zu müssen.

Mensch werden

Und so cheesy das klingen mag: Einem Produkt größtmöglicher Artifizialität und klischeehaftester Geschlechterrollenprägung, also einem buchstäblichen Objekt, dabei zusehen zu können, wie es so etwas wie Selbstbestimmung und Authentizität erlangt – das hat mich berührt.

Wenn am Ende des Films die Idee „Barbie“ mit einer Träne der Selbsterkenntnis zum Menschen Barbara wird, genau an dieser Stelle wurde ich zum Fan – nicht der Figur Barbie, sondern des Films.

„Ich möchte Teil der Menschen sein, die Sinn erschaffen, nicht das Ding, das erschaffen wird. Ich will selbst Ideen haben, nicht die Idee sein – macht das Sinn?“, fragt Barbie ihre Schöpferin Ruth Handler. (Im Original: „I wanna be part of the people that make meaning, not the thing that is made. I wanna do the imagining, I don’t wanna be the idea, does that make sense?“)

„Erlaubst du mir, Mensch zu werden?“, will sie von ihr wissen.

„Nein, du brauchst meine Erlaubnis nicht“, erwidert Handler.

Anders als Pinocchio muss sich Barbie ihr Menschsein nicht erst verdienen, sie wird es einfach, indem sie ruhig ein- und ausatmet. Am Ende stirbt die Idee einer stereotypischen Barbie, damit Barbara als eigenständige Frau leben kann.

Ihr Menschwerdung hat eine weitere Ebene: Es ist die Traurigkeit der schon immer menschlichen Mutter Gloria (America Ferrera), die die Identitätskrise von Barbie überhaupt in Gang setzt. In ihrer Melancholie über die Entfremdung von der eigenen, sich emanzipierenden Tochter und das Gefühl, ein monotones Leben mit einem langweiligen Job zu führen, entzaubert sie ihre eigene Barbie, also Margot Robbie im Barbie-Land: Sie nimmt ihr die Perfektion und stellt sie sich mit mit menschlichen Makeln und als vergänglich vor.

Male Gaze

Geschlechtliche Stereotypen zwingen Individuen eine Unauthentizität auf. Die Rollen verfestigen die Vorstellung von Männern als herrschende Akteure mit der daraus folgenden, falschen Legitimierung, Frauen kontrollieren zu dürfen. Dementsprechend führten sie in der Geschichte des Patriarchats ein Leben, in dem es dazu gehört, zum Objekt männlicher Subjekte degradiert zu werden.

Wenn Barbie und Ken (Ryan Gosling) zum ersten Mal in der „Realen Welt“, am Venice Beach in Los Angeles, ankommen und die echten Menschen auf die beiden perfekten Plastikkörper in Neon-Klamotten reagieren, meint Ken stolz: „Ich fühle mich bewundert, aber nicht angestarrt. Ohne Untertöne von Gewalt.“ Worauf Barbie erwidert: „Ich spüre definitiv Untertöne von Gewalt.“

Der „männliche Blick“, der male gaze, wie er von der Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey in ihrer Theorie über die „Visuelle Lust im narrativen Kino“ beschrieben wurde, entwertet Frauen zu passiven Lustobjekten, zu Bildern, die vor allem von einem heterosexuellen, männlichen Publikum angestarrt und angehimmelt werden sollen. Mulvey argumentiert, dass im Kino die Frauen und die Welt dominant aus dieser männlichen Perspektive und für sie dargestellt werden – durch Kameraführung, Handlung oder Charaktere, die voyeuristische und narzisstische Wünsche von Männern befriedigen und Frauen auf sexuelle Objekte reduzieren. Diese Objektifizierung reflektiere eine phallozentristische Ordnung und verstärke die Machtverhältnisse einer Gesellschaft, in der keine aktiven, unabhängigen weiblichen Wesen vorgesehen sind, schreibt Mulvey:

„In einer Welt, die von sexueller Ungleichheit bestimmt ist, wird die Lust am Schauen in aktiv/männlich und passiv/weiblich geteilt. Der bestimmende männliche Blick projiziert seine Phantasie auf die weibliche Gestalt, die dementsprechend geformt wird. In der Frauen zugeschriebenen exhibitionistischen Rolle werden sie gleichzeitig angesehen und zur Schau gestellt, ihre Erscheinung ist auf starke visuelle und erotische Ausstrahlung zugeschnitten, man könnte sagen, sie konnotieren ‚Angesehen-werden-Wollen‘.“

Die pinke Hyperrealität des Barbie-Lands, in der Barbie beständig am Strand von Kens angeschmachtet wird, ist so falsch wie die vermeintlich reale Realität von Venice Beach und Hollywood – es gibt kein richtiges Leben am falschen Beach.

Erfolg essen Botschaft auf

So ironisch und fraglich die profitorientierte Idee ist, ein kapitalistisches, popkulturelles Produkt mit mehr Selbstbewusstsein neu zu erzählen, so glaubhaft ist dramaturgisch der Wandel von einer bloßen passiven Oberfläche hin zu einem selbstbestimmten Menschen. Der grundlegende Konflikt ist, dass die geschlechtlichen Stereotypen die Plastizität des Menschseins auf industrielle Gießformen reduzieren, das Geschlecht also nach willkürlichen Regeln und historisch gewachsenen sozialen Protokollen zu performen hat, mithilfe von vorgeschriebenen Tätigkeiten und Accessoires, die den Blick auf das Selbst und die eigene Authentizität verhindern.

Gelingt „Barbie“ also ein feministischer Befreiungsschlag, der das System zumindest ein bisschen ins Wanken bringt? Anders gefragt: Wie kann man in einer kommerziellen, gewinnorientierten Kulturindustrie überhaupt einen Blockbuster produzieren, der so etwas wie feministisch und subversiv ist? Wie kann ein Film wie „Barbie“ maximal mainstreamkompatibel sein und zugleich eine glaubwürdige Botschaft vermitteln, die nicht von seinem immensen finanziellen Erfolg und der Marketingwirkung seiner Produkte aufgefressen wird?

Meiner Ansicht nach ist Greta Gerwig dieser ideologiekritische Spagat gelungen, indem ihre Subversion nicht radikal ist, sondern rein formal bleibt. Barbie wird von ihr nicht mit einer zerstörerischen Geste dekonstruiert, sondern am Ende wieder so zusammengesetzt, dass sie ein bisschen anders und irgendwie besser erscheint.

Es ist vielleicht genau so, wie von Roland Barthes in den „Mythen des Alltags“ im Falle des Plastiks beschrieben:

„Es ist die erste magische Materie, die sich damit begnügt, prosaisch zu sein; doch sie tut es gerade deshalb, weil diese Prosaik die triumphale Rechtfertigung ihrer Existenz ist: Zum ersten Mal zielt das Künstliche aufs Gewöhnliche, nicht auf das Seltene.“

Im Multiversum der Spielzeugmarken

Die Frage, auf die ich jedoch keine Antwort finde – und das vermutlich aufgrund dieser kognitiven Dissonanz und meinem Dasein zwischen leidenschaftlicher Cineastin („Die Ausstattung! Die Sets! Die Proust-Zitate!“) und kritischer Kommentatorin („Die Kens unterdrücken die Barbies und Barbie entschuldigt sich danach, excuse me?!“) – ist die nach den Bewertungsmaßstäben, mit denen man sich diesem Film nähern sollte: Handelt es sich hier nicht doch nur um Werbung, die gekonnt und mit der richtigen Regisseurin als Kino getarnt wurde?

Wenn ich den Film als einen zweistündigen Werbefilm betrachte, der mithilfe der Mittel des Spielzeugherstellers Mattel (also mit sehr viel Geld für sehr viel Marketing und für maximale Reichweite) und seiner Produkte eine gesellschaftskritische Aussage über unsere Gegenwart anbietet, die weltweit von Millionen von Menschen gesehen werden kann, dann muss ich sagen: „Barbie“ ist ein kapitalistisches Meisterwerk.

Betrachte ich ihn rein als Film der Regisseurin Greta Gerwig, die sich ihren fragwürdigen und antifeministischen Produzenten mit Augenzwinkern und mit einer selbstreflexiven Ironie nähert und deswegen keine ästhetische Radikalität wagen kann, die aus dieser Werbung einen reinen Film machen könnte, dann handelt es sich nur um eine behauptete Subversion. Und dann wendet Mattel eine Strategie an, die gemeinhin „Pick me Girls“ vorgeworfen wird: „Nein! WIR sind nicht wie andere Marken!“

Das Problem liegt jedoch nicht in der Umsetzung der Filmemacherin, sondern im Kapitalismus selbst: Ein wahrhaftig Barbie-kritischer Film, der nicht zur weiteren Ikonisierung der Puppe beiträgt, kann aufgrund von Markenrechten nur von und mit Mattel gemacht werden – oder eben nicht. Insofern demonstriert die Existenz dieses Films einen Missstand, den man vehement und deutlich kritisieren sollte. Und insofern ist der Humor der Drehbuchautoren Greta Gerwig und Noah Baumbach vielleicht auch eine geschickte Bewältigungsstrategie von Indie-Filmemachern, die all ihre künstlerische Freiheit nutzen, um letztlich doch eine Werbung zu machen, die sich zumindest ein bisschen als Film entlarven lässt.

Streambares Plastik

Viel schwieriger als die Tatsache, dass das problematische Spielzeug einen nicht besonders kritischen Film bekommen hat, ist sein immenser Erfolg. Dadurch wurden uns mutmaßlich die nächsten Jahre Blockbuster-Kino versaut. Eigentlich wäre es am Ende dieses Textes angebracht, den Film zur Auflösung der kognitiven Dissonanzen aus der Perspektive einer Frau zu kritisieren – aber als Cineastin muss ich noch etwas über seine kinematografische Reichweite klagen. Denn der epische Erfolg dieses Films wird zweifellos die Zukunft des Kinos bestimmen.

Disney hat es mit dem Marvel-Franchise vorgemacht. Jeder Film war zugleich ein Werbefilm für den nächsten – oder die nächste Serie, die wiederum Werbung für eine nächste Fortsetzung war. Auch Warner Bros. versuchte das mit der „Justice League“, allerdings weniger erfolgreich, wie „Shazam! Fury of the Gods“ und „The Flash“ zeigten. Ikonische Produktfilme, welche die Entstehungsgeschichte einer Ware beleuchten und somit auch als Branding funktionieren – wie jüngst die Filme über Tetris oder die Air-Jordan-Schuhe von Nike – können aufgrund ihrer erzählerischen Abgeschlossenheit nicht von der Kraft eines Franchise profitieren. Es wird vermutlich keine 15 Teile über das iPhone geben, nur weil so viele Modelle davon existieren.

Spielwarenhersteller hingegen reiben sich gerade die Hände. Mattel hat schon die nächsten zehn Spielzeugfilme angekündigt und kann dabei vom eigenen Universum einer ganzen toystoryhaften Spielzeugarmee profitieren. Daher werden in den nächsten Jahren viele weitere Multiplex-Werbefilme in Spielfilmlänge auf uns zukommen, schlicht weil es für die Studios ökonomisch die sinnvollste Entscheidung ist.

Schon aufgrund der medienübergreifenden Konzentration und Produktion ist die transmediale Verwertung von Inhalten profitabel. So ist Disney Produzent und Streaming-Anbieter, produziert aus Comics Kinofilme, daraus Serien für Disney+, daraus weitere Filme und Spin-off-Serien und aus seinen traditionellen Zeichentrickfilmen Live-Action-Adaptionen, aus allem Videospiele, Spielzeug und Freizeitparkattraktionen – aus denen wiederum Kinofilme werden können (siehe „Fluch der Karibik“, „Jungle Cruise“ oder „Geistervilla“).

Zugleich entwickeln sich auch unsere Endgeräte, Smartphones und Computer weiter, mit denen wir Filme und Serien schauen oder Games spielen. Die Inhalte werden den neuen medialen Konstellationen angepasst – und Spielzeugfilme scheinen für diese umfassende Verwertung wie geschaffen. Eine Marke wird zu einem leicht verpackbaren, neu umgestaltbaren und einfach teilbaren Vermögenswert, dessen Selbstbewerbung im Kino zugleich das beworbene Produkt ist. Spielzeug ist streambares Plastik.

Damit lässt sich vielleicht auch die gegenwärtige Begeisterung für das Erzählen in Multiversen erklären: Es ist aus ästhetischer Sicht postmodern konsequent, aber zudem äußerst lukrativ – zumindest meistens. Ob in „Doctor Strange“, „Spider-Man: Across the Spider-Verse“, „The Flash“, „Loki“ oder „Everything Everywhere All at Once“ (das diese Entwicklung bemerkenswert in Form einer Art Arthouse-Blockbuster auf den Punkt gebracht hat): Multiversales Erzählen geht Hand in Hand mit transmedialem Erzählen. Es bietet die Möglichkeit, die unendlichen Möglichkeiten aller erzählbaren Geschichten mit verschiedenen Versionen der Protagonistinnen und mit alternativen Handlungssträngen für alle denkbaren und diversen Demographien immer wieder aufs Neue – und mit bestenfalls noch mehr Umsatz – zu wiederholen.

Feministische Ambivalenz

Manche Kritiken verachten „Barbie“ als einen spielfilmlangen Werbespot, dessen mainstreamkompatibler Feminismus sich aus ökonomischen Gründen selbst nicht von den Zwängen und Reproduktionen befreien kann, die er zu kritisieren behauptet – weil er vermarktete Weiblichkeit als Girlboss-Feminismus verkauft. Andere Kritiken feiern den Film jetzt schon als Klassiker eines feministischen Kinos, weil die nun erfolgreichste Regisseurin der Filmgeschichte aus geschlechtsbezogenem Existenzialismus einen lustigen, unterhaltsamen Film erschaffen hat.

Letztlich ist „Barbie“ so oder so ein kommerzielles Produkt, das by design nicht feministisch sein kann, da sich Kapitalismus und Feminismus widersprechen. Eine cineastische Auseinandersetzung mit den Projektionen des Frauseins, welche diese Puppe synthetisiert, wird sich jedoch nie von diesem Produkt trennen können. Umso schöner ist es, dass sich letztlich zumindest die Heldin von ihrem Dasein als Objekt befreien kann.

Daher rührt auch ein Teil meiner kritischen Uneindeutigkeit, die mir eine große Ambiguitätstoleranz abverlangt: die Erkenntnis, dass Abhängigkeiten und daraus resultierende Spannungen zwischen Filmemacher:innen und Spielzeugherstellern wie Produzenten von Hollywood-Blockbustern Filme immer daran hindern werden, wahrhaftiger sein zu dürfen. Die Kommerzialisierung steht in einem unüberbrückbaren Widerspruch zum thematischen Anspruch – das wird in „Barbie“ so schmerzhaft sichtbar. Und dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – ist „Barbie“ so faszinierend wie Plastik.

Und wenn man mich fragt, ob ich diesen Film mag oder eher vom fehlenden Feminismus enttäuscht bin, dann erscheint es mir nur konsequent, darauf dissonant zu antworten: Ich mag den Film zu sehr, um Barbie jemals lieben zu können.

35 Kommentare

  1. „Diese sollte uns einen Sinn geben, der uns dazu antreibt, ein echtes, authentisches Leben zu leben.“

    Authentizät und Echtheit halte ich für eine Illusion. „Der Mensch ist von Natur aus künstlich.“ (Helmuth Plessner) Will sagen, er ist nie ganz mit sich selbst identisch, immer ein stückweit von sich und der Welt entfremdet. Er wird halt notwendig vergesellschaftet: De Beauvoirs Satz, wonach man nicht als Frau geboren, sondern erst dazu gemacht werde, gilt (in anderer Weise) auch für Männer.

    „…da sich Kapitalismus und Feminismus widersprechen.“

    Warum? Das gilt vielleicht historisch (Bündnis von Kapital und Patriarchat), aber nicht logisch: Das Bündnis befindet sich in Auflösung, ohne dass es dem Kapitalismus schadete – auch von Frauen geführte DAX-Konzerne betreiben nolens volens Ausbeutung. Der Verwertungsprozess ist genderneutral.

    Tipp: Zum Barbie-Film empfehle ich die Kritik von Wolfgang M. Schmitt: https://www.youtube.com/watch?v=qzk7w0XhF4I

  2. Dass der Kapitalismussatz Widerspruch-, oder zumindest Nachfrage provoziert, war mir beim Lesen schon klar.

    Die letzte wahre Religion des Abendlandes verträgt sowas nicht.

  3. @Frank Gemein (#2):

    Ich gehe mal davon aus, dass die meisten, die hier mitlesen, kompetent genug sind, um Ihre Masche (strategisches Missverstehen) zu durchschauen. Es nervt dennoch fürchterlich.

  4. @KK
    Der Kapitalismus ist eine Patriarchats Manifestation. Wenn boss-girls besonders gut im Patriarchat funktionieren, dann ist das keine Zeichen für funktionierenden Feminismus.

    Ich gehe davon aus, dass die meisten, die hier mitlesen, belesen genug sind, um das zu wissen.

    Wenn mich solche Kommentare nicht nerven würden, würde ich nicht darauf eingehen.

  5. Weil das ein wenig kurz daher kommt:
    Kapitalismus basiert auf Ausbeutung von Menschen und Ressourcen.
    Die am meisten ausgebeutete Gruppe unter den Menschen sind die Frauen.
    Unlängst las ich wieder einen Bericht darüber, dass auch in Vollzeit arbeitende Frauen, den Großteil der Care-Arbeit in Beziehungen leisten.

    Dass Care-Arbeit im Kapitalismus nicht viel wert ist, ist nur folgerichtig.
    Viele Kritiker des Kapitalismus sagen, dass die Ausbeutung dem „System inhärent“ sei.
    Was bedeutet, nähmen wir eine Gruppe aus der Ausbeutung heraus, müsste eine andere nur noch mehr ausgebeutet werden.
    So entstand in einem anderen Ausbeutungssystem einst der Rassismus, da ja der weisse Europäer von der Aufklärung befreit werden sollte.

    Ich lese den Beitrag also so, dass Frau El Ouassil den Feminismus als dem Kapitalismus inkompatibel interpretiert.

    Aber immer, wenn so etwas gesagt wird, gibt es sofort heftige Gegenrede, als sei es schon Häresie, das auch nur zu denken.

    Wir sind am Ende der Geschichte, der Kapitalismus hat gesiegt und Schluss.
    Jenseits dessen sind nur Kommunisten ( und Grüne Feministinnen ).

    Ganz schmerzfreie Patienten kommen auch mit einer Erklärung aus der Natur des Menschen. Er sei habgierig und dem trage das System eben Rechnung und deshalb sei das einzig richtige.
    Wenn alles Schlechte, das im Menschen angelegt ist, nun zur Systemdeterminanten erhoben würde, könnten sich die Frauen schon mal vorsorglich weg sperren.

    Aber okay, ich wäre halt einfach dafür, wenn die Geschichte und der Mensch sich weiter entwickelten.

  6. @Frank Gemein:

    „Wir sind am Ende der Geschichte, der Kapitalismus hat gesiegt und Schluss. Jenseits dessen sind nur Kommunisten ( und Grüne Feministinnen).“

    Sie sind entweder nicht willens oder nicht in der Lage, meinen kurzen Absatz auch nur im Ansatz konsistent zu interpretieren – weshalb Sie mich nun darüber belehren, dass Ausbeutung dem Kapitalismus inhärent sei, nachdem ich gerade geschrieben hatte, dass Ausbeutung dem Kapitalismus inhärent ist („Auch von Frauen geführte DAX-Konzerne betreiben nolens volens Ausbeutung“). Es ist zum Heulen.

    Zwei Punkte:

    1. Ich habe nichts gesagt, was den Kapitalismus verteidigt. Ich habe auch nicht die Geschlechter-Ungleichheit in Frage gestellt. Das bilden Sie sich nur ein. So wie Sie sich neulich eingebildet haben, ich wäre ein Weißer-Ring-Fanboy. Reine Projektion.
    (Funfact: Ich habe meine Magisterarbeit u.a. über den Fetischbegriff bei Marx geschrieben – ich könnte Ihnen ziemlich gut erklären, was Kapitalismus als Alltagsreligion bedeutet.)

    2. Sie werden nicht begreifen, was Ausbeutung im Kapitalismus meint (und was ich oben mit dem Unterschied von logisch und historisch meinte), wenn Sie den Begriff der Klasse komplett ignorieren.* Frauen sind gar keine „Gruppe“, ebensowenig wie Männer oder Weiße oder Schwarze. Angela Merkel gehört nicht zur selben „Gruppe“ wie die Kassiererin im Supermarkt um die Ecke, und Barack Obama ist nicht mein karibischer Nachbar, der Lieferdienst-Fahrer.

    Ausbeutung im Sinne des Kapitals (!) ist kein Ergebnis von Diskriminierung, sondern von Äquivalententausch und Lohnarbeit. Deshalb ist ein Kapitalismus denkbar, der ganz ohne Sexismus und Rassismus funktioniert und dennoch auf Ausbeutung beruht – progressiver Neoliberalismus halt; das, was Ihre identitätspolitischen Freunde halt so anstreben, ohne es sich einzugestehen.

    *Der übrigens wenig mit „Klassismus“ zu tun hat – also mit Diskriminierung aufgrund von Armut.

  7. Um es nochmal einfach zu sagen: Man kann die Lohnlücke schließen und die Sorge-Arbeit vom Wickeln bis zum Aufbahren komplett gendergerecht verteilen, ohne dass sich an der kapitalistischen Logik irgendetwas ändern müsste.

    Man könnte jeden DAX-Vorstand, jeden Minister-Posten und jede Supermarkt-Filialleitung mit Frauen besetzen, ohne dass sich an der kapitalistischen Logik etwas ändern müsste. Man könnte sogar die Sorge-Arbeit komplett den Männern aufbürden, ohne dass… – ich wiederhole mich.

    Botschaft: Die Disparität ist real. Aber sie ist historisch bedingt und logisch im Sinne der Kapitalverwertung nicht notwendig. Gilt auch für Rassismus. Der Kapitalismus würde ohne solche Diskriminierungen weiter funktionieren – als Bedingung von Wohlstand und Fortschritt und _zugleich_ als der Prozess, der die Menschheit in den sicheren Abgrund treibt. Denn auch diese Dialektik ist leider real, und die Grünen mit ihrer Vision vom „nachhaltigen Wachstum“ werden das nicht ändern.

    Ambiguität: Fordern Sie gerne ein, ohne dass sich in Ihren Beiträgen eine Spur davon finden ließe.

  8. @Kritischer Kritiker

    Ich bin mal so fr…ei/ech und nutze die Kommentarfunktion, um Sie anzuhauen. Ich möchte mich für eine Hausarbeit mit dem Diskurs zu bezahlter Reproduktionsarbeit beschäftigen. Gab da ein paar „Wohlstand für alle“-Folgen zu dem Thema, die Sie womöglich kennen und die mich darauf aufmerksam gemacht haben. Meine Frage nun an Sie: Assoziieren Sie spontan aus Ihrer Erinnerung heraus bestimmte Texte, Autoren oder Protagonisten mit dem Thema? Wenn ich das richtig auf dem Schirm habe, könnten Sie Teile der Debatte selber miterlebt haben. Falls da was bei Ihnen klingelt, würde ich mich sehr über einen Hinweis freuen, andernfalls ignorieren Sie mein Anliegen einfach.

  9. @KK:
    „Deshalb ist ein Kapitalismus denkbar, der ganz ohne Sexismus und Rassismus funktioniert und dennoch auf Ausbeutung beruht – progressiver Neoliberalismus halt; das, was Ihre identitätspolitischen Freunde halt so anstreben, ohne es sich einzugestehen.“

    Und schon sind die Feinde wieder gefunden. Wie sehr sie dem Status Quo Vorschub leisten, indem Sie die Schuldzuweisung an jegliche emanzipatorische Bewegung außerhalb ihre Streichholzschachtel richten, werden Sie nicht mehr lernen.
    Potemkinsche Dörfer.
    Nicht die Konzerne, nicht die Superreichen, nicht korrumpierte Politiker, stehen einem besseren Morgen entgegen, es ist die Identitätspolitik der Marginalisierten.
    Vielleicht sollte Sie sich einfach mal mit dem Feminismus auseinandersetzen, der, wie oben im Artikel angedeutet, eben nicht kompatibel mit dem Kapitalismus ist? Oder, um es genauer zu sagen, nicht Ihren eigenen Vulgärfeminismus exakt so erfinden und gestalten, dass er Ihren Kritikpunkten gegenüber vulnerabel sein muss, wie Sie es mit allen anderen „identitären“ Projekten auch tun?
    Aber halten Sie mich ruhig weiter für zu dumm, Sie zu kritisieren. Letztlich wenden Sie dieselbe Methode nur auch auf mich an.
    Ich bin also in guter Gesellschaft.

    Sie reden von einem Kapitalismus ohne Rassismus, der möglich wäre, während Zehntausende Menschen im Mittelmeer ertrinken und alle sehen können, dass das erst der Anfang ist.

    Die Überzeugung, emanzipatorische Kämpfe Marginalisierter schadeten der Gesellschaft, ist im Wesen infam. Sie ist eine Täter-Opfer Umkehr und trifft unisono dieselben Gruppierungen, die derzeit auch unter Dauerfeuer von extrem Rechts stehen.

    Ihr Selbstbewußtsein in allen Ehren, aber das ist der Grund, weshalb ich so vehement auf diese Äußerungen reagiere und nicht Ihre Person.
    Verwechseln Sie das bitte nicht.

  10. @Ritter der Nacht (#8):

    Die Wohlstand-für-alle-Folgen kenne ich tatsächlich. Ich finde, die beiden dröseln das gut auseinander. Was Theorie angeht: Miterlebt habe ich die Debatten um 2000 herum – für die heiße Phase in den Siebzigern bin ich zu jung. Am bekanntesten ist heute sicher Nancy Fraser, von der ich oben den Begriff „progressiver Neoliberalismus“ geklaut habe. Für den deutschen Sprachraum fällt mir vor allem Roswitha Scholz ein, die das Thema mit Marx _und_ feministisch analysiert.

    Scholz‘ Ansatz ist unter dem Label „Wertabspaltungstheorem“ bekannt geworden. Wenn Sie das oder ihren Namen googeln, finden Sie einiges. Auch bei Ihr sehe ich aber das Problem, dass sie eine historische Konstellation mit einer logischen Notwendigkeit versieht, die da so m.E. nicht drinsteckt.

    Viel Spaß beim Forschen!

  11. @Frank Gemein (#9):

    „Die Überzeugung, emanzipatorische Kämpfe Marginalisierter schadeten der Gesellschaft, ist im Wesen infam.“

    Infam sind Ihre Unterstellungen und Verdrehungen. Wirklich, unfassbar.

  12. @KK:
    Nochmal ein Zitsat von Ihnen:
    „„Deshalb ist ein Kapitalismus denkbar, der ganz ohne Sexismus und Rassismus funktioniert und dennoch auf Ausbeutung beruht – progressiver Neoliberalismus halt; das, was Ihre identitätspolitischen Freunde halt so anstreben, ohne es sich einzugestehen.“

    Und ausgerechnet Sie wollen mir etwas von Unterstellungen erzählen?
    Frage: Wie unreflektiert kann man sein?
    KK: Ja!

    „progressiver Neoliberalismus halt; das, was Ihre identitätspolitischen Freunde halt so anstreben, ohne es sich einzugestehen.“

    nuff said. Sie werden es eh nicht einsehen.

  13. @Alle, die sich jetzt begreiflicherweise ein wenig „lost“ fühlen:

    Es geht hier gar nicht um pro oder contra Emanzipation, sondern um zwei seit langem* konkurrierende, linke Theorie-Ansätze: Einen heute vorherrschenden, den poststrukturalistisch-identitätspolitischen, der Geschlechter-Ungleichheit aus Diskriminierung erklärt – in diesem Fall aufgrund von Gender (prägend hier vor allem Judith Butler). Und einen materialistischen, mehr oder weniger marxistisch inspirierten, der Ungleichheit (auch der Geschlechter) aus der kapitalistischen Ökonomie „ableitet“ (siehe etwa die oben erwähnte Roswitha Scholz).**

    Nancy Fraser als Vertreterin des ökonomiekritischen Ansatzes wirft den Poststrukturalisten vor, diesen geriete der Kern des Problems aus dem Blick, weshalb sie letztlich nur für einen „progressiven“ (sprich: gendergerechten) Neoliberalismus stritten – quasi für eine Befreiung _im_ Kapitalismus, nicht _vom_ Kapitalismus (was Ausbeutung zwar „gerechter“ verteilen, aber nicht beenden würde).

    Fraser leugnet dabei keineswegs die Ausbeutung von Frauen durch Sorge-Arbeit. Sie erklärt sie nur aus der Ökonomie, statt die Ökonomie aus der Diskriminierung zu erklären.

    Ich finde den ökonomiekritischen Ansatz analytisch stärker, weil der poststrukturalistische zwar viel von „Strukturen“ spricht, aber nie so recht weiß, woher die eigentlich kommen – dort konstituiert sich letztlich alles auf sprachlich-symbolischer Ebene (Stichwort: Diskurstheorie).***

    Andererseits hat die feministische Ökonomiekritik aus meiner Sicht oft das Manko, dass sie eine schlüssige historische Analyse wie eine logische Notwendigkeit behandelt (i.e. die frühere und bis heute fortwirkende Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern) – und deshalb den „progressiven Neoliberalismus“ allzu schnell zur Illusion erklärt, ohne genau sagen zu können, warum er denn unmöglich sein sollte (dass er nicht die Lösung sein kann, finde ich wiederum richtig).

    Fraser schlägt hier insofern einen Kompromiss vor, als sie den Kapitalismus nicht unbedingt abschaffen, sondern genossenschaftlich einhegen will. Das geht, wenn ich es richtig verstehe, in die Richtung von Schmitt und Nymoen, denen eine Gesellschaft vorschwebt, in der Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Kochen, Altenpflege, etc. weitgehend sozialisiert sind: https://www.youtube.com/watch?v=AeHSic-M9NM.

    (Problem auch hier: Die Ausbeutungsverhältnisse an sich und die zerstörerische Dynamik des Kapitals bleiben unangetastet.)

    ——————————————-

    * Der Streit tobte schon um 2000 herum an meiner Uni. Damals war die Diskurshoheit der Poststrukturalisten aber noch nicht so stark, dass sie jeden Widerspruch moralisch verdammen und in die Rechte Ecke abschieben konnten.
    ** In der linken Rassismuskritik gibt es eine ganz ähnliche Debatte, mit vergleichbaren Antipoden.
    *** Ein weiteres Manko am poststrukturalistischen Ansatz ist aus meiner Sicht, dass er für seine identitätspolitische Praxis gezwungen ist, Kategorien zu essentialisieren, die er eigentlich überwinden will. Aber das ist eine andere Frage.

  14. @#13 Kritischer Kritiker: Ohne jetzt auf den Inhalt einzugehen. Danke für den Versuch, die Diskussion wieder in angemessene Bahnen zu lenken. Ich weiß, Ruhe bewahren ist manchmal schwer, wenn man mit soviel Böswilligkeit konfrontiert ist. Du darfst das explizit als moralischen Support auffassen. ;-)

  15. @Kritischer Kritiker

    Auch wenn Ihre Kommentare öfter mal vom Anlaßartikel abweichen, lese ich immer interessiert. Der letzte, erläuternde Kommentar war besonders erhellend – danke Ihnen!

    Gibt es denn in den Ecken des Internets einen Ort, wo Sie selbst publizieren oder etwas in der Art?

    ————-

    @Frank Gemein: Auch Ihre Beiträge sind immer wieder lohnend zu lesen. Danke auch hierfür. Nur bitte begraben Sie doch das Kriegsbeil mit KK. Ihre Beiträge gewönnen ohne dieses Hickhack. Verstehen Sie dies bitte als freundlichen Hinweis.

  16. @Chateaudur (#16):

    Danke für die Blumen. Um den Bogen zum Artikel zurückzuschlagen: Ein Film wie Barbie ist vermutlich ein Musterbeispiel für das, was Fraser als „progressiven Neoliberalismus“ kritisiert (behaupte ich mal, ohne ihn gesehen zu haben).

    Ich hatte mal einen Blog, der aber dem Ausstieg des Anbieters zum Opfer fiel. Habe seit Jahren vor, einen neuen aufzumachen. Wenn es mal soweit sein sollte, werde ich den KK-Nic darauf verlinken.

    By the way: Es gab hier bis vor ein, zwei Jahren eine sehr ausgeprägte Diskussionskultur unter den Artikeln. Oft mit 50 oder mehr Kommentaren. Klar entfernte sich die Debatte dabei vom Ausgangstext, es gab aber (neben furchtbaren) auch viele interessante Beiträge von vielen Leuten zu lesen. Leider ist das ein wenig eingeschlafen. Schade.

  17. Fraser, Nancy
    Working Paper
    Social justice in the age of identity politics: Redistribution, recognition, participation


    In general, then, we are confronted with a new constellation. The discourse of social justice, once centered on distribution, is now increasingly divided between claims for redistribution, on the one hand, and claims for recognition, on the other. In this new constellation, the two kinds of justice claims are often dissociated from one another. The result is a widespread decoupling of the cultural politics of difference from the social politics of equality. In some cases, moreover, this dissociation has become a polarization. Some proponents of redistribution reject the politics of recognition outright, casting claims for the recognition of difference as „false consciousness,“ a hindrance to the pursuit of social justice. Conversely, some proponents of recognition see distributive politics as part and parcel of an outmoded materialism, simultaneously blind to and complicit with many injustices. In such cases, we are effectively presented with what is constructed as an either/or choice: redistribution or recognition? class politics or identity politics? multiculturalism or social democracy?
    These, I have argued elsewhere, are false antitheses. “

    Das wichtigste noch einmal:

    „In such cases, we are effectively presented with what is constructed as an either/or choice: redistribution or recognition? class politics or identity politics? multiculturalism or social democracy?
    These, I have argued elsewhere, are false antitheses. “

    @KK:
    Irgendwie scheinen wir Frau Fraser grundlegend anders zu verstehen.

  18. Übrigens sehe ich auch Frau El Ouassil durch Frau Fraser direkt bestätigt.
    Gleiche Quelle:

    „[…]From the recognition perspective, in contrast, gender is a status differentiation. A major feature of gender injustice is androcentrism: the authoritative construction of norms that privilege traits associated with masculinity and the pervasive devaluation and disparagement of things coded as „feminine,“ paradigmatically — but not only — women. When these androcentric norms are institutionalized, women suffer gender- specific status injuries, including sexual assault and domestic violence; objectifying and demeaning stereotypical depictions in the media; harassment and disparagement in everyday life; and exclusion or marginalization in public spheres and deliberative bodies. These harms are injustices of misrecognition. They are relatively independent of political economy and are not merely „superstructural.“ Thus, they cannot be remedied by redistribution alone but require additional independent remedies of recognition.
    Gender, in sum, is a two-sided category. It contains both an economic face that brings it within the ambit of redistribution and also a cultural face that brings it simultaneously within the ambit of recognition. It is an open question whether the two faces are of equal weight. But redressing gender injustice, in any case, requires changing both the economic structure and the status order of contemporary society.

    Eindeutiger geht es kaum:

    „But redressing gender injustice, in any case, requires changing both the economic structure and the status order of contemporary society.“ Nancy Fraser

    „Letztlich ist „Barbie“ so oder so ein kommerzielles Produkt, das by design nicht feministisch sein kann, da sich Kapitalismus und Feminismus widersprechen“ Samira El Ouassil

  19. Frau Fraser beschreibt übrigens in dem verlinkten Artikel auch noch ganz genau, warum Feminismus im herrschenden System nicht funktionieren kann.
    Sie unterscheidet dabei die Rollen der „Caregiver“ und „Breadwinner“. Auch wenn Carearbeit teilweise sozialisiert werden könnte ( wird sie aber vorwiegend nicht, wie sich auch in den sozialistischen Experimenten zeigte ) , führt schon die biologische Tatsache der Fortpflanzung, resp. der Rolle der Frau in dieser, zu einer unüberwindbaren Festlegung auf diese Rollen.

    Ihr Fazit:
    >>>
    Finally, my discussion of gender parity and the welfare state served to exemplify how one might go about answering the gen- eral question I have posed in this lecture: how can one integrate the best of the social politics of redistribution with the best of the cultural politics of recognition? If we fail to ask this question, if we cling instead to false antitheses and misleading either/or di- chotomies, we will miss the chance to envision social arrangements that can redress both economic and cultural injustices. Only by looking to integrative approaches that unite redistribution and recognition in the service of participatory parity can we meet the requirements of justice for all.
    <<<
    Nun noch der Link
    https://tannerlectures.utah.edu/_resources/documents/a-to-z/f/Fraser98.pdf

  20. Epilog:
    @Chateaudur:
    Eigentlich beisse ich mich an Sachen fest. Nur sind des einen Lieblingsthemen und diese Sache leider häufig kongruent.

    @KK:
    „Deshalb ist ein Kapitalismus denkbar, der ganz ohne Sexismus und Rassismus funktioniert und dennoch auf Ausbeutung beruht – progressiver Neoliberalismus halt; das, was Ihre identitätspolitischen Freunde halt so anstreben, ohne es sich einzugestehen“
    KK

    „Some proponents of redistribution reject the politics of recognition outright, casting claims for the recognition of difference as „false consciousness,“ a hindrance to the pursuit of social justice.“
    Nancy Fraser

  21. Ich möchte auch nochmal sagen, dass ich die Diskussion hier sehr interessant und auch nicht unpassend zum Artikel fand. Das ist auch etwas, was ich an Übermedien sehr schätze. Es lohnt sich fast immer die Kommentare zu lesen, auch wenn häufig nur die gleichen Menschen kommentieren.

  22. „Spielwarenhersteller hingegen reiben sich gerade die Hände. Mattel hat schon die nächsten zehn Spielzeugfilme angekündigt und kann dabei vom eigenen Universum einer ganzen toystoryhaften Spielzeugarmee profitieren.“
    Das, mit Verlaub, ist nichts wiklich Neues. Diese Praxis ist mehr als 40 jahre Alt und entstammt, Überraschung, ebenfalls aus dem Hause Mattel. Die Serie „He-Man and the Masters of the Universe“ ist eine einzige Werbeserie für das Mattel Spielzeuguniversum und Push für das hauseigene Franchise. Fun Fact: He-Man war als geschlechterspezifisches Gegenprodukt für Barbie geplant, damit es auch für kleine Jungs einen Grund Gibt, mit Puppen zu spielen. Mattels hat dafür die Zutaten Gewalt, Muskeln und Testosteron ins baugleiche Barbie Plastik gemischt. Willkommen im Kapitalismus, einer Welt in der die Kultur seit jeher vom Konsum gesteuert wurde.

  23. Cool, eine Barbenheimer-Überschrift.

    Rein formal weiß ich darauf hin, dass Feminismus nicht automatisch antikapitalistisch ist (und Kapitalismus im Umkehrschluss nicht automatisch feministisch): viele Feministinnen sagen, dass man z.B. Frauenquoten ind DAX-Konzern-Vorständen bräuchte. Antikapitalisten sagen, dass man keine Quoten bräuchte, weil schon die Existenz der DAX-Konzerne ein Fehler sei, den man korrigieren müsse.

    Aber natürlich kann ich auch als Mann den Rant über gesellschaftlich aufgedrückte Geschlechterrollen nachvollziehen. Man wird halt nicht als Mann geboren…

  24. @Alex (#24):

    „Fun Fact: He-Man war als geschlechterspezifisches Gegenprodukt für Barbie geplant, damit es auch für kleine Jungs einen Grund Gibt, mit Puppen zu spielen.“

    Noch ein Funfact: In einer SpinOff-Serie von 1985 spielte She-Ra die Hauptrolle – He-Mans furchtlose Schwester, die schwertschwingende Anführerin einer Rebellinnen-Truppe, deren einziges männliches Mitglied wohl ständig gerettet werden musste. Gleiche Geschichte, umgedrehte Stereotype.

    Natürlich diente auch diese Serie vor allem dem Verkauf von Plaste-Merchandise, nur halt an die Zielgruppe „toughe Mädels“, die mit Barbie nichts anfangen konnte. Wir sehen: Diversity-Marketing funktionierte schon vor 40 Jahren.

    Außerdem ist der Kulturindustrie nichts zu ausgelutscht für ein Remake – seit 2018 kämpft She-Ra erneut gegen das Böse. Und verkauft sich als Puppe für schlappe 50 Euro: https://www.amazon.de/Masters-Universe-GVW62-Actionfigur-10-J%C3%A4hrige/dp/B08J4CGFML

    (Keine Angst, das wusste ich auch alles nicht. Mir fiel im Kontext „He-Man“ nur der Name „She-Ra“ ein. Den Rest habe ich gerade nachgelesen…)

  25. „Wir sind uns aber schon einig, dass es Sozialisten auch ohne „real existierenden Sozialismus“ geben kann?“
    Es gibt offensichtlich Sozialisten ohne real existierenden Sozialismus, aber das ist nicht der Punkt. Wenn es Menschen gibt, die sich nicht als antikapitalistisch bezeichnen, aber als feministisch, ist entweder mindesten eine der beiden Selbstbeschreibungen unwahr, oder Kapitalismus und Feminismus schließen sich doch nicht _automatisch_ aus. (Ob es aus anderen Gründen praktisch oder wünschenswert wäre, dass Feministinnen immer auch Antikapitalistinnen seien, und umgekehrt, will ich insofern nich widersprechen.)
    Ambiguitätstoleranz – es existiert in der Frage offenbar kein Konsens, insofern sind solche absolute Aussagen eben problematisch.

  26. #28:
    Es kann also niemand ein Sozialist sein, der eine Machtposition im Kapitalismus ausübt oder Kapitalismus und Sozialismus schliessen sich nicht aus?

    Eins stimmt allerdings:
    Es gibt keinen Konsens.
    Ambiguitätstoleranz bedeutet auch, dass Feminist:innen Teilhabe für Frauen an allen wichtigen (Macht)positionen einfordern, ohne dass die Frauen, die dadurch an diese Positionen kommen, deshalb Feministinnen sein müssen, oder es vielleicht gar sein können, weil sie letztlich notwendig ein System erhalten, in dem Frauen unterdrückt werden.

    Auch Feminismus ist letztlich immer neu zu verhandeln und muss im Ergebnis aufs neue überprüft werden. So zumindest verstehe ich die Theorie und auch das, was ich weiter oben von Nancy Fraser verlinkt habe.

  27. „Es kann also niemand ein Sozialist sein, der eine Machtposition im Kapitalismus ausübt?“
    Natürlich kann es im Kapitalismus sozialistische Bürgermeister, Abgeordnete oder Regierungschefs geben. Ein DAX-Konzern-Vorstand, der sich selbst als Sozialisten bezeichnet, käme mir trotzdem suspekt vor.
    Aber das gilt halt für Sozialisten. _Feminismus_ und Kapitalismus halte ich eben nicht für derartige Gegensätze, dass das eine das andere ausschließt, und deshalb überzeugt mich eine Kritik nicht, deren Argumentkette auf diesem Gegensatz beruht. (Und ja, es gibt ja noch andere Kritikpunkte…)
    Was jetzt nichts über den Film selbst aussagen soll, den habe ich noch nicht gesehen und ich weiß auch nicht, ob ich das tun werde.

  28. „_Feminismus_ und Kapitalismus halte ich eben nicht für derartige Gegensätze,“

    Ja nu, ich bin ja gerne bereit, neben der Untersuchung der Position von Frau Nancy Fraser zur Vereinbarkeit von Feminismus und Kapitalismus, eine andere fundierte Quelle zu lesen, die mich von deren Vereinbarkeit überzeugen soll, aber das @Mycroft diese nicht für Gegensätze hält, reicht mir da doch eher nicht.

    Ich hätte da etwas in der Güte Slavoj Žižek erwartet. Also etwas aus der Quelle, die vom Anspruch revolutionäre Avantgarde sein möchte, und die, damit die letztendliche Eigen-Paralyse nicht auffällt, Sündenböcke in den mehr oder minder eigenen Reihen sucht, die für das Versagen an der wirklichen Revolution herhalten dürfen.

    Und nein, ich glaube auch nicht, dass irgendwelche DAX Vorstände Kapitalismuskritisch sein können. Ich halte sie auch nicht für feministisch, bestenfalls für Feigenblätter eines Vulgärfeminismus.

    Aber dass Frauen diese Positionen einnehmen können gehört dennoch zum feministischen Kampf.

  29. „…das @Mycroft diese nicht für Gegensätze hält, reicht mir da doch eher nicht.“ Nicht für _derartige_ Gegensätze wie Kapitalismus und Sozialismus.
    Kann ja sein, dass ein großer Teil aller Feministinnen antikapitalistisch sind, dem Kapitalismus ist es umgekehrt aber egal, ob Männer Frauen ausbeuten, oder Frauen Männer, oder Männer und Frauen gleichermaßen Männer und Frauen, insofern ist der Kapitialismus nicht auf der grundlegenden, unabwendbaren Weise antifeministisch, wie er antisozialistisch ist.
    Schon daher sehe ich keinen derartigen Gegensatz wie zwischen Kapitalismus und Sozialismus.
    Aber gut, um die Geldmaschine nicht unnötig zu füttern, schaue ich mir den Film besser nicht an.

  30. @Mycroft:
    Ich will es gar nicht vertiefen und kann es auch nicht annähernd so gut erläutern, wie es Nancy Fraser in der oben verlinkten Vorlesung tat.
    Ein wenig wundert mich aber dieses magische Denken schon:
    Obwohl wir derzeit dabei sind schmerzhaft zu erfahren, dass das grenzenlose gedachte Wachstumsversprechen des Kapitalismus seinen Spielraum anscheinend schon überreizt hat, wird behauptet, man könne auf die, noch immer bei weitem größte, humane Ausbeutungsressource verzichten, und er liefe unbeeindruckt weiter. Es mag die eine oder andere Feminismusdefinition geben, die eine problemlose Koexistenz möglich scheinen läßt. Es gibt auch Liberalismusdefinitionen, die Pinochets Chile und Xis China als wirtschaftsliberale Visionen feier(te)n.
    Ich würde es aber dann doch als Schwäche in der Definition, und nicht im Objekt an sich, werten.

  31. Die Rezensentin umschreibt, was sie in dem Film für ein Angebot an seine ZuschauerInnen sieht, und erklärt, dass sie sich von diesem Angebot überzeugen ließ. Vielen Dank, ich finde die Rezension lesenswert.
    Was ist mit dem, was von der Hauptdarstellerin in Barbie zu sehen ist, und was ist mit dem, was von den jungen Männern in Barbie zu sehen ist? Von der Hauptdarstellerin sieht man etwa Beine, wenn sie einen kurzen Rock anhat und von hinten gefilmt wird. Von den jungen Männern sieht man Bizeps, weil sie kurze Ärmel tragen. Ich greife mal das auf, was im letzten Absatz der Rezension steht: Im Kino dies Jahr und die nächsten Jahre werden die Filme, die von Frauen lange Beine und von Männern den Bizeps zeigen, gute Chancen haben, ZuschauerInnen in die Kinos zu holen.

  32. „Ein wenig wundert mich aber dieses magische Denken schon:…“
    Wessen magisches Denken?
    „wird behauptet, man könne auf die, noch immer bei weitem größte, humane Ausbeutungsressource verzichten“ Der Kapitalismus konnte auch auf die Sklaverei verzichten. Natürlich „braucht“ der Kapitalismus auch Männer als Resource und Frauen als Kundinnen, um weiterzulaufen. Und daher hat „der“ Kapitalismus gleich doppelt was davon, wenn mehr Frauen berufstätig werden: mehr Arbeitskräfte zum ausbeuten und zahlungskräftigere Kundinnen.

    Klar gibt es Gründe, gegen Kapitalismus zu sein, und wenn man will, dass möglichst viele Menschen gegen Kapitalismus sind, dann will man insbesondere, dass auch Feministinnen gegen Kapitalismus sind. Habe ich kein Problem mit.
    Aber wenn es darauf hinausläuft: „Feministinnen sind antifeministisch.“ – „Also, ich keine eine Feministin, die hat eine große Firma, und…“ – „Dann ist die keine wahre Feministin.“, hat das so true-Scots-Vibes, ne?

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