Ende des Jahres ist es zehn Jahre her, dass der Rennfahrer Michael Schumacher im Ski-Urlaub schwer verunglückte. Seitdem ist er nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Seine Familie äußert sich nicht zu seinem Gesundheitszustand und bittet darum, diese Entscheidung und die Privatsphäre zu respektieren.
Doch immer wieder mutmaßen Medien über Michael Schumachers angebliche Verfassung. Vor allem Klatschblätter verbreiten wilde Spekulationen, nicht selten auch Lügen und Falschnachrichten über ihn. Mitunter heißt es, Schumachers Fans hätten doch ein Recht darauf zu erfahren, wie es um ihn steht. Wirklich? Wie sieht das ein langjähriger Fan? Und welche Erfahrungen mit Medien hat er gemacht?
Wir haben mit Reiner Ferling gesprochen, dem Vorsitzenden des Michael-und-Mick-Schumacher-Fanclubs. Ferling ist Rheinländer, spricht breites Kölsch und ist meistens gut gelaunt. Außer bei diesem Thema.
Übermedien: Herr Ferling, die Klatschzeitschrift „Die Aktuelle“ hat neulich etwas veröffentlicht, das sie als „Das erste Interview!“ mit Michael Schumacher ankündigte. Im Text stellte sich aber heraus, dass die Antworten von einer Künstlichen Intelligenz stammten. Wie finden Sie das?
Reiner Ferling: Das macht mich wütend. Weil die so versuchen, ihr Heft zu verkaufen, indem sie den Leuten vermitteln: Wir sind die Ersten, die mit dem Michael gesprochen haben. Was sich ja alle Medien wünschen, was aber in meinen Augen niemals passieren wird. Auf unseren Fanclub-Seiten werden solche Geschichten grundsätzlich nicht gepostet. Aber es gibt leider Menschen, die Fake News für die Wahrheit halten. Und das Schlimme ist, dass andere Klatschblätter solche Berichte oft auch noch aufgreifen und ihren Senf dazutun, und dann kommt am Ende noch mehr Mist dabei raus.
Der Gesprächspartner
Reiner Ferling, 71, ist seit 2012 Vorsitzender des Michael-und-Mick-Schumacher Fan-Clubs Kerpen e.V. Seit 25 Jahren ist er glühender Schumacher-Fan, er hat unzählige Rennen besucht und war in der Formel 1 und in Medien als der Mann mit dem Frack und dem Zylinder bekannt. Nach Schumachers Unfall im Jahr 2013 hat Ferling an der Kartbahn in Kerpen den „Zaun der Hoffnung“ initiiert, an dem er Geschenke und Genesungswünsche von Fans aufhing.
Kriegen Sie das mit am Kiosk oder im Supermarkt, wenn dort solche Zeitschriften mit Schumacher-Schlagzeilen im Regal stehen?
Eher auf Facebook. Ich folge da bestimmten Medien, von denen ich weiß, dass die häufig solche Fake News posten, und dann lese ich schon mal, was da drinsteht. Oft sind das Sachen, die übernommen wurden, zum Beispiel aus Motorsport-Zeitungen. Die Yellow Press recherchiert ja überhaupt nicht, die schreibt einfach nur ab und erfindet etwas dazu.
Nun behaupten manche Journalisten, vor allem Boulevard-Journalisten, die Fans, die Michael Schumacher immer zugejubelt haben, hätten doch ein Recht darauf zu erfahren, wie es ihm geht. Wie sehen Sie das?
Eines sollte doch klar sein: Niemand kauft das Recht an einem Menschen mit, wenn er ein T-Shirt, eine Eintrittskarte oder eine Kappe erwirbt. Damit hat man einfach kein Recht an der Privatsphäre! Und seine WM-Titel hat der Michael ja auch selber gefahren, nicht die Fans. Dass er damals in der Öffentlichkeit stand, das ist vollkommen klar. Aber schon der Ski-Unfall passierte in seinem Privatbereich, das hatte nichts mit Motorsport zu tun. 95 Prozent unserer Fanclub-Mitglieder verlieren auch überhaupt kein Wort mehr darüber. Sie haben akzeptiert, dass die Sache so ist, wie sie ist.
Und die anderen? Können Sie den Wunsch nachvollziehen, dass die wissen wollen, in welchem Zustand Schumacher heute ist?
Es gibt Leute, die würden gerne mal ein Bild sehen von Michael. Aber das sind die wenigsten. Die sind wie Gaffer an einem Unfallort. Was hat man denn davon, wenn man bis ins kleinste Detail weiß, wie es Michael geht? Wenn das jemand wissen will, stelle ich immer die Gegenfrage: Was würde sich in Deinem Leben ändern? Man weiß ja, wie schwer der Unfall war, und dass es ihm nicht gut geht, sollte jedem klar sein; da muss man doch nur die Netflix-Dokumentation gucken. Und diese ganzen Spekulationen, die um den Michael entstehen … nee. Selbst wenn die Familie Schumacher etwas sagen würde, es gäbe doch nie einen Punkt, an dem es aufhören würde, weil dann alles wieder hinterfragt würde: Kann er dieses, kann er jenes?
Und man sollte immer auch bedenken: Michael, der Perfektionist, hat vor dem Unfall für so einen Fall X vorgesorgt und das selbst verfügt. Das hat Corinna, seine Frau, mal öffentlich erzählt. Es ist Michaels Wunsch nach Privatsphäre, und der wird von seiner Familie umgesetzt. Michael hat immer seine Familie geschützt, nun schützt die Familie ihn. So. Und dann gibt es ja noch das Grundgesetz, Artikel 1. Was steht da drin? Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich habe oft Kontakt gehabt, ob das mit der Corinna war oder mit Sabine Kehm, der Managerin. Voriges Jahr habe ich noch länger mit ihr gesprochen, bei einer Preisverleihung, zu der meine Frau und ich eingeladen waren. Da hätte ich nachfragen können. Aber ich will das auch gar nicht.
Weshalb?
Ich habe Michael öfter getroffen. Und so möchte ich mich an ihn erinnern. Ich weiß nicht, was wäre, wenn ich wüsste, wie es ihm geht. Was ich dann denken würde. Natürlich habe ich Mitgefühl. Es gibt ja viele Situationen, gerade jetzt, wo sein Sohn Mick Rennen fährt, da reden wir im Club auch über Parallelen. Und dann gibt es diese Tage: der Unfalltag, der Geburtstag, das ist ja alles kurz hintereinander. Aber für mich ist die Sache halt so: Die Familie soll das selber entscheiden – und sie hat sich entschieden.
Was für Erfahrungen mit Medien haben Sie selbst gemacht?
Ich bin seit fast 25 Jahren in der ganzen Formel-1-Szene durch mein Auftreten mit Frack und Zylinder bekannt. Ich habe viele Sachen mit der Presse gemacht, und ich habe nie Geld dafür genommen. Ich habe mich auch nie beschwert. Wenn aber die Klatschpresse hingeht und mir Worte im Mund rumdreht, mir Fotos klaut, da wird der Reiner böse, ganz böse. Diese Klatschzeitschriften bekommen von mir kein Interview mehr, weil ich es satt habe, mich rechtfertigen zu müssen, weil die etwas anderes berichtet haben, als ich gesagt habe. Das ist leider die negative Seite.
Sie haben also schon mal mit einer Klatschzeitschrift gesprochen?
Ja, eine Zeitschrift war dabei, die mich bekniet hat. Und ich wollte nicht. Ich habe mir gesagt: Reiner, Du machst das nicht! Aber diese Dame hat mich so bekniet, dass ich doch zugestimmt habe. Sie hat mir das Interview dann zugeschickt, damit ich schauen kann, ob alles richtig ist. Das war auch in Ordnung, Teile daraus sind dann erschienen. Ein Jahr später aber tauchten andere Teile des Interviews in anderen Zeitschriften auf, die Dame hatte das offenbar weitergegeben. Und diese Zeitschriften hatten das dann verfälscht, was dazu erfunden. Da war ich sauer!
Und was war mit dem geklauten Foto?
Das war ein Foto, auf dem ich mit Corinna Schumacher zu sehen bin. Das hat diese Zeitschrift einfach ohne zu fragen runtergeladen, von Facebook oder unserer Homepage, das weiß ich nicht mehr. Und das haben die sogar bis in die USA vermarktet, wie meine Anwältin später recherchiert hat.
Haben Sie dagegen etwas unternommen?
Meine Anwältin hat den Verlag angeschrieben. Und dann meldete sich eine andere Dame bei mir: Was ich denn wollte? Ob ich Geld verdienen wollte? Da hab ich gesagt: Und jetzt mal Stopp! Ich hab niemals Geld genommen für Interviews oder sowas, hören Sie auf, mir sowas zu unterstellen. Ich sage Ihnen, was ich will: Ich will, dass Sie einen Brief an die Familie Schumacher schicken, in dem Sie klarstellen, dass Sie mir widerrechtlich ein Foto geklaut und das verwendet haben. Weil ich auch in Zukunft mit Corinna reden will. Ich hatte sie damals gefragt, ob wir ein Foto zusammen machen können, und sie hat Ja gesagt – und dann klaut mir das so eine Zeitschrift. Wie stehe ich denn da? Dann kam ein Schreiben von so einer Anwaltskanzlei, dass sie mir jetzt 300 Euro überweisen würden, und damit sei alles abgegolten, auch meine Anwaltskosten, die natürlich höher waren. Meine Anwältin hat dann gesagt, dass nun nur noch eins bleibe: eine Klage. Aber da hätte ich erst mal in Vorleistung gehen müssen mit ein paar tausend Euro, und wenn das dann in die nächste Instanz gegangen wäre, hätte mich das wieder Geld gekostet. Und wenn wir dann einen Richter gehabt hätten, der einen Vergleich macht, wäre ich wohl auf der Hälfte der Kosten sitzen geblieben, hat meine Anwältin gesagt. Was habe ich also gemacht? Ich habe aufgegeben.
Was hat das geändert bei Ihrem Umgang mit Medien?
Ich hatte mit der Presse, gerade mit dem TV, eigentlich immer ein gutes Verhältnis. Da hat es nie Ärger gegeben oder sonst irgendwas. Und ich hab wirklich viel gemacht: Die „Welt“ war hier, der „Spiegel“ hat berichtet, RTL … alles kein Problem. Aber mit der Klatschpresse hab ich durch die Bank nur Negatives erlebt. Da wurden mir Worte rumgedreht. Und wenn es erst mal da steht, dann steht es da, das kann ich dann nicht mehr ändern. Mittlerweile bin ich soweit, wenn ich einen Bericht schreibe im Internet, dass ich drüber schreibe: Und die Klatschzeitschriften lassen die Finger von den Fotos! Es ist traurig, dass man sowas machen muss. Wir sind ein Fanclub, wir verdienen keine Millionen, und dann klauen die unsere Fotos und machen Geld damit.
Im Dezember jährt sich Michael Schumachers Unfall zum zehnten Mal. Da werden Sie vermutlich wieder viele Anfragen erreichen.
Ja, vollkommen richtig. Aber ich werde vor keine Kamera treten. Und wenn ich am Telefon ein Interview gebe, werde ich nicht viel anderes sagen als sonst auch. Es kommt ja immer und immer wieder die Frage: Wissen Sie was über den Gesundheitszustand? Ich weiß nicht, was die erwarten, denn selbst wenn ich etwas darüber wüsste, würde ich es nicht sagen.
Was wünschen Sie sich von Medien in Hinblick auf Michael Schumacher?
Dass die aufhören mit diesem Clickbait! Weshalb lassen sie die Familie nicht einfach in Ruhe? Der Mick ist ja da, über seine Karriere als Rennfahrer kann man berichten, auch über die Tochter, Gina-Maria, wenn sie im Reitsport was erreicht hat. Das kann man ja machen. Aber den Micha, den kann man doch einfach in Ruhe lassen. Es ist bekannt, dass die Familie das will, und das sollte man respektieren. Ich weiß nicht, warum das so schwer ist.
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
3 Kommentare
Schönes Interview.
Ich merke gerade erst, dass die Klatschpresse ja nicht nur die „Sensationsgier“ des Publikums anzapfen will, sondern gerade auch dessen Mitgefühl, Empathie und sonstige guten Eigenschaften.
Hmmm bin da zweigeteilt. Ich verstehe, dass die Krankheit privat ist, aber er war auch eine öffentliche Person.
Es muss ja keine Homestory sein, vielleicht reicht schon ein kurzes Statement grob und oberflächlich. Aber gar nix, das fordert doch die Presse geradezu heraus.
OK, vielleicht bin ich auch naiv zu meinen, dass ein bischen Wahrheit in Wirklichkeit due Medien zu mehr antriggert, wer weiss das schon.
Von der medienkritischen Seite her ist es interessant, das Thema so lange zu verfolgen.
Was Ich interessant fände, wäre eine Studie bei der die Leser solcher „Yellows“ mal dezidiert befragt werden würden, warum Sie solche Zeitschriften kaufen, was Sie wirklich über die Berichterstattung dieser Magazine denken und in wieweit Sie die Dinge glauben die da drin stehen und wenn nicht, warum Ihnen das egal ist.
Schönes Interview.
Ich merke gerade erst, dass die Klatschpresse ja nicht nur die „Sensationsgier“ des Publikums anzapfen will, sondern gerade auch dessen Mitgefühl, Empathie und sonstige guten Eigenschaften.
Hmmm bin da zweigeteilt. Ich verstehe, dass die Krankheit privat ist, aber er war auch eine öffentliche Person.
Es muss ja keine Homestory sein, vielleicht reicht schon ein kurzes Statement grob und oberflächlich. Aber gar nix, das fordert doch die Presse geradezu heraus.
OK, vielleicht bin ich auch naiv zu meinen, dass ein bischen Wahrheit in Wirklichkeit due Medien zu mehr antriggert, wer weiss das schon.
Von der medienkritischen Seite her ist es interessant, das Thema so lange zu verfolgen.
Was Ich interessant fände, wäre eine Studie bei der die Leser solcher „Yellows“ mal dezidiert befragt werden würden, warum Sie solche Zeitschriften kaufen, was Sie wirklich über die Berichterstattung dieser Magazine denken und in wieweit Sie die Dinge glauben die da drin stehen und wenn nicht, warum Ihnen das egal ist.