Hasswort (3)

selbsternannt

Als Autor fällt es mir schwer, Wörter zu hassen. Ungefähr wie Biologen auch in den vermeintlich hässlichsten, bösartigsten Killertieren noch die Schönheit der Evolution erkennen, reicht mir die gleißende Existenz der Sprache, um in allen Worten noch einen Funken Schönheit oder doch zumindest eine ästhetisch gefärbte Daseinsberechtigung zu erkennen.

In allen Worten – außer in einem abwertend verwendeten „selbsternannt“. So wie in „selbsternannter Journalist“, „selbsternannte Expertin“, „selbsternannter Künstler“.

„Selbsternannt“ ist nicht mein Hasswort, es ist das Hasswort. Das Überhasswort. Das Wort, das – wenn es unironisch mit pejorativer Bedeutung verwendet wird – einen Artikel, ein Buch, ein ganzes Werk vergiften kann wie ein Tropfen Dioxin einen Trinkwasserstausee. Denn „selbsternannt“ richtet sich gegen den Sinn der Sprache selbst.

Die Paläolinguistik, also die Kunde der urzeitlichen Sprachentwicklung, ist wenig überraschend keine besonders zugängliche Wissenschaft. Ein bisschen Schädelanatomie rund um das Zungenbein, ein Löchlein im Knochen zwischen Hirnschale und Rachenraum, das im Laufe der Zeit größer wurde, um einen dickeren Nerv beherbergen zu können, dazu Vermutungen um die heutigen sprachlichen Echos einer eventuellen Ursprache – das ist nicht überragend viel Material, um die Ursprünge der Sprache zu erfassen. Immerhin weiß man inzwischen, dass der Mensch vor rund 100.000 Jahren sein anatomisches Sprechinstrumentarium beisammen hatte. Sein Kehlkopf hatte sich abgesenkt, der Gaumen hatte sich aufgewölbt, das Zungenbein hatte der Zunge ausreichend Spiel zur differenzierten Lautartikulation gegeben. Toll!

Und dann stechen die Paläopopulationssökologen von der Seite hinein, und erklären, dass die Sprache nichts weniger darstellt als den essentiellen Meilenstein der menschlichen Evolution, weil sprachfähige Frühmenschengruppen evolutiv erfolgreicher waren. Klar. Gewissermaßen ist die Sprachfähigkeit gleichbedeutend mit dem riesigen Erfolg der Spezies Mensch, Sprache bedeutete Wissensvermittlung und Wissen ist Macht. Ohne Sprache wäre der Mensch heute vom Aussterben bedroht in einer von Ameisen beherrschten Welt .

Ein kurzer Ausflug in Psychologie und Philosophie zeigt aber zugleich, dass Sprache nicht nur den zentralen Evolutionsvorteil darstellt, sondern auch die Grundlage des Ich-Verständnisses und damit der Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Sprache ist deshalb biologisch betrachtet Macht, psychologisch betrachtet Individualität und philosophisch betrachtet Freiheit.

Fixiert auf den sozialen Status

Das ist die Fallhöhe. Und jetzt kommt irgendeine Flitzpiepe um die Ecke und bezeichnet jemanden in Ermangelung einer anständigen Beleidigungskultur als „selbsternannt“. Es handelt sich um eine derjenigen Abschätzigkeiten, die mehr über den Absender sagen als über den Adressaten. In den meisten Fällen sind die Wortverwender niedere Repräsentanten des Establishments, die so zunächst ihre Fixierung auf den sozialen Status einer Person zu erkennen geben.

Die eklige Funktion des Begriffs „selbsternannt“ wird deutlich, wenn man sich das Gegenteil vergegenwärtigt: „nicht selbsternannt“. Was zwingend „fremdernannt“ bedeuten muss und damit „ernannt durch zuständige Stellen“. Wer also „selbsternannt“ abwertend benutzt, illustriert damit zu allererst seine eigene Obrigkeitshörigkeit, weil er sich gar nicht vorstellen kann, dass man sich selbst eine Rolle zuschreibt, statt auf Knien durch irgendwelche Zuschreibungsinstitutionen zu rutschen.

Die Selbstbeauftragung aber ist die edelste aller Motivationen, sie ist vom Ehrenamt bis zum Unternehmertum die Basis allen bürgerlichen Engagements. „Selbsternannt“ als Beleidigung zu verwenden, kehrt deshalb nicht nur die Obrigkeitshörigkeit hervor, sondern auch eine reaktionäre Haltung: Jeder Mensch hat seinen ihm zugewiesenen Platz in der Welt, den er nicht verlassen darf, ohne sanktioniert zu werden. „Selbsternannt“ gehört damit zu den Worten, deren absichtsvolle Verwendung das politische Weltbild ebenso transportieren wie die psychosoziale Disposition der Aussprechenden. Ebenso wie eine einzelne rassistische Beschimpfung in der Regel ausreicht, um jemanden als Rassisten zu entlarven.

Fehlinvestierte eigene Mühen

Da hört es aber noch nicht auf. Neid und Missgunst schwingen zugleich mit, denn nach „selbsternannt“ folgt ja oft ein Titel oder eine Berufsbezeichnung. Das ergibt im Psychogramm des Aussprechenden das Gefühl, „wir alle mussten hart arbeiten, ich ganz besonders, um Diplom-Wasauchimmer oder Vizeabteilungsleiter zu werden – aber diese Person dort ernennt sich einfach selbst“. Im Hintergrund klingt ein dunkles Grollen der Verbitterung über das Ausbleiben des nach eigener Meinung verdienten Erfolges. Deshalb verbirgt sich im abschätzigen „selbsternannt“ auch stets ein wenig Furcht und das Gefühl, von der so bezeichneten Person angegriffen oder gesellschaftlich bedroht zu werden.

Interessanterweise spricht so eben nicht die selbst hochstehende Person, es wäre kaum denkbar, dass Angela Merkel irgendjemanden als „selbsternannt“ beschimpfen würde. Denn in „selbsternannt“ schwingt neben Neid und Missgunst auch die Furcht mit, dass die eigenen Mühen, um im Establishment zu bestehen, sich als fehlinvestiert erweisen. Über die Selbsternennung spottet man nicht schal, wenn man längst oben angekommen ist, sondern wenn man sich irgendwie auf halbem Wege wähnt, „da muss doch mehr für mich drin sein!“.

Mit anderen Worten: „Selbsternannt“ als abwertende Vokabel benutzt, wer selbst noch auf die Ernennung durch die Zuständigen wartet, um endlich die Früchte seiner jahrelangen Nichtselbsternennung ernten zu dürfen. Haha. „Wer wartend lebt, stirbt scheißend“, so lautet ein ausgezeichnetes neapolitanisches Sprichwort.

Ein ehrenreiches Wort

Hier schließt sich der dunkle, dreiste, doofe „selbsternannt“-Kreis zwischen Kultur und Natur. Sprache hat sich entwickelt, um jeder einzelnen Person die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu entfalten, also eine Rolle für sich in der Welt zu finden. Der wichtigste Schritt der persönlichen Erfüllung ist zugleich die Antwort auf die großen philosophischen Fragen in 2.500 Jahren abendländischer Kultur: Wer bin ich, was bin ich? So manifestiert schon in der Antwort des Orakel von Delphi, die lautete: „Erkenne Dich selbst“. Und nicht: „Lass Dich von den verdammten Zuständigen ernennen“. Erkennung statt Ernennung!

Sprache ist also ein Instrument der Selbstermächtigung, genau das zu sein, was man ist. Der Zweck der Sprache ist, sein eigenes Wesen und die Welt zu ergründen, um glücklich werden zu können. Und der Beginn ist die Selbsternennung, denn Selbsternennung ist nichts anderes als die selbstbewusst herausgeschriene Antwort auf die Fragen „Wer bin ich? Was bin ich?“

Dieser Kontrast macht „selbsternannt“ als negatives Wort so schlimm: Selbsternennung ist etwas Sinnvolles, Notwendiges, Gutes. Die Sprache wurde für Selbstergründung und damit die Selbsternennung erfunden, um sich zu erkennen und diese Erkenntnis mit der Welt zu teilen. Im Munde der Verächtlichen, der im Urin rossiger Eselsstuten geschmorten Lästerzungen aber – ist diese edelste aller Ernennungen abfällig ins Gegenteil gewendet. Und so entpuppt sich das ursprüngliche Hasswort eigentlich als großes, ehrenreiches Wort – nur wurde es von den Boshaften gewordnappt und bitter missbraucht.

Vielleicht fällt es mir aber auch einfach leichter, schlimme Menschen zu hassen als Worte.

 

20 Kommentare

  1. Danke, mir ist dieser Begriff in letzter Zeit auch aufgefallen und aufgestossen. Damit wird eine ekelhafte Überheblichkeit transportiert, aber auch gerne von Journalisten.

    Ich höre viel HRInfo und habe dort in letzter Zeit öfters gehört: „die selbsternannte Alternative für Deutschland“
    Da frage ich mich jedesmal, wer wohl die christliche Union oder die sozialdemokratische Partei so genannt hat?
    Und seit wann darf sich eine Partei nicht mehr selbst benennen?

    Es ist mittlerweile absurd, mit welcher Wucht Propaganda betrieben wird. Kriegt man das eigentlich heute auf Journalistenschulen so beigebracht?

  2. @ Struppi: Da „Journalist“ in DE nicht geschützt ist, darf sich jeder selbst dazu ernennen.
    Ganz klarer Fall von „Armes Deutschland“, meinen Sie nicht?

  3. @2 struppi

    Respekt dafür, dass sie immer noch hrinfo ertragen können.
    Ich empfinde hrinfo als hetzerisch und undifferenziert- ich als selbsternannter linker Amerikafreund.

    Probieren sie mal Deutschlandfunk, bis auf den fehlenden Regionalnachrichtenteil ein guter Nachrichtensender

  4. Ob dieser tiefgründigen und augenöffnenden Ausführung, habe ich gerade das Bedürfnis sofort alle Worte, die ich jemals benutzt habe in gleicher Art und Weise zu hinterfragen. Sozusagen als Sprach-Entschlackung. Donnerknispel, wie kann ich jemals wieder sprechen ohne mich vor mir selbst fremd zu schämen?

  5. nun würde mich aber brennend interessieren, wie Herr Lobo jemanden bezeichnen oder ansprechen will, der sich selbst zu etwas ernennt, aber keinesfalls eine entsprechende Qualifikation vorweisen kann – im Gegenteil, sogar völlige Inkompetenz beweist. Und das beinahe täglich.
    Ich rede nicht von Ausbildung als Qualifikation, sondern von einer Qualifikation, die sich in entsprechenden Arbeiten, der Tätigkeit beweist.

    Ich kenne so eine Person, die sich zur „Freien Journalistin“ erhoben hat, aber weder über eine entsprechende Ausbildung, noch das entsprechende Talent für den Beruf verfügt. Da der Begriff nicht geschützt ist, kann sie sich so bezeichnen – selbst dazu ernennen. Trotzdem ist sie es nicht. Sie hat nichts vorzuweisen, keine journalistischen Arbeiten, keine Veröffentlichungen, die auch nur eine journalistische Qualifikation erahnen lassen. Wegen ihrer Unfähigkeit, ordentliche Recherche zu betreiben, steht sie immer wieder vor Gericht.
    Sie verschanzt sich hinter ihrer „freien Journalistin“ und glaubt, sich so unangreifbar zu machen. Denn schließlich darf der Journalist ja die Wahrheit sagen. Oder das, was er dafür hält.

    Darf ich eine solche Person nicht durch die Bezeichnung „selbsternannt“ als das bezeichnen was sie ist, nämlich nur ein weiteres Großmaul, das vorgibt, etwas zu wissen oder zu können, tatsächlich aber ohne jede Kompetenz für die Tätigkeit zu sein?

    Tut mir leid, Herr Lobo, aber in solchem Fall nehme ich mir das Recht heraus, abschätzig zu sein, von oben herab sozusagen.
    Und nein, Herr Lobo, diese Abschätzigkeit sagt nicht unbedingt und immer mehr über den Absender als über den Adressaten. Mitunter sagt sie auch einfach alles über den Adressaten, der sich selbst in einen Stand erhebt, in den er nicht gehört. Ganz einfach weil er nicht kann, was dafür nötig wäre.
    Da darf man die Sache auch mal von der anderen Seite beleuchten. So sind es nämlich diese Selbsternannten, die in ihrer teils schier grenzenlosen Selbstüberschätzung nicht nur die eigene Unfähigkeit kaschieren wollen sondern sich mitunter sogar über jene erheben wollen, zu denen sie durch ihre Selbsternennung aufschließen wollen. Sie glauben, durch ihre Selbsternennung aufzusteigen in den Stand der Professionellen, also jener, die ihre Qualifikationen bereits unter Beweis gestellt haben.

    Und auch das ist eine Form der Abschätzigkeit. Jenen gegenüber, mit denen sich der Selbsternannte gleichsetzen will.

  6. Der Autor scheint kein besonders geselliger Mensch zu sein – was man nicht selbst macht, macht die Obrigkeit. Auf den Gedanken, dass neben „ernannt durch zuständige Stellen“ auch „gesellschaftlich anerkannt/ernannt“ eine Alternative zu „selbsternannt“ sein kann, scheint er nicht zu kommen. Wenn mir ein abschätziges „selbsternannt“ begegnet, habe ich das bisher meistens so interpretiert, dass außer demjenigen, der sich selbst zu etwas ernannt hat, kaum jemand anderes ihn als das sieht, und insbesondere derjenige nicht, der das Wort verwendet.
    @Struppi: Was die Sprecher/Autoren von HRInfo damit dann wohl sagen wollen: Sie sehen die AfD nicht als Alternative für Deutschland an. Obwohl ich dem zustimmen würde und imho bei keiner anderen Partei der Widerspruch zwischen Namen und Wirklichkeiten so groß ist wie bei der AfD, finde ich das in einem Nachrichtenbeitrag auch unangemessen. Da deutet ja auch niemand nebenbei an, dass die CSU gar nicht so christlich sozial ist oder die SPD auch schon mal sozialdemokratischer war.

  7. Hmm.
    Ich stimme da eher Schmidt123 zu. Natürlich gibt es Sachen, zu denen man sich — zu Recht — nicht selbst ernennen kann. Ich möchte zumindest nicht dass mein Arzt sich einfach selbst so nennt ohne eine Ausbildung zu haben.
    Im Übrigen musste ich bei dem Wort direkt an den „selbsternannten islamischen Staat“ denken, denn nur dort ist mir das Wort geläufig — und da passt es auch sehr gut. Denn mit diesem „islamischen Staat“ stellt sich diese Terrororganisation erstens so hin, als ob nur sie den Islam vertreten würde und postuliert zweitens ein Staatsgebiet. Beides ist aber unsinnig. Wie soll man solche Worthülsen anders in einen Kontext setzen ohne das beschreibende „selbsternannt“?

  8. Einige Kommentatoren übersehen, dass Lobo hier mitnichten von geschützten Berufsbezeichnungen gesprochen hat, sondern das Wort als Beleidigung untersucht.

    Die Obrigkeitshörigkeit lässt sich aber durchaus finden. Tatsächlich begegnen mir in sozialen Netzwerken immer wieder Kommentare, in denen gefragt werde, welche Qualifikation denn der Autor eines Beitrags habe, dass er glaube, sich so oder so äußern zu dürfen. Als wenn die Meinungsfreiheit eine Qualifikation voraussetzen würde; die Kommentatoren selber machen ja auch Gebrauch von ihr, ohne von irgendjemanden dazu ermächtigt worden zu sein.

    Was ich weitaus schwieriger finde, ist die Tatsache, dass viele, die das Wort als Beleidigung verwenden, glauben, danach keine Argumente mehr liefern zu müssen. Nach dem Motto: Wer sich selbst ernannt hat, hat kein Recht, sich so oder so zu äußern.

  9. @stefan:
    Mag sein dass Sascha Lobo das so meint. Allerdings ist mit das Wort in diesem Kontext nie begegnet.
    Und wer sich selbst ernennt darf sich natürlich trotzdem zu allem äußern — mir hilft das Wort dann aber durchaus um das Gesagte einordnen zu können (wie z. B beim IS)

  10. An Stefan Fries anschließend, sehe ich die Verwendung von „selbsternannt“ in der von Sascha Lobo gemeinten Funktion auch als Abwertung einer Person im Sinne von „ist die Auseinandersetzung nicht wert / muss niemand ernst nehmen“ … oder lapidar „Wer bist DU denn, geh‘ in Deine Ecke zurück und halt die Klappe!“. Perfide an „selbsternannt“ in diesem Sinne ist tatsächlich die Implikation, auch die Mehrheit aller anderen Diskursteilnehmer würden dies so sehen.
    Selbstverständlich schließt das nicht aus, dass es einzelne Verwendungsereignisse von „selbsternannt“ gibt, die einer Diskursteilnehmermehrheit gerechtfertigt erscheint.

  11. Endlich mal ein Hasswort, dem mit echtem Hass begegnet wird!
    Kleine Anmerkung: die „Adressaten“ einer Bezeichnung sind die, zu denen gesprochen wird, nicht die, über die gesprochen wird. Wenn Person X zu Person Y sagt, Z sei der/die/das selbsternannte Dingsbums, sagt das was über den Absender und seine Obrigkeitshörigkeit aus, und etwas über Z, was zutreffen mag oder auch nicht, aber nichts über Person Y, der Adressatin.
    Offenlegung: ich bin kein selbsternannter Klugscheißer, sondern habe mir diese Bezeichnung hart erarbeitet. Da können Sie jeden fragen, der mich nicht so gut leiden kann.

  12. Mir kommt Herrn Lobos Verdikt offen gesagt auch etwas pauschal vor. Wie schon angemerkt wurde, existieren durchaus Zusammenhänge, in denen das Wort „selbsternannt“ angebracht erscheint.

    Nehmen wir beispielsweise an, jemand erweckt ständig den Eindruck, für eine bestimmte Gruppe zu sprechen. Die meisten Mitglieder dieser Gruppe wollen das aber vielleicht gar nicht, fühlen sich vereinnahmt und sagen dies jener Person auch deutlich. Nehmen wir aber an, derjenige macht weiter wie bisher, und zwar in einer Form , die auch von den meisten Leute ohne Affinität zu obrigkeitsstaatlichem Denken als „dreist“ empfunden werden würde. Was spricht dann dagegen, eine solche Person etwa als „selbsternannten Sprecher der [hier Namen der Gruppe einfügen]“ zu titulieren?

    Und wenn jemand – unabhängig vom Vorhanden- oder Nicht-Vorhandensein formaler Qualifikationen – von einem Thema einfach ganz offensichtlich und eigentlich unbestreitbar nichts versteht, sich aber gerne als Fachmann aufspielt und dabei vielleicht auch noch andere Leute herabsetzt: Warum sollte man ihn dann nicht mit ironischem Unterton als „selbsternannten Experten“ bezeichnen dürfen?

    Sicherlich sollte man das Wort „selbsternannt“ mit Vorsicht gebrauchen, und es mag ja auch sein, dass häufig Schindluder mit ihm getrieben wird. Ihm aber ganz generell jede (!) Daseinsberechtigung abzusprechen, erscheint mir dann doch als etwas undifferenziert.

  13. @Anderer Max: keine Ahnung was für dich ein Fall „armes Deutschland“ ist, ich habe für diese Formulierung keine Verwendung und kann mir darunter auch nichts vorstellen.
    Aber das es Journalistenschulen gibt bestreiten Sie nicht?
    Zumal ich den Begriff lediglich verwendet habe, weil er im Artikel benutzt wurde und so klang, als ob diese Seite diesen Begriff nicht verwendet.

    @civichief bei HRInfo schalte ich tatsächlich oft um, weil mich die Sichtweise auf gewisse Themen nervt. DLF ist aber für mich nur z.T. erträglich, vor allem wenn es um Kultur geht. Eine andere Alternatve für mich ist BR5.

    Aber man muss auch nicht immer nur das hören, weil es einem am meisten in den KRam paßt.

  14. @k ich sehe das genauso wie Du.
    Und mir ist schon klar, was HRInfo damit zum Ausdruck bringen will. Aber das ist ja genau das worum es im Artikel geht. Mit dem Begriff „selbsternannt“ wird versucht ein negatives Gefühl zu erzeugen, ohne das es wirklich eine logische Aussage ist. Denn in den Fällen – um die es geht – gibt es keine offiziell „ernannten“. Dann, wenn es die gibt, ist ja alles in Ordnung mit dem Wort und es spricht nichts gegen die Verwendung, für Menschen die sich zu etwas selbsternannt haben.

  15. @15:
    War ja auch ironisch gemeint, das „armes Deutschland“. Anscheinend braucht auch Humor einen Foren-Tag, neuerdings.
    oder so …

    Dass es Journalistenschulen gibt betreite ich nicht, nein.

    Dass dort Menschen zu „Propagada“ in Sinne von Staatsjournalismus „erzogen“ werden, ja, das bestreite ich und hätte für so etwas gern Belege, statt Platitüden.

    Und mir stellt sich da echt dann die Frage: Wenn sich nicht jeder selbst zum Journalisten erklären dürfte, wer kontrolliert dann, was ein Journalist verbindlich lernen müsste um sich so nennen zu dürfen? Das Kultusministerium, vulgo „Der Staat“ oder der dt. Presserat vulgo „Die Wirtschaft“? Was ist besser?
    Das wiederum führt zu essentiellen Fragen zum Wesen des Journalismus.

    Ich bin ja oft Sascha Lobos Meinung und kann auch in diesem Fall der Argumentation folgen – In diesem Artikel wird jedoch fast ausschließlich der abwertende Einsatz dieses Wortes diskutiert. Eingesetzt ausschließlich von Leuten die „so obrigkeitshörig sind, dass sich gar nicht vorstellen können, dass selbsternannt auch was gutes sein könnte“. Das hlate ich für eine unzulässige Verkürzung.

    Was aber, wenn man den Begriff „selbsternannt“ nicht pejorativ verwendet, sondern wie im Falle von Journalisten als positive Bestärkung der Individualität und Unangängigkeit. Ein „fremdernannter“ Journalist macht sich dich von vornherein abhängig von der „Bewertung“ eines anderen. Es sei denn diese Bewertung (Ausbildung) ist objektiv und wird überwacht. Aber wer kann hier für Objektivität sorgen?
    Staat nicht (4. Gewalt), Presserat nicht (Lobby).

    Was bleibt also anderes, als die Selbsternennung?
    Ich finde sie gut. In diesem Fall.

  16. Trittin schrieb über „die Politik“. Eine Kritik an Pauschlisierung, die sich auch „die Polizei“, „die Banker“ usw. zu eigen machen können. Kleber hat das bezogen auf die Kolummne schon etwas besser, aber auch etwas lieblos gemacht. Lobo hat das richtig gut geschrieben, die Kolummne steigert sich von Beitrag zu Beitrag in der Qualität.
    Aber letztlich geht es um das persönliche Hasswort der Autoren. Damit verlangt noch keiner, dass der Leser sich das selbst als „Hasswort“ annimmt, oder?

  17. „nun würde mich aber brennend interessieren, wie Herr Lobo jemanden bezeichnen oder ansprechen will, der sich selbst zu etwas ernennt, aber keinesfalls eine entsprechende Qualifikation vorweisen kann – im Gegenteil, sogar völlige Inkompetenz beweist. “
    Inkompetent? Großkotzig? Passt doch alles besser als „selbsternannt“. „Selbsternannt“ heisst immer: „Darf der/die das überhaupt?“ Klar darf er/sie! Es geht ja hier nicht um selbsternannte Chirurgen, die unbefugt Herzoperationen durchfühern.

  18. Dass man selbsternannt auch als Gegensatz zu gesellschaftlich anerkannt/ernannt sehen kann, darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Leuchtet aber ein. Aber auch in dieser Bedeutung gefällt mir das „selbsternannt“ nicht . Als müsste jemand erst gesellschaftlich anerkannt sein, bevor er sich als Journalist, Leitartikler, Essayist, Blogger oder Talkshowgast meinungsmäßig so richtig aus dem Fenster lehnen darf. Würde doch in ödem Konformismus enden, oder? Kommt dabei nur Geschwafel heraus, kann man es doch auch so benennen und muss nicht auf das obrikgkeitsgläubige bzw. konformistische „selbsternannt“ zurückgreifen.

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