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Geht so

Was genau ist eigentlich eine Magazingeschichte? Das ist die Frage, die ich mir stelle, seitdem ich „Outdoor – Reisen, Wandern, Abenteuer“ gelesen habe. Das Magazin handelt in Wahrheit praktisch ausschließlich vom Wandern, und alle großen Geschichten haben den Verlauf, dass jemand von A nach B geht und beschreibt, was er auf dem Weg erlebt. In chronologischer Reihenfolge. Und ganz ehrlich: So richtig doll viel erlebt hat auf dem Weg keiner was, und das hilft den Geschichten nicht.

Deshalb die Frage oben, und eine vorsichtige Annäherung an die Antwort: Im besten Fall wäre eine Magazin-Geschichte eine interessante Geschichte, die gut erzählt ist. Im schlechteren Fall eines von beiden. Im Fall der „Outdoor“-Wanderungen sind sie zu oft keins von beiden, und das ist ein bisschen ärgerlich, weil das Heft an sich gar nicht verkehrt sein müsste. Wandern ist ja toll, und die Natur ist toll, und von toller Natur kann man tolle Fotos machen und so weiter. Warum hinterlässt „Outdoor“ dann bei mir so ein leeres Gefühl?

Einmal im Schnelldurchlauf: Hinter dem schrecklichen Orange des Covers verbirgt sich ein solide layoutetes Heft mit vielen schönen Fotos, deutlich auf der konventionellen Seite, aber ansprechend. Ich bin ein bisschen schwer reingekommen, weil gleich nach dem Cover im Editorial der Chefredakteur davon spricht, dass der Herbst eine Lieblingsjahreszeit der „Outdoorer“ ist, was ein so grauenhaftes Wort ist, dass ich jetzt schon wieder sauer werde, wenn ich darüber nachdenke. Outdoorer? Warum muss man denn für Menschen, die gerne draußen Spazierengehen, einen Bullshit-Begriff erfinden? Falls das eine Strategie sein soll, den Kauf von diesen ganzen bunten Jack-Wolfskin-Jacken zu rechtfertigen: Ihr braucht die nicht und ihr seht auch nicht gut drin aus, selbst wenn ihr euch Seal Team Six nennt, liebe Outdoorer, und ja, das gilt auch für Trekkingsandalen. Aber das ist ein anderes Thema.

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Wenn man über die Einstiegshürden hinweg ist, beginnt da ein Heft zu leben. Es beginnt mit schönen und interessanten Fotos und Text-Häppchen, hier auch noch mit Spurenelementen anderer Outdoor-Aktivitäten wie Klettern, Rad- und Kanufahren. Und dann geht das Wandern los.

Ich bin persönlich ein großer Fan des Wanderns. Ernsthaft. Aber die reine äußere Tätigkeit des Gehens zu Fuß ist schon erbarmungslos undramatisch. In „Outdoor“ machen es manche Autoren noch schlimmer dadurch, dass sie selbst die wenigen zumindest tröpfchenweise Farbe ins Geläuf bringenden Aktivitäten mit einem inneren Abstand abhandeln, der teilweise ins Absurde abgleitet. Als Beispiel ein Absatz aus einer Geschichte über eine Gruppe von fünf Wanderern in Bayern:

Der Rucksack heizt den Rücken auf, schonungslos brennt die Sommersonne beim Weg in die Jachenau. Ohne zu zögern stellt sich die Mannschaft unter die Wasserfälle, die in dem grasbewachsenen Tal am Wegesrand rauschen. Obwohl das eiskalte Wasser wie Nadeln sticht, stiftet die Abkühlung zu einer Wasserschlacht an. Nur knapp verkneifen sie sich den Sprung in den türkisfarbenen Gumpen.

Viel besser kann man sprachlich nicht verschleiern, dass hier Menschen möglicherweise Spaß haben. Aktiv Handelnde in diesem Absatz sind ein Rucksack, die Sommersonne, die Mannschaft, Wasserfälle und stechendes Wasser und eine Abkühlung, bevor sich durch einen grammatikalischen Fehler nicht „sie“, die Mannschaft, sondern unbestimmte Sies, also wahrscheinlich Menschen, aktiv … etwas verkneifen? Halleluja. Ich finde diesen riesigen Abstand zu den Subjekten der Geschichte falsch.

Es gibt eine andere Geschichte, in der die Autorin einen alten Spruch aus ihrem Poesiealbum einführt, der von Begegnungen spricht, die die Seele berühren. Sie erlebt solche Begegnungen auf einer Wanderung durchs Allgäu, und das hebt die Geschichte zumindest ein Stück weit dahin, wo ich glaube, dass die Fallhöhe von „Outdoor“ sein müsste: Wandern und Naturerlebnisse sind ja vor allem innere Reisen, spirituelle Momente, Seelenzeit. Der simple äußere Akt des Gehens und im besten Fall noch Orchideen- oder Hirscheguckens ist nichts, was man groß und breit auch nur in der Kaffeeküche der Firma weitererzählen würde, weil es einfach zu wenig hergibt – und das ist für mich ein Hinweis darauf, dass es sich als Geschichte für ein Magazin eher nicht eignet. Es sind halt nur zwei Sätze: „Ich bin gewandert. Es war schön.“ Um ein gutes Magazin zu machen, muss außen oder innen mehr passieren, als es in „Outdoor“ der Fall ist.

Und dieser Gedanke hat eine weitere Facette: Mir ist „Outdoor“ viel zu süß und zu harmlos. Das Wetter ist zu gut. Gleichzeitig wird zu wenig geschwitzt und gelitten. Ich glaube, das wird dem nicht gerecht, was Menschen beim Wandern und in der Natur suchen. Um mich zu berühren, müsste „Outdoor“ viel realistischer werden, rauer und authentischer. Es müsste mehr von dem zeigen, das sich diese vielen Menschen wünschen und ausmalen, wenn sie ihr ganzes Geld in den nächsten Jack-Wolfskin-Store tragen. Wenn ich tippen sollte, was für sie zumindest in ihren Träumen und Gedanken Naturerlebnisse bedeuten, dann würde ich etwas formulieren wie „Leben spüren“. Und das Bild, das mir bei so einem Satz im Kopf entsteht, ist nicht Sonnenschein, sondern Sommerregen im Gesicht. Und vor Sonnenschein käme sogar noch Herbstregen. Für irgendwas muss das verdammte Gore-Tex ja gut sein.

Outdoor
Motor Presse Stuttgart
5 Euro

6 Kommentare

  1. Ich bin ja ein bisschen stolz drauf, kein Sprachnörgler zu sein (und dankbar, wenn man mich nicht darauf hinweist, dass es ein bisschen komisch sein könnte, sich für was Besseres zu halten, weil man nicht so ist wie Leute, die sich für was Besseres halten, weil sie nicht so schreiben wie andere Leute), und ich glaube, ich hab nicht mal eine gute Grundlage dafür, aber nach meinem Gefühl finde ich immer komisch, wenn man “seitdem“ mit einer Zeitangabe kombiniert. Für mich heißt es “seit ich mit dem Rauchen aufgehört habe“ oder “seitdem“, nicht “seitdem ich Tagalog lerne“. Aber ich glaube, damit stehe ich ziemlich allein da.
    Jedenfalls schöne Kritik, danke.

  2. Dieser tote Wald zog also recht spurlos an dir vorüber. Danke für die Warnung.

    („sie sie“ soll wahrscheinlich „sind sie“ heißen, oder?)

  3. Yo.
    Wenn der Grieche was raushaut, lohnt es zu lauschen.

    Bin im Außentürdingens tätig.

    Erstens: Goretex gut!

    Zwotens: gibt ein wichtiges erlebnispädagogisches Standardwerk das “ The Mountains Speak For Themselves “ heißt.

    Tja.

    Ebenttt.

    „Rede nicht, schau!“
    (Ludwig Wittgenstein)

    Daraus Magazin, abseits von Bekleidungstipps, zu schneidern, erscheint mir auch schwierig.

    Aber der Grieche hats schon mal gesehen.
    Das wodraufs ankommt.

    Pssst.

    Kukkn!

  4. Jack-Wolfskin-Jacken braucht man ja echt nicht. Aber was haben Sie denn gegen Trekking-Sandalen? Also hässlich sind die Dinger ja schon, aber dafür geht man ja schließlich in die freie Natur, damit man weniger Menschen trifft, die einen mit Mode-Nörgeleien zuklugscheißern.

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