Landtagswahl

Die Angst der Elefanten vorm Trompeter

In Baden-Württemberg wird darüber gestritten, ob die AfD in der „Elefantenrunde“ mitreden darf, die der SWR vor der Landtagswahl im März zeigt. Zwei Parteien wollen kneifen, wenn der Sender die AfD einlädt. Den Rechtspopulisten kommt das gerade recht. Ein Kommentar.

Gut, das ist die eine Möglichkeit, der Realität zu begegnen: Augen zu. Doch wenn es kommt, wie es sich andeutet, wird das nicht helfen. Die Alternative für Deutschland (AfD) hat nach aktuellen Umfragen beste Chancen, am 13. März in den Landtag von Baden-Württemberg einzuziehen. Sie wäre dann die fünfte Partei dort im Parlament, neben Grünen, SPD, CDU und FDP. Zwei davon wollen das noch nicht wahrhaben – und ducken sich ängstlich weg.

Kürzlich informierte der SWR die Landtags-Parteien über etwas, das den Grünen und der SPD offenbar gleich die Knie weich werden ließ: Der SWR wolle zur „Elefantenrunde“, die vor der Wahl im Fernsehen läuft, nicht nur die einladen, die schon im Landtag sitzen, sondern auch „Spitzenkandidaten der aussichtsreichen Parteien“, schrieb der Sender – demnach also auch Jörg Meuthen, den baden-württembergischen Spitzenkandidaten der AfD.

Denn wäre am Sonntag Wahl, würde laut der Umfragen bis zu acht Prozent der Menschen in Baden-Württemberg für die AfD stimmen. Damit wäre sie klar im Parlament. Demokratisch gewählt.

Aber das versuchen die Regierenden zu ignorieren. Kaum lag der Brief vom SWR auf den Tischen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und seinem Vize und Herausforderer Nils Schmid (SPD), kündigten sie an, einer Runde mit der AfD auf jeden Fall fernzubleiben. Mit „Rechtspopulisten“ setze man sich nicht an einen Tisch, ließen sie wissen. Und SPD-Spitzenkandidat Schmid sagte der „Badischen Zeitung“:

Die AfD ist die Partei der geistigen Brandstifter. Gemeinsame Podien würden die Hetze, die prominente Vertreter dieser Partei auf allen Kanälen verbreiten, relativieren.

Es würde Hetze relativieren?

Gerade ein öffentlicher Schlagabtausch böte die Möglichkeit, die Hetze, Unwahrheiten und Verdrehungen, die das rhetorische Fundament der AfD bilden, zu entblößen und diese Partei klug mit Fakten zu widerlegen – und zwar vor Fernsehpublikum. Das müsste man von Politikern erwarten können: Dass sie sich mit Gegnern auseinander setzen, gerade mit solchen am rechten Rand. Das Wesen der Demokratie ist nun mal der offene Diskurs. Doch die SPD empfiehlt ihren Kandidaten sogar, im Vorfeld der Wahl überhaupt nicht mit der AfD zu debattieren. Nirgends. Die Grünen halten das genauso. CDU und FDP haben da weniger Probleme.

Natürlich müssen Umfragen nicht zutreffen. Aber der Erfolg der AfD ist ja längst gesellschaftliche Realität: Die AfD sitzt bereits in Brandenburg (12,2 %), Bremen (5,5 %), Hamburg (6,1 %), Sachsen (9,7 %) und Thüringen (10,6 %) in den Landtagen. Und dieses und nächstes Jahr stehen in acht Ländern Wahlen an.

Auch für die Bundestagswahl 2017 wird die AfD hoch gehandelt, zwischen acht und 11,5 Prozent. Das ist natürlich noch lange hin, aber man kann ganz nüchtern festhalten: Die AfD lebt. Mit der Flüchtlingskrise hat sie ein (Dauer-)Thema. Und das alles nachdem die AfD vor ein paar Monaten schon für so gut wie tot erklärt wurde.

Sie wollten die AfD „nicht aufwerten“, indem sie sich mit ihr in einer Fernseh-Runde messen, haben Grüne und SPD verlauten lassen. Das klingt gut, ist aber in sich schon falsch gedacht. Aufgewertet wird die AfD, indem man versucht, sie zu verschweigen. Das macht sie interessant. Und es bestätigt jene, die sich ohnehin verfolgt und ausgeschlossen fühlen. Lädt der SWR die AfD nicht ein ins Fernsehen, werden sie rumschreien, dass man dies und das doch wohl mal sagen dürfe – aber offenbar ja doch nicht. Und dass die „Altparteien“ im „Staatsfunk“, diesem „links-versifften“, offensichtlich so viel Einfluss hätten, dass eine Partei wie die AfD einfach ausgeschlossen werde.

AfD-Kandidat Meuthen hat die Chance zum Konter bereits genutzt. Er wirft den Parteien vor, sich zu einem „Kartell“ zusammenzuschließen und „wenig demokratisch“ vorzugehen. „Wenn wir so übel wären, wie Grüne und SPD behaupten, müssten sie doch froh sein, wenn wir kommen, damit sie uns widerlegen können.“ Möglicherweise fällt das Kretschmann und Schmid irgendwann auch auf.

Im MDR-Sendegebiet wird ebenfalls im März gewählt, in Sachsen-Anhalt. Die AfD liegt dort, laut einer INSA-Umfrage, sogar bei 13,5 Prozent. Beim Talk der Spitzenkandidaten dürfen ihre Vertreter trotzdem nicht mitdiskutieren; das hat der MDR dummerweise bereits entschieden. Und der SWR will in den nächsten Tagen sagen, wie er nun verfährt. 2011 hatte der Sender noch die Linke in die „Elefantenrunde“ eingeladen, die damals auch nicht im Landtag saß. Regeln wären deshalb nicht schlecht: Lädt man nur Parteien ein, die schon im Landtag sind? Oder auch andere? Oder wie?

Und was wäre denn, wenn AfD-Kandidat Meuthen eingeladen würde? Würden Kretschmann und Schmid tatsächlich kneifen? Kaum denkbar. Das wäre eine peinliche Bankrotterklärung und gleichzeitig ein Geschenk an die AfD. Der SWR sollte es deshalb nicht dem MDR gleich tun und dem Druck der Regierungsparteien in Baden-Württemberg standhalten, die Sache notfalls sogar eskalieren. Das wäre eine eindrucksvolle Demonstration seiner Unabhängigkeit.

Nachtrag, 14.1.2015. Übrigens: Der SWR wolle, so war zu hören, noch die neueste Umfrage abwarten, bevor er entscheidet, ob die AfD eingeladen wird. Dadurch hat sich die Lage nun noch mal zugunsten der AfD entwickelt: Sie liegt jetzt laut Infratest bei zehn Prozent, hat also noch mal dazu gewonnen. Würde schwierig, nun eine Absage zu begründen.

Nachtrag 20.1.2015. Der SWR hat sich entschieden. Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz wird die AfD nicht in die „Elefantenrunden“ eingeladen – um nicht, wie der SWR auf twitter schreibt, „vor leeren Stühlen“ zu stehen. Auch in Rheinland-Pfalz hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), wie ihre regierenden Kollegen im Nachbarland, damit gedroht, einer Diskussionsrunde mit der AfD fernzubleiben. Diesem Druck hat sich der SWR nun gebeugt.

Mehr Übermedien zu diesem Thema: hier und hier.

9 Kommentare

  1. Hallo, das wurde ja mal Zeit, dass so etwas gestartet wie „übermedien“ wird. Ich promote eine große Tageszeitung und höre laufend die Kritik der Leser, die vermuten, dass eine gewisse Lobby dafür sorge, dass der Bürger nicht korrekt informiert, Dinge nicht beim Namen genannt werden, um eine gewisse Politik durchsetzen zu können.
    Allein, was ich bisher hier gelesen habe bestätigt das. Übrigens bin ich im Gegensatz zu Ihnen der Meinung, dass es richtig war zu benennen wer da in Köln und anderen Großstädten den via Handy abgesprochen Mob gebildet hat, der Frauen auf absolut unwürdige Weise für unser Land erniedrigt hat, bisher war das eben nicht der Fall – es sei denn es handele sich um Menschen die von Politik und Medien hierzulande als „rechts“ bezeichnet werden(was hier „rechts“ ist ist in anderen EU Ländern noch lange nicht rechts und vor allem wird dort, nichgt wie hier von Einzelmitgliedern auf die ganze Organisation reflektiert).
    Vielen Dank für dieses, Ihr Unterfangen und viel Kraft dazu.

  2. Auf der einen Seite ein nachvollziehbarer Wunsch, auf der anderen Seite aber viel zu optimistisch gedacht. Das Problem ist, dass man in solchen Diskussionsrunden gegen die AfD nicht gewinnen kann. Denen reicht es nämlich, einen giftigen Satz mit einer Halbwahrheit fallen zu lassen und schon fühlt sich eine wachsende Fraktion vor dem Fernseher, die auch nicht sonderlich an Tiefgründigkeit interessiert ist, in ihren Vorurteilen bestätigt – da gibt es nun endlich einen Politiker, der das sagt, was man schon immer wusste. Um das auszuräumen, muss man dagegen meist ein Stück ausholen. Denn wenn man das nicht gründlich macht und wasserdicht argumentiert, dann wird das sofort als Beleg gesehen, dass man angeblich „die Wahrheit“ frisiert und Fakten unterschlägt – dieser Nachschuss ist dann schon sicher und man steht noch schlechter da, als wenn man es gar nicht erst versucht hätte.

    Man führt dort also eine sehr asymmetrische Diskussion. Eine mal eben in die Welt gesetzte Dummheit muss die Gegenseite mit viel Mühe wegräumen, weil alles, was nicht abgeräumt wird, direkt als unumstößlicher Fakt gilt. In dem steifen Korsett dieser Sendungen, in denen dann mindestens 5 Kandidaten zu Wort kommen wollen und auch keiner zu kurz, ist das zum Scheitern verurteilt, insbesondere wenn man nicht nur Abwehrschlachten führen will, sondern auch noch ein paar Worte zum eigenen Progamm sagen.

    PS: Andererseits ist das vielleicht alles auch gar nicht so wichtig. Es gibt nämlich nichts Langweiligeres als diese Elefantenrunden. Man kann, wenn man es klug anlegt, vielleicht eine Sendung mit zwei Politikern kontrovers, tiefgründig und erkenntnisreich gestalten. Eine Sendung mit vier oder fünf Politikern ist dagegen immer zum Scheitern verurteilt, weil man sich dort gegenseitig so zuverlässig ins Wort fällt bzw. irgendwer, weil er auch mal etwas sagen will, mit völlig sachfremden Dingen daherkommt, dass man über oberflächliches Geplänkel gar nicht hinauskommen kann.

  3. Grundsätzlich teile ich die Meinung des Autors. Aber ein Detail stört mich dann doch in der Argumentation:
    Ich habe noch nie eine Elefantenrunde im deutschen Fernsehn gesehen, in der es zu einem wirklichen Diskurs der Beteiligten gekommen wäre. Der Ablauf ist eher der, dass ein Moderator den Kandidaten nacheinander auf der Hand liegende Fragen stellt, die von den „Elefanten“ausweichend mit Platitüden beantwortet werden. Außerdem danken alle ihren Wählern und sehen sich in ihrer Politik bestätigt. Wo soll da Raum für ein Widerlegen sein?
    Außerdem:
    Es geht um die Elefantenrunde – bedeutet dass, alle anderen Runden sind nicht von der Drohung des Boykotts betroffen? Dann würden sich ja Grüne und SPD doch an einen Tisch mit der AfD setzen…

  4. Ich will hier Hasstiraden auf Flüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, kriminelle Ausländer und kriminelle Scheinasylanten lesen. Ich will aber gleichzeitig auch gute Geschichten über die gelungene Intergration von Flüchtlingen lesen, die schnellsten die deutsche Sprache erlernten. Deren Weltbild sich erst mal ein wenig in Richtung Europa verändert. Die in offenen Gesprächen ihre Sichtweise auf unser europäisches Lebensbild erzählen. Eine offene Auseinandersetzung ob zwischen NPD, CDU, CSU, AfD, usw. , jeder sollte dann zu Worte kommen und seine Argumente darlegen dürfen. Wenn wie bei Welt, Zeit Online. Frankfurter Rundschau und und und Kommentare genauso selbstherrlich zensiert, gestrichen, gesperrt und Accounts gelöscht werden, dann werde ich nicht nur nicht abonieren, sondern keinen Klick an Niggemeier und Co. verschwenden. Gewöhnt Euch ,Ihr Journalisten mal wieder an Scheiße Scheiße zu nennen und nicht katzbuckelnd zu verniedlichen. Ich will kein Hetzblatt, aber es muss alles gesagt und geschrieben werden dürfen. Dafür hat der Mensch eine Stimme und die Hände zum Schreiben. Nabend.

  5. Schade, da dachte ich, Sie sind für eine objektive Darstellung angetreten. Dabei wollen Sie taz und Co. sogar noch überholen. Unsäglich, Ihre Hetze gegen die AfD. Deren Programm hat niemand kaum jemand gelesen, dennoch wird reflexartig dagegen gewettert.

  6. Beschweigen, ausgrenzen, mobben: Das ist ein unterirdischer Leistungebeweis einer demokratischen Kultur. Betraf dieses kindische Trotzverhalten vor ein paar Jahrzehnten nur Kommunisten, später dann Neonazis, so ist nun schon so weit, dass ehemalige CDU Funktionäre (aus denen die AFD nun mal hauptsächlich besteht) und bald dann wohl jede kritische Haltung ausgegrenzt werden, statt Argumente zu diskutieren. Will man nicht nur mit Putin nicht mehr reden, sondern auch nicht mehr mit Polen und ab 2017 mit keinem Franzosen mehr?

  7. Ich finde den Einwand von Markus (Kommentar #2) sehr berechtigt und wichtig. Mal abgesehen davon, dass Elefantenrunden, wie jede andere Form der Wahlberichterstattung im TV stets null Erkenntnisgewinn bringen, werden sie von vielen Menschen geschaut, haben also Bedeutung. Spätestens die – da gebe ich Stefan Niggemeier Recht – aufgrund der Umfragen und Wahlergebnisse demokratisch leider notwendig gewordene Einladung von AfD-Politiker/innen müsste daher bei den Sender endlich zur Umgestaltung dieser Sendungen bewegen, denn so wie sie momentan aufgebaut sind, befördern sie tatsächlich das schmutzige Geschäft dieser Partei mit der Hetze. Da werden die öffentlich-rechtlichen Sender ihrer Verantwortung nicht gerecht.
    Sobald AfD-Politiker/innen dabei sind, wird eine neue Vorbereitung erforderlich: senderseits müssen Faktenchecks zu den erwartbaren Hetzparolen und Halbwahrheitenparat stehen, die von den Moderatoren bei Bedarf eingestreut werden können. Das Widerlegen dieser Parolen muss vorderste Priorität vor allem anderen haben, die bislang gerne praktizierte gleichmäßige Redezeit für alle Parteien und das Durchpeitschen möglichst vieler Themen in kurzer Zeit kann dann schlicht nicht mehr durchgehalten werden und muss zurückstehen. Eine Überziehung der Sendezeit muss möglich sein, wenn es noch Dinge zu entkräften gilt. Diese oder andere geeignete Forderungen (die übrigens genau so gelten, wenn CSU-Politiker/innen dabei sind) sollten die Politiker/innen von SPD und Grünen als Bedingung für ihre Teilnahme an Elefantenrunden stellen – kommen die Sender dem nicht nach, halte ich es aber für richtig, wenn sie absagen.

  8. Hoffnung! Auf der Suche nach unabhängiger nicht filtrierter Berichterstattung bin ich auf dieses Medium gestoßen nachdem ich von anderen – seit Jahren gelesenen – sehr enttäuscht bzw. aufgebracht bin. Meinem Wunsch nach Meinungsbildung kann nicht entsprochen werden wenn selektierte Informationen veröffentlicht werden bzw. Informationen zurückgehalten werden.

    Zur AfD: Demokratie wird zurzeit missverstanden. Wenn sich Parteien mit anderen nicht austauschen wollen wegen Missliebigkeiten ist das undemokratisch per se. Dies gilt ebenso für die Europapolitik. Auch hier scheint es Entwicklungen zu geben dass solange zu diskutieren sei bis die eigene Meinung durchgesetzt wird und nicht im Konsens mit dem Willen anderer unabhängiger europäischer Staaten.

    Die AfD ist eine relativ junge Partei deren Problem es ist dass die braune Suppe sich ihr angeschlossen hat. Soll die doch eine eigene Partei bilden und in Zukunft locker unter der 5 Prozent Marke bleiben! Bei geschickterem politischen Agitieren mit klaren Anti-Rechts-Aussagen hätte sie vermutlich noch weit mehr Wähler als ohnehin. Ich bin es einfach leid dass solche Gesinnungen von Wenigen noch immer dafür sorgen dass noch 70 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg parteiübergreifend politische Entscheidungen getroffen werden gegen ureigene nationale Interessen. Im Augenblick scheint mir tatsächlich die AfD die einzige Partei zu sein – im Sinne meines Protestes – die bei den Landtagswahlen eine Option ist. Oder kann mir jemand bei der jetzigen politischen Lage etwas Vernünftigeres raten?

    Im übrigen fühle ich mich als Frau und Mutter einer Tochter nicht mehr sicher. Was und wo neben Köln noch geschah brauche ich den Informierten nicht näher zu bringen. Bis jetzt komme ich zu einem einfachen Schluss: Mir ist meine persönliche Sicherheit wichtiger als jedwede Diskussion um nationale und internationale Begebenheiten. Solange ich den Eindruck habe Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen in der Öffentlichkeit und Einbruchsschutzmaßnahmen in der Privatsphäre treffen zu müssen sehe ich keinerlei Ansatzpunkt die Parteien zu wählen die für solche Zustände verantwortlich sind.

  9. 1. Man nehme den Artikel.
    2. Ersetze „AFD“ durch „Grüne“. “
    3. Ersetze „Flüchtlinge“ durch „Waldsterben“

    Ergebnis: Heiner Geissler schwadroniert über die Grünen vor 30 Jahren.

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