Erschossener Tankstellen-Mitarbeiter

Es war Mord – und kein „tödlicher Maskenstreit“

Das Landgericht Bad Kreuznach hat einen 50 Jahre alten Mann aus Rheinland-Pfalz wegen Mordes verurteilt. Vor rund einem Jahr hatte er einem jungen Kassierer in einer Tankstelle in Idar-Oberstein in den Kopf geschossen.

Warum tut jemand so etwas? Das Gericht nennt die rechtsradikale Einstellung des Täters ebenso wie dessen Feindschaft gegen den Staat als Hauptmotiv der Tat. An dem Tankstellen-Mitarbeiter, der zuvor auf die Einhaltung der Maskenpflicht bestanden habe, habe der (noch nicht rechtskräftig verurteilte) Täter „ein Exempel statuieren“ wollen.

In einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) heißt es:

Den Kassierer habe er als Repräsentanten für den Staat und die in seiner Sicht völlig verfehlte Corona-Politik gesehen.

Die Meldung überschreibt dpa aber nicht etwa mit „Lebenslange Haft wegen Mordes in Tankstelle“ oder „Lebenslange Haft für Rechtsradikalen nach Mord an Tankstellen-Kassierer“, sondern mit:

„Lebenslange Haft wegen Mordes nach Maskenstreit“.

Und in einem Hinweis auf ihr Audio-Programm schreibt dpa unter der gleichen Überschrift auch noch
von einem „tödlichen Maskenstreit“.

Die Formulierung vom „tödlichen Maskenstreit“ übernahmen unter anderem „ZEIT Online“, „Euronews“ und die „Salzburger Nachrichten“ („Lebenslang nach tödlichem Maskenstreit in Deutschland“).

Schlagzeilen zum Mord "nach Maskenstreit"
Screenshots: „Euronews“, „Tagesschau“, ntv, „Spiegel“

Vom „Mord nach Maskenstreit“ oder einem „tödlichen Schuss nach Maskenstreit“ berichten unter anderem die Online-Redaktionen von „Spiegel“, ZDF und ntv. „Bild“ (ohne Verweis auf dpa) titelt:

„Mord nach Maskenstreit – Lebenslang für Tankstellen-Killer“.

Und auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hatte zunächst den „tödlichen Maskenstreit“ in der Dachzeile eines Artikels.

Nochmal zur Einordnung: Ein nebenbei an einer Tankstelle arbeitender Abiturient weist einen rechtsradikalen Corona-Maßnahmengegner auf die Pflicht zum Tragen einer Maske hin, als dieser Bier kaufen wollte. Der fährt dann nach Hause, holt einen Revolver, für den er keinen Waffenschein hat, fährt wieder zur Tankstelle und erschießt den jungen Mann.

Ist „Maskenstreit“ da die richtige Formulierung? Oder eher die ganz falsche, weil sie die Umstände der Tat verzerrt und die Schuld des Täters relativiert? Unter anderem auf Twitter wird darüber seit Stunden diskutiert.

In den Redaktionen scheint über die Formulierung niemand nachgedacht zu haben, auch nicht bei der „Tagesschau“. Die hat es auch noch hinbekommen, in der Online-Dachzeile „Toter Tankstellen-Mitarbeiter“ zu schreiben statt „Ermordeter Tankstellen-Mitarbeiter“. Und auf die zahlreichen Hinweise finden sich auch sieben Stunden nach Veröffentlichung keine Reaktionen der „Tagesschau“.

Im Gegenteil: Um 15:38 Uhr verbreitete die „Tagesschau“ einen weiteren Artikel zum Thema – und wählt wieder die Formulierung.

dpa ändert Überschrift

Immerhin dpa hat inzwischen, nach unserer Anfrage dazu, die Überschrift geändert. Froben Homburger, Nachrichtenchef der dpa, schreibt:

Unterschieden werden muss bei diesem wie bei jedem Verbrechen natürlich zwischen dem Hauptmotiv der Tat und ihrem Auslöser. Hauptmotiv war – gerichtlich festgestellt – die rechtsradikale Gesinnung und die Feindschaft gegen den Staat. Auslöser war aber zweifellos der Streit um das Tragen der Maske. Ohne die Weigerung des Täters, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu dieser Tat an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt gekommen.

Aufgabe von Überschrift und Leadsatz einer Agenturmeldung zu einem bereits bekannten Ereignis ist es auch, für die Leserinnen und Lesern sofort erkenn- und verstehbar zu machen, auf welches bereits bekannte Ereignis die Meldung sich bezieht. In diesem Fall sind die Merkmale zum sofortigen Wiedererkennen des Tötungsdelikts der Streit um die Maskenpflicht und der Tatort Tankstelle.

Richtig ist aber: Ohne jede Kenntnis der Tat kann die Formulierung „Lebenslange Haft wegen Mordes nach Maskenstreit“ missverstanden werden, weil sie Täterschaft und Schuldfrage offen lässt und nur den Auslöser der Tat (und das recht neutral als „Streit“) benennt, nicht aber das Motiv.

Daher haben wir in einer Wiederholung der ersten Zusammenfassung und in einer zweiten Zusammenfassung die Überschrift präziser formuliert: „Lebenslange Haft wegen Mordes für rechtsradikalen Maskenverweigerer“. Und der Leadsatz der Haupt-Zusammenfassung lässt sicher auch keine Missverständnisse aufkommen: „Es war die mörderische Tat eines Rechtsradikalen: Das Landgericht Bad Kreuznach hat einen Maskenverweigerer für den tödlichen Schuss auf einen Tankstellen-Mitarbeiter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.“

 

1 Kommentare

  1. Wie lange kann so eine Überschrift eigentlich sinnvollerweise werden?
    „Mord nach Maskenstreit“ ist kurz, aber natürlich uneindeutig, weil nicht klar ist, welche Streitpartei welche ermordet hat, aber bei „Rechtsradikaler Maskenverweigerer wegen Mordes verurteilt“ würde man nicht direkt die Verbindung zum bekannten Tankstellenfall ziehen.
    Soll heißen, ich verstehe das Problem, aber der Zwiespalt zwischen möglichts präziser Überschrift und maximale Länge einer Überschrift, bei der die Leserschaft nicht direkt gelangweilt das Lesen einstellt, ist doch bestimmt öfter ein Problem?

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.