Im Licht der Vorwürfe gegen die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger prüft der NDR eine Produktion aus dem Jahr 2016. Das berichtet der rbb. Es geht um ein Doku-Drama, für das Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl (zusammen mit Jörg Brückner) das Drehbuch geschrieben hat.
Schlesinger war damals, als der Film beauftragt und gedreht wurde, „Bereichsleiterin Kultur und Dokumentation“ im NDR, also in verantwortlicher Position. Produziert wurde der Film von NDR und BR, in Zusammenarbeit mit Sandra Maischbergers Produktionsfirma Vincent Television.
Die Idee für den Film „Der gute Göring“ über den Bruder des Nationalsozialisten und Oberbefehlshabers der Luftwaffe Hermann Göring geht offenbar auf Spörl zurück. Albert Göring rettete damals Juden und Nicht-Juden vor dem Nazi-Regime. In seinem Blog schreibt der frühere „Spiegel“-Journalist Spörl anlässlich der Ausstrahlung des Films im Jahr 2016:
„Ich bin vor drei Jahren über diesen Stoff gestolpert. Ein junger Australier hatte ein Büchlein geschrieben und darin begeistert vom guten Göring erzählt.“
Er, Spörl, habe daraufhin „alles gelesen“, was es über Albert Göring in Archiven gebe. Daraus sei ein Artikel im „Spiegel“ entstanden, der 2013 erschien, und „in dem ich meine Verwunderung äußerte, dass deutsche Historiker nichts über Albert Göring wissen und auch nichts wissen wollen“.
Der Deutschlandfunk berichtete 2016, Spörl kämpfe „seit Jahren darum, die Rettungsaktionen von Albert Göring bekannt zu machen“. Spörl selbst sagt in dem Bericht, es ärgere ihn, „dass eine Figur, die Bedeutsames geleistet hat, so in Vergessenheit geraten ist“.
Die Arbeit an dem Film-Projekt sei ein „großes Vergnügen“ gewesen, schreibt Spörl in seinem Blog. Offenbar erfüllte er sich damit einen publizistischen Traum – und fand bei NDR und BR die richtigen Partner. Was aus heutiger Sicht zumindest Fragen aufwirft, wie es zu der Partnerschaft gekommen ist.
Auch wir hatten deshalb am Donnerstag den NDR dazu gefragt.
Eine NDR-Sprecherin antwortet:
„Im NDR war die Verbindung zwischen Gerhard Spörl und Patricia Schlesinger bekannt. Allen Verantwortlichen im NDR war der mögliche Interessenskonflikt bewusst.“
Die Beauftragung der Produktion sei daher „mit Genehmigung der Fernsehdirektion“ erfolgt. Diese habe das Projekt damals außerdem in die Verantwortung des „Programmbereichs NDR Fernsehen und Koordination“ übergeben, „um einen eventuellen Interessenkonflikt zu vermeiden“. Inhaltlich aber blieben laut NDR die Redakteure aus Schlesingers Programmbereich zuständig. Als verantwortlicher Redakteur ist im Abspann des Films Marc Brasse genannt, der vor seiner Zeit beim NDR für „Spiegel TV“ arbeitete.
Weiter schreibt der NDR:
„Wirtschaftliche Entscheidungen wurden gemäß des im NDR vorgesehenen Vier-Augen-Prinzips gemeinsam mit der NDR-Produktionsdirektion getroffen.“
Trotz dieser „damals getroffenen Vorkehrungen zur Vermeidung eines Interessenskonfliktes“ habe der NDR nun „die Vorkommnisse beim rbb zum Anlass genommen, die internen Vorgänge zum Doku-Drama ‚Der gute Göring‘ auf die Einhaltung der Dienstvorschriften zu prüfen“.
Auch die unabhängig arbeitende Anti-Korruptionsbeauftragte des NDR prüfe den Vorgang, nachdem sie von außerhalb des NDR eine Anfrage zu „Der gute Göring“ erhalten habe. Sie sei auch Leiterin der Revision des NDR und arbeite vom NDR weisungsunabhängig. „Sie ist Ansprechpartnerin für NDR Mitarbeitende sowie für Bürger, Vertragspartner und sonstige Dritte bei Korruptionsverdacht im NDR.“
Nachtrag, 6.9.2022. Der NDR teilt mit, dass die interne Sonderprüfung zur Produktion „Der gute Göring“ zu dem Ergebnis gekommen sei, „dass die beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus Produktion und Redaktion angemessen gehandelt und gearbeitet haben“. Auch die extern angerufene Anti-Korruptionsbeauftragte des NDR habe nach eingehender Prüfung „kein vorwerfbares Verhalten“ erkannt.
Wir dokumentieren die Mitteilung des Senders hier im Wortlaut:
Die Vorkommnisse beim RBB hatten den NDR zu einer erneuten Prüfung der Produktion „Der gute Göring“ aus dem Jahr 2015 veranlasst. Diese Prüfung erfolgte unter der Leitung des NDR Justitiars. Hintergrund der Prüfung ist die Beteiligung des Ehemannes von Frau Schlesinger, Gerhard Spörl, als Co-Autor des Doku-Dramas und der damit einhergehende Vorwurf der Bevorzugung von Angehörigen bei der Vergabe von Aufträgen.
Den beteiligten Personen war von Anfang an bewusst, dass in der Verbindung von Frau Schlesinger als Hauptabteilungsleiterin und Herrn Spörl als Ko-Autor des Projektes im NDR geltende Compliance Regeln und -Bereiche berührt werden würden. In Kenntnis dieser Regeln und auch, um Interessenskonflikte von Beginn an zu vermeiden, wiesen die Beteiligten auf die persönliche Verbindung zwischen Herrn Spörl und Frau Schlesinger hin. Sowohl der Programmdirektor als auch der damalige Intendant waren darüber informiert und erteilten unter der Maßgabe der Einhaltung der Anti-Korruptionsregeln ihre Zustimmung zur Realisation, insbesondere in Kenntnis der großen Qualität des Stoffes.
Das Projekt wurde in der Folge zur Vermeidung von Interessenskonflikten aus dem Verantwortungsbereich von Patricia Schlesinger in einen anderen Programmbereich verlagert. Frau Schlesinger war notwendigerweise über die Produktionsschritte informiert und im Genehmigungsweg eingebunden, sie führte aber weder Verhandlungen, noch konnte sie inhaltliche oder finanzielle Entscheidungen treffen.
Gerhard Spörl verfügte aufgrund seiner Recherchen zu dem Thema als Ko-Autor des Projektes über die für das Projekt nicht zu ersetzende Expertise. Seine vertraglich mit der Firma Vincent TV vereinbarte Leistung als Drehbuchautor hat er voll erbracht und wurde von der Produktionsfirma honoriert. Das Honorar war branchenüblich und angemessen.
Die interne Prüfung kommt zu dem Schluss: Redaktion und Produktion haben hier sachlich angemessen gehandelt und gearbeitet. Die einschlägigen Compliance-Regeln des NDR wurden eingehalten. Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten haben sich im Rahmen der Prüfung nicht ergeben.
Aufgrund einer externen Anrufung hat zusätzlich die Antikorruptionsbeauftragte des NDR den Fall gesondert geprüft. Auch sie konnte kein Verhalten zum Nachteil des NDR erkennen.
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
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