Presserats-Rüge

Die Funke-Mediengruppe und der „offene Diskurs“ über Presseethik

Okay, so richtig gut war die Beziehung zwischen uns und der Pressestelle der Funke-Mediengruppe noch nie. Aber manchmal hat der Herr Korenke nach ein bisschen Nachhaken dann doch noch auf Fragen geantwortet, und sei es nur, dass er um Verständnis dafür bat, sie nicht zu beantworten.

Inzwischen werde zumindest ich persönlich von ihm und seinen Leuten aber hart geghostet. Im Januar hatte ich mich bei der Pressestelle mal nach den „klaren Richtlinien“ erkundigt, die den Regenbogenblättern des Hauses helfen sollen, beim kreativen Nachrichtenerfinden wenigstens keine „echten Falschmeldungen“ zu produzieren. Die Verlegerin Julia Becker hatte davon in einem Interview gesprochen. Trotz vielfacher Nachfragen per E-Mail und Telefon habe ich darauf bis heute nicht einmal die Antwort bekommen, keine Antwort zu bekommen.

Seit kurzem kommuniziert Funke auch nicht mehr über den Umweg des Presserates mit uns. Normalerweise ist dessen Verfahren so, dass das Medium, um dessen Berichterstattung es geht, die Gelegenheit zur Stellungnahme bekommt. Die Funke-Mediengruppe hat darauf neulich schon demonstrativ verzichtet, als wir in einer Beschwerde darauf hinwiesen, dass die Weissagung einer Hellseherin womöglich nicht ganz dasselbe ist wie eine bestätigte Tatsache. Man habe den Eindruck, teilten die Verlagsjuristen dem Presserat mit, dass wir gar kein echtes Interesse an der Wahrung des journalistischen Standards hätten, sondern nur Klicks generieren wollten.

Na gut.

Generierung von Traffic

Das scheint aber nicht nur die Regenbogenpresse zu betreffen. In einem anderen Fall, in dem es um Schleichwerbung in der Fernsehzeitschrift „Hörzu“ ging, teilte die Rechtsabteilung der Funke TV Guide GmbH dem Presserat mit, man habe beschlossen, künftig zu unseren Beschwerden nicht mehr Stellung zu nehmen. Der Presserat gibt das Statement des Verlages so wieder:

Man stehe weiterhin selbstverständlich hinter der eingegangenen Verpflichtung und voller Überzeugung zu den Leitsätzen des Pressekodex. Daher werde man auch die Entscheidung des Presserats – auch im Hinblick auf die Beschwerden des Beschwerdeführers – weiterhin veröffentlichen, sofern erforderlich, sowie die vom Presserat gefundenen Ergebnisse ernst nehmen und beachten.

Leider sei aber der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer seine Presseratsbeschwerden nicht etwa aus einem echten Interesse an der Wahrung des journalistischen Standards oder einem offenen Diskurs erhoben habe, sondern diese zunehmend genutzt worden seien, um sein eigenes kommerzielles Angebot zu fördern. So fanden sowohl ihre Stellungnahmen als auch die Entscheidungen des Presserats wiederholt Eingang in seiner Berichterstattung und seien dort offensichtlich zur Generierung von Traffic genutzt worden.

Kommerzielles Angebot

Das ist auf mehreren Ebenen lustig. Zunächst einmal deutet nichts darauf hin, dass man bei Funke die Urteile des Presserates ernst nimmt oder gar beachtet. Dagegen spricht nicht nur die unveränderte Lügen-Praxis bei den Regenbogenblättern, sondern auch die Tatsache, dass etwa die „Hörzu“ wieder und wieder und wieder für Schleichwerbung in ihrem Gesundheitsteil gerügt wird. Als die Pressestelle uns einmal dazu Fragen beantwortete, sagte sie, sie sehe keinen Anlass, aus den Rügen Konsequenzen zu ziehen.

Lustig ist auch, dass Funke irgendwie für einen „offenen Diskurs“ über die Entscheidungen des Presserats ist, unsere Beschwerden und Berichte aber als Missbrauch verurteilt. Nichts verhindert einen offenen Diskurs über Entscheidungen des Presserates bekanntlich so sehr wie das Veröffentlichen und Diskutieren von Entscheidungen des Presserates!

Und dann der Hinweis, wir seien ein „kommerzielles Angebot“, als sei das in diesem Zusammenhang irgendwie anrüchig. Mit Lügen und Schleichwerbung Geld zu verdienen, ist bei Funke völlig okay, aber mit der Berichterstattung über Lügen und Schleichwerbung? Ganz ungehörig!

Wie weiland Springer gegen BILDblog

Nun ist diese Argumentation von Funke weder neu noch originell: Axel Springer hat dasselbe vor knapp fünfzehn Jahren schon mal versucht, als sie bei „Bild“ genervt waren von den Beschwerden des BILDblog beim Presserat. Bei denen gehe es „offenkundig nicht darum, Missstände aufzuzeigen, sondern darum, beim Presserat Vorgänge zu erzeugen“ und diese für „gewerbliche Tätigkeit einzusetzen“, hatte der Verlag damals argumentiert und den Presserat aufgefordert, Beschwerden von BILDblog nicht mehr zu behandeln. Die BILDblog-Betreiber (einer davon war ich) wollten sich nur „auf einfachem Wege Material für ihre gewerbliche Tätigkeit verschaffen“. Ein Verlagssprecher verglich uns damals mit einem „Abmahnverein“. Das Plenum des Presserates entschied aber, dass unsere konkreten Beschwerden nicht „missbräuchlich“ seien.

Einen solchen formalen Beschluss zur Funke-Kritik fasste der Beschwerdeausschuss des Presserates jetzt nicht  – er entschied einfach in der Sache, aber das überaus eindeutig. Beschwert hatten wir uns nämlich nur wegen eines Verstoßes gegen das Schleichwerbeverbot (Ziffer 7 des Pressekodex). Der Presserat erweiterte die Prüfung von sich aus (!) auf die Ziffer 1 des Pressekodex, in der es heißt:

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.
Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.

Er stellte einstimmig einen „schweren Verstoß“ gegen beide Ziffern fest.

So bleibt ihr HERZ gesund
Ausrisse: „Hörzu“

Es geht um die „Hörzu“-Titelgeschichte vom 1. Oktober 2021. Unter der Überschrift „So bleibt ihr Herz gesund“ versprach die Fernsehzeitschrift „die besten Tipps der Ernährungs-Docs“. Das Team von Ärzten aus dem NDR-Fernsehen hatte gerade ein Buch mit dem Titel „Starkes Herz“ veröffentlicht. Der Artikel beruht auf ihren Ratschlägen (weniger Alkohol und Rauchen, mehr Bewegung, Hülsenfrüchte, Kohl und Knollengemüse). Mittendrin wird empfohlen, in bestimmten Fällen auf Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke zurückzugreifen. Eines wird sogar namentlich genannt: Telcor Arginin plus. Für dieses Präparat wird in „Hörzu“ immer wieder geworben und schleichgeworben.

Diese Produkt-Empfehlung aber stammt, wie uns die „Ernährungs-Docs“ auf Nachfrage ausrichteten, nicht von ihnen; sie distanzierten sich ausdrücklich davon. Für die Leser des Artikels war nicht zu erkennen, dass hier zwischen Empfehlungen dieser Ärzte eine Empfehlung von irgendjemand anders geschmuggelt worden war.

Schwerer Verstoß gegen Wahrhaftigkeitsgebot

Der Presserat fand das inakzeptabel:

Die streitgegenständliche Nennung eines Arginin-Präparates erfolgt vorliegend eingebettet in Aussagen der zitierten Experten und somit in einer Weise, die die Leserschaft zwingend zu dem Eindruck gelangen lässt, die Experten hätten das Präparat empfohlen. Anhand der vorliegenden Aussagen des Buchverlages der Mediziner sowie der dokumentierten Anfrage des Beschwerdeführers beim Verlag wird jedoch deutlich, dass das Präparat weder im Buch der Ernährungsexperten genannt wird noch ein Zitat der Experten eine solche Produktempfehlung beinhaltet.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Produktempfehlung durch die Redaktion in den Artikel eingefügt wurde. Eine solche redaktionelle Informationsergänzung, die von der Leserschaft fälschlich einer genannten Quelle zugerechnet wird, ist ein schwerer Verstoß gegen das Wahrhaftigkeitsgebot aus Ziffer 1 Pressekodex und geeignet, das Ansehen der Presse schwer zu beschädigen.

Die Nennung des Präparates als solche überschreitet zudem deutlich die Grenze zur Schleichwerbung. Die streitgegenständliche Produktnennung erfolgt vorliegend, ohne dass hierfür ein hinreichendes anzunehmendes Leserinteresse im Sinne der Richtlinie 7.2 Pressekodex – zum Beispiel in Form eines relevanten Alleinstellungsmerkmals – erkennbar wird. Nach ständiger Spruchpraxis des Presserats – gerade auch zu Artikeln über freiverkäufliche medizinische Präparate – ist der mit einer solchen Hervorhebung verbundene werbliche Effekt strikt zu vermeiden.

Presseratsroutinen

Wir glauben übrigens ganz ernsthaft, mit unseren Beschwerden und der Berichterstattung einen Beitrag zur Wahrung der „journalistischen Standards“ zu leisten. Der Presserat hat keine ernsthaften Sanktionsmöglichkeiten; sein Einfluss als Gremium der Selbstkontrolle hängt nicht zuletzt davon ab, dass seine Entscheidungen öffentlich diskutiert werden. Doch stattdessen veröffentlichen die meisten Medien bestenfalls nur eine pflichtschuldige kurze Agenturmeldung zu den vierteljährlichen Entscheidungen; die Rügen werden in knappstmöglicher Form veröffentlicht, gerne in einer Form, die es dem Publikum unmöglich macht, sie zu verstehen.

Es gibt Ausnahmen: Anton Sahlender, der „Leseranwalt“ der „Main-Post“, diskutiert in seiner Kolumne immer wieder auch Entscheidungen des Presserates. Und mehrere Zeitungen veröffentlichen auch „Missbilligungen“ ihrer Berichterstattung, wozu sie – anders als bei schwerer wiegenden „Rügen“ – gar nicht verpflichtet wären. Dazu gehören „Westfälische Rundschau“, „Badische Zeitung“, „Neue Württembergische Zeitung“ und „Freie Presse“. Sie folgen damit einer Empfehlung des Presserates „im Sinne einer fairen Berichterstattung“; manchmal nutzen sie die Veröffentlichung auch, um ihren Widerspruch dazu öffentlich zu machen.

Der Beitrag der Funke-Mediengruppe zum „offenen Diskurs“ hingegen besteht jetzt darin, daran noch weniger teilzunehmen.

3 Kommentare

  1. Ich habe vor einiger Zeit mal gelesen, dass man aus Videospielen lernen könne, dass man auf dem richtigen Weg sei, wenn einem die Feinde entgegenkommen. Genauso sehe ich das auch hier: Ihr tretet den Richtigen auf die Füße – und offensichtlich beherrscht ihr den Kampf gegen den Big Boss! Macht weiter so – im Namen der Wahrhaftigkeit!

  2. Das bisschen Geld für eure Arbeit zahle ich so gern, wie sonst für kaum etwas. Ihr seid echt ein Schnäppchen.

  3. Was soll der Verlag zu so einer Beschwerde auch sagen?
    Allen Beteiligten ist klar, dass sie damit dem Ruf der Presse insgesamt schaden und im gleichen Atemzug ist es ihnen egal. Die Redakteur*innen sind auf die Jobs angewiesen und die Eigentümer wollen Gewinnmaximierung.
    Gleichzeitig ist das Vorgehen, wie im Artikel treffend erwähnt, vollkommen straffrei. Der Pressekodex ist genau das was unredliche Akteure wollen, eine freiwillige Selbstbindung die man nach belieben ignoriert.

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