Produktempfehlung

„Hörzu“ schiebt NDR-„Ernährungs-Docs“ Schleichwerbung unter

Gesundheit ist ein großes Thema für die Fernsehzeitschrift „Hörzu“, und wenn Fernsehärzte ein Buch mit Gesundheitstipps herausbringen, schreibt sich die Titelgeschichte fast von selbst.

So bleibt ihr HERZ gesund
Ausrisse: „Hörzu“

Anne Fleck, Silja Schäfer, Jörn Klasen und Matthias Riedl sind Internisten, die im NDR-Fernsehen als „Ernährungs-Docs“ Ratschläge geben. Im September ist ihr neues Buch mit dem Titel „Starkes Herz“ erschienen. Auf der Titelseite der „Hörzu“ präsentierten sie vor drei Wochen daher einen bunten Gemüseteller. Im Inneren füllte das Blatt dreieinhalb Seiten mit ihren Tipps für den „zuverlässigsten Muskel unseres Körpers“.

Sie warnen vor Alkohol, Rauchen und Bewegungsmangel, empfehlen Hülsenfrüchte, Kohl und Knollengemüse. Dann kommt der Artikel auf eine Aminosäure zu sprechen, die ein echter „Herzschützer“ sei: Arginin. „Ein hoher Argininspiegel verstärkt die Produktion von Stickoxid, was wichtig für durchlässige Gefäße ist“, zitiert „Hörzu“-Gesundheitsredakteurin Bettina Koch „die Ernährungs-Docs“, und fügt hinzu:

Nur in geringen Mengen stellt der Körper diesen Eiweißbaustein selbst her, speichert ihn allerdings nicht. Er muss also stets über argininhaltige Lebensmittel aufgenommen werden. Nüsse und Hülsenfrüchte, Fisch und auch Fleisch sind gute Quellen. Doch gerade bei Bluthochdruck, Arteriosklerose und Diabetes steigt der Bedarf stark an. Rezeptfreie Apothekenpräparate wie etwa Telcor Arginin plus können dann zur Ergänzung sinnvoll sein: Sie enthalten neben dem wertvollen Eiweißbaustein noch die Vitamine B6, B12 und Folsäure. Diese unterstützen die positiven Effekte von Arginin.

Interessant. Und dieses mit Marke benannte Produkt, das in einem Artikel auftaucht, der sonst fast ausschließlich auf Tipps der „Ernährungs-Docs“ beruht – ist das auch eine Empfehlung der „Ernährungs-Docs“? Oder der „Hörzu“-Redaktion? Oder womöglich des guten „Hörzu“-Werbepartners Quiris Healthcare, der Telcor Arginin herstellt?

Von den drei Möglichkeiten lässt sich die erste ausschließen. Auf Nachfrage von Übermedien lassen die vier „Ernährungs-Docs“ ausrichten, dass sie sich „ausdrücklich von der Produktempfehlung distanzieren“. Eine Sprecherin der Edel-Verlagsgruppe, in der das Buch erschienen ist, fügt hinzu, sie wisse nicht, wie der Zusatz in den Artikel gekommen sei.

Das ist, einerseits, erstaunlich. Und andererseits gar nicht, wenn man die Gesundheitsberichterstattung der „Hörzu“ kennt, die vor allem Vorwand und Vehikel zu sein scheint, für Produkte der Pharma-Industrie zu werben, insbesondere für Nahrungsergänzungsmittel wie Telcor Arginin.

Konkret dafür ist das Blatt gerade erst wieder vom Presserat gerügt worden. Es geht um nicht weniger als fünf Artikel innerhalb eines halben Jahres, in denen im (vermeintlich) redaktionellen Teil von „Hörzu“ direkt oder indirekt für Telcor Arginin plus geworben wurde (40/2020, 42/2020, 43/2020, 45/2020, 12/2021). Zum Beispiel zweimal ausdrücklich in der Schleichwerberubrik „Hallo Doktor“. Wir hatten uns darüber beim Presserat beschwert.

Die Rechtsabteilung der Funke TV Guide GmbH, die die „Hörzu“ herausgibt und zur Funke-Mediengruppe gehört, sagte gegenüber dem Presserat, dass bei „Hörzu“ Redaktion und Anzeigenabteilung strikt getrennt voneinander arbeiteten.

Die Markennennung bei „Hallo Doktor“ erklären die Juristen damit, dass die Aufmerksamkeitsspanne des Durchschnittslesers einer Programmzeitschrift überaus kurz sei und die beispielhafte Nennung eines Produktes einen schnellen, leicht zugänglichen Lösungsansatz aufzeige. Das entspreche seinem Informationsinteresse. Absprachen mit den Herstellern oder Gegenleistungen für die Nennung gebe es nicht.

Der Beschwerdeausschuss des Presserates widersprach einstimmig: Die „Hörzu“-Berichterstattung stelle einen „schweren Verstoß gegen die […] Pflicht zur klaren Trennung von Werbung und Redaktion“ dar.

„Hörzu“ hat für diese Art der Schleichwerbung in den vergangenen drei Jahren insgesamt schon sieben öffentliche Rügen kassiert. Das Blatt veröffentlicht sie brav in kleinen Buchstaben neben dem Impressum und hält an seiner Praxis fest.

Nachtrag, 16. Juni 2022. Der Presserat hat – nach einer Beschwerde von uns – nun auch für den „Ernährungs-Docs“-Fall eine öffentliche Rüge gegen „Hörzu“ ausgesprochen. Er sieht hier einen „schweren Verstoß gegen das Trennungsgebot von Werbung und Redaktion“: „Diese Irreführung der Leserschaft ist dazu geeignet, Glaubwürdigkeit und Ansehen der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex zu beschädigen.“

Nachtrag, 26. Juli 2022. Mehr zu der Entscheidung des Presserates und den Umgang des Verlages mit der Beschwerde hier.

Nachtrag, 20. September 2022. Die „Hörzu“ hat die Rüge veröffentlicht:

IN EIGENER SACHE: Der Beschwerdeausschuss 3 des Deutschen Presserates hat die Zeitschrift HÖRZU für einen redaktionellen Beitrag öffentlich gerügt. Der Ausschuss sah einen Verstoß gegen Ziffern 1 und 7 des Pressekodex als gegeben, die das „,Gebot zur Wahrhaftigkeit" und „zur strikten Trennung von Werbung und Redaktion" festschreiben. In einem Artikel zum Thema Herz-Gesundheit der Heftausgabe 40/21 sah der Presserat diese nicht eingehalten.

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