Kroatisches Magazin „Hrvatski Tjednik“

Ganz rechts im Zeitschriftenregal

In Deutschland an kroatische Zeitschriften zu kommen, ist nicht so leicht. Im Bahnhofsbuchhandel finden sich gerade mal ein paar kroatische Titel, sie teilen sich das Regalfach mit serbischen, russischen und polnischen Zeitschriften. Es sind Promi-Magazine darunter, Rätselheftchen, Politmagazine, alles durcheinander. Und mittendrin: ein dünnes Heft mit der Aufschrift „Hrvatski Tjednik“, das keinen Hehl daraus macht, wo es politisch steht.

Titel der kroatischen Zeitschrift "Hrvatski Tjednik"

Wer kein Kroatisch oder eine ähnliche Sprache spricht, wird wohl kaum erkennen, dass es sich um ein rechtsradikales Blatt handelt. Meistens wirkt es zunächst unauffällig. Anfang Juni aber reichte ein Blick: Da hatte „Hrvatski Tjednik“ (zu deutsch: „Kroatische Wochenzeitung“) ein Foto auf dem Cover, das die Abschlussklasse einer Mittelschule im ostkroatischen Slavonski Brod zeigt. Die Schüler sind alle einheitlich gekleidet: schwarze T-Shirts, auf dem Kopf schwarze Barette. Und die meisten heben lachend den ausgestreckten rechten Arm zum Gruß. Wohlwollend schreibt „Hrvatski Tjednik“ darüber: „Sie sind der beste Teil Kroatiens“.

Gegen deutsches Recht verstoßen?

Vom 3. bis 10. Juni lag diese Ausgabe an deutschen Kiosken aus, unter anderem in Filialen der an zahlreichen deutschen Bahnhöfen vertretenen Pressehandelskette Schmitt und Hahn. Import und Vertrieb des rechtsradikalen Blattes übernimmt in Deutschland der IPS Pressevertrieb mit Sitz in Köln. Das eine Unternehmen sorgt also dafür, dass die Zeitschrift in deutsche Kioske kommt, das andere verkauft sie dann. Beide tragen somit zur Verbreitung bei – und könnten damit nun gegen geltendes Recht verstoßen haben. Weil der Hitlergruß hierzulande – laut § 86a StGb (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) – verboten ist.

„Der Hitlergruß ist als Kennzeichen eindeutig erfasst“, sagt Julia Geneuss, die den Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Potsdam leitet. Das gelte auch dann, wenn etwa Dritte Fotografien verbreiten, auf denen dieser zu sehen ist. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel, wenn das Zeigen solcher Fotos der staatsbürgerlichen Aufklärung oder der Forschung dient, oder die Presse über Vorgänge des Zeitgeschehens berichtet.

Als regelmäßig erscheinendes Presseerzeugnis könnte sich auch „Hrvatski Tjednik“ auf diese Klausel berufen, theoretisch zumindest. Der Fall der Abschlussklasse in Slavonski Brod hat in Kroatien für Aufregung gesorgt. Fast alle Medien berichteten über die Schüler, die mit einer „Ustascha-Parole“ feierten. Bei ihrem Outfit hatten sie sich an einer rechtsradikalen Miliz aus dem Unabhängigkeitskrieg in den 1990er-Jahren orientiert. Diese wiederum lehnte sich sowohl im Erscheinungsbild als auch ideologisch an das mit Nazi-Deutschland verbündete Ustascha-Regime an und verwendete dessen offizielle Grußformel „Za dom spremni“, zu deutsch: „Für die Heimat bereit“.

Die Schüler wandelten diese Formel ab und proklamierten: „Für die Norijada bereit“; die Norijada ist die gemeinsame Parade und Feier aller Abschlussklassen eines Jahrgangs. Ein faschistischer Gruß als Vorlage? Angeblich war es als Scherz gedacht. Beim zweiten Foto auf der Titelseite der „Hrvatski Tjednik“ ist die Botschaft hingegen eindeutiger. Es zeigt eine Abschlussfeier in der Adria-Stadt Dubrovnik. Hier hatten die Schülerinnen und Schüler gleich die Original-Ustascha-Formel „Za dom spremi“ verwendet und bei ihrem Zug durch die Stadt Ustascha-Lieder gegrölt. Offenbar eher kein Scherz.

Gegen „LGBT-Diktatur“ und „linken Terror“

Hätte „Hrvatski Tjednik“ über diese in Kroatien breit rezipierten Ereignisse lediglich berichtet, wäre das Titelbild wohl rechtlich nicht zu beanstanden. Doch die Überschrift und der dazugehörige Artikel lassen wenig Zweifel daran, dass es die Zeitschrift begrüßt, dass die Ustascha-Grußformel verwendet wird. Zur Erklärung heißt es, „Za dom spremni“ sei „im heutigen Kontext“ ein Ausruf, der sich unter anderem gegen die „LGBT-Diktatur“ und „linken Terror“ richte. Das Ustascha-Regime zu verherrlichen und seine Verbrechen zu leugnen, ist quasi der Markenkern des Magazins. Regelmäßig wird dort der Massenmord der Ustascha an Serben, Roma und Juden geleugnet; auch ein großer Teil der Anzeigen im Heft bewirbt geschichtsrevisionistische Literatur, oft von Autoren, die auch für „Hrvatski Tjednik“ schreiben. Und das Ganze verkauft sich: Laut kroatischen Medienberichten lag die Auflage zuletzt bei rund 10.000 Exemplaren.

Auch jenseits der Ustascha-Verherrlichung kennt „Hrvatski Tjednik“ kaum Schmerzgrenzen. Papst Franziskus auf dem Titel als „Antichrist“ zu bezeichnen, gehört noch zu den harmloseren Entgleisungen. Erst Anfang 2022 verurteilte ein Gericht in Zadar den Chefredakteur Ivica Marijačić zu einer Bewährungsstrafe, weil er Ende 2019 Fotos eines seinerzeit minderjährigen Opfers einer Gruppenvergewaltigung veröffentlichte und das Mädchen auf bezichtigte, die Vergewaltigung erfunden zu haben. Und erst vor wenigen Wochen zeigte das Blatt auf dem Cover Bilder von verstümmelten Leichen kroatischer Polizisten, die von serbischen Freischärlern vor 30 Jahren ermordet wurden.

All das hält den Pressegroßhandel in Deutschland offenbar nicht davon ab, das Magazin zu vertreiben. Stattdessen beruft man sich auf die Pflicht, allen Magazinen einen Zugang zum Markt zu ermöglichen. Bei IPS in Köln heißt es auf Anfrage von Übermedien, man sehe sich als „Nationalvertrieb mit dem größten Portfolio“ der Neutralität und Pressefreiheit verpflichtet. Den Vertrieb des Hefts abzulehnen, komme nicht in Frage, solange nicht gegen geltendes Recht verstoßen werde.

Genau das könnte aber ja nun der Fall sein. „Problematisch ist, dass es sich hier nicht um den Hitlergruß handelt, sondern um den Ustascha-Gruß, also ein Kennzeichen einer ausländischen Organisation“, sagt Julia Geneuss. Ob dieser mit dem Hitlergruß gleichzusetzen ist, ist eine Frage, die noch kein Gericht in Deutschland beurteilt hat. In Österreich aber. Dort kam die Justiz 2018 in zwei Strafverfahren zu der Auffassung, dass der Ustascha-Gruß dem Hitlergruß gleichzustellen ist. „Diese Argumentation ließe sich in meiner Auffassung auch auf die deutschen Rechtslage übertragen, zumal sich für den unbedarften Betrachter in Deutschland kein Unterschied erkennen lassen dürfte“, erklärt Julia Geneuss.

Dem Magazin selbst droht dabei kein Ungemach. Denn zwar ist grundsätzlich auch die Produktion der inkriminierten Kennzeichen im Ausland strafbar – jedoch nur wenn der Täter deutsch ist oder seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Doch neben der Herstellung ist auch das Verbreiten im Inland eine Straftat. Hier kommen IPS sowie Schmitt und Hahn ins Spiel. Beide Unternehmen ließen jedoch weitere Anfragen zum Umgang mit dem möglichen Gesetzesverstoß unbeantwortet.

Ein Unternehmen im Ausland hat bereits Konsequenzen gezogen. Die Supermarktkette Interspa, die zum österreichischen Spar-Konzern gehört, verweigert in ihren Filialen in Kroatien seit Ende April den Verkauf von „Hrvatski Tjednik“. „Wir wollten einfach kein Medium mehr verkaufen, das nicht nur rechtsradikal ist, sondern das vor allem ganz bewusste Falschinformationen verbreitet“, sagt eine Sprecherin. Und die ebenfalls in Kroatien aktive deutsche Supermarktkette „Kaufland“ kündigte auf Anfrage nun an, den Verkauf von „Hrvatski Tjednik“ überprüfen zu wollen.

1 Kommentare

  1. Danke für den Artikel. Ich finde es wichtig, dass auch über Publikationen berichtet wird, die bei einem Großteil der Bevölkerung mangels Sprachkenntnissen wohl völlig unter dem Rader durchfliegen. Was bei derartigen Inhalten ein ordentliches Problem darstellt.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.