Der „Bild“-Zeitung ist ein Teil ihrer Berichterstattung über das angebliche Leben von Boris Becker in einem Londoner Gefängnis untersagt worden. Das Landgericht Hamburg hat auf Antrag von Becker zwei einstweilige Verfügungen erlassen, die rund ein Dutzend Formulierungen und vor allem eine Tatsachenbehauptung betreffen: Becker habe, ohne einen wirklichen Notfall, in seiner Gefängniszelle in Wandsworth mehrere Notrufe abgesetzt. Auch eine Illustration, in der sich ein „Bild“-Zeichner die Situation ausmalte, wurde dem Blatt verboten. „Bild“ muss die Kosten der beiden Verfahren tragen.
Wie Übermedien berichtete, hatte Beckers Anwalt Christian-Oliver Moser „Bild“ vorgeworfen, „zahlreiche unwahre Tatsachenbehauptungen” und „frei erfundene Informationen“ veröffentlicht zu haben, die Beckers Persönlichkeitsrecht massiv verletzten.
20 Artikel in nicht einmal vier Wochen: „Bild“ berichtet mit hoher Schlagzahl von der Haft des früheren Tennis-Spielers. Sein Anwalt sagt, vieles davon sei frei erfunden, und geht juristisch dagegen vor.
„Bild“ schrieb etwa:
„Es gab mehrere Notrufe, abgesetzt aus Beckers Zelle!“
Becker soll, so erzählte es „Bild“ am 13. Mai, „ohne wirklichen Notfall“ an einem Wochenende „immer wieder den Notschalter seiner Zelle gedrückt“ und darum gebeten haben, dass seine Tür nicht mehr geschlossen wird.
„Prozessual ist davon auszugehen, dass diese Äußerungen unwahr sind“, entschied das Gericht. Aus der einstweiligen Verfügung, die Übermedien vorliegt, ergibt sich, dass „Bild“ zur Untermauerung eine eidesstattliche Erklärung von Chefreporters John Puthenpurackal vorlegte. Beckers Anwalt legte seinerseits eine eidesstattliche Erklärung von Beckers Lebensgefährtin Lilian de Carvalho Monteiro vor. Beide Seiten wurden vom Gericht gleich glaubhaft eingestuft, weil beide Erklärungen „lediglich von Personen [stammen], die die Geschehnisse nicht unmittelbar erlebt haben, sondern denen davon berichtet wurde“.
Weil es sich bei den Berichten der „Bild“ aber „um ehrabträgliche Behauptungen“ handle, liege die sogenannte Glaubhaftmachungslast bei dem Blatt.
„Bild“ schrieb außerdem, Becker leide an Klaustrophobie, was das Gericht ebenfalls untersagte. Selbst wenn die Behauptung wahr sein sollte, greife die Veröffentlichung
„in unzulässiger Weise in die Privatsphäre des Antragsstellers ein. Beim Haftraum handelt es sich um den letzten verbleibenden Rückzugsraum des Antragstellers gegenüber der Öffentlichkeit. (…) Die gegebene Beeinträchtigung durch die Berichterstattung muss auch der Antragsteller als überragend bekannte Persönlichkeit im vorliegenden Fall nicht hinnehmen.“
Im zweiten Beschluss des Gerichtes ging es um „Bild“-Berichte am nächsten Tag, in denen Puthenpurackal „neuen Knast-Wirbel“ um den ehemaligen Tennisspieler versprach – und noch einmal die Geschichte mit dem Notschalter wiederholte.
Beide Artikel verwendeten eine Illustration, deren Bildunterschrift mit „So sieht der BILD-Zeichner die Szene“ beginnt. Auch die Verbreitung der Illustration untersagte das Gericht, weil es sich dabei „nicht um ein Bildnis der Zeitgeschichte“ handele. Auch wenn Becker „eine überragend bekannte Person“ sei, liefere die Illustration „keinen Informationswert für die Öffentlichkeit, da prozessual von ihrer Unwahrheit auszugehen ist“. Schließlich handle es sich bei der Darstellung schlicht um die „bildliche Umsetzung“ der in der Wortberichterstattung als unzulässig beschienenen Behauptungen.
Der Autor
Frederik von Castell ist Redaktionsleiter von Übermedien. Als Datenjournalist und Faktenchecker war er unter anderem für HR, SWR und dpa tätig. Von Castell ist außerdem Recherchetrainer, unter anderem am Journalistischen Seminar Mainz.
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Und täglich grüßt das Murmeltier. Hoffentlich waren die Anwälte teuer.
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