Falschmeldung

Medien können Tod von Mino Raiola nicht abwarten

Nachtrag: Zwei Tage nach Erscheinen dieses Artikels, am 30.04.2022, wurde über den Twitter-Account von Mino Raiola dessen Tod bekannt gegegeben.


Sie müssen Mino Raiola nicht kennen, um das, worum es hier geht, einordnen zu können. Es hilft aber vielleicht etwas: Raiola ist einer der prominentesten Spielerberater im internationalen Fußballzirkus. Der Italiener vertritt mit seiner Agentur eine Reihe von „Superstars“: Der schwedische Nationalspieler Zlatan Ibrahimović ist einer von ihnen, Erling Haaland von Borussia Dortmund ein anderer.

Raiola schillert, gilt als unangenehmer Verhandler, mitunter als exzentrisch und wahrscheinlich stimmt es, wenn man ihm eine ungeheure Macht im Milliardengeschäft Fußball nachsagt. Im Jahr 2019 schien Raiolas Aufstieg allerdings jäh beendet. Der italienische Fußballverband sperrte Raiola für drei Monate – im schnelllebigen Fußballgeschäft und für einen, der Transferpakete von mehreren hundert Millionen Euro für einen (!) Spieler wie Haaland verhandelt, eine Ewigkeit, eine Katastrophe. Aber Raiola konnte bei der Fifa die Aufhebung seiner Sperre erwirken. Er scheint, Achtung: nicht totzukriegen.

Heute konnte man kurzzeitig den Eindruck gewinnen, Raiola sei doch tatsächlich und ohne jede Metapher verstorben. In einer privaten WhatsApp-Gruppe, in der es um ein Fußball-Managerspiel geht, bekomme ich die Nachricht: „Raiola ist tot“.

Ein erster Blick auf Twitter und Google News zeigt: Etliche Medien vermelden genau das.

Screenshot: Google News

Ein zweiter Blick offenbart: Die Meldungen sind höchst zweifelhaft. Überall wird auf „internationale Medien“, wahlweise auch auf „diverse italienische Medien“ verwiesen. Eine schnelle Recherche zeigt, dass es sich dabei um Artikel handeln dürfte, die nicht viel mehr als ein „Raiola ist tot“ und den Verweis auf einen Tweet zu seiner Gesundheit im Januar beinhalten. Keine offizielle Bestätigung, nichts.

Zu diesem Zeitpunkt ärgere ich mich bereits, dass so viele Medien (und Journalisten auf Twitter) die Nachricht verbreiten, ohne eigene Quellen zu haben.

Daraufhin schicken mir Menschen ungefragt und ahnungslos den Link zu Raiolas deutschsprachigem Wikipedia-Artikel. Dort war Raiola kurzzeitig ebenfalls für tot erklärt worden. Allerdings mit der Quellenangabe „Mundo Deportivo“, eine spanischen Sportzeitung, die sie sich selbst auf „italienische Medien“ bezog – und bereits von einem Dementi der Agentur Raiolas sprach. Bei Wikipedia wurde Raiola entsprechend schnell wiederbelebt.

Doch dann kommt „Bild“ und titelt: „SCHOCK IN DER FUßBALLWELT. Haaland-Berater Raiola verstorben“. Jetzt scheint es allen klar zu sein: Raiola tot, aus, Ende. In der oben angesprochenen WhatsApp-Gruppe gibt es häufiger auch Diskussionen um die Sportberichterstattung und die Qualität einzelner Medien und die Leistung von Sport-Journalist:innen. Sätze wie „die BILD ist halt oft am besten informiert“ fordern mich regelmäßig heraus. Auch, weil das gerade in der Sportberichterstattung nicht immer von der Hand zu weisen ist.

Heute ist das definitiv anders, der Fehler ist gravierend. Nicht nur die Agentur Raiolas dementiert den Tod; auch vom Twitter-Account des Spielerberaters erfolgt ein Dementi:

(„Aktueller Gesundheitszustand für alle, die sich wundern: Ich bin angepisst, weil sie mich zum zweiten Mal innerhalb von 4 Monaten umgebracht haben. Scheinbar kann ich mich wiederbeleben.“)

„Bild“ muss den Artikel in mehreren Stufen berichtigen.

Screenshots: „Bild“

Genau das lässt „Bild“ aber dabei unter den Tisch fallen. Das Blatt tut inzwischen sogar so, als hätte es an der Verbreitung der Falschmeldung nie mitgemacht:

Mehrere italienische Medien hatten berichtet, dass Star-Berater Mino Raiola (54/u.a. BVB-Star Haaland) verstorben sei.

Diese Meldungen dementiert der Spielervermittler aber selbst! (…)

BILD sprach mit einem Klienten der Agentur, der ebenfalls bestätigte, dass Raiola noch leben würde: „Alles andere sind Fake News!“

Und auch auf „Google News“ ändern sich nach und nach die Schlagzeilen:

Screenshot: Google News

Während „Bild“ und zahlreiche Online-Medien auch großer deutscher Verlage sich beeilten, ohne jede Bestätigung oder belastbare Quellen einen bekannten Menschen für tot zu erklären, meldete die Nachrichtenagentur dpa noch nichts. Sie informierte stattdessen im Hintergrund ihre Kunden, dass sie die Informationen kenne, sich aber erst um eine Bestätigung bemühe.

5 Kommentare

  1. Ja, und keine Träne. Raiola fällt für mich in die Rubrik „Menschen, ohne die die Welt besser dran ist“.

  2. Da er ja nun offenbar wirklich gestorben ist, wäre es vielleicht ganz gut, einen kleinen Hinweis an den Anfang des Textes zu setzen? Man ist dann weniger verwirrt, wenn man zuvor den Nachruf auf Spon gelesen hat.

  3. Danke für den Hinweis, habe ich ergänzt. Viele Grüße! Frederik von Castell

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