Der Autor
Frederik von Castell ist Redaktionsleiter von Übermedien. Als Datenjournalist und Faktenchecker war er unter anderem für HR, SWR und dpa tätig. Von Castell ist außerdem Recherchetrainer, unter anderem am Journalistischen Seminar Mainz.
Die „Bild“-Zeitung weiß, was sie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält. Sie nannte ihn immer wieder einen „Mahner“, „Warner“ und „Maßnahmen-Forderer“. Lauterbach sei ein „Pandemie-Schwarzmaler“, einer von denen, die „mit der Angst Politik“ machen. „Bild“ machte ihn zum Mitglied im „Corona-Panik-Chor“, nannte ihn einen, der „Kindern ein schlechtes Gewissen“ einimpfe, betitelte ihn als „Angst-Minister“ und „Hin-und-Her-Minister“, sah in ihm den „Licht-Ausmacher am Ende des Tunnels“, einen „Prophet der Düsternis“, einen „Warner und Unglücksboten“ (mag ihn aber am Ende doch: Franz-Josef Wagner).
Ausgerechnet von diesem Lauterbach, was für eine Fallhöhe, soll nun „Bild“ zufolge die Aussage kommen, die „Intensivstationen“ wären „nie überlastet“ gewesen. So steht es seit gestern bei bild.de. Und heute mit einem großen, alarmierend gelben „NIE“ auf der Print-Titelseite:
Der Artikel ist nach der modernen Metrik von „Liken und Teilen“ ein voller Erfolg; der Redaktionstweet hat nach etwas mehr als einem Tag rund 1.100 Retweets und 2.500 „Gefällt mir“-Angaben eingesammelt. Und „Bild-Live-Chef“ Claus Strunz darf auch gleich noch was dazu sagen. Die Ableitungen aus der Überschrift – der Artikel steht hinter der „Bild-Plus“-Paywall – bei Facebook sind erwartbar und zahlreich. Sie sehen so aus …
Dann wurden die Menschen getäuscht und belogen von der Politik, denn auf diesem Argument sind alle Maßnahmen und Lockdowns angeordnet und gerechtfertigt worden.
… oder so …
Genau. Und jetzt wollen sie uns mit einem falschen Freedomday ruhig stellen!
3G bleibt teilweise, Masken bleiben!
Was ist das für eine Freiheit?
Uns wie wird es gerechtfertig?
Und vor allem will man sich eine Rückkehr zur Pandemie offen halten und Scholz will im Herbst eine allgemeine Impfpflicht einführen!
Das ist doch krank und nicht mehr zu fassen das alles!!!
Es ist ein absoluter Albtraum!!!
… oder auch so:
Die Bürger wurden und werden, vom Regime an dem Nasenring, durch die Manege gezogen.
Brennt gut, das Öl. So gut, dass auch RT (Russia Today) aufspringt und der „Bild“ nachplappert: „Lauterbach räumt ein: Intensivstationen waren nie überlastet“.
Nur: Das stimmt alles nicht. Weder hat Lauterbach das gesagt, noch hat Lauterbach das gesagt, noch stimmt das, was Lauterbach auch nie gesagt hat.
Eine astreine, völlig unverantwortliche Falschnachricht, @johannesboie.
Natürlich waren Intensivstationen überlastet. Deshalb wurden Patienten von der Bundeswehr durch Deutschland geflogen. Dass alle Kapazitäten überall gleichzeitig ausgeschöpft waren, hat nie jemand behauptet. https://t.co/0wzlJHTz8I
— Julius Betschka (@JuliusBetschka) February 17, 2022
Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Natürlich waren Intensivstationen überlastet.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte auch nichts Gegenteiliges behauptet. Und das wusste auch „Bild“, sogar exklusiv. In der Regierungsantwort des Bundesgesundheitsministerium auf eine „schriftliche Frage von Bundestags-Vize Wolfgang Kubicki (69, FDP), die BILD exklusiv vorliegt“, heißt es:
Eine deutschlandweite, regional gleichzeitige Überlastung aller verfügbaren ITS-Kapazitäten, die eine systemische Unterversorgung von intensivpflichtigen COVID-19-Fällen oder deren strategische Verlegung ins Ausland bedeutet hätte, trat nicht ein.
„Deutschlandweit“! „Regional gleichzeitig“! „Aller verfügbaren ITS-Kapazitäten“! Für die Bild-Headline zu viel.
Die Adjektive, die die Aussage völlig verändern, haben es irgendwie nicht in die Überschrift geschafft…
(Foto links: @mo_ment1979) pic.twitter.com/HNH5ncwrbN— Malte Kreutzfeldt (@MKreutzfeldt) February 17, 2022
Was sagt das Bundesgesundheitsministerium zu der Schlagzeile, die „Bild“ aus diesem Satz gemacht hat? Auf Anfrage von Übermedien betont es, „grundsätzlich keine Medienberichterstattung [zu] kommentieren“. Sprecher Andreas Deffner ergänzt aber, dass seiner persönlichen Meinung nach die Überschrift nicht durch den Artikel gedeckt sei:
Auf der einen Seite beziehen sich die Aussagen auf die flächendeckende Gesamtsituation in Deutschland (einen zeitgleichen Überlastungszustand der Intensivstationen in allen Bundesländern hat es nicht gegeben), wohingegen die andere Seite der Medaille ist, dass viele PatientInnen aus einzelnen Ländern (etwa Bayern) in andere Länder (und in Einzelfällen sogar ins Ausland) verlegt werden mussten. Ohne entsprechende Schutzmaßnahmen wäre die Situation erheblich belasteter gewesen. Vielleicht hilft Ihnen diese Einordnung meinerseits weiter.
Frederik von Castell ist Redaktionsleiter von Übermedien. Als Datenjournalist und Faktenchecker war er unter anderem für HR, SWR und dpa tätig. Von Castell ist außerdem Recherchetrainer, unter anderem am Journalistischen Seminar Mainz.
Außerdem handelt es sich bei der verkürzten, irreführenden und schlichtweg falschen Antwort keineswegs um ein Zitat Lauterbachs, sondern eine Antwort seines Ministeriums auf eine Frage Wolfgang Kubickis. Die „Bild“-Redaktion will darin keinen Unterschied sehen und teilt uns auf Anfrage mit:
Die Artikelüberschrift legt nicht nahe, dass Bundesminister Lauterbach „diese Aussage getroffen“ habe, schon gar nicht in direkter Rede. Anführungszeichen sind nicht gesetzt. Sehr wohl legt der Artikel nahe, dass die Aussage Karl Lauterbach zuzuordnen ist – und dies ist vollkommen korrekt. Denn sie kommt aus einem Schreiben aus Lauterbachs Ministerium, das Lauterbachs Staatssekretär Prof. Franke an den Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki (FDP) schickte, nachdem ein erstes Schreiben von Kubicki unbeantwortet geblieben war und dieser schlussendlich eine offizielle Anfrage gestellt hatte. Dieses Schreiben liegt BILD vor. Der Sachverhalt wird im Text explizit erläutert, er ist Ihnen bekannt. Ein Staatssekretär vertritt und spricht für seinen Minister und sein Haus; in diesem Fall das Haus von Herrn Lauterbach.
„Bild“ ignoriert dabei unter anderem die Tatsache, dass der Artikel, dessen Inhalt hinter einen Paywall steht, diesen Sachverhalt zwar deutlich macht – nicht jedoch die massenhaft kommentierte und geteilte Überschrift.
Wir haben „Bild“ auch gefragt, ob die Überschrift nicht fundamental die Aussage, dass es (gut dokumentierte) regionale Überlastungen von Intensivstationen gab, verfälsche – und ob „Bild“ diese Überlastung bestreite. Die Antwort:
Nein, Sie haben ja den Text gelesen, und darin wird — erstens – das vollständige Zitat explizit wiedergegeben. Und – zweitens – wird im Artikel klar benannt, dass regional Patienten verlegt wurden und das Operationen von Patienten mit anderen Erkrankungen zeitweise verschoben werden mussten. Wie Sie wissen, werden Überschriften in sämtlichen Zeitungen (auch jenseits des Boulevards) zugespitzt und gekürzt, so auch hier. BILD hat nicht geschrieben „Alle Intensivstationen waren nie überlastet“ bzw. „Keine Intensivstation war überlastet.“ In der politischen Debatte wurde die grundsätzliche, flächendeckende Überlastung der Intensivstationen und die daraus folgende Dramatik (z.B. großflächige Triage) immer wieder als starkes Argument für die Einschränkungen von Freiheitsrechten verwendet. Dieser Zustand ist nie eingetreten, wie das Schreiben nun einräumt. Deshalb verfälscht die Überschrift nichts.
„Bild“ hat zu dem Thema und seiner eigenen Interpretation online noch einen weiteren Artikel veröffentlicht, der fast deckungsgleich heute auch in der Zeitung steht: „Die Lauterbach-Wende bei den Intensivstationen!“ Wir haben „Bild“ gefragt, worin genau diese „Wende“ bestanden haben soll:
Im Artikel ist ausführlich ein Zitat wiedergegeben: „Wir werden in wenigen Wochen (…) so hohe Fallzahlen haben, dass wir die Intensivstationen komplett überlastet haben“ (Lauterbach am 14.11.) Die Erkenntnis nun ist deutliche Wende, weil „die Intensivstationen“ eben nie „komplett überlastet“ waren. Dies ist, nebenbei bemerkt, lediglich eine von zahlreiche Wenden von Bundesminister Lauterbach.
Wolfgang Kubicki, dessen Büro auf unsere Anfrage hin auch Übermedien das Schreiben des Gesundheitsministeriums zugänglich gemacht hat, haben wir gefragt, ob er den Inhalt des Schreibens in der „Bild“-Schlagzeile treffend abgebildet sieht. Seine Antwort:
Ich bin nicht für die Interpretation von Überschriften zuständig. Der Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit ist in unserem Rechtsstaat dankenswerterweise weit gesteckt.
Was bleibt, ist eine nachweislich nicht den Sachverhalt wiedergebende Überschrift, die eifrig geteilt und als Aussage Lauterbachs wahrgenommen wird. Wer eine Aussage in dieser Weise verfälscht, wie es „Bild“ getan hat, muss sich auch den harten Vorwurf der Desinformation gefallen lassen.
Dieses Blatt betreibt gezielt Desinformation. #Meinung: Es mag sein, dass es dort auch nette Mitarbeiter/innen gibt. Aber wer sein Können dauerhaft für so eine Publikation zur Verfügung stellt, sollte sich ernsthaft fragen, mit welchem Abspruch er/sie Journalist/in geworden ist. https://t.co/6D0yi7a6lJ
— Lars Seefeldt (@seefeldt) February 17, 2022
Ein Twitter-User kommentiert die „Bild“-Chose mit zwei Zitaten von Karl Lauterbach himself. Und damit ist vielleicht auch alles gesagt:
„Ich will es noch mal ganz klar sagen: Es ist nicht alles wahr was in der BILD-Zeitung steht!“@Karl_Lauterbach bei #maischberger pic.twitter.com/mtuCCJWvpQ
— Nurder Koch (@NurderK) February 16, 2022
Nachtrag, 18.2.2022: Karl Lauterbach kommentiert auf Twitter:
Wenn mir die Worte im Mund verdreht werden überrascht mich das nur noch selten. Hier geht es aber um viel. Die Pflegekräfte haben 2 Jahre am absoluten Limit gearbeitet. Ihnen die Überlastung abzusprechen ist sehr unfair. https://t.co/QYe30ikzSL
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) February 18, 2022
Der taz sagte Lauterbach im Interview mit Malte Kreutzfeldt und Stefan Reinecke:
Die Bild-Zeitung und der Springer-Verlag fahren Kampagnen gegen mich und verbreiten Unwahrheiten. Ziel ist es, die Pandemie zu verharmlosen und die Schutzmaßnahmen zu diskreditieren. Dass es nie eine Überlastung des Gesundheitssystems gegeben hätte, ist zum Beispiel eine manipulative Fehldarstellung. Richtig ist: Über 70 Prozent der Intensivstationen waren zum Höhepunkt der Pandemie teilweise oder komplett überlastet. Es gab nur keine deutschlandweite Überlastung des Gesundheitssystems, also keine an allen Stellen gleichzeitig. Aber Patienten mussten von einem Bundesland ins andere Bundesland verlegt werden. Wir mussten Patienten nach Italien fliegen. Operationen mussten verschoben werden. Die Situation war dramatisch. Die Bild-Zeitung weiß das und macht daraus: Es gab nie eine Bedrohung. Das ist eine manipulative Falschmeldung.
Eines der Probleme dabei: Wenn andere Verlage so ein Verhalten, wie Axel Springer es an den Tag legt, nicht rigoros beim Namen nennen und skandalisieren, passiert auf der eben wieder einmal genau nichts. Außer, dass der Journalismus insgesamt noch mehr schaden nimmt. Aber die eine Krähe hackt der anderen …
Ist das nicht eine große Sche….?
Den ganzen Tag lang lag das bedruckte „Klopapier der Wahrheit“ zum Verkauf in Kiosken, Presseläden, Bäcker- und Verkaufslädchen. Und was in den Köpfen hängen bleibt, ob sie es gekauft haben oder nur auf dem Tresen gelesen haben (ich sah es beim Bäcker) ist genau das: „Die Intensivstationen waren NIE überlastet“.
Irre!
@2: Nicht irre, sondern reales Geschäftsmodell. Unsere Bubble muss aufhören, sich demonstrativ zu wundern und den politischen Agitator Springerverlag auf Klopapier zu reduzieren. Genau das ist das Image das die wollen: Nicht ernstzunehmend sein. Spaßblättchen. „Die sind halt so, muss man nicht so ernst nehmen.“
Das ist eine Schmierenkampagne, die Springer hier abzieht. Alles vor dem Hintergrund des derzeitigen Döpfner-Reichelt-Sex-Skandals und mit Rückdeckung der Eigentümerfamilie.
Falsche Dinge zu veröffentlichen und dann zurückzurudern (was keiner mitkriegt) ist zum Geschäftsmodell geworden. Der Presserat hat keine Macht über Springer. Das hat übermedien schon oft genug nachgewiesen.
Äh
BILD schreibt nicht die Wahrheit ?
Sachen gibt’s ……
Einerseits ja, die BILD macht wie immer Kampagne statt Journalismus. Aber hier bin ich mir einerseits nicht sicher, ob die Leserschaft der BILD wirklich hinters Licht geführt wird, und andererseits wäre mehr Kritik am Zitat vom November angebracht.
Ich fange einmal damit an, was meinen Leute, wenn sie von der Überlastung der Intensivstationen reden? Möglichkeit A, für „uns“ sage ich mal ist es schon schlimm, wenn häufiger Intensivstationen voll sind und deshalb Patienten woanders hin geschickt werden müssen, und schlimm ist auch, wenn andere Operationen dafür verschoben werden. Das ist ja auch eine Triage, und zwar haben dann die leichteren Fälle, die im Normalfall immer noch in die ITS kommen würden und diejenigen, die eigentlich eine mittelfristig notwendige Operation bekommen würden, eine höhere Sterblichkeit. In dem Sinne gab es eine Überlastung.
Die zweite Interpretation von Überlastung, B, sind italienische bzw New Yorker Zustände wie Anfang 2020, dass Betten auf den Gängen stehen und Menschen, die akut dringend ITS brauchen, diese nicht bekommen können. Davor wurde immer wieder gewarnt, das hat als Abschreckungsmittel gedient und damit wurden die Maßnahmen begründet. Dass es so etwas hier nicht gibt sehen BILD und Querdenker als Zeichen, dass es keine Überlastung gibt. Solange also nur lokale Engpässe vorhanden sind und die Fälle zeitlich und örtlich verlegt werden können ist das für sie noch keine Überlastung. In der ITS so wie überhaupt in der Pflege gehört dieser Stress ja zur Normalität. Der Übergang ist sicher fließend, was genau eine Überlastung ist, aber so grob denke ich schon, dass meine Aufteilung in A und B Sinn ergibt.
Jetzt hat Lauterbachs Staatssekretär gesagt, es gab hier keine Überlastung im Sinne von B. Das ist genau das, was BILD hören wollte und das ist das, was jeder Querdenker so versteht. Im Artikel hier klingt das so, als würden dadurch alle Leser denken, es gab auch keine Überlastung A. Aber das glaube ich nicht, weil diesen Leuten die Überlastung A völlig egal war und ist und sie immer nur über B reden. Insofern sind BILD und ihre Leser da auf der gleichen Wellenlänge und verstehen sich, nur echte Journalisten interpretieren das anders und sehen das als Falschaussage.
Der zweite Punkt, da geht es um die Aussage von November. Also das direkte Zitat ist anscheinend schonmal falsch, denn damit finde ich nur diesen Artikel. Das Original (?) ist zB bei der BZ wiedergegeben und enthält „eine so hohe Fallzahl“ und nicht „so hohe Fallzahlen“. Na gut, im Vergleich zu sonst ein kleiner Fehler. Der Absatz bei der BZ, siehe https://www.bz-berlin.de/deutschland/lauterbach-warnt-vor-weihnachten-komplette-ueberlastung-der-intensivstationen:
Was Lauterbach geritten hat, bei der BILD zu sprechen, werde ich wohl nicht verstehen. Inhaltlich ist klar, dass er vor Szenario A warnt und das schon als sehr schlimm empfindet, wenn Patienten verlegt werden müssen. Das hat BILD in der Antwort an Übermedien bewusst verkürzt, um anzudeuten, Lauterbach hätte vor Überlastung B gewarnt. Die BZ-Überschrift weckt auch den Eindruck, Lauterbach hätte vor B gewarnt und ich bin mir sicher, die BILD selbst hat das damals auch so ausgeschlachtet. Von daher würde ich sogar sagen, man muss Lauterbach dafür kritisieren, dass er freiwillig dorthin geht und Springer O-Töne für ihre Verkürzungen direkt ins Mikro liefert.
Also kurz zusammengefasst: „Überlastung“ heißt für jeden etwas anderes, beispielsweise lokale Engpässe (A), die mit Verlegungen gemildert werden können, oder eine deutschlandweite Überlastung aller ITS (B). Lauterbach hat im November vor A gewarnt, BILD denkt, er hat vor B gewarnt. Jetzt hat Lauterbach indirekt über einen Sekretär gesagt, dass B nicht eingetreten ist. BILD sieht das als Wende gegenüber November, weil sie damals sein A für B hielten. Außerdem erwecken sie jetzt in der Überschrift den Anschein, Lauterbach würde jetzt sogar zugeben, dass es A nicht gab. Ich bezweifle, dass BILD-Lesern oder BILD-Mitarbeitern dieser Unterschied bewusst oder wichtig ist.
Zusätzlich zu der bewussten Verfälschung durch die BILD bleibt es ein logischer Fehlschluss, aus dem Ausbleiben der absoluten Katastrophe abzuleiten, dass dadurch die durchgeführten Maßnahmen gegen die Katastrophe unnötig waren, denn diese Maßnahmen haben ja bloß dafür gesorgt, dass die Katastrophe ausblieb. Insofern auch ein mieses Spiel, was Kubicki da treibt.
@erwinzk
Auch das ist aber passiert.
Mein eigenes Krankenhaus hatte Bilder getwittert, wo die Rettungswagen Schlange vor der Rettungsstelle standen, weil selbst auf der Rettungsstelle noch kein Platz frei war, um mit der Triage zu beginnen.
Und auch ohne Corona stehen dauernd Betten im Gang, weil kein Zimmer frei ist. Schon seit Jahren, weil halt das System so ausgerichtet ist, dass durch eine hohe Auslastung mehr Geld generiert wird.
Überbetten sind auch nicht erst seit Corona ein Thema, wegen Corona ist es aber dramatischer geworden, weil dann nicht nur der Beinbruch im Gang steht, sondern eben auch der ITS-Pflichtige Patient, für den erst ein Platz gesucht werden muss.
Meine eigene Station hat in der längeren Vergangenheit wegen Überbetten anonym das Gesundheitsamt verständigen müssen, damit sich diesbezüglich was ändert. Alles vor Corona.
Und durch Corona wurde es noch schlimmer.
Aktuell sind die Patienten wohl nicht mehr so oft ITS-pflichtig. Aber viele Kollegen sind in Quarantäne, wir haben gerade einen Krankenstand von um die 50%. Bei vollem Haus.
Und wir sind keine Station, die Patienten wegen Corona aufnimmt.
Und dennoch völlig Überlastet.
Jetzt und die letzten Monate.
Und haben es dennoch besser als die KollegInnen der ITS.
Nun kommt das Prophylaxe Paradoxon und die sozialdarwinistischen ( vulgärliberalen ) Geier stürzen sich drauf. Ihr Messias heisst Kubicki, ihr U-Boot heißt Streeck und Empathie darf wieder Schwäche genannt werden.
265 Covid-19 Tote waren es heute (18.02.22 ).
„Es könnten ruhig ein paar mehr sein, wenn dafür die Geschäfte wieder besser laufen“, denkt der Sozialdarwinist.
Es kommt also wieder die Welle:
„Alles nur Panikmache. Die Regierung und die Wissenschaft haben uns grundlos versklavt“.
Wie eigentlich nach jeder Welle seit Anfang 2020.
Wie das noch werden soll, bei all den Katastrophen, die sicher noch kommen werden?
Manchmal ( immer öfter eigentlich ) bin ich froh, dass ich nicht mehr jung bin.
Um es mal auf den Punkt zu bringen: Den verachtungswürdigen, empathieunfähigen, zynischen Darwinisten Wolfgang Kubicki, Johannes Boie und Mathias Döpfner geht es komplett am Arsch vorbei, wenn Familien lebensbedrohlich Erkrankter von Passau nach Lübeck reisen müssen, damit ihre Liebsten nicht völlig allein gelassen mit dem Tod ringen. Ganz davon abgesehen ist es ein Wettlauf gegen die Uhr, wenn jemand in so einem Zustand stundenlang transportiert werden muss, bis er in eine Klinik kommt. Wahrscheinlich kapieren diese Privatpatienten das aber erst, wenn sie selbst in so eine Situation geraten. Aber Hauptsache, besoffene Stammleser der Bild können am Stammtisch rumposaunen: „Ich habe Euch doch immer gesagt, dass das mit den überlasteten Krankenhäusern eine Lüge ist.“
Tja, wenn es nach der Springer-Agenda gegangen wäre, hätten wir schon flächendeckende ITS-Überlastung samt Triage gehabt. Das ist natürlich ärgerlich, dass es nicht so gekommen ist. Dann hätte man so schöne „KATASTROPHE!!“ und „STAATSVERSAGEN!!!“ Schlagzeilen haben können.
Selbst wenn die Aussage in der BILD-Überschrift uneingeschränkt stimmte: Wieso wäre das ein Argument gegen Lauterbach?
Würde das nicht eher bedeuten: Wir haben eine drohende Überlastung gesehen, Maßnahmen eingeführt und dann ist eine Überlastung ausgeblieben. Alles richtig gemacht.
Es hieß doch die ganze Zeit: Wir führen Maßnahmen ein, um eine Überlastung zu verhindern, und nicht: Wir führen Maßnahmen ein, wenn es bereits eine Überlastung gibt, es also zu spät ist.
Ich meine, das muss doch sogar dem verbohrtesten „Parteien mit F in der Abkürzung“-Wähler einleuchten, oder?