Holger ruft an (54)

Sollen ARD und ZDF nur noch „öffentlich-rechtliche“ Unterhaltung machen? (Und was ist das überhaupt?)

Florian Silbereisen in „2021 - dsa Quiz“
Screenshot: Florian Silbereisen in „2021 – das Quiz“ (ARD)

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland soll reformiert werden. Dazu gehören Änderung der Strukturen, aber auch ein neu formulierter Auftrag, was ARD, ZDF und Deutschlandradio überhaupt leisten sollen. Die Bundesländer haben dafür einen „Diskussionsentwurf“ vorgelegt, wie die entsprechenden Passagen im Medienstaatsvertrag in Zukunft lauten sollen – bis zum vergangenen Freitag konnte jeder dazu Stellung nehmen und Feedback geben.

Für Diskussionen sorgt unter anderem der Plan, die Unterhaltung, die die Sender machen sollen, zu qualifizieren. Bislang sind „Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung“ gleichrangig im Auftrag aufgezählt. In Zukunft könnte es heißen: „Die öffentlich-rechtlichen Angebote haben im Schwerpunkt der Kultur, Bildung, Information und Beratung zu dienen. Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entspricht, ist Teil des Auftrags.“

Dagegen wehren sich ARD und ZDF. Der Rundfunkrat des ZDF zum Beispiel forderte: „Unterhaltung muss weiterhin wie bisher ohne zusätzliche Bedingungen Teil des Auftrags bleiben.“ Und der ARD-Unterhaltungschef Frank Beckmann sagte: „Unterhaltung verbindet – diese Funktion kann man gar nicht hoch genug bewerten.“

Stimmt das? Wie sollte öffentlich-rechtliche Unterhaltung aussehen, und was wäre so schlimm daran, den Sendern entsprechenden Vorgaben zu machen? Darüber spricht Holger Klein in unserem Podcast mit Klaudia Wick, die bei der Deutschen Kinemathek für Fernsehen zuständig ist.

Sie vergleicht die Diskussion um öffentlich-rechtliche Unterhaltung mit einem Gedeck, Apfelstrudel mit Sahne. „Jetzt kommt also jemand her und sagt: Ja, wenn die Sahne ungezuckert ist, wenn es gesunde Sahne ist, dann dürft ihr das gerne zusammen anbieten. Was wäre deine erste Frage: Ist in der Sahne Zucker? Plötzlich muss man Dinge in Frage stellen: Dürfen die das eigentlich noch?“

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)


Links

3 Kommentare

  1. Ich finde das Konzept eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks gut und kann auch den Ansatz nachvollziehen, Unterhaltungssendungen anzubieten. Die Umsetzung bereitet mir oftmals Bauchschmerzen. Der ÖRR bedarf einer großen Akzeptanz bei der Bevölkerung. Dazu können auch Unterhaltungssendungen beitragen. Bundesliga, Traumschiff, Tatort, Verstehen Sie Spaß, Wetten dass, etc. sind oder waren offenbar Dinge, die von einer breiten Masse geschaut und im Anschluss im Gespräch rezipiert werden. In einer Gesellschaft, in der die Individualisierung und Polarisierung zunimmt, ist die Existenz einer gemeinsamen Grundlage in Form bestimmter Unterhaltungsformate sicherlich gar nicht so blöde. Und wenn ich im ÖRR gerne Sendung X oder Y schaue, steigt womöglich auch mein Vertrauen in die journalistischen Angebote, was gesellschaftlich betrachtet größtenteils ein Gewinn sein dürfte. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es bei den Unterhaltungssendungen an Ausgewogenheit mangelt. Das Unterhaltungsprogramm ist voll (ich verzichte an dieser Stelle auf den Begriff „zugemüllt“, ohne gänzlich auf den Einwurf zu verzichten) von Krimis, Krimis, Krimis, Schlager, Schlager, Komödien/Romanzen/Heimatfilme (gerne auch alles in einem) , Bares für Rares, Quiz, Politiksimulation in Form von Talkshows und natürlich Krimis. Allein eine Betrachtung des prestigeträchtigen Samstagabendsendeplatzes spricht Bände. Das hat eine erhebliche Schlagseite, die nichts damit zu tun haben kann, dass für alle was dabei sein soll. Warum nicht mal eine Samstagabend-Musiksendung mit Schwerpunkt Rock, Klassik, Indie, Elektro, Rap, … ? Ja, auf Arte und 3Sat gibt es dazu die ein oder anderen Sachen. Aber warum nicht im Hauptprogramm? In meiner Wahrnehmung ist das Hauptprogramm von ARD und ZDF weitgehend zugeschnitten auf ein Publikum über 50. Und der Verweis auf die Inhalte in den Mediatheken zieht ja irgendwann auch nicht mehr, zumindest wenn man vorhat, auf Dauer linear zu senden. Der ÖRR tut sich in meinen Augen keinen Gefallen damit, lediglich Angriffe von rechts abzuwehren, ohne sich grundlegend zu hinterfragen, wohin man eigentlich will. Eigentlich will ich den ÖRR echt mögen, aber die Ignoranz mancher Verantwortlichen macht es mir manchmal irgendwie schwer.

  2. Weil ich gerade erst dem weiterführenden Link zu Frank Beckmanns Einlassungen gefolgt bin: Während ich ganz grundsätzlich seinen Überlegungen zur Relevanz von Unterhaltungssendungen im ÖRR ja gar nicht widersprechen möchte, stößt mir anderes wieder stark auf. Von meinem Recht auf „gute Unterhaltung“ mache ich seit Jahren nicht so wirklich Gebrauch, aber aufgrund der Unterschiedlichkeit der Geschmäcker will ich ihm das gar nicht zum Vorwurf machen. Wenn Hirschhausen, Pilawa und Silbereisen tatsächlich so viele Zuschauer begeistert, finde ich es in Ordnung, solche Sendungen (in Maßen!) zu zeigen. „Mehr Humor“ am Freitagabend lässt jedoch nicht nur in Verbindung mit dem Namen Kebekus meine Alarmglocken schrillen, sondern mich auch nach der Notwendigkeit fragen. Als ob es davon nicht schon genug gäbe. Und der Gipfel ist es dann wohl, Schöneberger als Zeichen von Diversität zu verkaufen. Wäre die Frau ein Mann, hätte sie schon längst ein ernstes Problem wegen dummdreistem Sexismus. Da hat man schon ein Konstrukt, dem es vollkommen egal sein kann, wenn ab und an mal eine Sendung nicht funktioniert oder die Quote mies ist, und das ist dann das Ergebnis. Zum Verzweifeln.

  3. Der ÖRR wurde damals aufgebaut weil es damals kein Privatunternehmen gab das so viel Geld in die Hand nehmen konnte um ein bundesweites Fernsehen aufzubauen.

    Damals gab es zum ÖRR in den Punkten Unterhaltung, Show, Spielfilme usw. kein Substitut. Heute gibt es mit den Privatsendern, den Streaminganbietern, Youtube usw. sehr viele Anbieter die dieses Feld bespielen. Da wäre es doch nur konsequent wenn sich der ÖRR auf die Dinge fokussiert die die Privatwirtschaft nicht oder nur unzureichend bespielt: Theater oder Opernübertragungen, Kultursendungen, Arthousefilme, Bildungssendungen, Dokumentationsfilme (keine „Dokus“ wie zum drölfzigsten mal „Hitlers …“), Politmagazine, Polittalks, Verbrauchermagazine, usw.

    Was mich stört ist dass wenn man kritisiert dass der ÖRR zu viel Geld kostet dann immer gesagt wird dass eine Beitragssenkung oder zumindest eine Beitragssatagnation nicht ohne Einschnitte im Programm einhergeht. Versteht man denn da nicht dass das genau das ist was wir Kritiker wollen?

    Wenn der Tatort jede Woche oder Wetten dass… alle paar Monate mehrere Millionen vor den Fernseher lockt, wird die Quote sicherlich nicht einbrechen wenn so eine Sendung zwei mal von einer Werbepause unterbrochen wird. Oder wenn die ARD in Zukunft keine Volksmusik mehr senden würde oder keine Helene Fischer Show wage Ich zu bezweifeln dass man das dann nirgends mehr zu sehen bekäme. Mit Sicherheit gäbs dann irgendwann ein „Volks-RTL“ oder einen „Sat.1-Stadl“. Es gab auch in den 90er Jahren eine ganze Menge Volksmusik in den Privaten.

    Allgemein wird mir im ÖRR viel zu viel auf die Quote geschaut. Eigentlich dürften die ARD und das ZDF meiner Meinung nach gar keine Quote messen. Man sollte schauen dass man das anbietet was dem öffentlich rechtlichen Anspruch gerecht wird und nicht das was viel geschaut wird.

    Die Diskussion mit den Spartensendern wird sich denke Ich in den kommenden 10, spätestens 20 Jahren auch erledigen, wenn immer weniger Menschen lineares Fernsehen schauen. Die CDU in Sachsen forderte ja jetzt schon die Abschaltung des ersten Programms. So weit würde Ich jetzt dann doch nicht gehen. Aber man muss sich eben auch die Fragen gefallen lassen ob eine Struktur wie die der ARD noch zeitgemäss ist. In Zeiten der globalen Vernetzung via Internet muss nicht jede ARD Anstalt eine eigene Personalabteilung, ein eigens Justiziariat, eine eigene Buchhaltung, eine eigene Verwaltung, einen eigenen Einkauf, usw. haben. Das kann man alles zentralisieren ohne dass es eine Auswirkung auf das Programm hat. Das ist es was meiner Meinung nach viele Menschen kritisieren: Die Doppelstrukturen und die überbordende Verwaltung.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.