Pressekodex

Auch Deutsche unter den Tätern

Von heute an wird die „Sächsische Zeitung“ systematisch gegen den Pressekodex verstoßen. Sie will die Nationalität von Tatverdächtigen nicht mehr nur in begründeten Ausnahmefällen nennen, wie es die Richtlinie 12.1 vorsieht, sondern in aller Regel. Sie wird das aber immer tun: nicht nur bei ausländischen, sondern auch bei deutschen Tätern. Auf diese Weise sollen die Leser des Blattes ein realistischeres Bild davon bekommen, wie oft Zuwanderer straffällig werden.

Ziel der Richtlinie im Pressekodex ist es, Ausländer und andere Minderheiten nicht zu diskriminieren und zu verhindern, Stereotype zu befördern. „Dieses Ziel teilen wir zu einhundert Prozent“, sagt Chefredakteur Uwe Vetterick. „Aber wir fragen uns, ob der Weg in unserer gegenwärtigen Situation zum Ziel führt – oder womöglich das Gegenteil bewirkt.“

Die Sorge ist, dass die Leser, wann immer die Nationalität oder Herkunft eines Verdächtigen in der Zeitung nicht genannt wird, automatisch annehmen, dass es sich um einen Ausländer handelt. Dann würde das Weglassen der Angabe dazu führen, dass deren Anteil an der Kriminalität viel zu hoch eingeschätzt wird. Die Regel im Pressekodex würde das Gegenteil dessen bewirken, was sie beabsichtigt.

Die „Sächsiche Zeitung“ hat die Praxis der eigenen Berichterstattung in Frage gestellt, nachdem sich Leser massiv beschwert hatten: Warum schreibt ihr das nicht? „Dann wirst du schon mal nachdenklich“, sagt Vetterick. „Aber es ist meist kein guter Rat, unter Druck in das Gegenteil dessen zu verfallen, was man vorher getan hat.“

Um eine sachliche Grundlage zu haben, machte die Zeitung gemeinsam mit dem Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden eine Telefonumfrage unter ihren regelmäßigen Lesern. 300 Menschen nahmen daran teil. Sie sollen relativ repräsentativ für die Abonnenten sein: im Durchschnitt 69 Jahre alt, überwiegend Rentner, zu 40 Prozent Abiturienten.

Ein erstes, beruhigendes Ergebnis für Vetterick lautet: „Ein Großteil dessen, was an Kritik heranschwappt an das Haus, ist überhaupt nicht repräsentativ für die Leserschaft.“ Die Leute seien viel weniger unzufrieden, als man glauben könnte, wenn man in die Leserbriefe oder die Internetforen schaut.

Für Professor Lutz M. Hagen von der Technischen Universität, der die Umfrage durchgeführt hat, ist das ein zentraler, typischer Effekt: „Die Mehrheit der Leser stimmt nicht mit der Mehrheit der Leserbriefschreiber überein.“ Durch die Digitalisierung und den Strukturwandel der Öffentlichkeit, würden „Minderheitsmeinungen und extreme Meinungen sehr viel stärker sichtbar als in der alten Medienwelt.“ Es gebe eine stille Mehrheit, die von der lauten Minderheit gern für sich reklamiert wird, obwohl das gar nicht zutreffe.

Trotzdem gaben einige Ergebnisse der Umfrage Anlass zur Sorge. Fast die Hälfte der Befragten erklärte sich die Regel, die Herkunft von Straftätern nur in Ausnahmefällen zu nennen, mit einer „Anordnung von oben in der Flüchtlingskrise“:

Immerhin einem Viertel war der Inhalt der Richtlinie des Presserates bekannt:

79 Prozent sahen in der Nennung der Nationalität keine Diskriminierung:

Genau so viele plädierten dafür, sie zukünftig immer zu nennen:

Ein interessanter Widerspruch tat sich in der Einschätzung der Kriminalität von Ausländern und Asylbewerbern auf. Einerseits glaubt nur eine relativ kleine Minderheit, dass Ausländer häufiger kriminell sind als Deutsche:

Andererseits überschätzen die Befragten, teils dramatisch, den Anteil von Zuwanderern an Straftaten. In der folgenden Grafik markiert der Bereich zwischen den gestrichelten Linien das mittlere Drittel der Antworten. Die Säulen zeigen den Anteil der jeweiligen Delikte, bei denen laut Auswertung aus der sächsischen Kriminalstatistik mindestens ein Zuwanderer zu den Tatverdächtigen gehörte. Bei Tötungsdelikten unterschätzen die Abonnenten der „Sächsischen Zeitung“ demnach die Beteiligung von Zuwanderern (die 18 Prozent stehen für 28 Fälle, davon 5 vollendet). Bei den anderen Delikten überschätzen sie sie deutlich bis dramatisch.

saez_anteil_asylbewerber

Die meisten Befragten zeigten sich zufrieden mit der Berichterstattung „ihrer“ Zeitung. Vetterick findet es dennoch Anlass zur Sorge, dass knapp die Hälfte glaubt, dass die „Sächsische Zeitung“ oft die Beteiligung von Flüchtlingen an Straftaten verschweigt oder sich zumindest nicht sicher ist.

Die Zeitung diskutierte mit ihren Regionalredaktionen die Ergebnisse und beschloss, zunächst als vorläufiger Versuch, mehrere Wochen lang die Herkunft von Verdächtigen wann immer möglich zu nennen. Das las sich etwa so:

Größere Reaktionen aus der Leserschaft, positive wie negative, blieben aus. Es habe danach noch Gespräche in der Redaktion gegeben, sagt Vetterick, weil sich eine solche Praxis nicht von oben anordnen lasse. „Ich werde keinen Redakteur nötigen, gegen eine Ziffer im Pressekodex zu verstoßen.“ Wenn die Polizei- und Gerichtsreporter den Weg nicht hätten mitgehen wollen, wäre die „Sächsische Zeitung“ ihn nicht gegangen. „Es gab aber eine große Bereitschaft, es so zu probieren.“

Vetterick legt großen Wert darauf, die Entscheidung nicht zu verallgemeinern: „Wir sagen nur: Das ist für die gegenwärtige Situation für uns eine Antwort.“ In einem Brief hat er den Presserat über die Hintergründe informiert. Trotzdem wäre er nicht überrascht, wenn der in Zukunft die Berichterstattung seines Blattes regelmäßig missbilligt: „Der Pressekodex ist da ja eindeutig.“ Das müsse man dann akzeptieren.

Ihren Lesern hat die Zeitung die neue Praxis heute erklärt:

Es liegt uns sehr am Herzen, die überwiegende Mehrheit der nicht kriminellen Flüchtlinge in Dresden und den anderen Gemeinden unseres Verbreitungsgebiets zu schützen und sie vor Diskriminierung zu bewahren. Dennoch haben wir uns gefragt: Trägt die Richtlinie des Pressekodex in der gegenwärtigen Situation in Dresden und Sachsen auch wirklich zum Schutz von Minderheiten bei?

Viele SZ-Mitarbeiter sind im Gegenteil überzeugt davon: Gerade das Nichtnennen der Nationalität von Straftätern und Verdächtigen kann Raum für Gerüchte schaffen, die häufig genau denen schaden, die wir doch schützen möchten.

Die Zeitung räumt aber ein:

Wir sind uns dessen bewusst: Wie so viele Mediennutzer – und mancher Journalist – nehmen auch einige SZ-Leser Informationen aus der Presse sehr selektiv auf. Manchen geht es weniger darum, sich mithilfe möglichst vieler Fakten der Wahrheit zu nähern. Sie suchen lediglich nach Bestätigung der eigenen Vorurteile. Oder nach der scheinbaren Bestätigung eines Gerüchts, von dem man gerne glauben möchte, dass es der Wahrheit entspricht. Deshalb konzentrieren sich viele Mediennutzer mit Vorliebe auf Meldungen über ausländische Täter und nehmen Nachrichten über deutsche Täter allenfalls nebenbei wahr.

Der Würzburger Medienpsychologe Frank Schwab sieht genau darin ein Problem: „Unsere Schubladen im Kopf sind sehr stabil“, sagt er. Ob die Nachricht, dass der Großteil der Straftäter Deutsche sind, überhaupt bei den Lesern ankommt, sei unklar. „Leute, deren Überzeugungen noch nicht so verfestigt sind, können davon profitieren. Bei den anderen wird es schwierig.“ Bei denen, die in ihrem Weltbild überzeugt sind, könne die neue Praxis sogar dazu führen, dass sie sich von der Zeitung abwenden, weil sie die Häufung von Verdächtigen deutscher Herkunft sich durch eine „absichtliche bösartige Auswahl“ erklären.

Schwab glaubt, dass sich die Effekte der veränderten Berichterstattung in Grenzen halten werden, hält den Versuch aber für lohnenswert.

Voraussetzung dafür, dass sich ein repräsentativeres Bild ergibt, wäre aber auch, dass die Auswahl der Nachrichten über Kriminalität einigermaßen realistisch die Realität widerspiegeln. Mit der geänderten Berichterstattung trägt die „Sächsische Zeitung“ zudem natürlich dazu bei, der Nationalität eines Verdächtigen größte Bedeutung für die Bewertung der Tat zuzuschreiben.

Chefredakteur Vetterick räumt ein, dass es bei der geänderten Praxis auch darum geht, die Glaubwürdigkeit der Zeitung zu bewahren. „Die Regionalzeitung lebt von ihrer Glaubwürdigkeit. Darauf baut unser ganzes journalistisches Unternehmen. Die Leute zahlen nur, weil sie glauben, was da steht.“

Dieses Ziel sei aber nachrangig gegenüber dem, zu einer realistischeren Wahrnehmung der Zuwandererkriminalität beizutragen. Da gehe es in keiner Weise um „Erziehung“ der Leser, sondern um grundlegende Informationsvermittlung. „Es geht darum, die Wahrnehmung der Menschen an die tatsächliche Wahrheit so gut es geht heranzuführen.“

Vetterick überlegt, in zwei Jahren die Umfrage unter den Abonnenten noch einmal zu wiederholen und zu sehen, ob sich die Kurve der geschätzten Ausländerkriminalität in der Leserschaft der Realität angeglichen hat.

Nachtrag, 4. Juli. Der „Tagesspiegel“ berichtet, dass man beim Presserat nicht glücklich ist über die Entscheidung der „Sächsischen Zeitung“. Auch Karolin Schwarz, die Gerüchten über Flüchtlinge nachgeht, sieht die Herkunftsangaben kritisch: vor allem, weil die Medien von der Auswahl der Polizei abhängig sind, welche Straftaten überhaupt berichtet werden.

27 Kommentare

  1. War es in Schweden, wo Medien wegen des Diskriminierungsverbotes anfingen, „schwedische Staatsbürger“ zu schreiben und eingebürgerte Ausländer zu meinen? Bleibt noch die Frage, wie die SZ mit dieser „Gruppe“ umgeht – die sicher in anderen Städten mit jugendlichen Intensivtätern mit deutschem Pass und ausländischen Eltern größer ist als in Dresden und Umgebung

  2. Das ist auch ein Weg. Ich kenne jemanden, der Polizeiberichte schreibt, und genau so vorgeht wie die Sächsische Zeitung. Wie ist es denn in diesem Fall:
    http://www.merkur.de/welt/asyl-anschlag-vorra-baufirma-mitarbeiter-u-haft-zr-6515940.html
    Trägt es etwas zum Verständnis des Falles bei, dass der Bauunternehmer und sein ausführender Helfer aus dem Kosovo stammen, wie der BR berichtet hat, der sich offensichtlich auch nicht an den Kodex hält?

  3. Ich bin ja nicht Gast, aber wenn es „Misstrauen“ erregt, dass Zeitungen die Staatsangehörigkeit von Verdächtigen nicht erwähnen, dann sollte es auch „Misstrauen“ erregen, wenn der fehlende oder vorhandene Migrationshintergrund von Verdächtigen nicht erwähnt wird.

    Und es ist ja auch nicht gerade so, dass die „misstrauischeren“ Mitbürger selbst einen besonders großen Unterschied zwischen ausländischen Staatsbürgern und deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund machen würden.
    Wenn es also mal heißt „der Verdächtige ist ein 28-jähriger Deutsche“, und in der nä. Ausgabe wird sein Name als José Jussuf Y. angegeben (oder sonstwie „ausländisch“ klingend), dann werden die üblichen Verdächtigen wie sonst auch „Wusst‘ ich’s doch!“ sagen oder schlimmeres.

    Ergo müsste man bei Deutschen immer „mit/ohne (bekannten) Migrationshintergrund“ schreiben. Ich weiß nicht, ob der Aufwand das Ergebnis rechtfertigen würde.

  4. Ich bin ja nicht Gast, aber wenn es „Misstrauen“ erregt, dass Zeitungen die Staatsangehörigkeit von Verdächtigen nicht erwähnen, dann sollte es auch „Misstrauen“ erregen, wenn der fehlende oder vorhandene Migrationshintergrund von Verdächtigen nicht erwähnt wird.

    Und es ist ja auch nicht gerade so, dass die „misstrauischeren“ Mitbürger selbst einen besonders großen Unterschied zwischen ausländischen Staatsbürgern und deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund machen würden.
    Wenn es also mal heißt „der Verdächtige ist ein 28-jähriger Deutsche“, und in der nä. Ausgabe wird sein Name als José Jussuf Y. angegeben (oder sonstwie „ausländisch“ klingend), dann werden die üblichen Verdächtigen wie sonst auch „Wusst‘ ich’s doch!“ sagen oder schlimmeres.

    Ergo müsste man bei Deutschen immer „mit/ohne (bekannten) Migrationshintergrund“ schreiben. Ich weiß nicht, ob der Aufwand das Ergebnis rechtfertigen würde.

  5. @1 gast

    Deustche sind Deutsche wenn sie einen deutschen Pass haben. Punkt.
    Die Kategorisierung in deutsch seit einer Generation, 3, 5 oder 25 ist purer Bullshit und führt zum Vierteljuden und anderem Dreck.
    Read your Klemperer!

  6. @6 Schnellinger
    „Deutsche sind Deutsche wenn sie einen deutschen Pass haben. Punkt.“
    Da muss ich Ihnen zustimmen. Man sieht an diesem Punkt immer wieder, dass das klassische deutsche Staatsbürgerschaftsrecht (ius sanguinis) weiter extrem tief in den Köpfen verankert ist. So als könnte es irgendeinem pragmatischen Zweck dienen, auch noch über Generationen hinweg Buch zu führen, ob jemand „wirklich“ Deutscher ist. Da lobe ich mir das französische Konzept: es ist einfach klarer und sinnhafter.

  7. Jede Straftat hat ihren Hintergrund, ihre Vorgeschichte in der Personalie des Täters, die aus der Sicht des Opfers und der Außenstehenden immer auf die Frage hinausläuft: Warum?
    Wer nun diese Frage simpel mit den ethnischen Wurzeln des Täters beantwortet haben möchte, dem kann man mit regelmäßigen Angaben zur Nationalität nicht helfen.
    Für Leute, deren Ängste eher diffus sind, die aber bereit sind, sich selbst auch zu hinterfragen, ist dieser „Verstoß“ gegen den Pressekodex sicherlich sinnvoll.

  8. @Schnellinger:
    Ich gebe Ihnen absolut recht, sowohl von der juristischen Definition her als auch bzgl. solcher Exzesse wie 3/4-Deutscher oder 3/8-Polin und dergleichen. Aber meinetwegen könnte man die Staatsbürgerschaft auch komplett weglassen, soll heißen, _mich_ müssen Sie nicht überzeugen.

    Überzeugt werden sollen Leute, die keinen (großen) Unterschied zwischen „dt. Staatsbürgern mit Migrationshintergrund“ und „dt. Einwohnern mit Migrationshintergrund“ machen.
    Und wenn das Erwähnen der einen Sache erlaubt ist, warum sollte das Erwähnen der anderen Sache verboten sein?

    Weil es Migrationshintergrund erster und zweiter Klasse gibt?

  9. @Mycroft
    Ich finde ja schon das Wort „Migrationshintergrund“ prinzipiell schrecklich. Wie ein Rucksack den man mit sich herumschleppen muß, ob man sich davon gelöst hat oder nicht, ausschlaggebend sind am Ende immer nur Hautfarbe und Namen. Und weil nicht definiert ist wie lange man „Migrationshintergrund“ behält. Bei hunderttausenden Nachkommen der „Ruhrpolen“ mit -ski am Ende spricht niemand mehr davon, beim Enkel eines -demirs der vielleicht schon seit 1950 hier lebt hingegen schon. Kinder aus binationalen Ehen, haben die „Migrationshintergrund“ oder nur einen ½?
    Hat der Abkomme von Hugenotten deMaiziere noch einen „Migrationshintergrund“, spricht man bei seit 50 Jahren hier lebenden Franzosen deren Kinder mittlerweile einen deutschen Pass haben von „Migrationshintergrund“?
    Komischerweise nie, den drohenden „Hintergrund“ haben fast immer jene aus südlicheren Ländern und vor allem Muslime. Oder jene die dafür gehalten werden.
    Mir ist das alles viel zu schwammig als das man mit diesen Begriffen ernsthaft hantieren könnte.

  10. Woher wissen die Zeitungsmenschen ob Deutscher oder andere beteiligt sind? Was ist mit Menschen mit Doppelter Staatsbürgerschaft? Was ist mit Menschen mit unklarem Aufenthaltsstatus oder mit denen die Staatenlos sind? …

    Ich finde diese Maßnahme in so vielen Punkten bedenklich …

    Vielleicht sollte die Sächsische Zeitung den Artikeln mit ausländischen Inhalten gleich eine schwarz/rot/goldene Umrandung mitgeben … da haben es die Erbsenzähler nicht so schwer mit dem Lesen …

    Erbärmlich dieses Einknicken vor der braunen Flut …

  11. Ich würde der Einschätzung des Hr. Schwab zustimmen: Kann man schon machen, aber bei Leuten deren Vorurteile schon verfestigt sind wird auch das nichts helfen.

    Der Artikel der SZ zur Begründung ihrer neuen Vorgehensweise ist inhaltlich gut, hebt aber auch explizit auf das Ziel des Minderheitenschutzes ab (die beiden „Zwischenüberschriften“ im Text lauten „Unser Ziel: Minderheiten schützen“ und „Ausländer sind nicht krimineller“). „A-HA! Daher weht der Wind!“ denkt der Pegida-affine Leser.

    Die SZ schreibt weiter „Es liegt uns sehr am Herzen, [..] Flüchtlinge [..] zu schützen und sie vor Diskriminierung zu bewahren“ – der Pegida-Mensch liest „Uns geht es nicht um die Wahrheit, sondern darum, Flüchtlinge in kein schlechtes Licht zu rücken“.

    Die SZ schreibt „[Wir werden] künftig die Herkunft von Straftätern oder Verdächtigen in jedem Fall angeben“ – der Pegida-Mensch liest „Weil wir gemerkt haben, dass wir die Leute durch einfaches Weglassen der Herkunft nicht mehr täuschen können, versuchen wir es jetzt mit einer anderen Taktik“.

    Auch die SZ selbst macht sich keine Illusionen darüber, dass ein gewisser Anteil der Leser sich in seinen Ansichten nicht mehr beirren lassen will und für einen Diskurs darüber, was hier denn überhaupt die Wahrheit ist, schlichtweg verloren ist – genau der Anteil, der sich über das bisherige Weglassen der Herkunft am lautesten beschwert hat.

    Erreichen kann man mit so einem Experiment wie immer nur diejenigen, die noch bereit sind ihren Standpunkt zu überdenken. Allein dafür ist es aber in meinen Augen einen Versuch allemal wert.

  12. @ 11 HERDIR
    „Woher wissen die Zeitungsmenschen ob Deutscher oder andere beteiligt sind?“
    In der Regel aus dem Polizeibericht (s.o.). Die Feststellung der Personalien gehört zum kleinen Einmaleins der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Die Zeitungsmenschen recherchieren normalerweise ja nicht selbst, sondern entscheiden in der Regel nur, was sie aus dem Polizeibericht weglassen, umschreiben oder dazu erfinden.
    „Erbärmlich dieses Einknicken vor der braunen Flut“.
    Ein Totschlagargument. Der Pressekodex ist nicht gottgegeben. Wer ihn schon immer ignoriert hat, muss jetzt nicht „einknicken“. Ist er deshalb besser als die Sächsische? Siehe auch den Bericht des BR unter #2. Ist der BR etwa ein brauner Sender?

  13. @Schnellinger#10:
    Vorfahren, die vor der Hugenottenverfolgung geflohen sind, zählen nicht als Migrationshintergrund, Eltern, die im Ausland geboren wurden oder im Inland als Ausländer geboren wurden, schon.
    Die Definition des Statistischen Bundesamtes ist ziemlich unschwammig. Die Franzosen, die seit 50 Jahren hier leben, haben einen Migrationshintergrund, und ihre hier geborenen Kinder mit dt. Pass auch. (Mag sein, dass manche Leute bei „Migrationshintegrund“ mehr an Muslime denken, ich tu das jedenfalls nicht.)
    Rd. 20% aller Einwohner haben einen Migrationshintergrund, das sehe ich an meiner Familie: rd. 21% meiner Vettern und Cousinen haben einen, und eine Cousine von mir ist selber Migrantin, ich weiß jetzt nicht, wo man die verbuchen muss.

    Gegenfrage: Ist es zur Einordnung der NSU-Morde wesentlich, dass die Opfer einen Migrationshintergrund hatten, die Täter hingegen nicht?

  14. @Andreas Müller
    Die (sächsische) Polizei ist natürlich dahingehend geschult darauf zu achten keine missverständlichen Formulierungen in die Polizeiberichte zu bringen …

    Deutscher mit südländischem Aussehen stahl ein Fahrrad oder eher Unbekannter mit südländischem Aussehen stahl ein Fahrrad oder sonnenbankgebräunter Deutscher stahl ein Fahrrad …

    Für wen wird das nochmal gemacht? Steigert das das Sicherheitsempfinden wenn ich Vermutungen mitlesen muss? Wird dann im Nachgang korrigiert wenn eine Nationalität falsch angegeben worden ist?

    Was hat die Nationalität mit Strafen zu tun? …

  15. @Herdir#16:
    Wenn man das Aussehen eines Menschen beschreibt, kann man ihn womöglich schneller finden.
    Wobei ich hoffnungslos überfragt bin, was gemeint sein soll, wenn jemand „slawisch“ aussieht.
    Eine Cousine von mir sieht angeblich „chinesisch“ aus. Eine andere Cousine (mit „nordafrikanischem“ Aussehen) meint, das läge an den Mongolen. Die meisten von denen haben zwar keine blonden Locken, aber dessenungeachtet.

  16. @Mycroft
    Das versteh ich schon … wobei ich mich immer schwertue mit dem „französisches Aussehen“ … aber naja …

  17. @16 HERDIR
    „Deutscher mit südländischem Aussehen stahl ein Fahrrad“
    Sie rühren hier Dinge zusammen, die nicht zusammengehören. Entweder Sie liefern eine Beschreibung des Täters, den sie noch suchen. Dann können Sie nicht wissen, ob es ein Deutscher war oder nicht. Oder Sie wollen etwas über die Identität eines ergriffenen Tatverdächtigen sagen. Dann ist sein Aussehen belanglos und hat im Bericht nichts mehr verloren :-)

    „Was hat die Nationalität mit Strafen zu tun?“
    Eigentlich nichts. Wer behauptet etwas anderes? Es geht nicht um Strafe, wenn die Nationalität berichtet wird, sondern darum, dass die Bürger sich einen Eindruck von der tatsächlichen Lage machen können. Wenn im Jahr 1 nach der Massenankunft von Syrern, Irakern und Afghanen, ständig diese Nationalitäten in Polizei- und Zeitungsberichten auftauchen würden, würde sich der geneigte Leser denken: „Sind wohl nicht nur Schutzsuchende, war vielleicht nicht so eine tolle Entscheidung. Das sollten wir beim nächsten Mal schlauer machen und vielleicht jetzt schon die Regierung auswechseln, die das verbockt hat.“ Genau deshalb ist es ja in Wirklichkeit aktuell höchst unerwünscht, nicht etwa aus hehren humanitären Gründen.
    In der Praxis hat Nationalität leider doch etwas mit Strafe zu tun: Wenn der Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft diese anzündet und das Leben seiner Mitbewohner gefährdet, wird er tendenziell weniger hart bestraft als ein Deutscher, der eine unbewohnte Unterkunft anzündet. Auch in dieser Richtung ist das sehr ungut, aber es gibt viele Wohlmeinende, die das so herum gar nicht (ein)sehen wollen.

  18. @schnellinger #6:

    Da haben Sie auch meine Einstellung überzeugend wiedergegeben. Leider überzeugt „die“ das trotzdem nicht im geringsten.

    Solange nicht grundsätzlich immer in allen entsprechenden Fällen von autochtonen deutschen Tätern geschrieben wird und die Meute stets bei jedem mit MiHiGru diese Tatsache „aufdecken“. Das erzeugt eine psychologische, empfundene Repräsentativität, die für deren Ziele genügt.

    Mache man daraus, was man will. Wer die Vorstellung, bei jeder Tat ein feinstdetailliertes völkisches Profil mitzuliefern, als widerwärtig empfindet, hat ein Problem im unfairen Kampf um die Köpfe.

    Das geht dann z.B. mir so.

  19. „Gegenfrage: Ist es zur Einordnung der NSU-Morde wesentlich, dass die Opfer einen Migrationshintergrund hatten, die Täter hingegen nicht?“

    In dem Fall sollte der ostdeutsche Migrationshintergrund sollte nicht verschwiegen werden, geht es doch bei „Täter mit Migrationshintergrund“ meist um kulturelle Prägungen, ergo….
    Meine in 3. Generation hier lebenden Frankfurter Achmed-Nachbarn sind mir kuturell bedeutend näher als der bildungsferne Bonehead-Nachwuchs mundloser Böhnhards aus zonalen Plattenbauten.

  20. @Schnelliger:
    Da das Gebiet der damaligen DDR zur heutigen BRD gehört, zählt das nicht als Migrationshintergrund. Beschweren Sie sich bitte diesbezüglich beim Statistischen Bundesamt.*g

    Zu den Opfern des NSUs gehören offenbar drei Deutsche, eine Polizistin, ein Kioskbesitzer und ein Internet-Cafe-Betreiber. Das Verbrecher was gegen Strafverfolgungskräfte haben, ist bekannt, aber was hatten die nur gegen Kioske und Internet-Cafes?
    Wenn der vorhandene/fehlende Migrationshintergrund der Opfer genannt wird, dann eben auch der der Täter.

  21. @Mycroft
    Aber über den vorhandenen/fehlenden Migrationshintergrund kann man beim Täter doch nicht sprechen bis er überführt und verurteilt ist. Währenddessen wird doch aber bei dem/n Opfer/n über den vorhandenen/fehlenden Migrationshintergrund berichtet …

    Und bei den Berichten über die Opfer des NSU wurde doch der Migrationshintergrund erwähnt … nur eben nicht entsprechende Schlussfolgerungen gezogen sondern vorverurteilende Behauptungen aufgestellt: Schutzgelderpressung, landestypische Familienfehden usw. …

  22. @Herdir:
    Dass aus der Nennung des Migrationshintergrundes bei den Opfern die falschen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Verdächtigen (Sie haben Recht, in der Berichterstattung sind es nicht immer „Täter“) gezogen werden, ist in der Tat ein Übel.
    Das lag hier aber nicht am Wort „Migrationshintergrund“, das lag daran, dass Strafverfolgungsorgane und Medien vorurteilsbelastete Annahmen getroffen haben. Wenn Journalisten und Justiz schon nicht in der Lage sind, sich von ihren Vorurteilen zu lösen, welche Chance hat dann das normale Publikum, das sich auf Justiz und Journalismus verlassen muss?
    Der Migrationshintergrund hatte ja wirklich mit dem Mordmotiv zu tun, im fraglichen Fall hätte also nichts gebracht, einfach so zu tun, als gäbe es ihn nicht.

  23. @Mycroft
    Was soll sich dann ändern an der Nennung der Staatenzugehörigkeit von der Polizei an die Presse und von denen an die Konsumenten, wenn schon in vorangegangenen Fällen die Staatenzugehörigkeit von der Polizei zu falschen und grundlosen Verdächtigungen geführt hat? bzw. Wer achtet auf die genaue Prüfung der Zuordnung von Menschen? Ist zu erwarten, dass die Polizei eine politisch (und formal) korrekte Bezeichnung findet oder wird das entsprechend bei der Presse geprüft und ggf. im Nachgang korrigiert? („Der gesuchte dunkelhäutige Täter hat keinen Migrationshintergrund. Er wurde genau wie seine Eltern in Deutschland geboren und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft.“) …

  24. Was die SZ treibt, ist ein Kniefall vor den Rassisten unter ihren Lesern. Welchen Sinn hat es für einen Leser, den DNA-Code eines Täters zu erfahren, als einen rassistischen Sinn? Erbärmliche Leistung der Verantwortlichen. Ich habe selbst mal für die als Polizei- und Gerichtsreporter gearbeitet und entsinne mich an ein Treppenhausgespräch mit dem damaligen Redaktionschef für die Dresdner Ausgabe über zunehmende Übergriffe auf nichtweisse Deutsche, verbale Frechheiten gegen alles ohne Arierknochen im Schädel , verfassungswidrige Blutentnahmen bei eingereisten Roma und Sinti durch Beamte des LKA, willkürliche Polizeikontrollen von Afrikanern, Vietnamesen, Schwulen und anderen, die nicht dem sächsichen Reinheitsgebot entsprachen, an jeder Straßenecke, sobald sie sich außerhalb der Touristenzonen bewegten usw. usf.. Die finale Aussage dieses Redaktionschefs deckt sich mit dem, was ich hier lese: „Unsere Leser nehmen das aus ihrer Perspektive wahr. Wir orientieren uns daran.“ So etwas nenne ich Bankrott-Journalismus. Die hatten noch nie alle Latten am Zaun.

  25. @Schnellinger 21:
    Ah, da haben wir es wieder.
    Vorurteile sind allerunterste Schublade, aber die Zonis sind alle Nazis.
    Ja nee, is klar.
    Jedem sein Vorurteil.
    Deshalb war wohl auch die größte Anti-IrgendwasGida Demo in Leipzig (30.000) und deshalb stammt die aktuell aktivste linke Anti-Bewegung aus der Heimatstadt der NSU-Brüder, Jena.
    Besser auch nicht so betonen, wo der gewählte Westsachse des Jahres 2014 geboren ist und wie er sich engagiert (https://de-de.facebook.com/projekt.misside/posts/746899055380495).

    Liebe nicht darüber berichten. Das passt nicht so ins Ossi-Klischee. Verkauft sich im Westen gar nicht!
    Nur wenn Nazis, verfallende Städte, Armut und die-verprassen-unser-Geld (für-Gebäude/Firmen-die-mit-80%-Wahrscheinlichkeit-einem-Wessi-gehören) Thema sind, kaufen das die Leser (natürlich nur ohne die Klammer).

    Kommt einem diese Art der medialen Auswahl nicht irgendwoher bekannt vor?
    Ich gebe mal ein paar Themen.
    Zu welcher Minderheit passt dieses Agendasetting: Kopftuch, Terror, Gewalt in der Schule?
    Schön, dass „die“ Medien alle Minderheiten hier im Land labeln und sich hinterher über die Vorurteile der Menschen aufregen…

    Aber Personalisierung, Emotionalisierung und Boulevardisierung sind natürlich absolute Einzelfälle? Oder ist fremdenfeindliche Klischees bedienen doch jenes Konzept, das die meisten Zeitungen verkauft und meisten Klicks zieht.

    Was meinen Sie denn, woher die Vorstellungen über „die Ausländer“ in einer Ecke unseres Landes kommen, in der es kaum Ausländer gibt?
    Diese Vorstellungen werden seit Jahrzehnten von diversen Medienkonzernen und Parteien gepflegt. Ich sag mal nur „faule Südländer“ und „Pleitegriechen“ und gefühlt 37 Islam-Cover eines Magazins.

    By the way: der Verfassungsschutz in Thüringen wurde, wie alle Führungsposten im Osten, mit einem gelernten BRD-Beamten besetzt, der in den Folgejahren vornehmlich vor linkem Terror warnte. Muss man aber nicht wissen, sind ja nur blöde Ossis.

  26. @Herdir 16
    &
    @Andreas Müller 19

    Es gibt kriminelle Submilieus, die tatsächlich in bestimmten, dann aber meist kleinen Minderheitengruppen etablieren.

    Der Großteil der Einwanderer in Sachsen insbesondere die Syrer (1,4% der Gruppe als Verdächtige erfasst) und die Iraker (1,9%) sind weniger oder ähnlich auffällig, wie die Einheimischen (1,7%).
    Aber von den etwa 180 Algeriern tauchen über 80% in den Ermittlungsakten der Polizei auf (bereinigt von ausländerrechtlichen Verstößen). Von den fast 1900 Tunesiern 70% – da kann man durchaus von Submilieus ausgehen.
    Und dann macht es auch Sinn die Nationalität zu erfassen.

    (Vgl. S. 16 der oben verlinkten Präsentation der Sächsischen Polizei: https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/LKA/041aXPKS-Praesentation.pdf)

    Nach wie vor sind die entscheidende Merkmal für Devianz Alter (15-25 Jahre) und Geschlecht (männlich). – Wobei die aktuellen Zahlen in Sachsen einen Ausreißer nach oben zeigen: Männer im Alter von über 30 Jahren.

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