Die Autorin
Lisa Kräher hat bei der „Mittelbayerischen Zeitung“ volontiert und lebt als freie Journalistin und Filmemacherin in Nürnberg.
Nach einer schlimmen Gewalttat gehen Medien auf die Suche nach Expert*innen. Meistens nach Psycholog*innen oder Profiler*innen, die dem noch ahnungs- bzw. fassungslosen Publikum erklären sollen, warum jemand eine bestimmte Tat begangen hat.
So war das auch am Donnerstag im rbb-Fernsehen. Nachdem in Postdam vier Menschen getötet wurden – eine fünfte Person wurde schwer verletzt – stand sie natürlich im Raum: die Frage nach dem Warum.
Bei den Opfern, die am vergangenen Mittwoch laut Polizei durch „schwere äußere Gewaltanwendung“ getötet worden waren, handelte es sich um zwei Männer und zwei Frauen, die im Thusnelda-von-Saldern-Haus im Stadtteil Babelsberg lebten; in einem Wohnhaus für Menschen mit Behinderung, das zum christlichen Verein „Oberlinhaus“ gehört.
„Was könnte jemanden dazu bewegen, so eine Tat zu begehen?“, fragte die Sprecherin des Beitrags, der am Donnerstagabend im Magazin „zibb – Zuhause in Berlin & Brandenburg“ lief. Polizeipsychologe Dr. Gerd Reimann lieferte gleich mehrere mögliche Gründe:
„Als erstes natürlich schwere Konflikte zwischen Täter und den Opfern. Zum Zweiten natürlich auch eine dramatische Überforderung des Täters in dieser Situation. Es kann aber auch sein, dass eine Motivation dahinter steht, die Leute zu erlösen von Leiden, die vielleicht sogar unheilbar sind.“
Der Experte von der Polizei spricht im Kontext einer brutalen Gewalttat gegen Menschen mit Behinderung tatsächlich von „erlösen“ als Motiv. Gut, er hat in Psychologie promoviert und nicht in Geschichte. Trotzdem sollte er wissen, dass der Begriff „Erlösung“ in diesem Zusammenhang eher so im Jahr 1941 üblich war.
Die viel drängendere Frage ist allerdings: Warum sendet der rbb diese Aussage überhaupt so oder ordnet sie nicht wenigstens kritisch ein?
Eine Antwort: Weil sich viele Medien nach wie vor sehr schwer damit tun, über Menschen mit Behinderung zu berichten. Und vor allem über Gewalt gegen Menschen mit Behinderung. Weil sie wahrscheinlich gar nicht so richtig bemerkt haben, was das Problem an einem Zitat wie dem von Reimann ist.
Bei der Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen hat sich, wenn auch schleppend, etwas gebessert: Das Sie-war-freizügig-gekleidet-Argument, mit dem man Frauen eine Mitschuld an ihrer Vergewaltigung unterstellt, würde heute zumindest von offizieller Seite so kein Experte im Fernsehen mehr vom Stapel lassen. Und wenn, dann gäbe es einen medialen Sturm der Entrüstung.
Lisa Kräher hat bei der „Mittelbayerischen Zeitung“ volontiert und lebt als freie Journalistin und Filmemacherin in Nürnberg.
Das Zitat, das im rbb gesendet wurde, folgt allerdings einem ähnlichen Narrativ: Menschen mit Behinderung würden Konflikte verursachen, sie seien anstrengend („Überforderung“) und deshalb irgendwie mitverantwortlich für so eine Tat. Und sie würden an ihrer Behinderung leiden.
Das alles schafft Verständnis für die Person, die die Tat begeht, im Potsdamer Fall wohl eine 51-jährige Frau, die für das Oberlinhaus gearbeitet hat. Die Gründe „Überforderung“ und „Erlösung“ entsprechen hier sozusagen dem „Minirock“-Argument. Eine Art von „Victim Blaming“, zu Deutsch: Täter-Opfer-Umkehr.
Der rbb ist nicht alleine, wenn es darum geht, Verständnis für die mutmaßliche Täterin zu schaffen. Für die „B.Z“ haben zwölf Reporter*innen folgendes zur sogenannten „Tragödie“ in Potsdam recherchiert:
„Menschen, die sie kennen, beschreiben sie als starke Frau. Zusammen mit ihrem Mann Timo, der als Hausmeister arbeitet, zog sie zwei Söhne groß. Ihr jüngster arbeitete an einer Tankstelle, der älteste ist schwerstbehindert. ‚Er ist Autist, lebt auch in der diakonischen Einrichtung‘, so eine Nachbarin. ‚Ich habe Ines immer bewundert, wie sie das alles schafft. Die Altenpflege und dann das mit ihrem Sohn‘, sagt die Frau.“
Soll das heißen, dass es eine Tat wie diese nachvollziehbarer oder wahrscheinlicher macht, wenn das Kind Autismus hat? Und wie ist es für Autist*innen oder, wie es im Text heißt, „schwerstbehinderte“ Menschen, einen Satz wie diesen zu lesen?
Außerdem: Wenn schon zwölf Reporter*innen an der Story beteiligt waren, hätte man auch ein bisschen mehr über die Opfer schreiben können. Dennoch geht es im „B.Z.“-Artikel um sie nur am Rande. Wie alt sie waren, ist da zu lesen. Und dass eines der Opfer vor Jahren bei einem Autounfall schwere Hirnschäden erlitten hatte und offenbar die Tante von jemandem war. Sonst steht nicht viel mehr im Artikel.
Stattdessen werden die Getöteten im „B.Z.“-Text verniedlichend als „Schützlinge“ bezeichnet. Nur ein Beispiel für die behindertenfeindliche Sprache, die bei der Berichterstattung über die Gewalttat in Potsdam immer wieder auffällt. Auch der Potsdamer Oberbürgermeister wird in vielen Texten zitiert, wie „aufopferungsvoll“ sich die Pflegekräfte in den Einrichtungen des Oberlinhauses um die Bewohner*innen kümmerten. Das ist vielleicht wertschätzend gemeint. Stellt aber Pflege so dar, als sei sie keine Dienstleistung, sondern eben ein Opfer, das die Mitarbeiter*innen bringen.
Auch die Autorin und Aktivistin Laura Gehlhaar kritisierte die ableistische Art der Berichterstattung auf Twitter:
Medien & Politik, hört auf von den „besonders Schutzlosen“ oder „Schwächsten“ zu sprechen. Das ist #othering und #ableismus in seiner Höchstform! Ihr macht eine Spaltung in IHR und WIR auf. Hört auf damit! #potsdam @derspiegel #zdfmagazin @Tagesspiegel
— Laura Gehlhaar (@LauraGehlhaar) April 29, 2021
In einem Video bei „Bild.de“ war die Rede davon, dass die Toten in ihren „Krankenzimmern“ aufgefunden worden seien. Andere Medien bezeichnen das Saldernhaus fälschlicherweise als Klinik. Was den Eindruck befeuert, als sei Behinderung gleich Krankheit. Es ist korrekt, dass im Saldernhaus auch Menschen leben, die schwere Schädel-Hirn-Verletzungen erlitten haben. Dennoch: Die Tatorte waren die Zimmer der Opfer. Ihr Zuhause, in dem sie seit Jahren lebten.
Der rbb hat am Donnerstagabend in einem viertelstündigen „Spezial“ die Tat genauer beleuchtet. Darin läuft unter anderem ein Beitrag über die verschiedenen Angebote der christlichen Einrichtungen, zusammengeschnitten aus Archiv-Material der vergangenen Jahre. Allein durch die Anmoderation wirkt dieser kaum noch redaktionell, sondern eher wie ein Imagefilm: „Das Oberlinhaus ist als christliche Einrichtung stolz auf ein ‚Mehr an Zuwendung‘“. Fast genauso steht es auch auf der Homepage des Unternehmens.
Die drei Minuten des Beitrages hätte man auch dafür nutzen können, das Thema Gewalt gegen Menschen mit Behinderung, speziell in Einrichtungen, als strukturelles Problem aufzugreifen. Oder die Wohnformen zu hinterfragen, in denen viele Menschen mit Behinderung leben. „Denn diese Heime sind ‚totale Institutionen‘. In ihnen werden aus Sicht der Öffentlichkeit behinderte Menschen leicht und effektiv versorgt, aber diese Systeme sind anfälliger für Gewalt“, schreibt der Menschenrechtsaktivist Raul Krauthausen im Magazin „Neue Norm“.
Menschen mit Behinderung sind von sexualisierten, körperlichen und psychischen Übergriffen zwei bis viermal häufiger betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Im Januar war zum Beispiel bekannt geworden, dass Mitarbeiter*innen in einer Einrichtung im nordrhein-westfälischen Bad Oeynhausen Bewohner*innen illegal fixiert, eingesperrt und verletzt haben sollen.
Auch das ist ein Thema, das man in der Berichterstattung zu Potsdam nochmal hätte aufgreifen können. Das Podcast-Radio „detektor.fm“ hat das am Freitag als eines von wenigen Medien getan.
Die „Potsdamer Neueste Nachrichten“ suchten sich stattdessen auch einen „Profiler“ und überschrieben das Interview mit dem Zitat „Ein sehr ungewöhnlicher Fall”. Der Kriminalist, der auch als „Berater des Bremer ‚Tatorts'“ vorgestellt wird, erklärt darin, dass die Behinderung der Opfer „tatsächlich ein Ansatz für eine Erklärung sein“ sein könnte. Man hätte jetzt fragen können, ob das öfter vorkommt, dass Menschen in Einrichtungen Gewalt erfahren. Stattdessen kommt:
„Sie meinen Kriminalfälle, bei denen Täter eine Form von Sterbehilfe leisten wollen?“
Wobei wir wieder beim Argument „erlösen“ wären.
Dass Art und Weise der Tat „in diesem Einzelfall“ sehr ungewöhnlich seien, wie der Kriminalist sagt, mag stimmen, und es ist wichtig, nicht zu spekulieren. Sicher spielt der psychische Zustand der mutmaßlichen Täterin eine Rolle. Aber strukturelle Gewalt in Einrichtungen in diesem Kontext zu erwähnen und Opferperspektiven einzunehmen – wenn man schon „Spezial“-Sendungen zum Thema macht – unterstellt der Verdächtigen in diesem „Einzelfall“ ja noch nichts.
Als Einzelfälle werden auch Morde an Frauen immer wieder dargestellt. Häufig ist da verschleiernd von einem „Beziehungsdrama“ die Rede.
Es gibt dafür ein Wort: „Femizid“. Auch wenn der Begriff längst nicht flächendeckend etabliert ist, nutzen ihn doch mittlerweile einige Medien. Es ist ein Wort, das den geschlechtsspezifischen Charakter einer Tat beschreibt, also ausdrückt, dass eine Frau Opfer wurde, weil sie eine Frau ist. Es ist ein Begriff, der Bewusstsein schafft. Für Gewalt an Menschen mit Behinderung scheint so ein Bewusstsein noch zu fehlen.
Grundsätzlich einverstanden! Dennoch sehe ich es nicht so offensichtlich wie die Autorin. Es ist richtig, dass Menschen mit Handicap nicht zwangsläufig „schutzbedürftiger“ sind, aber bei einigen ist eine Verwundbarkeit sicher augenscheinlicher. Daher kann ich in gewissem Maße nachvollziehen, dass die Kommunikation nicht immer ganz intuitiv ist. Dem eingangs zitierten Polizeipsychologen würde ich auch dahingehend entlasten wollen, da er ja mögliche Motive aus Sicht der Täter beschreibt. Das ein Täter mit „Erlösung“ als Motiv fehlgeleitet ist, ist ja vorstellbar, wenn auch weiterhin furchtbar.
Schwierige Gradwanderung. Zum einen geht es um den Täter, er hat etwas getan. Da möchte man natürlich auch wissen warum. Und bloß weil man die Begründung des Täters hinschreibt, muss der Leser ihr nicht zustimmen. Zu viele Verständnis darf man für die Tat aber auch nicht wecken – Erlösung ist für mich die falsche Wortwahl hier.
Diese absolute Opferzentrierung finde ich aber auch schwierig. Solche Opfer sind quasi zufällig, auch wenn sie mit ihrer Behinderung ein verbindendes Element aufweisen. Ihnen wurde etwas angetan. Aber hätten sie gewollt, dass Journalisten ihr Leben aufschreiben, „um den Opfern ein Gesicht zu geben“, wie es so oft heißt? Vielleicht, vielleicht nicht. Man weiß es nicht.
Vielleicht sollte man öfter abstrahieren und mehr über das System berichten. Hier eben: Wie gehen wir mit Behinderten um, wie bilden wir die Betreuer aus etc. Leider ist das nicht sexy, die Journalistenpreise bekommen dann doch wieder die menschelnden Reportagen über Täter oder Opfer.
@Theodorant
So hatte ich die Aussagen des Polizeipsychologen auch verstanden. Wenn ein Psychologe die Morde eines Serienkillers an Rothaarigen damit erklären würde, dass der Killer rote Haare für unnatürlich hält und deshalb „für Ordnung sorgen wollte“, würde ich das ja auch nicht als akzeptablen und verständlichen Grund annehmen, selbst wenn es tatsächlich das Motiv des Täters war. Insofern liegt das Problem in meinen Augen weniger darin, dass dieser konkreten Aussage nicht widersprochen wurde, sondern eher darin, dass bei der Thematik die größeren Zusammenhänge nicht aufgezeigt werden. Anstatt sich also in diesem Fall darauf zu konzentrieren, was es mit der Täterin auf sich hat und wie tragisch das alles ist (was zweifelsohne zutrifft), sollte man den Fall lieber als Ausgangspunkt dafür benutzen, in welcher Position sich beeinträchtigte Menschen in unser Gesellschaft befinden und welchen Strukturen sie ausgeliefert sind. Zumindest in meinem Umfeld würde wohl beispielsweise keiner die Benennung von Überforderung auf Seiten der Täterin als Relativierung der Tat verstehen, aber es wäre sicherlich hilfreich, wenn es an dieser Stelle nicht aufhört, sondern der Frage nachgegangen wird, ob da ein strukturelles Problem dahinterstehen könnte und wie dieses gegebenenfalls angegangen werden sollte.
Vorweg: Victim-Blaming wird zurecht kritisiert.
Aber, ich finde beinahe schon boshaft, was hier alles als Entschuldigung oder Verständnis heischen ausgelegt wird. Die vorherigen Kommentare sind ja bereits darauf eingegangen das ‚Der Täter gab Grund X als Motiv an‘ nicht das Gleiche ist wie ‚X ist ein guter Grund.‘
Völliges Unverständnis habe ich für diesen Absatz
„Soll das heißen, dass es eine Tat wie diese nachvollziehbarer oder wahrscheinlicher macht, wenn das Kind Autismus hat? Und wie ist es für Autist*innen oder, wie es im Text heißt, „schwerstbehinderte“ Menschen, einen Satz wie diesen zu lesen?“
Es hat wirklich absolut niemand behauptet, nahegelegt oder auch nur am Rande impliziert, dass das Autistische Kind die Tat nachvollziehbarer macht. Wirklich niemand. Woher diese Unterstellung kommt ist mir völlig schleierhaft.
Genauso fraglich ist der nächste Satz. Erstmal weil der Bezug unklar ist. Denn worauf sich ‚einen Satz wie diesen‘ genau bezieht ist, bei fünf zitierten Sätzen nicht eindeutig. Davon unabhängig wäre das aber tatsächlich eine gute Journalistische Frage. Wenn man sie nicht stellvertretend betroffen schwergewichtig in den Raum, sondern stattdessen tatsächlich Betroffenen stellt. Meine, natürlich genauso unmaßgebliche Vermutung wäre, dass viele Schwerstbehinderte kein Problem damit haben, wenn Leute die einen anspruchsvollen Beruf und die Pflege eines schwerstbehinderten Angehörigen meistern, dafür bewundert werden. Und mehr steht in dem Zitat erstmal nicht.
Man kann natürlich die Frage stellen, warum der persönliche Hintergrund von Tätern relevant ist. Die Antwort ist immer gleich: man fragt sich wie kommt jemand zu sowas. Und das jemand der Menschen mit Behinderung umbringt einen Sohn mit Behinderung hat ist etwas das interessiert. Aber Interesse ist doch nicht das Gleiche wie Entschuldigung…
Ich gehe anhand der zitierten Stellen davon aus, dass „Erlösen“ die mutmaßliche Motivation der Täterin darstellen soll, meinetwegen sogar in Anlehnung an die Nazis, und kein Begriff ist, den sich Reimann selbst zu eigen macht oder als Rechtfertigung verstanden wissen will. Aber man hätte ihn ja ‚Erlösen‘ schreiben können.
Allerdings finde ich schon, dass die Berichterstattung insgesamt schon mehr auf Empathie mit der „armen Frau“ getrimmt ist als auf Empathie mit den Opfern.
Der Begriff „Femizid“ macht männliche Opfer unsichtbar, btw.
@Marvin
„Da möchte man natürlich auch wissen warum.“
Da liegt der Fehler, dass wir zu sehr darauf trainiert sind, die Dinge aus Täterperspektive wahrnehmen zu wollen. Es sollte eben nicht „natürlich“ sein.
@5: Ein Täter ist aktiv, er tut etwas. Aktion, Bewegung. Ein Opfer ist dagegen passiv, ihm passiert etwas. Ich würde behaupten, dass wir uns immer dafür interessieren werden, warum jemand etwas tut. Gerade bei solchen Taten.
Wenn wir als Gesellschaft wissen, warum etwas passiert, können wir wiederum etwas dagegen tun und vielleicht zukünftige Opfer vermeiden. Wie gesagt, das System drumherum beschreiben ist wichtig. Nicht nur den Täter und die Opfer
Warum ist es so schwer zu sehen, dass das Besondere an diesem Fall ist, dass das Normale den Opfern verwehrt wird?
Die Gefahr besteht, dass der Mord an Menschen mit Behinderungen zu einem Mord 2. Klasse zu gemacht wird. Dass auf den Täter fokussiert wird, weil das Leben der Opfer irgendwie weniger wert sei, irgendwie so schwer und voller Leid, ja irgendwie gar eine Belastung für die spätere Mörderin.
So ein bißchen unwert, so ein wenig Euthanasie.
Jeder Profi zumindest, ob Behörde oder Medien, sollte sich dessen bewußt sein.
Andere Opfer werden dadurch natürlich nicht abgewertet, weil deren Lebensqualität ja nie grundsätzlich angezweifelt wurde, wie es Menschen mit Behinderungen immer wieder erleben müssen.
Und da sind wir auch bei dem Motiv „all lives matter“, welches @MYCROFT so bereitwillig in der Variation „der Begriff Femizid macht männliche Opfer unsichtbar“ anklingen liess.
Wer Femizide beklagt, versucht die Gefährdung sehr viele Frauen in Beziehungen an die Öffentlichkeit zu zerren. Und natürlich geht es niemals darum irgendwelche Opfer „unsichtbar“ zu machen. Unsichtbar machen wollen im Gegenteil diejenigen, denen diese Erwiderungen ein Anliegen sind (ich weiss nicht, wie ernst Mycroft das meinte).
Ob es die Absicht ist, Opfer unsichtbar zu machen, ist ja relativ egal.
Ich sehe hier zum Beispiel auch nicht die Absicht, Behinderte unsichtbar machen zu _wollen_, aber das ist der Effekt, der sich einschleicht.
Das könnte natürlich auch ins genaue Gegenteil umschlagen: „Pflegekraft bringt die um, denen Sie helfen – wie konnte sie nur?“ Und ähnlich reißerische Überschriften.
@MYCROFT:
Systemisch Benachteiligte werden aktiv benachteiligt. Sie sind Objekte der Benachteiligung und müssen idR darum kämpfen, zu Subjekten ohne Benachteiligung zu werden.
Wenn sie das tun, wird ihnen heute im nächsten Move dann vorgeworfen, identitär zu egoisieren und irgendeinem größeren Ganzen zu schaden.
Eine Lose-Lose Situation. Das geht dann soweit, dass den diversen Emanzipationsbewegungen von pseudo-linker Prominenz noch vorgeworfen wird, sie trügen die Verantwortung für das Scheitern der linken Ziele seit Zusammenbruch des eisernen Vorhangs.
Nicht Schröder/Blair und Co, nicht Entfesselung der Märkte und der Privatisierungswahn der folgte, nein, LGBTq und PoC sind verantwortlich.
Um Gleiches immer gleich behandeln zu können, muss die Benachteiligung erst einmal abgeschafft werden.
Das ist in etwa so, wie das gefällige Argument gegen die Aufnahme von Migrant:innen, man solle den Menschen in den Herkunftsländern helfen, nicht sie bei uns aufnehmen.
Was natürlich nur Geblubber ist (hallo Sarah). Konsequent hiesse das nämlich, man fängt damit jetzt an, dort zu helfen, dass die Menschen bleiben können und wenn das geschafft wurde, redet man noch einmal. Denn Absichtserklärungen ändern gar nichts, sollen sie ja auch gar nicht.
Die eigene Familie, die eigene Partnerschaft ist für Frauen ein potentiell sehr gefährlicher Ort. Und zwar weit überproportional gefährlicher, als für Männer.
Der Begriff „Femizid“ macht darauf aufmerksam. Ein AllGenderMatter ( transfer :D ) soll auch hier nur das Anliegen verwässern.
Das sind jetzt mindestens drei Paar Schuhe.
Natürlich ist man entsetzt, wenn jemand vier Menschen umbringt.
Natürlich hätte man der Person das nicht zugetraut.
Natürlich will man wissen, wieso sie das gemacht hat.
„Erlösung“ soll die Erklärung sein, keine Rechtfertigung oder Entschuldigung.
Das kommt erst durch die übrige Berichterstattung.
Jetzt sind Morde an Pflegebedürftigen durch Pflegekräfte aber überproportional häufig, was die ganze Berichterstattung mit ihrer „kann man nicht begreifen“-Attitüde etwas weltfremd erscheinen lässt.
Zum zweiten Paar Schuhe: wenn ein Mann seine Exfrau, ihr gemeinsames Kind und ihren neuen Mann ermordet, soll das als Femizid bezeichnet werden und nicht Beziehungstat. Nun, als potentiellem Mordopfer wäre mir Beziehungstat trotzdem lieber.
“ „Erlösung“ soll die Erklärung sein, keine Rechtfertigung oder Entschuldigung. Das kommt erst durch die übrige Berichterstattung.
“
Nein, das kommt schon dadurch, dass man den Begriff unkommentiert einführt. Das Framing steht, sogar wenn später der Begriff noch erklärt und/oder relativiert wird. Es gibt nicht wenige Menschen, die nur Schlagzeilen lesen, vielleicht noch ein paar Zeilen am Anfang. Des weiteren werden Zitat-Schnipsel per social-media verbreitet.
Es geht hier ja auch nicht darum, den Psychologen zu dissen, es geht darum, dass er und die anderen zukünftig reflektierter antworten.
In dem erwähnten Beitrag wird ausdrücklich gesagt, es gäbe KEINE Erkenntnisse über die Motive der Tat.
Muss dann eine reine Spekulation über Erlösung und Überforderung erfolgen?
Was ist das für ein Impuls? Man könnte z.B. Raul Krauthausen fragen, wie die Situation von Menschen mit Behinderungen in solchen Einrichtungen im Allgemeinen und Besonderen so ist.
Er könnte etwas von überdurchschnittlichen Missbrauchs- und Vergewaltigungszahlen erzählen.
„Zum zweiten Paar Schuhe: wenn ein Mann seine Exfrau, ihr gemeinsames Kind und ihren neuen Mann ermordet, soll das als Femizid bezeichnet werden und nicht Beziehungstat. Nun, als potentiellem Mordopfer wäre mir Beziehungstat trotzdem lieber.“
Mag ja sein, aber auch das ist verharmlosendes Framing. Dass es immer auch Männer unter den Opfern gibt ändert nichts daran, dass es nach wie vor ein strukturelles Machtgefälle zwischen den Geschlechtern gibt. Die nackten Zahlen belegen das eindeutig.
Beziehungstaten sind ein Euphemismus übelster Machart.
Da ist eine Person entweder überfordert- oder gar in seinen Gefühlen entäuscht worden. Täter-Opfer Umkehr par excellence.
Ich unterstelle dem Psychologen nicht, dass er sich den Begriff „Erlösung“ zu eigen macht, aber möglicherweise bin ich auch zu sehr im Thema drin, so dass man meinetwegen keine Einordnung bräuchte.
Ebenso wenig halte ich „Beziehungstat“ für Täter-Opfer-Umkehr. Der richtige Begriff wäre „Mehrfachmord“.
„Femizid“ schließt explizit Kinder und Männer aus.
Ich habe den ganzen Samstag darüber nachgedacht, ob ich mich über den Artikel aufzuregen soll. Er hat ja auch postive Momente und eingige Dinge die ich ernsthaft nicht wusste. Aber dann lese ich wieder den Titel: „Der gefährliche Versuch, Gewalt gegen Menschen mit Behinderung nachvollziehbar zu machen.“
MERKEN SIE EIGENTLICH WAS SIE DA SCHREIBEN!?
Sie unterstellen ihren Kollegen und Behörden in böser Absicht Verbrechen klein zu reden. Nur weil etwas nachvollziehbar ist, heißt das nicht, dass es auch logisch ist. Unsere angeborene Irrationalität neigt dazu uns unlogisch Dinge tun zu lassen. Und wenn wir nicht verstehen lernen, wie wir uns selbst auf Glatteis führen, sind wir dazu verdammt immer wieder auf die Fresse zu fallen.
Übermedien ist ein medienkritisches Magazin. Hier mal ein paar gängige Kritikpunkte an der modernen Medienlandschaft, die man vielleicht auch mal auf sich selbst anwenden kann:
1. Clickbait
2. Böswillige Interpretation gegnerischer Aussagen
3. Fehlende Differenzierung der Faktenlage
Alles Dinge, die dieser Seite in der Regel besser laufen.
Nein, das stimmt einfach nicht. Der Femizid bezeichnet das Töten von Frauen. Die Tat gegen die Kinder werden von dem Begriff nicht mit gedeckt. Weder kriminologisch, noch soziologisch.
Der Begriff „Beziehungstat“ dagegen ist geradezu prädestiniert dafür nach Verständnis zu heischen. Jede(r) die/der mal Liebeskummer hatte, sich enttäuscht oder betrogen fühlt, hat da einen Anknüpfungspunkt.
Etwa jeden Tag versucht ein Partner seine Partnerin zu ermorden, etwa jeden dritten Tag gelingt das.
Ich lese von einer Beziehungstat, ich knüpfe an den Täter an. Verdunkelt wird, dass es täglich Opfer gibt, dass diese nicht selten Jahre der Gewalt und des Missbrauchs hinter sich haben.
Und ja, auch hier gibt es sicher Ausnahmen, die die Regel bestätigen, aber der „Normal“fall ist erschreckend gleichförmig.
Auch wenn’s nicht ganz zum Thema passt. Ich dachte eigentlich, die Bezeichnung „Menschen mit Behinderung“ sie überholt, weil zum einen die Behinderung nachklingt und zum anderen als Eigenschaft verwendet wird. Ist es aber nicht eher so, dass diese Menschen auch einfach nur Menschen sind, die gewisse Behinderungen in ihrer Lebensführung erfahren, also behindert werden statt einen Behinderung haben? Folglich wäre „behinderte Menschen“ doch der bessere, weil treffendere Begriff mit dem Zusatzvorteil, dass der Mensch im Nachklang steht.
#14
MERKEN SIE EIGENTLICH, WAS SIE DA SCHREI(b)EN?
„Sie unterstellen ihren Kollegen und Behörden in böser Absicht Verbrechen klein zu reden.“
Sie unterstellen der Autorin und Übermedien etwas, was der Artikel und die Überschrift gar nicht hergeben. Wo wird wem wann „böse Absicht“ unterstellt? Was soll also das Geschrei?
Clickbait ist das ja nicht, aber sicher „Böswillige Interpretation (gegnerischer?) Aussagen“. Gegner? Serious? w.t.f.
„Fehlende Differenzierung der Faktenlage“ ?
Ein Artikel über fehlende Differenzierung wird von Ihnen so beschrieben?
In dem erwähnten Bericht wird gesagt, dass man NICHTS über die Motivlage weiss. Der Psychologe ist also ausdrücklich dazu aufgefordert, zu spekulieren. Hat sich was mit Fakten in diesem Punkt!
„Nein, das stimmt einfach nicht. Der Femizid bezeichnet das Töten von Frauen. Die Tat gegen die Kinder werden von dem Begriff nicht mit gedeckt.“ Habe ich doch geschrieben.
Dessenungeachtet soll der Begriff auch in solchen Fällen verwendet werden, wo Kinder und Männer „mitgetötet“ wurden.
„Der Begriff „Beziehungstat“ dagegen ist geradezu prädestiniert dafür nach Verständnis zu heischen.“ Ja? Ich habe schon von vielen Beziehungstaten gehört oder gelesen. Irgendwelches „Verständnis“, was über die reine Motivlage hinausging, wie Mitgefühl mit dem Täter oder gar Mitleid, ist mir fremd geblieben. Ich verstehe ja auch das Motiv eines Raubmörders, ohne ihn deshalb sympathisch zu finden.
„Ich lese von einer Beziehungstat, ich knüpfe an den Täter an.“ Ja, Sie vielleicht, aber ich nicht. Wenn ich in einer Beziehung bin, und der Ex meiner Freundin bringt mich um, dann ist das eine Beziehungstat, weil _meine_ Beziehung das Mordmotiv darstellt. Der Begriff hält mich _nicht_ davon ab, an die Opfer anzuknüpfen. Analog, wenn ich oben „Erlösen“ lese, denke ich: „Hat die einen Jesus-Komplex?“ Also auch nicht direkt „schmeichelhaftes“.
„Verdunkelt wird, dass es täglich Opfer gibt, dass diese nicht selten Jahre der Gewalt und des Missbrauchs hinter sich haben.“ „Verdunkelt“ ist natürlich auch Främing, aber gut, eine Zeitung kann die traurige Gelegenheit nutzen, diese Problematik zu thematisieren.
Aber, um das mal in den Kontext des obigen Falles zu bringen: der meinetwegen semi-euphemistische Begriff „Beziehungstat“ soll vermieden werden, um die falschen Assoziationen zu verhindern, wie Sympathie mit dem Täter.
Das ist aber immer noch weit davon entfernt, derartig aktiv Sympathie mit der Täterin herzustellen, wie im obigen Fall: die arme Frau hätte es ja auch nicht leicht, und sei eigentlich ein toller Mensch, und das wäre ja so ein harter Job. Dergleichen kenne ich von „Beziehungstaten“ nicht. Sie?
Und, wie gesagt, Morde durch Pflegekräfte sind leider keine Seltenheit, so ein paar kritische Fragen, ob an der Frau vorher was aufgefallen ist oder wie man gedenkt, dergleichen zukünftig zu verhindern, wären auch mal ganz schön.
@MYCROFT: „Dessenungeachtet soll der Begriff auch in solchen Fällen verwendet werden, wo Kinder und Männer „mitgetötet“ wurden.“
WOT? Das können Sie sicher irgendwie mit Beispielen belegen? Mir wäre das neu.
Vor nicht allzu langer Zeit nannte man diese ang. „Beziehungstaten“ noch „erweiterte Selbstmorde“. Und damit ist die kranke Sichtweise vieler Täter nicht einmal allzu schlecht beschrieben. Es sind Morde und wenn Frauen ermordert sind, weil diese Frauen sind, dann sind es Femizide.
Und es macht einen Unterschied, ob wir von den Schwierigkeiten im Büro, von den gekündigten Hypotheken und dem Konkurs der Firma des Mannes lesen, von der Absicht der Frau, ihn zu verlassen, oder davon, dass die Nachbarn immer wieder die Polizei rufen mussten, die Frau zweimal bei der Schwester und einmal im Frauenhaus Schutzsuchte, etc..
Es geht hier um framing und false balancing.
Und vor allem, das sind Dinge, die nicht aus Beziehungen resultieren, sondern aus den sozialen Deformationen der Täter.
Es ist noch nicht so lange her, dass erstritten werden musste, Vergewaltigung in der Ehe strafbar werden zu lassen.
“ „Verdunkelt“ ist natürlich auch Främing, aber gut, eine Zeitung kann die traurige Gelegenheit nutzen, diese Problematik zu thematisieren.“
Nicht ihr Ernst?! Verdunkeln wäre dann ein Framing, wenn das Ganze auch positiver beschreiben werden könnte, ohne absurd zu werden. Ansonsten ist es eine Beschreibung was passiert, wenn über Täter berichtet-, aber Opfer geschwiegen wird.
Haben Sie da eine angemessenere Vokabel?
„WOT? Das können Sie sicher irgendwie mit Beispielen belegen?“
Ja:
https://uebermedien.de/33214/hasswort-beziehungsdrama/
Das ausgewählte Beispiel ist keines, bei dem nur Frauen getötet wurden. Ergo sollen die übrigen Opfer mit „Femizid“ miterfasst werden.
„Vor nicht allzu langer Zeit nannte man diese ang. „Beziehungstaten“ noch „erweiterte Selbstmorde“.“ Ja, ich weiß.
„Und es macht einen Unterschied, ob wir von den Schwierigkeiten im Büro, von den gekündigten Hypotheken und dem Konkurs der Firma des Mannes lesen“ – Wer ist „wir“? Sie und ich oder Sie und noch jemand oder „wir alle“?
„davon, dass die Nachbarn immer wieder die Polizei rufen mussten, die Frau zweimal bei der Schwester und einmal im Frauenhaus Schutzsuchte“ – Ja, um das abzukürzen, DAS ist ein Unterschied. Das ist ungefähr so, als würde man Mitgefühl mit der Mörderin aus dem obigen Artikel erzeugen wollen, oder mit ihren Opfern. Das ist aber _nicht_ dasselbe wie „Beziehungstat“ zu schreiben, ohne weiter auf die Details einzugehen.
„Es ist noch nicht so lange her, dass erstritten werden musste, Vergewaltigung in der Ehe strafbar werden zu lassen.“ Ja, witzigerweise was das der erste Bundestag, an dessen Wahl ich beteiligt war.
„Nicht ihr Ernst?! Verdunkeln wäre dann ein Framing, wenn das Ganze auch positiver beschreiben werden könnte, ohne absurd zu werden.“ – „Verdunkeln“ ist ein Begriff aus der Strafverfolgung. Eine noch nicht verhaftete Person könnte Beweise vernichten, Zeugen beeinflussen oder die Strafverfolgung anderweitig behindern, und das ist die sog. „Verdunklungsgefahr“. Offenbar främen Sie also Redaktionen als Mittäter oder Täter.
„Haben Sie da eine angemessenere Vokabel?“ – Wir wäre es mit „Nicht berichtet wird, dass…“, wobei das so pauschal auch nicht stimmt. Wenn davon nie berichtet würde, würden Sie und ich das ja nicht wissen.
„Das ausgewählte Beispiel ist keines, bei dem nur Frauen getötet wurden. Ergo sollen die übrigen Opfer mit „Femizid“ miterfasst werden.“
So lese ich das beim besten Willen nicht. Der Mord an der Frau ist der Femizid. Und genau dieser Mord ist auch mit keinem der beiden anderen Morde zu vergleichen. Nicht wegen irgendeiner kranken Wertigkeit, sondern wegen der Motivlage.
Das macht aber aus dem Kindermord oder dem Mord am vermeintlichen „Nebenbuhler“(wasfüreinwort) keine Anhängsel des Femizids, auch wenn sie aus diesem resultieren.
Frauen werden Opfer von Femiziden, weil sie Frauen sind. Deshalb braucht es dafür einen Begriff.
Niemand wünscht sich das, es ist eine traurige Notwendigkeit.
„So lese ich das beim besten Willen nicht.“
Tja, und ich lese „Beziehungstat“ beim besten Willen keine Verharmlosung, und bei „Erlösen“ insofern nicht, als dass der Psychologe die Denke bekannter Menschen wiedergibt, nicht seine eigene.
„Das macht aber aus dem Kindermord oder dem Mord am vermeintlichen „Nebenbuhler“(wasfüreinwort) keine Anhängsel des Femizids, auch wenn sie aus diesem resultieren.“ Inwiefern? Der Mörder in dem Fall hätte die Frau auch töten können und die anderen beiden am Leben lassen. Ergo hatte er für jedes seiner Opfer vermutlich ein eigenes Motiv. Also verdient jedes Opfer seine eigene Bezeichnung: Infantizid und Maskuzid.
@MYCROFT:
Nun wird es wieder albern. Dann eben nicht.
Sie haben’s nicht so mit Ironie, kann das sein?
@MYCROFT
Ich habs nicht so mit Albernheit.
Wenn jemand so schreibt, als gäbe es diese besondere Gewalt gegen Frauen als Phänomen gar nicht, dann ist das eben albern.
Wenn jemand so tut, als gäbe es das Problem namens Ableismus gar nicht und als wäre die erwähnte Berichterstattung nicht beispielhaft davon durchzogen, dann finde zumindest ich auch das albern.
Der Begriff Ironie fiele mir in beiden Fällen nicht dazu ein.
Hier ein Kommentar von Raul Krauthausen, der das Ganze noch einmal sehr gut einordnet:
https://dieneuenorm.de/gesellschaft/vier-menschen-sind-tot-der-ableismus-lebt/
„Wenn jemand so schreibt, als gäbe es diese besondere Gewalt gegen Frauen als Phänomen gar nicht, dann ist das eben albern.“ Das habe ich nicht getan, meine Ironie bezog sich auf Ihre Behauptung, ein totes Kind und ein toter Mann seien kein „Anhängsel“ eine „Femizid“, auch wenn sie aus ihm „resultierten“. Entweder, sie sind keine Anhängsel, dann resultieren sie nicht daraus, oder oder sie resultieren daraus, dann sind sie Anhängsel. Wenn Ihnen meine Antwort albern vorkommt, ok, aber das ist das Niveau, was Sie vorgegeben haben.
„Wenn jemand so tut, als gäbe es das Problem namens Ableismus gar nicht und als wäre die erwähnte Berichterstattung nicht beispielhaft davon durchzogen.“ Jetzt versuchen Sie, ironisch zu sein? Ganz offensichtlich ist die Berichterstattung damit durchzogen. Ableismus einerseits und Versuche, eine vierfache Mörderin zu entschuldigen, andererseits. Sehe ich auch so, wie Sie unschwer nachlesen können.
“ Entweder, sie sind keine Anhängsel, dann resultieren sie nicht daraus, oder oder sie resultieren daraus, dann sind sie Anhängsel. Wenn Ihnen meine Antwort albern vorkommt, ok, aber das ist das Niveau, was Sie vorgegeben haben.“
Nein und nein.
Nun, ich bin sicher nicht, wie viele andere hier, ein Profi. Nur ein Interessierter, der auch mal begonnen hatte „irgendetwas mit Medien“ zu studieren, aber die Logik ist mir als Informatiker nicht fremd.
Was kausal auf ein Ereignis folgt, wird ausschliesslich durch eben diese Abfolge determiniert. Über Bedeutung, Auswirkung etc. sagt die Abfolge an sich gar nichts aus.
„Die Duden-Bücherwelt
An|häng|sel
Bedeutungen (2) INFO
kleines Schmuck- oder Erinnerungsstück, das an einer Kette o. Ä. getragen werden kann
als minderwertig, überflüssig betrachtete Begleiterscheinung von etwas
“
Die Wertung bringen Sie ( und zwar fortgesetzt ) ins Spiel, um das Behauptete störrisch durchzudrücken.
Und das ist exakt IHR Niveau, auf das ich an dieser Stelle wieder keine Lust mehr habe.
Gehaben Sie sich wohl.
Die Morde an Kind und Mann folgen ja nicht kausal aus dem Tod der Frau. Trotzdem heißt es, man müsse die Aufmerksamkeit auf die Frau konzentrieren.
Und jemand, der mir mehrfach das Gegenteil von dem unterstellt, was ich tue, wie z.B., dass ich Ableismus leugnete, und dann beleidigt ist, wenn’s auffällt, hat es wohl doch mit Ironie.
Den vierfachen Mord in Potsdam habe ich nur am Rande mitgekriegt, deshalb glaube ich einfach mal, dass die Berichterstattung und Kommentierung dazu nicht optimal war.
Leider muss man über den Artikel von Lisa Kräher das gleiche feststellen. Im Großen und Ganzen ist es eine Beschwerde darüber, dass die Medien die Interessen Ihrer Pressure-Group nicht in dem von ihr gewünschten Ausmaß wahrnehmen.
Darf man machen. Leider passiert hier in der letzten Zeit ziemlich oft.
Ob sich die Autorin wohl auch darüber beschwert, wenn berichtet wird, dass eine Frau ihren Mann vergiftet hat, weil sie nach jahrelangen Mißhandlungen und Demütigungen keinen Ausweg mehr gesehen hat? Würde sie Othering beklagen, weil das Opfer eines Verbrechens in die Kategorie „böser Mann“ sortiert wird? Würde Sie sich darüber empören, dass empathisch über die Motive der Täterseite berichtet wird anstatt dass die Opferperspektive im Mittelpunkt steht? Natürlich nicht.
Das linksidentitäre „Opfering“ legt Maßstäbe zugrunde, die nicht offen ausgesprochen werden und die vermutlich nicht einmal bewusst sind. Wenn diese Haltung zur Grundlage der Rechtsprechung gemacht werden würde, wäre es vorbei mit der Gleichheit vor dem Gesetz.
@Tanja Faust:
Und vor allem: Wäre Twixt sauer, wenn einer Raider sagen würde?
Was soll der Quatsch?
Aber gleich mal den Strohmann „zur Grundlage der Rechtssprechung gemacht werden“ nachschieben.
Klar, wird ja glasklar gefordert. Nein, nicht hier, aber doch sicher irgendwo. Und wenn nicht, kommt das sicher noch…
Es geht um nackte Zahlen und wie wenig diese in der Berichterstattung gespiegelt wird. Nicht ums freie Assoziieren.
Vorab zu
#26 Der schon erwähnte Kommentar von Herrn Krauthausen beinhaltet eigentlich alles, was hierzu gesagt werden muss!
Ich habe das Gefühl die Leser hier, zumindest die kommentierenden, gehören Intellektuell eher zur Oberschicht/oberen Mittelschicht (Das soll weder vorwurfsvoll noch ironisch sein)
Daher würde ich Ihnen gerne meine Sicht auf diesen Artikel liefern. Ich bin Heilerziehungspfleger in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Ich bin sozusagen mittendrin in diesem Thema. Daher auch die uneingeschränkte Unterstützung oder Bestätigung des Kommentars von Herrn Krauthausen.
Wobei ich dazu noch eine Anmerkung habe, aber erst am Ende des Kommentars.
Aber was mich persönlich an solchen Berichterstattungen wenn Menschen mit Behinderung Gewalt erfahren) immer sehr stört, ist die schon erwähnte „Überforderung“. Ich persönlich finde das totalen Bullshit. In diesem Beruf kann man natürlich, wie in nahezu allen anderen Berufen auch, überfordert sein. Das sind aber immer nur strukturelle Probleme ( zB zu wenig Personal etc.).
Im Gegensatz zu anderen Berufen hat man hier aber direkt potenzielle Opfer vor sich, die oftmals nicht sprechen können oder große Schierigkeiten haben sich mitzuteilen, die sich oft nicht wehren können und ähnliches.
Ich glaube wenn wir zB mal eine/n MitarbeiterIn der Agentur für Arbeit nehmen, ist er/sie bestimmt genauso oft überfordert, doch die haben keine „wehrlosen“ Menschen vor sich.
Eine andere Sache die mich immens stört sind Erwähnungen wie: Sie hatte ja auch einen Sohn mit Autismus. Eine der unnützesten Erwähnungen überhaupt und in meinen Augen ein sehr aggressiver Versuch der Rechtfertigung.
Zur Begrifflichkeit Mensch mit Behinderung (MmB):
Ich arbeite ja in diesem Berufsfeld und bin seit zwei Jahren ausgelernt, sprich auf einem sehr aktuellen Stand was Definitionen und Begrifflichkeiten angeht.
Dieser Begriff wurde nach langen Diskussionen, an denen unter anderem auch Herr Krauthausen und andere MmB beteiligt, als akzeptabel erachtet und wird daher auch offiziell verwendet.
Ich persönlich störe mich auch an dem Begriff, aber es gibt gewisse Situationen in denen eine solche, nennen wir es mal Klassifizierung, von nöten ist.
Aber der Begriff wird nur dann verwendet wenn er nötig ist um zB ausreichend Kontext für eine Unterhaltung zu haben.
Und außerdem sind wir alle MmB. Es gibt für jeden von uns Dinge, die wir nicht alleine bewältigen können. Da werden wir durch etwas oder jemand behindert. Deswegen ist Barrierefreiheit auch so enorm wichtig!
Und zum Abschluss noch zu dem Kommentar von Herrn Krauthausen:
Die Einrichtungen für MmB sind tatsächlich ein großes Problem aber es hört sich immer so an als würde sich nichts verändern in dieser Hinsicht und das ist so nicht korrekt. Die Problematiken sind uns und den Einrichtungsbetreibern sehr wohl bekannt und werden seit einigen Jahren verstärkt angegangen. Große Dezentraliesierungs- und Inklusions-Projekte sind in Arbeit und teils auch schon fertiggestellt. Ideen dazu gibt es reichlich und der Wille ist ebenso vorhanden, aber es fehlt (wie eigentlich immer und überall) natürlich an Geld.
ZB schreibt das Bundesteilhabegesetz vor das jeder MmB das Recht auf ein Einzelzimmer hat. Da aber nahezu 50% oder mehr der Menschen in diesen Einrichtungen in Doppelzimmern leben/lebten, verdoppelt sich ja der benötigte Wohnraum.
Fazit: Die beschriebenen Probleme sind vorhanden, werden aber in einigen Bereichen schon sehr intensiv angegangen.
Allein meine Einrichtung hat in den letzten 4-5 Jahren drei neue dezentralisierte Wohnhäuser gebaut.
Man kann die Motivation von Täter*innen auch beschreiben (bzw. darüber spekulieren), ohne deren Framing zu übernehmen. Wie wäre es denn zum Beispiel, hätte Herr Polizeipsychologe Reimann in dem Fall gesagt: „Eventuell handelte die Täterin auch aus einer behindertenfeindlichen Ideologie heraus, in der das Leben von Menschen mit Behinderungen als unwert und ihre Ermordung als ‚Erlösung‘ betrachtet wird.“ Sagt was Ähnliches aus, klingt aber ein bisschen anders.
Nun, wenn die Mörderin tatsächlich von „unwertem“ Leben spricht, will sie ihre Opfer nicht „erlösen“.
“ Nun, wenn die Mörderin tatsächlich von „unwertem“ Leben spricht, will sie ihre Opfer nicht „erlösen“. “
„Als Hitler die Anordnung zur Ausrottung „lebensunwerten Lebens“ im Oktober 1939 offiziell erlässt, ist die systematische Massentötung behinderter Kinder bereits in vollem Gange. Vom „Gnadentod“ ist zynisch die Rede, tatsächlich jedoch werden zigtausend Menschen ermordet – durch Medikamente, Nahrungsentzug oder quälende medizinische Tests.“ [Euthanasie: „Rassenhygiene“ der Nationalsozialisten,NDR, von Andreas Schlebach]
Ich würde sogar behaupten, dass jemand, der „unwertes Leben“ auslöschen will, sogar fast immer auch von Erlösung schwafelt. Nur die wenigsten suchen nicht nach irgendeiner Art von Rechtfertigung für ihr Tun.
Nazis lügen.
Im Unterschied dazu war die Rede davon, dass die Mörderin an diese „Erlösung“ evt. tatsächlich _glaubt_.
Also, so gesehen gäbe es sogar drei mögliche Motive:
1. mag ihre Arbeit nicht (aka „Überforderung“)
2. Jesus-Komplex (aka will Opfer „erlösen“)
3. „Volksgesundheit“ im Sinne der Nazi-Ideologie
Keines erzeugt bei mit so richtig Mitgefühl mit der Täterin, aber ich bin nur ich.
Menschen lügen.
Die Auswahl dessen, was manche Nazis tatsächlich glaub(t)en, hält eine Menge Überraschungen bereit.
Im Sozialdarwinismus ist für manch einen all das durchaus unter einen Hut zu bringen.
Aber was passiert hier wieder? Es wird über die Täterin spekuliert, über ihre Motivlage.
Mitgefühl ist dabei komplett überflüssig. Es braucht diese Wertung gar nicht, wenn auf sie fokussiert wird.
Die Opfer werden entpersonalisiert. Ihre Situation ausgeblendet.
Ja, aber nicht alle Lügner sind Nazis.
Bzw., wenn der Psychologe der Ansicht wäre, die Mörderin hätte aus Nazi-Ideologie ihre Opfer umgebracht, hätte er das ja so sagen können.
Im zukünftige Fälle zu verhindern, wäre es trotzdem wichtiger, die Täter zu verstehen als die Opfer.