Benjamin Fredrichs Roman

„Katapult“-Gründer dichtet Kollegen fiese Geschichten an

Benjamin Fredrich hat eine Stärke: Er denkt nicht an die Konsequenzen.

2015 hat Fredrich „Katapult“ gegründet. In Greifswald. Ein Magazin, das in erster Linie Karten abbildet, mal lustige, mal ernste, fast immer mit einer zweiten Ebene. Fredrich hat einfach gemacht. Und er hat damit Erfolg.

Diesen Aufstieg, diesen Erfolg hat Fredrich in dem Buch „Die Redaktion“ festgehalten: Es geht um ihn, um den Aufbau von „Katapult“ und um viele Wegbegleiter aus der Anfangszeit – und von denen beschweren sich einige bitterlich über den Roman, den sie eine Abrechnung nennen.

Das Buch zeigt, Fredrich hat eine große Schwäche: Er denkt nicht an die Konsequenzen. Weder für sich noch für andere.

„Katapult“ wird Lokalzeitung

Fredrichs Stärke vermittelt sich auch durch sein jüngstes Projekt: Er will in die Regionalberichterstattung in Mecklenburg-Vorpommern einsteigen, wo er aufgewachsen ist und immer noch lebt, und damit dem Platzhirschen „Nordkurier“ Konkurrenz machen:

„So eine verantwortungslose Zeitung mit Monopolstellung zu ertragen, tut unfassbar weh. Sie schürt Ängste und Wut, sie vertreibt normale Menschen aus der Region und sorgt dafür, dass MV einen beschissenen Ruf hat. Ich halte das nicht mehr aus und deshalb breche ich hier und jetzt die Monopolstellung des ‚Nordkuriers‘!“

Fredrich hat dafür ein Crowdfunding aufgesetzt. Nach vier Tagen war das Ziel von 19.000 Euro erreicht, jetzt werden Lokalredakteur*innen eingestellt, in einem zweiten Schritt sollen gar mehrere Lokalredaktionen aufgebaut werden. Fredrich macht wieder einfach.

Es ist ein typischer Fredrich-Plan: ambitioniert, anpackend, vielleicht ein bisschen größenwahnsinnig – und ohne Furcht, auf die Schnauze zu fallen. „Wenn ich ein geschäftliches Projekt starte, habe ich keine große Angst, dass das scheitert“, sagt Fredrich im Gespräch mit Übermedien.

2020 war das Boom-Jahr von „Katapult“. Im Januar waren es noch 25.000 Abos, im Dezember 71.000, erzählt Fredrich. Seine Firma habe 2,5 Millionen Euro Umsatz gemacht, 20 Leute eingestellt, wodurch die Mitarbeiter*innenzahl auf 34 gestiegen sei. Und in diesem Frühjahr sollen es sogar 40 werden. „Katapult“ hat einen eigenen Buchverlag gegründet und eine alte Schule gekauft, den Sitz der Redaktion. Fredrich fasst es so zusammen: „Das Corona-Jahr war megaerfolgreich für uns.“

Mehr als ein Medium

In der Pandemie scheinen insbesondere Medien zu profitieren, die für ihr Publikum mehr sind als nur ein Magazin oder eine Zeitung. Und Fredrich verbreitete von Anfang an mehr als ein Heft: Er verbreitete eine Geschichte.

„Katapult“ ist eine Erfolgsstory aus der Provinz, mit klarer Haltung. Und es ist die Versöhnung von gedrucktem Magazin und Social Media, es hat mit seinen Karten und Grafiken nicht nur gut teilbare Inhalte, sondern auch von Beginn an Geld und Personal in die Kommunikation mit dem Publikum gesteckt, bei Facebook, bei Twitter. „Wir nehmen Kommentare ernst, selbst bei Facebook, wo es manchmal schwerfällt, die ernst zu nehmen“, sagt Fredrich.

Er weiß diese Kanäle auch selbst zu nutzen. Fühlt er sich oder „Katapult“ schlecht behandelt, brüllt er das raus. Er beschuldigte die „Süddeutsche Zeitung“, „Katapult“-Ideen zu klauen, woraufhin die Zeitung eine ganze Rubrik einstellte. Er überwarf sich mit dem Verlag Hoffmann und Campe und legte sich dann mit diesem an. Und er warf Cornelsen vor, „Katapult“ zu erpressen, weil Cornelsen erst nicht bereit gewesen sei, 400 Euro für eine „Katapult“-Grafik zu zahlen – und dann damit gedroht habe, die Grafik einfach zu kopieren, wenn „Katapult“ nicht mit dem Preis runterginge.

„Ich muss das jetzt kurz mal nachfragen, liebe Seniormanagerin von Cornelsen, sind Sie eigentlich komplett bescheuert?“, schreibt Fredrich. Er ist in diesen Momenten maximal einseitig und polemisch. Und oft persönlich. So sehr, dass es manchmal schwer zu ertragen ist. Ginge es nicht auch eine oder drei Nummern kleiner? Nein, sagt Fredrich: „Ich will in den Momenten auch immer das große Schwert rausholen. Das finde ich auch im Nachhinein in Ordnung, weil die Dinger funktionieren, weil sie eine gewisse Grenze der Kommunikation überschreiten – inhaltlich wie sprachlich. Und das führt dazu, dass wir eine Verbreitung haben, die wir sonst nicht haben.“

Mit Erfolg. Zumindest die „Süddeutsche“ und Cornelsen baten ihn um Entschuldigung. Und jedes Mal brachte Fredrichs Lärm gegen die Großen dem einst kleinen „Katapult“ viele neue Fans und vor allem viele neue Abos ein.

Radikal transparent – eigentlich

Benjamin Fredrich auf dem Cover der Zeitschrift Meedia
Cover: „Meedia“

Fredrich ist trotz oder wegen seiner klaren Haltung bei gleichzeitigem Erfolg mittlerweile zum Poster-Boy der Medienbranche geworden. Das Fachmagazin „Meedia“ hebt ihn aufs Cover. Die „NZZ am Sonntag“ schreibt: „Der Print lebt! Ein Magazin aus der deutschen Provinz bricht alle Regeln der Branche.“

„Katapult“ verkörpert Hoffnung. Endlich mal keine schlechten Nachrichten über Sparrunden und Entlassungswellen. Guckt mal: Es geht doch. Zumal „Katapult“, im Gegensatz zu Großverlagen, sehr transparent arbeitet. „Da sind wir radikal“, sagt Fredrich. Kontostand, Kaufvertrag für das alte Schulgebäude – alles kein Geheimnis. Wer Fredrich fragt, bekommt Antworten.

Es sei denn, man stellt ihm für ihn unangenehme Fragen nach der heiklen Art, wie er Realität und Fiktion in seinem Buch vermischt. Dann bekommt man zwar auch Antworten, die zieht er aber im Nachhinein wieder zurück.

Cover: Katapult

Eineinhalb Stunden haben wir mit ihm am Telefon über das Buch gesprochen und über die Klagen der Menschen, die sich darin von ihm vorgeführt fühlen. Hinterher bat er plötzlich darum, den Mitschnitt des Gesprächs zu bekommen. Vor der Veröffentlichung dieses Textes haben wir ihm seine wörtlichen Zitate geschickt und Schilderungen, die auf seinen wörtlichen Zitaten beruhen, damit er sie überprüfen kann. Er hat sie in eine Word-Datei gepackt und ganze Absätze rot markiert. „Für diese rot markierten Absätze gebe ich Ihnen keine Freigabe“, schreibt er dazu.

Sowas kennt man von Prominenten, wenn deren Managements im Nachhinein irgendwelche Passagen zu offenherzig oder unpassend fanden. Und sowas kennt man gelegentlich von den Verantwortlichen klassischer, ängstlicher Medien. Bei Fredrich, der allen zeigen will, wie richtiger, furchtloser Journalismus geht, ist es einigermaßen überraschend, dass er nicht mehr zu seinem Wort stehen will.

Das Buch zum Erfolg

Das Buch „Die Redaktion“, in dem Fredrich seinen Aufstieg und den seines Magazins festgehalten hat, war im vorigen Jahr der erste Titel, der im Eigenverlag publiziert wurde. Es ist eine Mischung aus Autobiografie und Nacherzählung, wie er und eigentlich nur zwei Mitstreiter*innen aus dem Nichts „Katapult“ aufbauten. Voller Begriffe wie „scharf“, „geil“, „cool“, „abgefahrn“ liest sich das Buch, als würde man einem Sozialarbeiter aus den 90ern zuhören, der versucht harmlos-kumpelig mit den „Kids“ zu schnacken.

Doch so harmlos ist das Buch nicht, zumindest nicht aus der Sicht von Ingo. Oder „Kacke-Ingo“, wie er später im Buch heißt, einfach so: „Kacke-Ingo“.

Über den steht da:

„Ingo hat meiner Meinung nach nur eine Gehirnhälfte und das nervt. Ich habe ihn nur einmal kurz kennengelernt und das hat eigentlich gereicht. Er ist bekannt dafür, sich auf Partys die Hose auszuziehen und Frauen zu belästigen.“

Fredrich hat noch einige biografische Details über Ingo aufgeschrieben. Das prägnanteste: Ingo hat eine Freundin, die für die Deutsche Welle arbeitet und sich damals bei „Katapult“ auf eine Stelle bewirbt. Im Buch heißt sie Nele. Außerdem ist Ingo der beste Kumpel von Fredrichs Lektor Tim Ehlers, einem „Katapult“-Mitarbeiter der ersten Stunde.

Der Kreis, der sich damals rund um die „Katapult“-Gründung im Jahr 2015 in Greifswald sammelt ist zwar nicht klein, aber auch nicht so groß, dass sich da mehrere tummeln würden, auf die all diese Beschreibungen passten.

„Rufmord“ und „üble Unterstellung“

Jemand aus diesem Kreis meldet sich bei uns, weist uns auf diese und andere Stellen hin. Wir fragen uns durch, bis wir bei Ingo und Nele landen. Sie heißen beide nicht wirklich so, aber wir haben uns darauf geeinigt, bei diesen Namen zu bleiben.

„Das ist Rufmord“, sagt Ingo. „Ich finde es krass, was Benni Fredrich über mich denkt. Und noch krasser finde ich, dass er es aufschreibt. Das geht nicht. Das ist schon eine üble Unterstellung.“

Ingo schätzt den Kreis der Menschen, die ihn problemlos erkennen würden, auf mindestens 50 bis 100. „Katapult“ sei ein cooles Projekt und das Magazin ständig Thema in diesem Kreis gewesen. Und das ist es jetzt wieder: Freunde hätten ihn angeschrieben, ihn angerufen. Alle hätten in ihm ebenjenen Ingo erkannt. „Die wissen, dass das Quatsch ist.“ Er selbst könne das auch ganz gut von seinem realen Leben trennen, sagt er. Ingo arbeitet in keinem Medienberuf. „Meine Freundin findet es schlimmer als ich“, sagt er.

„Das ist schwer zu ertragen“

„Als ich das las, hatte ich Tränen in den Augen“, sagt Nele. „Das tat mir weh.“ So viele Frauen seien von sexualisierter Gewalt betroffen, auch sie habe sich schon dagegen gewehrt. „Und dann steht in einem Buch, dass dein Freund auf Partys die Hose runterlasse und Frauen belästige. Das ist schwer zu ertragen.“

Was Fredrich dazu sagt, gehört zu den Passagen, die er nicht mehr veröffentlicht haben will.

Es gibt aber keinen Zweifel, dass der Ingo, mit dem wir gesprochen haben, als Vorlage für den Ingo aus dem Buch diente. Und es ist offenbar so, dass dieser reale Ingo nie die Hosen runtergelassen hat. Das soll eine andere Person aus dem Greifswalder Kreis gewesen sein. Fredrich hat allem Anschein nach zwei Personen vermengt, um sie zu verschleiern.

Das hat auch der Lektor des Buches gegenüber einem ehemaligen „Katapult“-Mitarbeiter bestätigt – in einem Whatsapp-Chat, der Übermedien vorliegt.

Fredrich hat also den echten Ingo verschleiern wollen, indem er unverwechselbare reale Umstände mit Anschuldigungen mischte, die nicht auf den realen Ingo, aber wohl auf eine andere Person zutreffen. Macht es das nicht noch viel schlimmer für den realen Ingo?

Mit einem halben Dutzend (ehemaliger) „Katapult“-Mitarbeiter haben wir gesprochen – alle, die den realen Ingo kennen, erkennen ihn in der Ingo-Figur wieder.

Sieht Fredrich selbst ein, einen Fehler gemacht zu haben? Hätte er vielleicht besser ein paar biografische Details weggelassen, die Figuren stärker verfremdet? Was uns Fredrich dazu gesagt hat, will er nun nicht mehr veröffentlicht sehen.

Aber lag es wirklich an seiner Unerfahrenheit, dass er nicht richtig wusste, wie man sowas macht? Oder hatte Benni Fredrich noch Rechnungen offen?

Im Gespräch wiederholte er verschiedene konkrete Vorwürfe gegen Ingo, aber auch diese Passagen zieht er im Nachhinein zurück.

„Das ist so passiert“

Man kann das nun alles abtun mit dem Hinweis darauf, dass doch auf dem Buch „Roman“ draufsteht. Dass da doch alles oder zumindest sehr vieles erlaubt ist, was im Journalismus nicht geht. Allerdings sagt Fredrich selbst bei „NDR Kultur à la carte“ über das Buch:

„Ich hab die Geschichte so, wie sie passiert ist, aufgeschrieben. Ich habe hie und da ein bisschen was komprimiert, damit ich nicht tausend Szenen aufschreiben muss und tausend mal ein neues Setting aufbauen muss. Aber das, was ich da aufgeschrieben habe, ist so passiert bei ‚Katapult‘ – die langweiligen und die überinteressanten und skurrilen Geschichten.“

Nun aber schreibt Fredrich in einer Mail, in der er auf die Nichtfreigabe bestimmter Zitate und Schilderungen pocht, Übermedien würde Personen enttarnen, „die es nicht gibt und somit nicht enttarnt werden können, weil ich alle Personen lediglich als Inspiration genutzt habe und vermischt und fiktionalisiert habe“. Er habe „nie reale Personen gezeichnet“:

„Das ist ein Roman, so wie es auch deklariert ist. Selbst meine eigene Figur ist fiktional angereichert.“

„Die unfähigen Freien“

Ingo und Nele sind nicht die einzigen, die ein Problem haben mit dem Buch: Mehrere ehemalige Freie, mit denen wir telefoniert haben, beklagen sich über „Undankbarkeit“, über „fehlende Wertschätzung“, über „Abfälligkeiten“.

Eine frühere Mitarbeiterin, die auch nicht mit Namen genannt werden möchte, die ganz am Anfang bei „Katapult“ war und auch – gut verschleiert – im Buch vorkommt, erzählt, dass sie von 2015 bis 2017 für das Magazin geschrieben habe. Vier, fünf Artikel. Wirklich zeitaufwändig, über Wochen. Sie habe Interviews mit Wissenschaftler*innen geführt. Sie habe auch Hefte für die Abonnent*innen verpackt. „Das haben wir alles umsonst gemacht.“ Warum? „Wir wollten, dass Katapult es schafft“, sagt sie. „Das wurde unterstützt von so vielen Greifswaldern.“ Und nun schreibe Fredrich ein Buch, in dem er sich „über andere erhebt“. „Dabei hätte er das nie durchziehen können ohne all die Leute, die ihm unentgeltlich geholfen haben.“

Fredrich hat den Freien ein ganzes Kapitel gewidmet, es heißt: „Die unfähigen Freien“.

Dort kommt an zwei Stellen Manuel vor. Einmal steht dort über ihn: „schreibt schrecklich“. Dann: „Alle Artikel von Manuel waren scheiße.“

Manuel, der eigentlich auch anders heißt und sich in der Figur im Buch erkennt, hat ebenfalls in Greifswald studiert, von 2016 bis 2017 arbeitete er bei „Katapult“: Er habe an Sitzungen teilgenommen, mitgeplant, sei komplett eingebunden gewesen, erzählt er Übermedien. Geld habe auch er dafür nicht bekommen.

Über eine Antonia steht in dem Buch:

„Sie kann eigentlich schreiben, aber sie ist nicht ganz aufrichtig, das hatte ich schon bemerkt, als sie sich mit dem Argument bei uns bewarb, dass sie vorher bei der Ostsee-Zeitung war und die anderen Leute, die da arbeiten, alle total bescheuert wären. Das kann sie ja so denken, sollte sie aber nicht sagen – jedenfalls nicht mir, so lästert man nicht über ehemalige Kollegen.“

Ja, das steht da wirklich. Im Kapitel „Die unfähigen Freien“.

„Die Freien waren für uns am Anfang auch eine Last, weil viel nicht funktioniert hat“, sagt Fredrich am Telefon. Er habe sich in dem Buch aber weder rächen noch bedanken wollen. „Ich wollte die Sachen so aufschreiben, wie ich sie wahrgenommen habe – mit allen positiven und mit allen negativen Sachen.“

Ein später Rachefeldzug?

Manuel sagt, dass jeder aus dem Umfeld wisse, wer mit Ingo und Nele gemeint sei. „In diesem Buch trägt Benjamin Fredrich seine persönlichen Fehden aus dem Freundes- und Bekanntenkreis weiter“: Das Buch gleiche einem späten Rachefeldzug gegen Leute, die Fredrich nicht mag.

Auch ein anderer früherer Praktikant und Mitarbeiter, der insgesamt zweieinhalb Jahre bei „Katapult“ war, sagt: „Juristisch mag das legitim sein, aber ich finde es illoyal seinen jetzigen und ehemaligen Mitarbeitern gegenüber.“ Was ihn am meisten ärgert: „Es ist ja nicht so, dass er die ganze Kritik damals offen und ehrlich geäußert hätte. Er macht es jetzt, zu einer Zeit, da sich die Betroffenen nicht mehr wirklich wehren können.“ Es gäbe ‚Katapult‘ nicht ohne diese Leute, die jahrelang für umme gearbeitet und geschrieben haben, sagt er.

Wir hatten ja nichts

Das sei von vornherein klar gewesen, sagt Fredrich: „Wir haben am Anfang immer gesagt: Macht mit, wenn ihr die Motivation habt, weil ihr es cool findet, im Magazin zu sein.“

„Wir haben immer das Geld verteilt, das wir hatten“, sagt Fredrich. „Aber wir haben halt lange Zeit – anderthalb bis zwei Jahre – im Minus gelebt und selbst unseren Drucker immer hinhalten müssen. Es war nicht nur Null. Wir waren im Minus.“

Er kann verstehen, dass es Leute gibt, die heute denken, dass sie „Katapult“ mitaufgebaut hätten und dafür nichts bekommen haben – und nun würden sie sehen, dass davon so viele Leute leben. „Natürlich muss jede Arbeit bezahlt werden“, sagt Fredrich. Deswegen sei es heute auch völlig anders als damals. Es gibt einen Einheitslohn, selbst Praktikant*innen werden sehr ordentlich bezahlt. „Wir haben immer das Geld verteilt, das wir hatten.“ Und damals sei eben nichts da gewesen. Heute reicht es für bald 40 Stellen.

In den Gesprächen missgönnt niemand Fredrich diesen Erfolg. Zumindest sagen das alle. Sie wirken sogar, im Gegenteil, alle ein bisschen stolz, und finden es bewunderswert, was Fredrich in Greifswald aufgebaut hat. In der Stadt, die ja auch ein bisschen ihre Stadt geworden ist. Mit einem Projekt, das ja auch ein bisschen ihr Projekt war.

Umso mehr wundern sie sich, dass er diese Geschichte nicht für sich sprechen lässt – und stattdessen so ein Buch geschrieben hat. „Es ist eine Abrechnung“, sagt Nele.

Nachtrag, 17. April. Benjamin Fredrich macht uns wegen dieses Artikels und der Art, wie er zustande gekommen ist, heftige Vorwürfe. Hier ist unsere Replik darauf.

23 Kommentare

  1. Gut, wenn er jetzt sagt, dass er es das so rüberbringen möchte wie er es nunmal erlebt hat, halte ich das für eine legitime Sache, aber dann hat man auch den Anstand den Personen das vor Veröffentlichung mitzuteilen und um Erlaubnis zu fragen.

  2. Wieso werden Streits, bei denen die öffentlichen Meinungen klar auf der Seite von Katapult waren und wo sich die Gegenseite öffentlich entschuldigt hat hier im Konjunktiv und als persönliche Meinungen dargestellt? Ich verstehe das der Artikel als Leitmotiv erstmal „kontroverser Typ“ hat, aber man kann es auch übertreiben.

  3. Schade, dass so wenig übrig bleibt von der Transparenz, wenn es mal drauf ankommt. Sage ich als Übermedien- und Katapult- Abonnent.

  4. Ich habe letztes Jahr Katapult abonniert, sogar mit Knicker. Das Buch „Die Redaktion“ hat mich aber so gar nicht interessiert. Es war ja bekannt, in welchem Stil die Editorials gestaltet sind, denn die wurden auch ohne Bezahlwand hochgeladen. Ich hab gelacht und gestaunt und war verärgert bei den Geschichten über Hoca und das Zeit-Eierbuch. Aber ein ganzes Buch in dem Stil? Nein danke.

    Und irgendwie schwang bzw schwingt mir auch immer so ein Unbehagen mit. Erstens: sowas sagt man doch nicht in einer seriösen Zeitschrift, es ist ja nicht nur für facebook. Aber kann man halt machen, Rants sind ja auch Spaß und unterhaltsam. Zweitens: er muss mit so einem Stil aufpassen, dass er nur nach oben Tritt, weil es nach unten schnell einfach nur gemein und überhaupt nicht mehr witzig wird. Scheint so, als ist das bei dem Buch passiert. Finde ich schade, aber mein Abo bleibt und ich lese das ja nicht für den Rant, den ich auch kostenlos online bekomme.

  5. Sehr interessant und aufschlussreich: wenn sich das Narrativ „unten gegen oben“ ändert in „teilt aus versus kann sich nicht wehren“.
    Die Mischung aus Abrechnung und sich dann hinter dem Format „Roman“ verstecken hat schon fast etwas Perfides.
    Hoffe, Herr Fredrich bleibt euch dennoch als Übonnent erhalten. (Quelle: https://twitter.com/BenniFredrich/status/1355853964173070338?s=19)
    Und irgendwie ist ja auch brillant, was er da schafft. Der erste Satz des Artikels bringt es auf den Punkt!

  6. Mochte „Katapult“, seit dem ich es kennen lernte.
    Finde es immer noch witzig und gönne den Erfolg.
    Aber genau dieser Erfolg wirkt so, als ob Fredrich, den ich als Einzelperson bis heute nicht kannte, genau daran auch zu scheitern droht.
    Alles, was hier eklig klingt, könnte ich im privaten Verzeihen.
    Aber offensichtlich wurde ob des Erfolgs ein Sendungsbewusstsein über das Magazin hinaus geweckt, was in Form des Buches schlimm wurde.

    Ich muss aber gestehen, dass es Fredrich ob der Kritik peinlich ist, weshalb die Transparenz leidet, dass finde ich fast schon wieder sympathisch. In dem Sinne, dass er merkt, da Scheiße gebaut zu haben.
    Dann sollte er sein Buch zurück ziehen, öffentlich Buße tun und private Empfindlichkeiten künftig privat lassen.

  7. @Testi
    In der Passage: „Er weiß diese Kanäle […] viele neue Abos ein.“ , auf die Sie sich offenbar beziehen, ist nur ein einziger Konjunktiv II, und zwar ausgerechnet in der konkreten Frage an ihn: „Ginge es nicht auch eine oder drei Nummern kleiner?“ (ergo: Es müsse ja gar nicht kleiner werden.) Ansonsten ist da noch genau ein Satz mit Konjunktiv I, weil die Erpressung von Cornelsen von in berichteter Rede dargestellt ist, also mitnichten durch den Konjunktiv in Zweifel gestellt.

    Ich habe von diesen Streitigkeiten vorher nie gehört und für mich war das nicht zweifelhaft von dieser Lektüre, dass „Katapult“ in der Sache recht hatte.

    Das Kontroverse lag indes einzig in der Formulierung, jemanden öffentlich als Einzelperson als „komplett bescheuert“ zu bezeichnen. Und da muss ich sogar sagen: Im Artikel kommt Fredrich mit der obigen Frage im Konjunktiv II sogar viel zu gut damit weg, sich so unflätig verhalten zu haben gegenüber einer Person, die eben nicht eine Person des öffentlichen Lebens ist. Da liegt es ganz anders als bei Rezo vs. Seehofer. Ich empfinde das als unmöglich und niveaulos, andere öffentlich so persönlich anzugreifen. Er hätte ja auch schreiben können: „Cornelsen-Verlag, seid Ihr etwa komplett bescheuert?“
    Seine unbewertete Antwort ist ganz besonders schlimm in dem Zusammenhang, weil sie eine zynische Berechnung zeigt, die offenbar in seinem Vorgehen steckte: Ich mach die Einzelperson da drüben platt, um mein Geschäft voran zu bringen.

    Disclaimer: Ich kannte Herrn Fredrich bisher gar nicht und Katapult nur wenig und will da gar keine Allgemeingültigkeit meiner Aussagen über ihn behaupten, sondern interpretiere einfach nur den Absatz dort, wie er da steht und bewerte das konkrete Geschehen.

  8. „wie er und eigentlich nur zwei Mitstreiter*innen“ Gendern gut und schön, aber haben die beiden Personen sich wirklich als nicht-binär/divers verstanden? Rein statistisch wäre das sehr unwahrscheinlich, im Vergleich zu zwei Mitstreitern, oder zwei Mitstreiterinnen, oder eine Mitstreiterin und einem Mitstreiter.

    Aber insgesamt lehrt uns das die Tücken des „man tritt nicht nach unten“. Anfangs war Fredrichs „unten“ und Cornelsen „oben“, dann fing er an zu treten, bis er „oben“ war, aber hörte nicht damit auf, weil es keine Unten/oben-Polizei gibt, die einem die Tret-Lizenz entzieht.

  9. Wenn ihn keiner verklagt, dann gibt es eventuell nichts zu verklagen. Oder man hat eben die Eier nicht dazu. Natürlich kann man auch durch einen Roman in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt oder beleidigt werden, vor allem wenn dieser nach Aussage des Autors eben ein Schlüsselroman ist. Die Klage der früheren Lebensgefährtin von Maxim Biller gegen seinen Roman ‚Esra‘ war höchst erfolgreich, das Buch ist bis heute verboten. Doch die menschliche Anständigkeit des Autors, oder deren Gegenteil ist keine Aufgabe, die Übermedien zu lösen hätte. Wenn diejenigen, die sich im Buch zugleich wiedererkennen und zur Unkenntlichkeit entstellt sehen, ihm das durchgehen lassen, ist das eben ihre Entscheidung. Der Streisandeffekt ist zwar zu fürchten, aber auch hier ist die Abwägung auf Seiten der sich Verletztfühlenden. Dass ein Magazingründer einen Roman geschrieben hat, den manche missbilligen, macht die Causa nicht zu einem Fall für Komissar Übermedien, sondern nur für ein Zivilgericht. Bleibt bei euren Leisten und schustert nicht so ersichtlich hilflos an einem wackligen Pseudokonstrukt einer öffentlichen Privatmoral herum. Vielen Dank.

  10. Ich finde es ganz interessant, dass übermedien, gewiss zu recht, beklagt, wie unprofessionell der Spiegel heutzutage Interviews führt. Und dann selbst so unprofessionell interviewt, dass es nicht aus dem Interview zitieren kann.
    Wäre mal ein Thema für eine Medienseite.

  11. Also mir fällt angesichts der beschriebenen Sachverhalte nur ein Attribut für Benjamin Fredrich ein: selbstgerecht.

    Wäre er ein Jugendlicher, könnte man es ihm nachsehen, die eigene Sichtweise auf bestimmte Situationen und die eigenen Empfindungen als absolut zu begreifen. Im Laufe der Adoleszenz lernen die meisten allerdings, dass sich die Wahrnehmung eines Sachverhalts krass unterscheiden kann.

    Dass Fredrich sich trotzdem auf diese Weise über seine Mitmenschen äußert, ist wie gesagt selbstgerecht und auch rücksichtslos. Beides kann aber offensichtlich ein guter Unterbau eines funktionierenden Marketingkonzepts sein. Die „Bild“ macht das ja schon seit Jahrzehnten so.

  12. @10:
    Wieso führt Übermedien unfähige Interviews, wenn der Interviewte die ihm unbequemen Aussagen zurückzieht? Ist das nicht eher ein Zeichen für ein gutes Interview, das sich – zumindest in meiner Definition – dadurch auszeichnet, den Gesprächspartnern auch unangenehme Aussagen zu entlocken?

  13. @12: Was nützen die unangenehmsten Aussagen, wenn ich sie nicht veröffentlichen kann? Journalismus dient zunächst ja nicht der persönlichen Informationen des Journalisten, sondern zur Information der Leser.

    Die Diskussion über Sinn und Unsinn des Autorisieren-Lassen von Interviews (übrigens ein sehr deutsches Phänomen) wurde ja schon oft geführt.

    Ich finde es gut, wenn man sachliche Fehler/Missverständnisse vor der Veröffentlichung ausräumt. Äußerst fragwürdig ist, wenn sich der Interviewte nach dem Gespräch aussuchen kann, was er gesagt hat und was nicht.

  14. @13: Warum schlagen Sie denn da die Brücke vom Interviewten zum Interviewer? Wenn man nur Interviews führt, die so selbstgefällig sind, dass sie garantiert komplett freigegeben werden, kann man auch ein Spiegel-Gespräch mit Thomas Fischer veranstalten.

  15. Die Brücke ist: Zwei Interviews, die (auf ganz unterschiedliche Weise) schief gegangen sind.

  16. Sie sagen: Interviews kann man nur so führen, dass der Interviewte die ALLEINIGE Kontrolle hat?

    Dann ist diese journalistische Form in allen Medien mit Zeitverzögerung hinfällig. Übrig bleiben nur Live übertragene Gespräche.

  17. @Jochen Kruse: so ist das. Es sind schon komplette Interviews zurückgenommen worden. Wenn die zu interviewende Person dem Interview von vorneherein nur unter dieser Bedingung zustimmt, hat der Interviewer nur die Wahl, das Interview so zu führen oder aber gar nicht zu führen, um das wirtschaftliche Risiko zu begrenzen.

    @Marcel H.: Ist vllt. nicht das Kerngeschäft von Medienkritik, aber wenn die Arbeitsbedingungen bei Auslandskorrespondenzen oder bei BILD thematisiert werden, ist Fredrichs Umgang mit Mitarbeitern natürlich auch ein Thema; auch, wenn es hier um einen Roman und keinen Zeitungsartikel ist, ist Fredrich ja auch Medienschaffender und die fraglichen Mitarbeiter vermutlich ebenso.

  18. Warum ist der Artikel nicht um das Gegen-Statement von Benjamin Fredrich (veröffentlicht auf der Katapult-Webseite) erweitert, der sagt, dass Jürn Kruse ihn im Interview angelogen hat? Das ging am 15.4. online. Normalerweise packt ihr sowas doch sofort in die Anmerkungen?! https://katapult-magazin.de/de/artikel/katapult-chef-ist-ein-undankbares-arschloch
    Das Interview von Fredrich-Kruse ist als Audiodatei bei Katapult zu hören. Da kommt heraus, dass Kruse stellenweise nur Suggestivfragen gestellt hat und seinen Artikel so hinkonstruiert hat, wie er ihn haben will. Schade!

  19. #20
    Danke für den Link. Es könnte daran liegen, dass Leute außerhalb der Katapult-Filterblase noch Anderes zu tun haben als alle 24 Stunden nachzuschauen, ob der Herr Fredrich was im Internet publiziert.

    Der Text ist übrigens viel zu lang, um souverän zu sein, kommt nicht auf den Punkt und zeichnet ein erstaunlich dünnhäutiges Bild von jemandem, der Leser*innen, Freund*innen und Kolleg*innen gern herzhafte Verbalfäkalien hinterherwirft.

  20. #21
    Absatz 1: Det Arjument fällt nu ja wech. Jetzt kann mein Namensvetter antworten.
    Absatz 2: Naja, den meisten Platz braucht Fredrich, um Jürn Kruse aus seiner Sicht Lügen nachzuweisen. Auf die Erwiderung bin sicher nicht nur ich gespannt.

  21. Hab mir den Text über Cornelsen jetzt noch mal im Original durchgelesen. Anders als ich es verstanden hatte, wurde die Mitarbeiterin von Cornelsen nicht beim Namen genannt von Fredrich. Finde es zwar trotzdem nicht korrekt, jemanden als Person so anzusprechen, aber es nimmt der Sache doch etwas die Schärfe, wenn Dritte nicht wissen, wer gemeint ist.

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