Gesprochener Genderstern bei ARD und ZDF

Kritiker versuchen, Rundfunkräte gegen Gender-„Knacklaut“ zu mobilisieren

Walter Krämer hat eine Mission: Er kämpft gegen gendergerechte Sprache. Binnen-I und Gender-Sternchen sind für ihn „eine wahre Pest“, ein „sprachliches Krebsgeschwür“. Krämer will, dass sie verschwinden: weg aus den Universitäten, aus der Politik und weg aus den öffentlich-rechtlichen Medien.

Krämer ist Statistikprofessor an der TU Dortmund, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sprache und des Vereins Deutscher Sprache. In deren Verbandszeitung „Sprachnachrichten“ wettert er gegen die „sprachliche Bevormundung“ durch die „Gender-Polizei“.

Aber er belässt es nicht beim Wettern, er ist aktiv geworden. Über den Sommer hat er Protestbriefe an Mitglieder der ARD-Rundfunkräte, des ZDF-Fernsehrates und des Hörfunkrats des Deutschlandfunks geschrieben. Diese Räte sind so etwas wie die Aufsichtsgremien der Sendeanstalten. Sie können nicht in die Programme eingreifen, aber überwachen, ob die Sender ihre Aufgaben erfüllen.

Viele Redakteurʔinnen, kaum Diebʔinnen

Walter Krämer hat festgestellt, dass manche Journalistinnen und Journalisten in ihren Rundfunk-Beiträgen gendern. Er muss dafür gut zugehört haben, denn jede Redaktion gendert ein bisschen anders. Die einen sprechen lieber beide Geschlechter (Ärztinnen und Ärzte), andere sprechen den Genderstern, also Ärzt*Innen. Es ist vor allem diese Form, die Walter Krämer aufregt. Er schreibt:

„Diese Praxis besteht darin, dass Sprecher beiderlei Geschlechts Personenbezeichnungen mit der femininen Endung -innen in der Weise aussprechen, dass sie zwischen der Personenbezeichnung und ihrer Endung einen Kehlkopf-Knacklaut [phonetisch: ʔ] einfügen, also zum Beispiel Redakteurʔinnen, Französʔinnen, Kundʔinnen sagen; bei negativen Personenbezeichnungen wie zum Beispiel Diebʔinnen oder Rechtspopulistʔinnen wird hingegen kaum ‚gegendert‘.“

Das Gendern passiere also nicht konsequent genug, meint Krämer einerseits. Andererseits schreibt er in seinem Brief, dass der Genderstern, der durch den Knacklaut hörbar gemacht werden soll, rechtschreibwidrig sei und im Widerspruch zu einem Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung stehe.

In dem Beschluss vom 16.11.2018 präsentiert der Rechtschreibrat Vorschläge zur „geschlechtergerechten Schreibung“. Darin heißt es einerseits, dass geschlechtergerechte Texte „vorlesbar sein“ sollen. Andererseits aber auch, dass der Diskurs über gendergerechte Sprache so kontrovers verläuft, dass der Rechtschreiberat ihn nicht „durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen“ beeinflussen will. Es gibt also noch keine klare Entscheidung. Der Widerspruch, den Krämer in seinem Schreiben an die Rundfunkräte behauptet, ist also gar nicht so eindeutig.

Männer-Diskriminierung durch zu leisen Knack

Aber Krämer geht in seinem Brief noch weiter: Der gesprochene Genderstern verstoße nicht nur gegen die deutsche Grammatik. Er benachteilige Männer.

„Dieser Knacklaut (der von sehr geringer akustischer Stärke ist) bleibt allerdings oft unhörbar oder wird gar gänzlich vermieden. Dann wird ausschließlich die gemäß aller deutschen Grammatiken und Wortbildungslehren unstrittig feminine Form hörbar, womit die jeweilige Personenbezeichnung männliche Mitglieder explizit ausschließt.“

Krämer fordert:

„Da die Beitragszahler … etwa zur Hälfte männlich sein dürften, sollte diese diskriminierende Praxis umgehend unterlassen werden.“

Wie genau er zu seinen Behauptungen kommt, das wollte Walter Krämer uns nicht darlegen. Eine Anfrage von Übermedien zu seinem Brief ließ er unbeantwortet.

Unterschiedliche Antworten der Anstalten

Auf Nachfrage von Übermedien bestätigen alle neun Rundfunkräte der ARD, der ZDF-Fernsehrat und der Deutschlandfunk-Hörfunkrat, dass sie oder Mitglieder der Räte diesen Brief bekommen haben. Wie sie damit umgehen, ist sehr unterschiedlich.

Für das ZDF hat Intendant Thomas Bellut Stellung genommen. Der Tenor seiner Antwort: Wir nehmen das Anliegen ernst, bleiben aber bei unserer Praxis (das komplette Schreiben finden Sie hier). Für die Kommunikation in journalistischen Beiträgen, vor allem bei der gesprochenen Sprache, gebe es keine Vorgaben der Geschäftsleitung. Den Redaktionen des Hauses wurde jedoch empfohlen, zu diskutieren, wie eine Ansprache aller Zuschauer*innen gelingen könne und die Ansprache dabei mit Blick auf die jeweilige Zielgruppe zu wählen. Einige Moderatorinnen und Moderatoren etwa bei „aspekte“ oder im „heute journal“ machten teilweise in ihren Moderationen vom gesprochenen Genderstern Gebrauch. Bellut schreibt:

„Fühlen sich Teile der Bevölkerung (z.B. nicht-binäre Personen) durch die Nutzung des generischen Maskulinums ausgegrenzt, ist das für uns von Bedeutung und eben keine semantisch neutrale Anwendung. (…) Und gegen eine rein männliche Formulierung wenden sich sowohl Frauen wie auch Menschen ohne geschlechtliche Festlegung. Wer nicht genannt wird, ist nicht gemeint und wer nicht angesprochen wird, wird von uns auch nicht erreicht.“

Die Position des WDR ist eine deutlich andere. Der Programmausschuss des Rundfunkrates hat das Thema mit Programmdirektorin Valerie Weber besprochen. Andreas Meyer-Lauber, der Vorsitzende des Rundfunkrates, schrieb danach an Krämer, dass nach den Vorgaben von Weber „der so genannte Gendergap in Sendungen des WDR möglichst nicht verwendet werden sollte, da dadurch häufig nur die weibliche Form der Personenbezeichnung wahrgenommen werde. Allerdings wolle der WDR prüfen, ob dies auch für Sendungen, die sich explizit an die jüngere Zielgruppe richteten, gelten solle.“ (Der ganze Brief ist hier dokumentiert.)

Der Programmausschuss habe kontrovers über dieses Thema diskutiert. Mitglieder hätten betont, dass vor allem in Nachrichtensendungen des WDR die gesprochene Lücke nicht eingeführt werden dürfe.

Der MDR-Rundfunkrat will den Brief in der nächsten Sitzung des Programmausschusses Ende September besprechen. Der NDR-Rundfunkrat hat beschlossen, nicht eigenständig auf den Brief zu antworten. Der rbb-Rundfunkrat will den Brief an den obersten Chef der Rundfunkräte weitergeben, an den Vorsitzenden der Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK). Das ist so üblich, wenn alle Rundfunkräte mit dem selben Anliegen konfrontiert werden. Der GVK-Vorsitzende kann dann eine gemeinsame Antwort für alle Rundfunkräte formulieren. Passiert ist das bisher allerdings noch nicht.

Krämers Kampf gegen „linksgestrickte Lügenmedien“

Walter Krämer polemisiert schon lange gegen gendergerechtes Sprechen. Zu Beginn des vergangenen Wintersemesters, im Herbst 2019, ließ Krämers Verein für deutsche Sprache an mehreren Unis Flugblätter verteilen, mit denen er Studierende suchte, die gegen gendergerechte Sprache an ihrer Uni vor Gericht klagen würden. In der Geschäftsstelle des Vereins kann man Aufkleber bestellen, auf denen rund um einen zwinkernden Genderstern „Gendern? Nein Danke!“ steht. Als der Duden kürzlich Hinweise zur geschlechtergerechten Sprache herausgab, regte sich Walter Krämer öffentlich darüber auf, dass „Einzelne von oben herab entscheiden wollen, wie sich Sprache zu entwickeln hat“.

Dass Krämer nun auch gegen das Gendern in Medien angeht, ist keine Überraschung. Auf Journalistinnen und Journalisten ist er sowieso nicht gut zu sprechen. Im Interview mit der rechten „Jungen Freiheit“ sprach er von einer „rot-grünen Medienmafia“ mit „rot-grüner Weltverbesserungsidologie“, in einer Ausgabe seiner Verbandszeitschrift von „linksgestrickten Lügenmedien“.

Interessant ist, in wessen Namen Krämer spricht, wenn er als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutscher Sprache Briefe an die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Sender schreibt. Im Beirat der Stiftung sitzen unter anderem der CDU-Politiker und ehemalige Präsident des Deutschen Bundestages Norbert Lammert, der Musiker Reinhard Mey und der Satiriker Dieter Nuhr. Bis Ende 2019 war auch der AfD-Rechtsaußen Stephan Brandner dabei. Ihre Aufgabe sehen die Stiftungsmitglieder im „Erhalten, Fördern und Pflegen der deutsche Sprache“.

Anti-Gender-Eifer ohne Ende

Dass nicht alle Fans der deutschen Sprache Krämers Wut auf den Genderstern teilen, kann man in der Leserbrief-Spalte der Verbandszeitung „Sprachnachrichten“ lesen. Da fragte eine Leserin Anfang des Jahres: „Ist das wirklich das einzige Thema, das die Hüter der deutschen Sprache bewegt?“ Ein anderer schrieb: „Was mir jedoch zunehmend Unbehagen bereitet, ist die seitenfüllende Wiederholung ein- und desselben, oft polemisch dargestellten Anliegens. Nichts verbindet zwar mehr als gemeinsame Feinde, aber wie wäre es mal mit einer Ausgabe, die bewusst und restlos ohne die Themen Gendersprache und Anglizismen gestaltet wird?“

Liest man sich durch Walter Krämers Brief an die Rundfunkräte, wirkt es nicht so, als sei sein Anti-Gender-Eifer zu stoppen. „Die Politik“ habe sich in der Pandemie von ausgewiesenen Wissenschaftlern beraten lassen, heißt es am Ende.

„Wir möchten Sie bitten, sich in der vorliegenden Frage von Fachleuten für die grammatische Wissenschaft beraten zu lassen und darauf hinzuwirken, dass in den Sendungen der missbräuchliche Knacklaut in Personenbezeichnungen unterlassen wird“, schreibt er, der Statistik-Professor aus Dortmund.

262 Kommentare

  1. Ich verstehe den Mann gut. Er ist Jahrgang 1948 und kommt einfach nicht mehr mit. Die Zeiten sind zu komplex. »Fräulein« ist auch nicht mehr gestattet. Es ist ein Elend mit dem Fortschritt. Wenigstens betten ihn die Nörgelheinis von achgut.com sanft. Dort darf er seinesgleichen einen vom uralten Pferd erzählen.

    Ich freue mich jedenfalls, dass sich genderkonforme Sprache immer mehr durchsetzt. Es wurde höchste Zeit. In zwei Jahren regt sich keine Socke mehr über geschriebene oder gesprochene Gendersterne auf. Es wird einfach normal sein.

    Ab und an wird noch das ein oder andere Genie vom Format eines Gunnar Lindemann aufblitzen und sich über »Fahrspurenden« erhitzen. Dann werden wir nicken und pädagogisch wertvoll sprechen: »Wir lachen nicht über dich, Gunnar, sondern mit dir.«

  2. Heißt das wirklich „Knacklaut“? Mein Sprachgefühl sagt „Nein!1!“, Google sagt „Ja.“ Der Begriff macht mich irgendwie aggressiv und ich frage mich, wie es Krämer wohl geht.

    Ich stelle mir vor, wie der Herr bei einem gesprochenen Beitrag hinter seinem Sofa hervorschaut, wirr durchs Haar fährt und fuchtelnd gestikuliert: „Da! Da! Schon wieder!! Ein Knack-laut!!“ Sodann springt er auf und stolziert wie ein gackerndes Huhn durchs Wohnzimmer und ruft immer wieder: „Knack, Knack, Knack, Knack-Knaaaack!“

    Ansonsten stimmt, was Bellut und der Rechtschreibrat sagen.

  3. @2

    Man kann auch glottaler Plosiv oder Glottis-Stop sagen.

    @Topic
    „Redakteurʔinnen, Französʔinnen, Kundʔinnen“

    Diese Schreibweise ist ja mal echt pervers.

    Davon ab sind Krämer und seine Mannen für ihr linguistisches Unwissen berühmt und berüchtigt, insbesondere was Sprachwandel angeht. Vor dem Gendern war deren Hauptkampfgebiet der Anglizismus und da war die Argumentation immer ähnlich krude.

    @1

    Das würde ich bezweifeln, dazu sind die Ansätze und deren Begründungen zu divers und teilweise widersprüchlich.

  4. Und bevor die Sprachwächter*innen der Übermedien-Kommentarspalte hier das Steuer übernehmen, mal eine Sprachperle, auf die ich letztens gestoßen bin:
    Sitzen zwei Piloten im Flugzeug. Sagt die Eine zur Anderen: „Wetten, dass dabei niemand an Frauen gedacht hat?“

  5. Der Mann mag komisch rüberkommen, hat in der Sache aber recht. Bereits der Begriff Gendergerechtigkeit ist ideologischer Murks. Legt er doch nahe, dass es sprachlich irgendeine Ungerechtigkeit zu beseitigen gäbe, die es linguistisch so überhaupt nicht gibt. Die allermeisten Berufs- oder Personenbezeichnungen sagen nichts über das Geschlecht der Bezeichneten aus. Es ist einfach nicht deren Aufgabe, das zu tun. Ein Journalist kann männlich, weiblich, trans, schwarz, weiß, schwul oder hetero sein, es obliegt nicht dem Begriff, irgendeine Identität jenseits der gemeinten zu klären. Wäre es anders, würden wir alle schon längst so reden. Das tun wir aber aus gutem Grunde nicht. Journalisten müssten zudem bei jeder Menschengruppe, über die sie in *- oder Innen-Form schreiben, prüfen, ob diese wirklich gemischtgeschlechtlich ist. Allein das wäre kompletter Irrsinn.

  6. Das beste Argument für eine gendergerechtere Sprache waren immer schon diejenigen, die sich darüber aufregen.

  7. @7: Lingustisch mag es keine Ungerechtigkeit geben, aber sagen Sie das mal den Frauen und Mädchen in vielen Studien, die sich bei der rein maskulinen Form nicht angesprochen fühlen. Da nutzt es wenig, sich auf solche Argumente zurückzuziehen. Anders als die sexuelle Orientierung oder Hautfarbe kodiert die Sprache allerdings das Geschlecht, deswegen ist es klar, dass man ersteres darin nicht berücksichtigen kann. Tatsächlich prüfen Journalist*innen, ob die Gruppe, über die sie schreiben, gemischtgeschlechtlich ist; das ist kein großer Aufwand und alles anderes als Irrsinn.

  8. @5
    Ups, dann Entschuldigung.

    @7
    Linguistisch sind Genus und Sexus tatsächlich unabhängig.
    Es lässt sich experimentell aber durchaus zeigen, dass unser Gehirn das nicht so neutral interpretiert. Der Effekt ist vergleichsweise gering, aber er exisitiert.

  9. Ich finde, dass Walter Krämer hier Unrecht getan wird. Rückblickend wird man erkennen, dass er mehr für das Gendern getan hat, als alle Twitterer zusammen, indem er die Gegenargumente auf ihren erbärmlichen Kern reduziert: „Früher ging’s doch auch.“
    Dabei ist er aber sehr unterhaltsam, viel lustiger als Dieter Nuhr. Brillant, wenn er erklärt, dass die rein weibliche Form die männlichen Gebührenzahler diskriminiert. Ein geniales Argument für die Beibehaltung der rein männlichen Form, die im Umkehrschluss niemanden diskriminiert.
    Noch lustiger ist nur die Stelle an der der Ein-Mann-Verein zur Rettung der deutschen Sprache erklärt, dass „Einzelne von oben herab entscheiden wollen, wie sich Sprache zu entwickeln hat“. Ein Schlem, wer dabei an Walter Krämer denkt.

  10. Ich gender immer ganz einfach, indem ich den Plural eines Wortes verwende. Mir deshalb pauschal zu unterstellen, ich würde Menschen damit diskriminieren wollen, finde ich anmaßend.
    Verbieten kann ich keinen wie er redet und die Gesellschaft geht deswegen auch nicht vor die Hunde. Herr Krämer scheint sich aber gedanklich in ein ziemlich tiefes Loch gegraben zu haben – sieht nur noch was er fühlt und nimmt nur noch wahr, was dazu passt.

  11. Als ZDF-Fernsehrätin finde ich es gut, wenn Zuschauer*innen sich die Mühe machen, Adressen herauszufinden und mir einen Brief zu schreiben. Eine persönliche Antwort habe ich mir aber gespart; wurde wohl auch nicht erwartet.

  12. „Das Gendern passiere also nicht konsequent genug, meint Krämer einerseits. Andererseits schreibt er […]“

    Tja, man kann selbst dann kritisch auf die Inkonsequenz oder Inkonsistenz einer bestimmten Praxis (oder auch einer Theorie) aufmerksam machen, wenn man diese Praxis (oder Theorie) ablehnt -und nein, das ist kein Logik-Fehler.

    Des Weiteren ist interessant, wie negativ es offenbar aufgenommen wird, wenn jemand sich gegen die Verbreitung der sog. „geschlechtergerechten Sprache“ im öffentlichen Raum stellt; würde jemand sich in der gleichen Weise für das gegenteilige Anliegen engagieren, wäre das wohl anders. Aber gut, wenn man ja eh a priori weiß, welche Position die richtige ist…

    Zum Thema selbst möchte ich nicht viel sagen; wir haben in der Vergangenheit ja schon öfter und ausführlich darüber diskutiert (unter anderem haben wir dabei auch angesprochen, wie es mit dem Gendern in anderen Sprachen wie z.B. in Island und Schweden aussieht, also in Ländern, die beim Gender Pay Gap besser abschneiden als Deutschland).
    Stattdessen möchte ich angesichts der Tatsache, dass das Thema immer wieder von Neuem in den Diskussionen aufflammt, folgenden Vorschlag machen:
    Übermedien könnte zwei ausführliche und gründliche Texte zum Thema veröffentlichen; einen der das Gendern befürwortet und einen, der es kritisiert. Die Verfasser (oder die Verfasser*innen) sollten dabei jeweils wirklich kompetente Vertreter ihrer jeweiligen Position sein und auch keine „Extremisten“, die ihrer jeweiligen Position eher schaden.

    Kompetente Autoren (oder Autor*innen), die pro Gendersprache sind, dürften bekannt sein; was Kritiker angeht, so würde ich auf den kritischen Teil der Autoren (oder Autor*innen) des Buchs „Die Teufelin steckt im Detail“ (Baumann und Meinunger, Hrsg.) hinweisen (hier findet man auch Befürworter), und ebenfalls auf Tomas Kubilek, Autor des Buches „Genug gegendert!“ Alle genannten Autoren sind m.W. Linguisten bzw. Germanisten.

    @ Gastbeitrag:

    „Sitzen zwei Piloten im Flugzeug. Sagt die Eine zur Anderen: ‚Wetten, dass dabei niemand an Frauen gedacht hat?'“

    Ja, weil man das generische Maskulinum so auch nicht verwendet. Wenn eine Gruppe nur aus Frauen besteht, wird es nicht benutzt, jedenfalls nicht, wenn man dann im nächsten Satz spezifisch auf das Geschlecht abhebt. Das generische Maskulinum wird dort benutzt, wo das Geschlecht irrelevant oder unbekannt ist.

    Ich erinnere mich vage an einen Bericht über eine Studie, in der zwei Sätze hintereinander standen, die in etwa so lauteten: ‚Am Bahnsteig versammelten sich Psychologen. Die Frauen überquerten dann die Straße.‘

    Das „überraschendes“ Ergebnis: Ein generisches Maskulinum wurde da nicht so häufig erkannt.
    Sie könnten aber natürlich auch ganz andere Sätze wählen, z.B: „Berlin hat mehr Einwohner als Hamburg“ oder „Unser Museum hat über 100.000 Besucher im Jahr“. Hier wird ein jeder (oder ein*e jede*r) die Formulierung im Sinne des generisches Maskulinum verstehen. (Jedenfalls wenn der jeweilige Satz nicht in einen ganz speziellen und ungewöhnlichen Kontext eingebunden ist.)

    Entsprechend lassen sich auch Beispiele finden resp. konstruieren, in denen „Frau“ ganz offensichtlich als Synonym für „Frauen“ verstanden wird (z.B. „Die Frau wird seit Jahrhunderten diskriminiert“) und andere, in denen das nicht der Fall ist.

    Oder anders gesagt: Es kommt immer darauf an. In manchen Fällen mögen Doppelnennungen daher auch sinnvoll sein – in anderen hingegen wohl eher nicht. (Warum ich indes die Sternchen- und ähnliche Lösungen persönlich nicht überzeugend finde, geht aus den oben genannten Büchern hervor, und ich werde es hier nicht weiter vertiefen.)

  13. “Die Verfasser (oder die Verfasser*innen) sollten dabei jeweils wirklich kompetente Vertreter ihrer jeweiligen Position sein und auch keine „Extremisten“, die ihrer jeweiligen Position eher schaden.

    Wie stellen Sie sich das vor, so in praxi?
    Wie wollen Sie bei den GenderspinnerI_*nnen (m/w/s) die Auswahl treffen? Die sind allesamt „wirklich kompetente Vertreter“ ihrer Position. Alle.
    Anders bei den Vernünftigen. Das sind doch alte weiße Männer, Reaktionäre, völkische Nationalisten und überhaupt voll total die Nazis.
    Wollen Sie denen eine Plattform geben?

    Man nehme das nicht auf die leichte Schulter. Wir haben ja gerade gesehen was abgeht, wenn die Sprachreinigungskommandos mal nicht aufpassen. Denken Sie nur an das Individuum mit Gebärmutterhals Rowling. Hätt ichs nicht selbst gelesen, ich würds nicht glauben. Sagt die doch wirklich Frau anstelle von menstruierende Person.
    Ja, Sie haben richtig gelesen, Frau hat sie gesagt. Unfassbar, dass es irgendwieviel Jahre danach schon wieder so weit ist.
    Mein Rat: Wehret den AnfängerI*_nnen (m/w/s)!

  14. >>>Tja, man kann selbst dann kritisch auf die Inkonsequenz oder Inkonsistenz einer bestimmten Praxis (oder auch einer Theorie) aufmerksam machen, wenn man diese Praxis (oder Theorie) ablehnt -und nein, das ist kein Logik-Fehler.<<<
    Ja, kann man, ist aber dann halt irgendwie blöd.
    Natürlich geht es im Beispiel NUR um die Praxis und nur um Inkonsequenz. Die Theorie und die Inkonsistenz benötigen Sie aber, damit Ihre Behauptung nicht ganz so weit hergeholt daher kommt.
    Eine beobachtete Inkonsequenz bestimmter Personen kann unmöglich als Beleg für eine vorgebliche Inkonsistenz der Theorie herhalten. Das ist Wunschdenken.

    Und so geht es munter weiter, in Ihrem, viel zu langen, Kommentar.
    Nur kurz dazu: Der IST-Zustand ist kein Argument gegen Änderungen, wenn es um reine Gewöhnungseffekte geht. Eher im Gegenteil.

  15. Spätestens seit dem „m/w/s“ würde ich mir als Gastgeber hier die Frage stellen, ob ich mit dieser Kreatur noch diskutieren möchte.

    Ich für meinen Teil möchte es nicht.

    Der Verschwörungstheoretiker verlässt die Bühne, vertrieben von einem rechten Stück Scheiße. Mach in euren Köpfen daraus, was ihr wollt.

  16. #14
    Das generische Maskulinum stirbt gerade einen sanften Tod. Es stößt in manchen Texten jetzt schon unangenehm auf und wirkt wie aus der Zeit gefallen. Demnächst in so gut wie allen.

    In hohem Maße definiert die Sprache, was im Leben vorkommt und was nicht. Schornsteinfegerin und Pilotin zum Beispiel kommen in unserer Alltagssprache nicht vor – und damit auch nicht in den Berufswünschen von Mädchen. Dazu gibt es mittlerweile Studien. Muss ich die googeln oder glaubt man’s hier auch unbesehen? Es ist schon spät.

    Im Übrigen tut gendern nicht weh. Gut gegenderten Texten merkt man überhaupt nicht an, dass sie gegendert wurden. Wie Kommentar #1 zum Beispiel. Oder #19.

  17. ‚Am Bahnsteig versammelten sich Psychologen. Die Frauen überquerten dann die Straße.‘
    Mal abgesehen davon, dass der zweite Satz keinen logischen Bezug zum ersten hat, ist „Psychologen“ offenbar keine generische Gruppe, sondern eine _konkrete_. Ergo wird das nicht als generisches Maskulinum wahrgenommen. Weil ein konkreter Bahnsteig (Am = an dem, bestimmter Artikel) genannt wird und Präteritum verwendet wird, also ein konkreter Zeitpunkt in der Vergangenheit.
    Gegenbeispiel: „Psychologen brauchen in Deutschland ein Studium.“ Gnomisches Präsens, ergo generische Gruppe, demzufolge generisches Maskulinum.
    Niemand würde daraus ableiten, dass Psychologinnen kein Studium brauchen. Offenbar sind sie _hier_ mitgemeint.

  18. @ Frank Gemein:

    Lesen Sie einfach nochmals und denken Sie nochmal nach. Ich habe nicht die Lust, auf jeden unreflektierten Beitrag einzugehen, vor allem, wenn er auch noch in einem unverschämten Tonfall daherkommt.

    @ Stefan Fries:

    „Linguistisch mag es keine Ungerechtigkeit geben, aber sagen Sie das mal den Frauen und Mädchen in vielen Studien, die sich bei der rein maskulinen Form nicht angesprochen fühlen.“

    Soweit mir bekannt, lehnen die Frauen das Gendern laut Umfragen häufiger ab, als dass sie es befürworten würden. Vor allem benutzen alle mir bekannten Frauen im Alltag in den üblichen Fällen das generische Maskulinum, genau wie Männer. Die Frauen sagen:

    – „Das da vorne sind sicher Touristen“ (auch wenn die entsprechende Gruppe aus Männern und Frauen besteht) und nicht: „Das da vorne sind sicher Touristinnen und Touristen“ oder „Das da vorne sind sicher Tourist*innen“.

    – „Ich hol mir was beim Bäcker“ und nicht „Ich hol mir was bei der Bäckerin oder beim Bäcker“ oder „Ich hol mir was beim bzw. bei der Bäcker*in.“

    – „Die Stadt XY hat ungefähr 50.000 Einwohner“ und nicht „Die Stadt XY hat ungefähr 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner“ oder „Die Stadt XY hat ungefähr 50.000 Einwohner*innen.“

    Wie gesagt: So und ähnlich reden nach meiner Erfahrung ALLE Frauen in der normalen Konversation, und da hat sich auch nichts verändert in den letzten Jahren. (Ich gehe davon aus, dass alle anderen hier identische oder höchst ähnliche Erfahrungen gemacht haben.) Deshalb meine Frage an Sie:
    Glauben Sie tatsächlich, dass sich daran etwas Grundlegendes ändern wird? Oder ist es nur Ihr Anliegen, die reine Schriftsprache und dazu die gesprochene Sprache in speziellen Sprach-Situationen (z.B. bei Vorträgen) zu ändern? Und wenn Letzteres der Fall ist, wäre die Frage, ob das im Sinne Ihres Anliegens viel nutzen würde. Denn die allermeisten Leute sprechen doch viel mehr (und zwar in Alltagssituationen) als dass sie schreiben.

  19. Genderklacklaute oder Pausen sind eine Zumutung!
    Sie sind weder offizielle deutsche Sprache noch von einer Mehrheit erwünscht.
    Ich wünsche der Initiative gegen diese sprachliche Bevormundung einer Minderheit viel Erfolg.

  20. Ich gendere nach Phettberg (kann man auf YouTube suchen), weil das einfach und humorvoll ist. Daher wünsche ich mir, dass Herr Krämer mal ein Experty kontaktiert und diesem zuhört – obwohl das nicht passieren wird. Alternativ können seine Mitstreitys gern so weiterschreiben, wie sie wollen, über kurz oder lang erkennt man sie dann besser.

  21. @LLL Ich wollte Sie nicht überfordern.
    >>> Ich habe nicht die Lust, auf jeden unreflektierten Beitrag einzugehen, vor allem, wenn er auch noch in einem unverschämten Tonfall daherkommt.<<<

    Nee, ist klar. Dem eenen sin Uhl … Dann machen Sie mal so schön reflektiert weiter. Für einen Lacher sind Sie ja immerhin gut.

  22. „Walter Krämer polemisiert schon lange gegen gendergerechtes Sprechen“.
    Was ist das denn selber für eine miese Polemik von Frau Fromm?

    Wenn sich jemand über einen Sprachgebrauch beschwert, der nicht der offiziellen Sprache entspricht, dann ist das sein gute Recht und kein „polemisieren“!

  23. @ M. Frey-Dodllet:

    „Schornsteinfegerin und Pilotin zum Beispiel kommen in unserer Alltagssprache nicht vor – und damit auch nicht in den Berufswünschen von Mädchen.“

    Ein derart simpler und noch dazu monokausaler Zusammenhang ist extrem unplausibel, und es würde mich sehr wundern, wenn es Studien mit ökologischer Validität geben sollte, die mehr als reine Korrelationen finden. Man müsste hierzu beispielsweise eine „umgekehrte“ Kausalität ausschließen, im Sinne von: ‚Frauen wählen Beruf X selten, daher gilt er als Männerberuf, deshalb wählen wenige Mädchen und Frauen ihn, weshalb er weiterhin als Männerberuf gilt ( Rückkoppelungseffekt); und deshalb (weil er als Männerberuf gilt) werden die weiblichen Bezeichnungen selten genannt).‘

    Zu der These, dass die EIgenheiten der Sprache einen so starken Einfluss auf uns hat, gibt es genügend Kritik. Von RingsOfSaturn in einem anderen Thread ein guter kritischer Vortrag verlinkt:
    https://www.youtube.com/watch?v=QglKeIIC5Ds

    Und ob man elegant gendern kann, kommt ganz auf den Text an: In manchen Texten wird es entweder kompliziert oder der Text muss häufig die konkreten handelnden Subjekte ausklammern, was sicher oftmals nicht elegant ist.
    Und in der Alltagssprache wird das generische Maskulinum wie eh und je weithin gebraucht, oder machen Sie da andere Erfahrungen?

  24. @21 LLL
    Ich schrieb nicht von Umfragen, sondern von Studien, nachzulesen zum Beispiel hier:

    https://www.tagesspiegel.de/wissen/gender-in-der-sprache-feuerwehrfrauen-und-geburtshelfer-helfen-bei-der-berufswahl/12023192.html

    https://www.welt.de/kmpkt/article194491179/Generisches-Maskulinum-Warum-es-nicht-ausreicht-Frauen-mitzumeinen.html

    Ich finde, dem sollte man Rechnung tragen. Dass sorgfältig vorbereitete Texte in Vorträgen und Medien etwas anderes sind als das alltägliche Sprechen, dürfte klar sein. Ich bin auch nicht mit allen Formen glücklich, die das Problem lösen sollen, aber dass es ein Problem gibt, ist ja offensichtlich. (By the way: Auf welche Umfragen beziehen sie sich?)

  25. @ Frank Gemein:

    Keine Angst, Sie überfordern mich nicht. Aber vielleicht möchten Sie sich künftig trotzdem mit anderen Leuten hier unterhalten.

  26. @ Michael Frey-Dodillet (#1):

    Ich verstehe den Mann gut. Er ist Jahrgang 1948 und kommt einfach nicht mehr mit. Die Zeiten sind zu komplex.

    Altersdiskriminierung geht hier immer durch. Sogar als eine Art Gesellschaftskritik (zumindest sofern der ältere Herr weiß und hetero ist). Dass der in diesem Fall Beschuldigte genau der Generation angehört, die das „Fräulein“ abgeschafft hat – wumpe, Hauptsache, der Effekt stimmt.

    „Komplex“ ist am Gendern gar nichts. Es ist vor sich hergetragenes Bessermenschentum nach simpelsten Regeln – erst in geschriebener, jetzt auch in gesprochener Form. Bei einigen Leuten, die im DLF am Mikro sitzen, kann man das Geräusch sogar als Würgelaut bezeichnen.

    Und sie tragen es ja so stolz vor sich her: Warum das neutrale „Publikum“ verwenden? „Zuschauer*würg*innen“ geht doch auch! Oder „Gäste“ – lieber „Besucher*würg*innen“ sagen, dann wissen alle, wie woke man ist (bzw. jede*würg*r weiß es).

    Zur Klarstellung: Krämer ist ein ziemlicher Idiot. Er erweist der Sprache einen Bärendienst, indem er genau den reaktionären Pappkameraden verkörpert, durch den sich die Kritik an moralisierten Sprechweisen so einfach lächerlich machen lässt (da hat Alter Verwalter ganz recht). Dabei halte ich diese Kritik wirklich für zentral, wenn Sprache Schönheit behalten und Verständigung auf Dauer funktionieren soll.

    Es ist ja nicht nur das Gendern. Es ist diese ständig anwachsende Menge an Euphemismus- und Dysphemismus-Tretmühlen, die etwas Wunderschönes mehr und mehr zu einem Krampf macht. Neulich wurde hier diskutiert, ob nicht das Wort „Klimawandel“ eine Verharmlosung darstelle, obwohl jeder weiß, was darunter zu verstehen ist (und wer es leugnet, wird sich durch eine Sprachregelung wie „menschengemachtes Klimadesaster“ erst recht bestätigt fühlen). „Flüchtling“ geriet 2015 in den Ruf, ein herabsetzendes Wort zu sein, obwohl sich da schon seit einem Vierteljahrhundert Flüchtlingsräte für – nun ja – Flüchtlinge einsetzten.

    Im DLF (mein Lieblingssender, deshalb von dort die Beispiele) bekommt man das schöne Wort „Jude“ kaum noch zu hören. Als wäre es peinlich, wird es im Attribut versteckt: „jüdische Menschen“ (Menschen, echt? Ja, was denn sonst, verdammt!). Oder „Behinderte“: Wird man ganz böse angeguckt, wenn man das sagt. Aber warum? Das Wort transportiert wunderbar den Doppelcharakter einer Behinderung – behindert sein (durch gelähmte Beine) und behindert werden (durch eine fehlende Rollstuhlrampe). „Menschen mit Behinderung“ macht die Behinderung sprachlich allein zur Eigenschaft der Person. Und trotzdem soll es irgendwie besser sein, weil „Mensch“ drin vorkommt.

    Dass der inflationäre Gebrauch für PC-Moralismen auch noch das an sich schöne Wort „Mensch“ zu einer hohlen Pathos-Formel macht, lasse ich jetzt mal als Randnotiz stehen. Es regt mich so auf, ich könnte ewig weitermachen…

  27. @ Michael Frey-Dedillet:

    Übrigens benutzen Sie ja auch das generische Maskulinum:

    „Natürlich sage ich, dass es auf die Intention der Macher [sic] nicht ankommt. […] Der Empfänger [sic] bestimmt die Botschaft. […]
    Wenn das Kind im Brunnen liegt, können die ‚Macher‘ [sic] […]
    Wo wir gerade bei ‚Machern‘ [sic] sind.“
    (Alles aus einem einzigen Kommentar (vom 28.05.) unter „Kritik an rassistischer Werbung ist kein ‚Shitstorm'“)

    Das beweist nicht, dass das generische Maskulinum eine sinnvolle Einrichtung ist; aber es beweist, dass Sie ihm entweder erst kürzlich entsagt haben oder dass es eben doch schwierig ist, es zu vermeiden. Auf jeden Fall legt es nahe, dass das generische Maskulinum doch noch nicht so tot ist…

  28. @12: Genau das dachte ich auch. Ist kaum zu glauben, dass Herrn Krämer diese Widersprüchlichkeit nicht selbst auffällt.
    Regt er – und andere, die hier gar Würglaute erkennen wollen bei Plosiven und glottal stops – sich eigentlich auch so ungemein auf, wenn bei spanischen oder englischen Worten in Nachrichtentexten und anderswo das th gelispelt wird? Das ist doch ein Sprachfehler in unserer schönen deutschen Sprache! Und überhaupt, wieso eigentlich New York und San Francisco statt Neu York und San Franzisko!

  29. @LLL Ich will auch nicht wirklich mit Ihnen reden.

    Also, dann an die Anderen:
    Ein Artikel über einen Sprachwart ( aus dem Lager derer, die sich ansonsten gerne über angebliche Sprachwarte beschweren ), der gegen „gegenderte“ Sprache im ÖRR polemisiert, führt wiederum dazu, dass die Benutzung des generischen Maskulinums penibel aufgestöbert und als vorgeblicher Beweis ( für was genau weiss dann wiederum anscheinend auch niemand ) angedient wird.
    WOT?
    Wenn das Gendern sich doch nicht durchsetzt, wozu dient dann der ganze Furor?
    Oder setzt es sich doch durch, wozu dient dann das Schnüffeln danach, wer wann das generische Maskulinum benutzt hat?

    Der Sprache ist es egal, was selbsternannte Sprachwarte, egal von welcher Seite, gerne sähen.

    Wenn Betroffene darauf achten, dass Pilot:innen gegendert werden, aber Dieb:innen nicht, dann weil Ihnen Ersteres ein Anliegen ist, Letzteres verständlicherweise weniger.
    Je geläufiger das Gendern dann wird, um so vollständiger wird der Gebrauch. So ist es halt.
    Als jemand, der sich durch zahlreiche Werksausgaben vom „Abenteuerlichen Herz“ quälen musste, weiss ich, wie schnell angeblich „Ehernes“ dem Zeitgeist weichen muss.

    Tatsächlich amüsieren mich die zeternden Fossile aber sehr.

  30. Es wird ja gern von Studien geredet, die irgendwie beweisen sollen, an welches Geschlecht die Menschen eher denken, wenn man ihnen Texte über Personen vorlegt. Gibt es auch Studien, in denen untersucht wird, ob man bei Wörtern wie Ärzt:innen, Journalist:innen gleichermaßen an Frauen wie an Männer denkt? Könnte zumindest ja sein, dass bei Gendersprache meistens an Frauen gedacht wird.

    Was ist eigentlich der richtige Artikel bei Ärzt:in? Der? Die? Ist Arzt:in auch okay?

    Da fällt mir eine schöne Geschichte ein.

    Vater und Sohn fahren im Auto. Sie haben einen schweren Unfall, bei dem der Sohn sofort stirbt. Der Vater wird mit schweren Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht, in dem ein:e Ärzt:in für Kopfverletzungen arbeitet.

    Die Operation wird vorbereitet, alles ist fertig, als besagte:r Ärzt:in erscheint und sagt: „Wenn ich weiß wäre, wäre ich jetzt blass vor Schreck, denn das ist mein eingetrager Lebenspartner.“

    Tja: Der:die Ärzt:in ist keine Frau, sondern ein Mann, nicht weiß, sondern schwarz, nicht hetero, sondern schwul.

    Dreimal geirrt, ätsch bätsch!

  31. @Frank Gemein:
    Wenn es – wie sehr häufig erklärt wird – Gendern (und Doppelnennenung) zu einer „Frage der Moral“ erklärt wird, ist es also unmoralisch, es nicht zu tun, und doppelmoralisch, es nicht zu tun, wenn man das propagiert.
    Und wenn „Betroffene“ (betroffen von was?) „Pilot:innen“ aber nicht „Mörder:innen“ schreiben, sieht das sehr nach Främing aus.

    Ja, das „Schnüffeln“ nach Gender-Fehlern dient dem Nachweis der Doppelmoral. Finden Sie sich damit ab. Einfach keine Fehler machen.

  32. @ Mycroft:

    „Ja, das ‚Schnüffeln‘ nach Gender-Fehlern dient dem Nachweis der Doppelmoral. “

    Oder alternativ dem Nachweis, dass es eben doch nicht so einfach ist, das Gendern konsequent durchzuhalten, sondern dass das einige Konzentration verlangt. Und man darf wohl davon ausgehen, dass es den Leuten umso schwerer fallen wird, „elegant“ mit allen möglichen Passiv-und Partizipial-Konstruktionen zu gendern, je weniger Bildung und Sprachkompetenz sie besitzen. Ich wage folgende These: Das Gendern über Minima hinaus wird im Wesentlichen immer ein Eliten-Jargon der „höheren Schichten“ bleiben, welcher zudem auch noch auf Teile der Schriftsprache und wenige mündliche Situationen beschränkt bleiben wird.

  33. „gendergerecht“ – echt jetzt? Ist durch die dadurch die Sprache jetzt echt gerecht und vorher war sie ungerecht?

  34. Warum wird eigentlich die (berechtigte) Kritik von Krämer als „polemisieren“ bezeichnet? Nur weil es einem kleinen elitären Teil der Journaille nicht in den Kram passt, dass jemand ihre abgehobene Sprachwelt wagt anzugreifen?

    Ist ja schön, wenn man im Elfenbeinturm eine eigene Sprache findet. Einen Großteil der Bevölkerung erreicht man damit nicht.

  35. @MYCROFT Das Neuerung sich erst eingewöhnen müssen, beweist wiederum überhaupt nichts. Nur erklärt Ihre Aussage nun auch nicht, warum die Sprachwarte aus den Reihen der Gendergegner dann auf einmal okay sein sollen. Ich würde das „Doppelmoral“ nennen. Sie nicht?
    Aber ja, den Splitter im Auge des anderen ….
    Es ist eine Absurdität dieser Zeit, dass sich vorgeblich Konservative in großer Zahl finden, die die Moral letztlich nur noch als Keule gegen angeblich zu Gutmeinende akzeptieren.
    Aber ich kläre mal auf: Jedes Kind lernt heute, dass sich in Sprachen Macht manifestiert.
    Die Macht von Jahrtausenden des Patriarchats findet ihren Niederschlag bspw. im generischen Maskulinum. Ich fand auch den Versuch einer Universität interessanter, die konsequent alle Berufsbezeichnungen in Stellenausschreibungen im generischen Femininum gehalten hat, so denn das gewünschte Geschlecht der Bewerber unbestimmt war. Professoren waren definitiv Männer, Professorinnen, waren gemischt, oder nur weiblich. Das gab eine nette Aufregung unter den Männern.
    Und wieder lese ich etwas von „Elitensprache“ und „wird sich nicht durchsetzen“. Dann noch einmal: Was soll dann diese Aufregung?
    Es gibt ganz unterschiedliche Wege, wie sich Sprache ändert.
    Vor einigen Jahren waren es die Anglizismen, die angeblich unsere Sprache zerstörten.
    Und da kommen wir zu dem eigentlichen Problem:
    Die angeblichen Retter der Sprache sind eigentlich die, die sie gering schätzen.
    Die deutsche Sprache ist kein zartes Pflänzchen. Wer das glaubt, achtet sie nicht.
    Ein anderes Phänomen unserer Zeit, welches auch auf die Kultur ausgedehnt wird.
    Ketzerisch könnte man sagen:
    Wenn doch unsere Kultur so gut und richtig ist, dann bin ich auch nicht besorgt.
    Wenn ich so besorgt bin, dann glaube ich gar nicht an sie. Dann halte ich sie für schwach und überholt. Warum sollte ich sie also retten?

    Die Auflösung ist natürlich:
    Der Furor der „Retter“ ist die eigentliche Aneignung. Sie, die an jeder Ecke Dekadenz entdecken wollen, schätzen beides nicht wert.

  36. @Kritischer Kritiker

    Das (in Ihrer Klarstellung) ist doch genau der Punkt, um den es geht. Gerade die Linguistinnen und Linguisten mit etwas mehr Internetruhm werden ja nicht müde zu betonen, dass die Regeln zu Sprache ja vor allem durch die Beobachtung in der Praxis Bedeutung gewinnen, lebendige Sprache und so.

    Genau dann haben aber alle das Recht, die Sprache so mitzuformen wie sie sie leben: die Idioten und die Universalgelehrten, die Vordenker und die Zögerer, die Abendlandbesorgten und die im Ausländer¶Innenausschuss. Wenn aber nur diejenigen die Sprache bewegen dürfen, bei denen das in die gewünschte Richtung geht, dann ist das zumindest ein klitzekleines Bisschen unredlich, sogar dann, wenn man die Mobilmachung des Rundfunkrates befürchten muss.

    (Ich möchte diese Metaebene im Übrigen nicht verlassen, denn die ganzen inhaltlichen Argumente sind nicht nur, aber auch auf diesen Seiten jahrelang ausführlich ausgetauschtangebracht worden.)

  37. In meiner Brust schlagen da auch zwei Herzen, muss ich ja zugeben.

    Einerseits sehe ein, dass gendern inklusiv ist und Menschen sich automatisch mehr wertgeschätzt fühlen, wenn Sie auch sprachlich automatisch mitgemeint sind.
    Der Grund alleine reicht (mir) schon, um es als notwendig anzuerkennen. Praktische Anwendung, njaa, meinerseits verbesserungswürdig.

    Andererseits halte ich es geschrieben wie gesprochen tatsächlich auch für eine „Verunstaltung“, ich kann mir da nicht helfen. Ich hoffe, da tritt bei großflächigerer Verwendung ein Gewöhnungseffekt ein. Abgesehen vom Ästhetischen ist es in der konkreten Anwendung auch schlicht komplizierter (aber keine unlösbare Sache).

    Was hier in den Kommentaren auch aufkam: Elitendiskussion?
    Jein. Ich stelle mir aber vor, wie ich als Content und PR Mensch einer kleinen provinziellen Firma unseren Lagerleuten erklären soll, ab heute bitte gegenderte (?) Sprache zu verwenden. Ich glaube, dann kommt keiner mehr mir rauchen.
    Umdenkprozesse brauchen Zeit und Gewöhnung, auf dem Land weit mehr, als in der Stadt (anekdotisch). Der Widerstand gegen Neuerungen ist hier quasi obligatorisch, hier bekommt die CDU traditionell noch 45% aus Gewohnheit.

    Seit wann ist „Sehr geehrte Damen und Herren“ eigentlich Standard?
    Hat man sich „damals“ auch gegen die Inklusion von Frauen in die Grußformel gesträubt? Die Diskussion musste ja eine Ähnliche wie diese hier sein.

    Außerdem kam mir noch in den Sinn, dass Wörter wie „Räuber“ halt auch historisch zustande gekommen sind. Die Frau auf dem Schafott hat dann wohl festgestellt, dass sie bei „Räuber“ durchaus mitgemeint ist, es ging ja um den Raub, nicht um das Geschlecht der Person, die diesen verübt hat.
    Ich will damit sagen: Nur eine zivilisierte, einigermaßen gleichgestellte Gesellschaft, die Gerechtigkeit auch in Justerei ausübt kann sich überhaupt so eine Diskussion erlauben. Was für unsere Gesellschaft spricht.

    Ich hoffe, dass man insgesamt einen Konsens findet und man da irgendwann einfach gar nicht mehr drüber nachdenkt.

  38. @ Vonfernseher (#37):

    Das (in Ihrer Klarstellung) ist doch genau der Punkt, um den es geht. Gerade die Linguistinnen und Linguisten mit etwas mehr Internetruhm werden ja nicht müde zu betonen, dass die Regeln zu Sprache ja vor allem durch die Beobachtung in der Praxis Bedeutung gewinnen, lebendige Sprache und so.

    Okay, Meta-Ebene: Ich finde, man muss zwischen „Sprache ändert sich“ und „Sprache wird verändert“ unterscheiden. Das eine ist ein Prozess, der sich hinter dem Rücken der Sprecher quasi naturwüchsig vollzieht, das andere sind Regelwerke, die der Sprache von Institutionen eingepflanzt werden (sollen).

    Ersteres gibt es schon immer (wenn auch nicht im heutigen Tempo), letzteres schon lange – siehe Amtsdeutsch. Gegen oktroyierte Sprachregelungen wehrt sich die Sprache häufig erfolgreich. Z.B. habe ich noch nie jemanden an einer Kreuzung das Wort „Lichtsignalanlage“ sagen hören, es heißt schlicht „Ampel“. Und der berüchtigte „Meuchelpuffer“ konnte die „Pistole“ auch nie verdängen. (Wobei es einen Haufen erfundener Wörter gibt, die es in die Alltagssprache geschafft haben, aber das führt hier zu weit.)

    Neu ist nun die Verbindung von Sprachregelungen mit moralischem Druck – zumindest in dieser Häufung: Ausgehend von den Universitäten, inzwischen etabliert in Behörden, Redaktionen, Parteien und PR-Agenturen entstehen ganze Regelwerke, wie man zu schreiben und zu sprechen hat und wie nicht. Indem man diese Regelungen zu „gerechter Sprache“ erklärt, wird der gewachsene Sprachgebrauch automatisch als „ungerecht“ verworfen.

    Und das wird sanktioniert: Ich habe kürzlich heftig auf den Deckel bekommen, weil ich für eine Pressemitteilung den Kompromiss „behinderte Menschen“ gewählt habe. Warum das schlimm sei, konnte mir niemand erklären – aber ich hatte gegen eine Regel verstoßen, also hatte das Konsequenzen.

    Mit einer Sprach-Entwicklung, die sich „von unten“ durchsetzt (wie „Auto“ statt „Automobil“ oder „im Haus“ statt „im Hause“) hat das wenig zu tun – es ist immer noch ein Elitenphänomen, über das Supermarktkassierer und Busfahrerinnen höchstens Witze reißen (was sie in den Augen vieler Gerechtsprecher herablassenderweise zu Erziehungsobjekten macht.)

    Deshalb sehe ich bei Linguisten wie Anatol Stefanowitsch auch einen Widerspruch, wenn er einerseits ganz begeistert ist von einer „natürlichen Sprachentwicklung“, bei der Fall-Endungen verschwinden und etablierte Begriffe durch Mode-Wörter verdrängt werden – andererseits aber eine „moralische Pflicht“ zur „gerechten Sprache“ postuliert. Da geht was nicht zusammen.

    @ Frank Gemein (#32):

    Also, als „zeterndes Fossil“ hat mich bisher noch niemand bezeichnet. Immerhin kreativ, und „zetern“ ist ein wirklich schönes Wort. Hinter „Fossil“ steckt in diesem Kontext allerdings fetter, blinder Fortschrittsglaube. Wie bei den Atomkraftfans aus den Siebzigern, die ihren Kritikern immer vorhielten, sie wollten wohl in die Steinzeit zurück.

    @ Mr Re (#31):

    New York hieß auf Deutsch wirklich mal Neuyork, und San Francisco müsste natürlich – wenn schon, denn schon – St. Franziskus heißen. Dass sich hier die amerikanischen Eigennamen durchgesetzt haben, läuft allerdings tatsächlich unter „Sprache ändert sich“. Ärgerlich finde ich es nur, wenn in einem deutschen Text weder von „Ciudad de México“ (Eigenname) noch von „Mexiko-Stadt“ (deutscher Name), sondern von „Mexico City“ die Rede ist.

  39. Gendern ist Identitätspolitik.
    Das werden nun einige hoch empört zurückweisen.
    Ich sehe das aber so. Sprache dient der Übermittlung von Information, entweder an alle oder eben nur an bestimmte Personen.
    Wer jetzt gendert, will sich abgrenzen, zu einer Gruppe gehören und unerwünschte Dritte ausschließen.
    Ein ähnliches Phänomen bildet die Jugendsprache, die bewusst Begriffe einsetzt, die außerhalb der betreffenden Alterskohorte nicht mehr verstanden werden und dies auch nicht sollen.
    Landsmannschaftlich geprägte Dialekte haben innerhalb einer Sprache nochmal eine eigene Rolle, Fachjargon ebenso, aber das ist nicht das Thema.
    Denn es gibt zur Klärung jeglicher Sprachverwirrungen eine wunderbare Erfindung: die Amtssprache.
    Überall dort, wo alle betroffen sind, soll und muss diese zur Anwendung kommen. Bildungseinrichtungen, behördliche Texte, und ja, auch bei den ÖR, die von allen finanziert werden (müssen) und gemäß Rundfunkstaatsvertrag Programm für alle zu machen haben und daher auch von allen ohne Verrenkungen zu verstehen sein sollten.

    Krämers Kritik besteht daher zu Recht, egal was man von ihm persönlich halten mag.

    Gerdern ist eben nicht Teil der Amtssprache, und so wird gegendert, wann, was und wie es gerade beliebt, selbst wenn dabei nur Unfug herauskommt.
    Beispiel: Ich bin vor einiger Zeit bei Anne Will gelandet. Die sprach mit einem Herrn vom „Bund der Steuerzahler“ und redete dabei beharrlich vom „Bund der Steuerzahler————Innen“ mit genau der Kunstpause, die ich hier durch Leerzeichen kenntlich zu machen versuche. Mal davon abgesehen, dass es schon schwer zu verarbeiten war, was sie eigentlich sagen wollte, ist es inhaltlich falsch. „Bund der Steuerzahler“ ist nun einmal der Name des Vereins und als Eigenname eigentlich nicht veränderbar, wenn ich mich richtig an die Ausführungen meiner Deutschlehrer erinnere. Ob es daneben noch einen „Bund der Steuerzahlerinnen“ gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, wenn Frau Will
    mit einer Vertreterin des nämlich hätte sprechen wollen, so hätte sie diese einladen müssen.
    So aber bleibt, Frau Will genderte Unfug und verbreitete nebenbei, überspitzt formuliert, Falschinformation, denn der Herr war eindeutig vom „Bund der Steuerzahler“ und gerade nicht von einem der Steuerzahlerinnen.

    Das Problem des Genderns ist, dass jedes Grüppchen sein eigenes Süppchen kocht. Völlig gleich, wann was wie oder ob überhaupt gegendert wird, es findet sich garantiert wer, der da ruft „ICH, ICH, ICH, ICH….fühle mich aber nicht mitgemeint und ich kenne mindestens 3 – 12 andere, die bestimmt auch so fühlen.“ So produziert man ein gruppenbezogenes Diskriminierungsszenario und fordert Gleichstellung. Und schon sind wir unversehens in der Identitätspolitik.

    Jegliches hat seine Zeit, selbstverständlich auch die Sprache. Niemand stört sich daran, wenn Sprache mit der Zeit geht und sich entsprechend ändert. Aber sie muss für alle handhabbar und verständlich bleiben.
    Dafür braucht es einheitliche Regeln, mithin also die gültige Amtssprache.
    Diese, und nur diese, darf Maßstab für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein.
    Womit ich wieder bei Krämer wäre.
    Habe fertig.

    Ein alter weißer Mann.

  40. @ Anderer Max (#39):

    Seit wann ist „Sehr geehrte Damen und Herren“ eigentlich Standard? Hat man sich „damals“ auch gegen die Inklusion von Frauen in die Grußformel gesträubt? Die Diskussion musste ja eine Ähnliche wie diese hier sein.

    Nein, natürlich nicht. Das hieß immer schon „Damen und Herren“. Weil „Herren“ kein grammatisches Maskulinum ist, sondern tatsächlich Männer meint. Nur gab es früher im Berufsleben oft nur Kerle, deshalb kam „Sehr geehrte Herren“ regelmäßig vor.

  41. Das ist für den ÖR doch wirklich nicht schwer.

    Man kann das Gendern gern gut finden. Aber es ist offensichtlich eine Ideologie im reinsten Sinne des Wortes, und auch nach über 20 Jahren Gender Mainstreaming lehnt eine breite Mehrheit der Bevölkerung das Sprachgendern unverändert ab.

    Jede privatrechtliche Medienpublikation kann für sich selbst entscheiden, wie sie das handhaben will. Der ÖR ist dagegen per Staatsvertrag zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Solange die Gendersprache von einer (deutlichen!) Mehrheit der Sprecher – Frauen wie Männer – als oktroyierte Regelung angesehen wird, und nicht als natürlicher Sprechakt, ist es dem ÖR schlicht untersagt, die Regelung selbst anzuwenden. Ende der Geschichte.

    Dass das nicht von Anfang an unterbunden wurde, ist nur noch ein weiteres der zahlreichen Probleme, die der ÖR mit seinem eigentlichen Programmauftrag in den letzten Jahren offenbart hat.

  42. Das lustigste an diesen ganzen Leuten, die sich nicht vorschreiben lassen möchten, wie sie zu reden haben, ist doch, dass sie anderen vorschreiben, wie sie zu reden haben…

    @Illen, #44: Nicht zu gendern ist genauso ein Weltbild wie zu gendern. Aber wir kennen das: die eigene Meinung ist ein „Weltbild“, die gegensätzliche eine „Ideologie“.

  43. tja, das ist jetzt frage was henne und was ei ist.

    denn nach wenn jahrzehntelang von manchen behauptet wird dass mit „schüler“ nur jungs gemeint sind und mädchen nicht mit angesprochen sind , dann glauben das manche natürlich auch. auch wenn zu sehen ist dass es entgegen der behauptung bei „schüler“ nicht richtig klar ist, bei „schülerin“ dagegen schon.
    hätte man vor jahrzehnten statt dessen begonnen klar zu machen dass grammatik und reales geschlecht zwei paar schuhe sind und mit „ein arzt“ über das geschlecht (m/w/*) noch gar nichts gesagt ist, wäre wir vermutlich ein bißchen weiter und hätten eine bezeichung in denen das geschlecht keine rolle spielt und auch nicht den unangenehmen nebeneffekt dass mit der -innen variante die letzten jahre eine binäre geschlechterordnung manifestiert wurde die man nun mit einem knackslaut abzumildern versucht. also nach dem motto gehandelt hat: warum einfach wenns auch kompliziert geht…..

  44. @Frank Gemein:
    Ich behaupte weder, dass die Sprachwarte auf Seiten der Gendergegner (alles m/w/d) grundsätzlich ok sind, noch, dass Gendern unmoralisch ist.
    Insofern kann es meinerseits keine Doppelmoral sein.
    Gendern hat für mich mehr praktische Probleme, z.B., dass zwei Wörter mit fast derselben Bedeutung fast gleich gesprochen werden.
    Mit der Machtfrage haben Sie bestimmt Recht, Anglizismen gelten als Zeichen der Macht der USA, Gendersprache als Zeichen der Macht der Unis und so.

    Ansonsten: Wer künstlich erzeugten Sprachwandel damit rechtfertigt, dass es Sprachwandel schon immer gab, argumentiert wie jemand, die oder der künstlich erzeugten Klimawandel damit rechtfertigt, dass es Klimawandel schon immer gab.

  45. #45 DAW

    Ich meinte Ideologie nicht abwertend. Ersetzen Sie den Begriff gern durch Weltbild. Das ändert nichts daran, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung dieses Weltbild ablehnt. Sprache betrifft per definitionem immer alle Sprecher. Niemand kann sich der eigenen Sprache entziehen. Will ich mich mittels des ÖR über Geschehnisse informieren, bin ich seiner Sprache immer ausgesetzt. Es gibt keine andere Möglichkeit. Und deshalb ist es mit der weltanschaulichen Neutralität des ÖR nicht vereinbar, Sprachmittel zu gebrauchen, die selbsterklärtermaßen dazu geschaffen sind, gesellschaftspolitische Prozesse disruptiv zu beeinflussen, wie auch immer man materiell zu diesen Prozessen steht, solange die Sprachmittel nicht durch natürlichen Gebrauch Allgemeinsprache geworden sind.

    Im Privaten oder in privatrechtlich organisierten Medien kann das selbstverständlich jeder halten, wie er will.

  46. @49, Iller: Die reine Verwendung der männlichen Form ist doch ebenfalls selbsterklärtermaßen dazu geschaffen, gesellschaftspolitische Prozesse zu beeinflussen. Nur, weil sie älter und für viele eine Sache der Gewöhnung ist, ist sie nicht weniger politisch (wofür Krämer und seine selbsternannten Sprachhüter das beste Beispiel sind).

    Und was soll der „natürliche Gebrauch“ einer Sprache sein? Sie halten das für natürlich, was Sie gewöhnt sind, und erklären Ihre eigene Gewohnheit zum „natürlichen Gebrauch“.

  47. aus #32: Wenn Betroffene darauf achten, dass Pilot:innen gegendert werden, aber Dieb:innen nicht, dann weil Ihnen Ersteres ein Anliegen ist, Letzteres verständlicherweise weniger.

    Doppelmoral und klarer Hinweis auf Framing!
    Für die Freunde des Gendersprech gibt es nur Mörder, Vergewaltiger, Räuber und Diebe etc..
    Weil Frauen immer nur die Guten sind.

    Inzwischen durfte ich schon mehrfach Beiträge im Radio (Mephisto – Uniradio Leipzig) ertragen, in denen Gendersprech mit Pause verwendet wurde, obwohl es aus dem Kontext ausschließlich um Männer oder Frauen ging. Spätestens in diesem Fall wird es dann lächerlich, weil der Inhalt des Beitrags wohl keine Rolle mehr spielt. Hauptsache politisch~ und gendersprech~ korrekt.

  48. @MYCROFT
    >>> Anglizismen gelten als Zeichen der Macht der USA, Gendersprache als Zeichen der Macht der Unis und so.<<< Ernsthaft?
    Das brechen wir dann hier mal ab. Damit kann ich mich nicht auseinandersetzen, ohne überheblich zu werden.

  49. #46: hätte man vor jahrzehnten statt dessen begonnen klar zu machen dass grammatik und reales geschlecht zwei paar schuhe sind und mit „ein arzt“ über das geschlecht (m/w/*) noch gar nichts gesagt ist, wäre wir vermutlich ein bißchen weiter

    Ähm, so haben wir das in der Schule gelernt! Ärzte, Lehrer, Beamte in der Pluralform waren und sind für mich IMMER beide Geschlechter. Aber wahrscheinlich habe ich in der Schule nicht aufgepasst?!
    Erst mit den zusätzlichen Geschlechtern traten die Probleme auf – oder besser gesagt – laute Minderheiten, die offenbar ganz andere Probleme haben, haben ihre Sicht der Mehrheit aufs Auge gedrückt.

    Nun denn.

  50. @ DAW (#50):

    Die reine Verwendung der männlichen Form ist doch ebenfalls selbsterklärtermaßen dazu geschaffen, gesellschaftspolitische Prozesse zu beeinflussen.

    Nein, die ist nicht „geschaffen“ – schon gar nicht selbsterklärtermaßen –, sondern gewachsen. Inwieweit dieses Wachsen mit patriarchalen Verhältnissen zu tun hatte, ist schwer zu sagen. Der Umkehrschluss gilt jedenfalls nicht: Im türkischen gibt es gar keine grammatischen Geschlechter, ein Patriarchat aber sehr wohl.

  51. der letzte Absatz ist der Knüller.
    Da disqualifiziert sich der Statistiker (eine wirklich hohe Wisschenschaft innerhalb der Mathematik) selbst.

  52. @Frank

    „Laute Minderheiten“: Ja, schon frech, diese Menschen, die sich, nur um Sie zu ärgern, irgendwelche Grillen mit „zusätzlichen Geschlechtern“ in den Kopf gesetzt haben.

  53. #50 DAW

    Die reine Verwendung der männlichen Form ist doch ebenfalls selbsterklärtermaßen dazu geschaffen, gesellschaftspolitische Prozesse zu beeinflussen.

    Dieses Argument vertauscht schlicht Ursache und Wirkung. Es ist das Gender Mainstreaming bzw. die feministische Linguistik, die behaupten, dass die gewachsene Sprache diskriminierend sei und verändert werden müsse. Sie können aus der Abwehr einer Behauptung nie die Behauptung des Gegenteils konstatieren. Muss man so etwas Grundsätzliches jetzt wirklich erwachsenen Menschen erklären? Man fasst es nicht.

    Und was soll der „natürliche Gebrauch“ einer Sprache sein? Sie halten das für natürlich, was Sie gewöhnt sind, und erklären Ihre eigene Gewohnheit zum „natürlichen Gebrauch“.

    Natürlicher Sprachgebrauch ist die Allgemeinsprache, d.h. das, was die Leute tatsächlich sprechen. Und nicht einmal der glühenste Verfechter der Gendersprache kommt an der Tatsache vorbei, dass die Gendersprache selbst unter ihren Anhängern nur bedingt dauerhaft gesprochen wird, und in der breiten Bevölkerung keinerlei Rückhalt hat.

    Im Übrigen ist es wirklich geradezu lächerlich, die offensichtliche Tatsache zu ignorieren, dass diese Sprache vor allem mittels staatlicher Institutionen zu etablieren versucht wird. Sprache als Machtinstrument des Staates, obwohl seit Jahrzehnten eine große, stabile, demokratische Mehrheit diese Sprache ablehnt.

    Aber klar, wenn man selbst dafür ist, ist das natürlich nicht totalitär, sondern notwendig auf dem Weg zur besseren Zukunft. Das war immer schon das Argument. Aber diesmal wissen wir es wirklich besser als die große Mehrheit!

  54. @53
    auf jeden fall haben sie bei meinem kommentar mal nicht aufgepasst als auch, mit verlaub, die diskussionen der letzen jahrzehnte und veränderungen in der schule nicht mitbekommen.
    denn ich kritisiere ja grade den weg, reales geschlecht und grammatikalisches geschlecht miteinander zu verknüpfen und nicht voneinander getrennt zu halten. auch wenn ich ihren klagenden duktus von einer angeblichen lautstarken minderheit die ihre sichtweise oktroyiert nicht teile und mich wundere dass es manchen so schwer fällt einfach sachlich verschiedene sichtweisen zu einem thema zu diskutieren.

  55. @Kritischer Kritiker # 29:

    Das ist das schlauste, was ich in diesem Zusammenhang je gehört habe:

    Oder „Behinderte“: Wird man ganz böse angeguckt, wenn man das sagt. Aber warum? Das Wort transportiert wunderbar den Doppelcharakter einer Behinderung – behindert sein (durch gelähmte Beine) und behindert werden (durch eine fehlende Rollstuhlrampe). „Menschen mit Behinderung“ macht die Behinderung sprachlich allein zur Eigenschaft der Person. Und trotzdem soll es irgendwie besser sein, weil „Mensch“ drin vorkommt.

    Danke dafür.

    Eigentlich wollte ich ja nur schreiben, dass Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Gendergerechtigkeit, Nicht-Diskriminierungen usw. usf. überhaupt nichts mit der gesprochenen oder geschriebenen Sprache zu tun haben. Im Englischen gibt es für nahezu alle Personengruppen keine weibliche Form, und wenn es eine gibt, dann nur um das bestehende Machtgefälle zu demonstrieren („Stewardess“, „Nurse“). Im Vereinigten Königreich ist es viel schlimmer, als bei uns (anekdotisch).

    Manche Menschen sagen/schreiben „Kolleginnen und Kollegen“, manche sogar „KollegInnen“ und meinen damit nur alle anderen wichtigen alten weißen Männer™ wie sich selbst, und nicht auch diese Sekretärinnen, Rezeptionistinnen und PR-Frauen die in ihrer tollen Firma blöderweise mittlerweile auch mitmischen.

  56. @KRITISCHER KRITIKER
    >>>Okay, Meta-Ebene: Ich finde, man muss zwischen „Sprache ändert sich“ und „Sprache wird verändert“ unterscheiden. Das eine ist ein Prozess, der sich hinter dem Rücken der Sprecher quasi naturwüchsig vollzieht, das andere sind Regelwerke, die der Sprache von Institutionen eingepflanzt werden (sollen).
    <<>>Also, als „zeterndes Fossil“ hat mich bisher noch niemand bezeichnet. Immerhin kreativ, und „zetern“ ist ein wirklich schönes Wort. Hinter „Fossil“ steckt in diesem Kontext allerdings fetter, blinder Fortschrittsglaube.<<<

    Nun, Sie ziehen sich den Schuh an. Das wird seine Gründe haben. Ich glaube in der Form an den Fortschritt, wie ich daran glaube, dass auf den Herbst der Winter folgt.
    Die kleine Spitze mit der Atomkraft.
    Netter Versuch, ein bißchen albern, aber nett.

  57. #58:
    Offensichtlich habe ich mich falsch ausgedrückt. Denn ich sehe es genau wie Sie im vorhin zitierten Kommentar.
    Dass Sie meinen „klagenden Duktus“ nicht teilen, ist OK.
    War vielleicht auch etwas überspitzt formuliert.

    Letztlich ist der Versuch, es in der Sprache allen recht zu machen, in der alltäglichen Umsetzung sehr schwer bzw. nahezu unmöglich.
    Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt…

  58. Vor kurzem habe ich einen kurzen Film im ZDF gesehen, der Text wurde gendergerecht gesprochen. Kein Knackton, aber Begriffe wie Lehrer-Innen klangen wie zwei Worte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das durchsetzen wird. Es hört sich künstlich an – mich erinnert das an die Anfänge automatischer Durchsagen in Bahnhöfen.

    Ich vermute, dass es auch im Sinne des Genderns besser wäre, die Sprache eleganter anzupassen als mit dem Holzhammer. Die Idee dahinter ist ja okay, aber an der praktischen Umsetzung muss noch ordentlich gefeilt werden. Was sich unnatürlich anhört, was für Normalos schlecht klingt, was am sprachlichen Alltag der Menschen komplett vorbeigeht, lässt sich – in dem Umfang – außerhalb akademischer Sphären nur schlecht vermitteln.

  59. @ MFD (verzeihen Sie die Abkürzung, ist nicht böse gemeint):

    „Unsere Kinder sind offensichtlich schon weiter als wir.“

    Haben Sie schon mal ein Kind gesehen, das sagt: „Wir müssen aufpassen, dass unsere Nachbarinnen und Nachbarn uns nicht sehen“ bzw. „… unsere Nachbar*Innen uns nicht sehen“. Oder überhaupt irgendjemanden, der im Alltag so redet?
    Oder jemanden, der sagt: „Dort treffen sich die Torurist*innen.“ (Oder „elaganter“: „Dort treffen sich Personen, die touristisch unterwegs sind.“)

    „Interessant sind die Ergebnisse bei der Aufgabe ‚Malt mal einen Lehrer und zwei Schüler.'“

    Wieso interessant? Da es da aber um konkrete Personen geht, ist das generische Maskulinum hier eben gerade NICHT optimal geeignet (egal was die Ergebnisse sein mögen). Da wurde jetzt aber ja auch schon durchgekaut.

    (auch @ alle:)

    Vielleicht noch zu den von Ihnen erwähnten Studien – Sie meinen vermutlich Untersuchungen, nach denen Berufe von Kindern anders wahrgenommen werden, wenn auch die weibliche Form genannt wird (Wobei der Effekt wohl sehr bescheiden ist. In einer Studie etwa fiel der wahrgenommene Status typisch „männlicher“ Berufe in den Augen von Mädchen von 3.76 auf 3.69 Punkte, wenn Paarformen statt generischem Maskulinum verwendet wurde. Das ist ein Unterschied von ca. 2 %. Siehe Tabelle 1 im Artikel „Yes I Can! Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children’s Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-Efficacy“. Andere Zahlen aus der Studie sind auch nicht sehr beeindruckend.)

    Soweit nicht eine Möglichkeit ausgeschlossen, könnte das folgende Erklärungen haben:
    a) Die maskuline Form könnte einen spezifischen Effekt (im Ggs. zu einer hypothetischen völlig geschlechtsneutralen Form) haben.
    b) die Doppelnennung könnte einen spezifischen Effekt (im Gges. zu einer hypothetischen völlig geschlechtsneutralen Form) haben
    c) Es könnte eine Kombination der Effekte vorliegen.
    Im Fall b) könnten Doppelnennungen in bestimmten Fällen zwar sinnvoll sein, es wäre dann aber verkehrt, die URSACHE für mangelndes weibliches Interesse im generischen Maskulinum zu suchen (denn dieses wäre dann ja neutral).

    Die große Frage wäre aber auch die nach der ökologischen Validität und der Relevanz: Haben geringe Tendenzen, die man in einem Psychologie-Labor bei Kindern beobachten kann, tatsächlich einen bedeutenden Einfluss im realen Leben bezüglich der Berufswahl von Jugendlichen und jungen Erwachsenen? Oder sind da nicht womöglich andere Faktoren viel bedeutsamer (inkl. gesellschaftl. Wahrnehmung, Klischees, (fehlende) Rollenvorbilder usw)?

    Wenn wir nicht über konkrete Ärztinnen sprechen, gebrauchen wir häufig das generische Maskulinum („Das würde ich an Deiner Stelle lieber mal dem Arzt zeigen“, „Feiern bis der Arzt kommt“, „Ärzte genießen noch immer viel Vertrauen“, „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“). Für Komposita gilt das eh: „Arzt-Patient-Beziehung“, „Ärzte-Pfusch“, „Ärzte-Kongress“ usw.
    Würden nur wenige Frauen Medizin studieren, würde man sagen: Klar, das liegt sicher auch an der Sprache. Nur studieren deutlich mehr Frauen als Männer Medizin (und zwar erfolgreich), und der Trend nimmt in letzter Zeit noch zu.

    Und international? Nirgendwo auf der Welt gibt es einen geringeren „Gender Pay Gap“ als in Island, aber:

    „Das generische Maskulinum wird im Isländischen ebenfalls benutzt. ‚Masculine is used as the most unmarked gender in most contexts in modern Iceland, at least as concerns references to human beings‘ (ebd.: 170). […] Im Isländischen wird jedenfalls in den meisten Kontexten, in denen eine generische Bezeichnung benötigt wird, entweder weil von mehreren Personen gesprochen wird oder weil das Geschlecht nicht bekannt ist, das Maskulinum gewählt. […] Ähnlich dominiert vom Maskulinum sind Berufsbezeichnungen (für Frauen) im Isländischen. Zwar gibt es einige Möglichkeiten aus einer männlichen Bezeichnung eine weibliche zu machen, aber diese werden selten genutzt.“
    https://scripties.uba.uva.nl/download?fid=643498
    (siehe ab S. 29)

    Ich hatte mal eine Aufstellung gesehen, bei der jemand geschlechtsneutrale Sprachen (wie das Türkische) und solche, die nach Geschlecht unterscheiden und in denen wenig gegendert wird (wie eben das Islandische oder auch das Schwedische) mit der jeweiligen Stellung der Frau in den zugehörigen Ländern verglichen hat. Ergebnis: Es gab keinen Zusammenhang, nicht einmal die kleinste Tendenz.

    Heißt nicht, dass es nicht manche Situationen geben kann, in denen vorsorglich Doppelnennungen sinnvoll sein mögen (etwa wenn mit Schülern (m/w/d) über Berufe gesprochen wird. Aber für alles andere sollte man vllt nochmals innehalten und Luft holen. Vor allem hüte man sich vor allzu simplifizierten Darstellungen, wie sie leider oft auch in den Medien zu finden sind.

  60. Ich bin ja mit den Lösungen wie „Gendersternchen“ auch nicht glücklich. Mir wäre ja eine einheitliche geschlechtsneutrale Form und die Verwendung von Adjektiven am liebsten, wie im englischen. Aber sorry: Sprache ändert sich, das war schon immer so – und wer ist der Mann das er meint anderen Vorschreiben zu können wie sie sprechen oder schreiben?

  61. „Das brechen wir dann hier mal ab. Damit kann ich mich nicht auseinandersetzen, ohne überheblich zu werden.“
    Wieso sollte das ein Hindernis darstellen?

  62. @41 Andreas: „Sprache dient der Übermittlung von Information, entweder an alle oder eben nur an bestimmte Personen.“
    Als ob Sprache so simpel wäre. Sprache enthält daneben eben auch Ich-Aussagen und Beziehungs-Aussagen, bildet also auch gesellschaftliche Machtverhältnisse ab, erzeugt oder reproduziert diese. Wenn also von Professoren, Piloten und Politikern die Rede ist, werden eben oft Frauen nicht mit angesprochen (was nicht jeder so versteht, aber doch hinreichend viele, siehe verlinkten Beitrag in #42).
    „Wer jetzt gendert, will sich abgrenzen, zu einer Gruppe gehören und unerwünschte Dritte ausschließen.“
    Haben Sie das so festgelegt? Also ich persönlich pflege situationsgerechte* Sprache, z.B. meinem Kind gegenüber, meiner Frau, meinen Freunden und Freundinnen oder meinem Chef gegenüber, aber nicht mit der Absicht andere auszuschließen. Das wäre im Übrigen auch mein Argument gegen „Weil die Leute im Alltag nicht gendern, sollte es nirgendwo gemacht werden.“ In profesionellen Kontexten kann man doch auch eine professionelle Sprache verwenden.
    „Denn es gibt zur Klärung jeglicher Sprachverwirrungen eine wunderbare Erfindung: die Amtssprache. Überall dort, wo alle betroffen sind, soll und muss diese zur Anwendung kommen.“
    Da weiß ich garnicht, wo ich anfangen soll. 1. Ist das nicht so. Auch heute spielt Amtsdeutsch nur dort eine Rolle, wo es hingehört, nämlich in Amtsstuben. 2. Gibt es sowas wie DAS Amtsdeutsch (TM) überhaupt nicht, wo sollen denn die ganzen Sprachregelungen auch zentral festgelegt werden? 3. Würde man dann der Exekutive überlassen, wie über die res publica gesprochen wird/werden darf? Das dürfte eine sehr kleine Veranstaltung werden, wenn Sie alle einladen, die sich das wünschen.
    „auch bei den ÖR, die von allen […] zu verstehen sein sollten.“
    Wo kommt denn dieser Anpruch her? Natürlich sollte das Programm erkennbar zugänglich und möglichst barrierefrei sein, aber ALLE werden Sie wohl schlechterdings erreichen. Mein Tipp speziell für Sie: der DLF bietet Nachrichten in einfachen Worten, ich glaube da wird dann auch nicht gegendert.
    „Gendern ist eben nicht Teil der Amtssprache, und so wird gegendert, wann, was und wie es gerade beliebt“
    Ich möchte Sie mal erleben, wenn gendern in einer Behörde zur Vorschrift wird.
    „Das Problem des Genderns ist, dass jedes Grüppchen sein eigenes Süppchen kocht. “
    Das stimmt, aber der (Ihr) Schluss, dass man deswegen garnichts machen sollte, ergibt sich nicht daraus. Wir haben derzeit viele, in sich widersprüchliche Kandidaten, und wir werden sehen, ob und welche davon Bestand haben werden.
    „Aber sie [die Sprache] muss für alle handhabbar und verständlich bleiben.“
    Mir ist noch nie ein durch gendern unverständlich gewordener Satz untergekommen (außerhalb von Strohmann-Argumenten).

    zu * / #36 Lingus Jung: „gendergerecht“ hat die Bedeutung „angemessen“, „adäquat“, genau wie in „situationsgerecht“, und hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun (zumindest nicht wie Sie meinen)

    PS. heise.de hat in den astronomischen Artikeln in letzter Zeit eine, wie ich finde, elegante Form gefunden: Einmalig zu Anfang werden Astronominnen und Astronomen genannt, dann wird stillschweigend zum generischen Maskulinum übergegangen. So wird ein genderdiverses Bild etabliert und danach die Lesbarkeit aufrechterhalten.

  63. @46: St. Franziskus hieß es auch im Deutschen nie. Die eingedeutschte Schreibweise mit Z und K gab es aber lange Zeit schon in Atlanten und Lehrbüchern – bis man dann dahin überging, die englische (eigentlich ja: spanische) Schreibweise zu übernehmen. Geblieben ist Kalifornien statt California. Also eigentlich kein Beispiel für „Sprache ändert sich“, sondern mindestens in Kombination mit „Sprache wird verändert“, hier durch u.a. Diercke, Westermann und weitere Schulbuchverlage.

  64. @MYCROFT
    >>>„Das brechen wir dann hier mal ab. Damit kann ich mich nicht auseinandersetzen, ohne überheblich zu werden.“
    Wieso sollte das ein Hindernis darstellen?<<<
    Anglizismen sind also Zeichen der "Macht der USA"? Gendersternchen "Zeichen der Macht der Unis"?
    Dass wir viele altgriechische Lehn- und Fremdwörter haben, ist überraschenderweise nicht ein Zeichen der "Macht der Griechen". Auch nicht der Macht der Universitäten, auch wenn es etwas mit Gelehrsamkeit zu tun haben dürfte.
    Das Lateinische ( und somit fast unsere gesamte Grammatik ) hat schon eher etwas mit der Macht der Kirche zu tun, es war aber auch immer eine Metaebene, auf der Gelehrte kommunizieren konnten. Das Französische wurde uns nicht nur von Napoleons Armee aufgedrängt, sondern begeistert von Adel bis später auch Bürgertum adaptiert. "A la mode" eben. Von der frühen Minne ( von Frankreich kopiert ) bis Karl Lagerfeld wird fleissig nachgeplappert.

    Dennoch haben die "Welschen" uns nicht unterjocht, seien Sie beruhigt.

    Ich bin ITler, Schwerpunkt OpenSource. Geschäftssprache ist Englisch. Das liegt daran, dass die wichtigsten Entwicklungen der letzten 50 Jahre in den USA ihren Anfang hatten.
    Mögen einige schlichte Menschen von Zuse und Weltnetz faseln, es ist belanglos.
    Fachsprache ist Englisch.
    Zu Zeiten Voltaires sprach die (kulturelle) Welt Französisch, im Mittelalter Kirchenlatein, die Mediziner Altgriechisch.
    Macht ist da ein allzu simples Konzept, dies zu erklären.
    Englisch ist der oft der KGN, auch wo es nicht in der Schule gelernt wird, was auch an Hollywood liegt.
    Es hätte ja auch Berlin sein können, aber man musste ja unbedingt die Film-Schaffenden aus dem Land jagen oder gar ermorden.

    Und "die Macht der Unis"? Wo denn, unter den Talaren? Gibt es irgendeinen Diskurs, initiiert von "den Unis", der nicht zerfasert und heterogen bis zur Unkenntlichkeit daher käme?

    Aufgelöst ist das wieder nur das langweilende blinde Elitenbashing, das populistische Zustimmung heischt, solange es nur unbestimmt genug bleibt.

    Absurdes Theater, meist aufgeführt von Menschen, die alles dafür geben, sich selbst zu einer Elite zu rechnen. Autoren, die in sechsstelligen Auflagen lamentieren, dass Ihnen ein Maulkorb verpasst würde.

  65. Als Vorsitzender des Kuratoriums gegen generischen Unipluralismus muss ich anmerken, dass die Mehrzahl im Titel dieses Beitrags falsch und irreführend verwendet worden ist: „Kritiker versuchen“.
    Da wird Vielfalt versprochen und doch nur Einfalt geliefert, nämlich Walter Krämer.
    Ohne vielfachgerechte Sprache muss auch gendergerechte Sprache eine Illusion bleiben. Gruppen könnten sich diskriminiert fühlen, weil sie für Einzelne verantwortlich gemacht werden. Und es sollte diskriminierungsfrei festgestellt werden, dass von derart eingegrenzten Grupp*Innen berechtigte Gefahren ausgehen können, eben gerade nicht nur, wenn es sich um Männergruppen handelt.
    Deshalb sollte an dieser Stelle wirklich jeder auch deutlich die Knackwurst hören, die das Kuratorium zwingend in allen an-geschlossenen Anstalten auf den Spielplan setzt.
    Die gute Nachricht: der Senf, den sie dazugibt, bleibt ganz im freien Ermessen jeder einzelnen Leitung.

  66. „Anglizismen sind also Zeichen der „Macht der USA“?“ Um meinen Englischlehrer zu zitieren: „Sprache orientiert sich an der Macht.“ Und bei der Anti-Anglizismen-Bewegung scheint mir das mit eine Rolle zu spielen.

    „Dass wir viele altgriechische Lehn- und Fremdwörter haben, ist überraschenderweise nicht ein Zeichen der „Macht der Griechen“.“
    Das hat noch andere Gründe, ja. Aber altsprachliche Kenntnisse erwarb man in D. vor allem an Gymnasien, Gymnasien waren vor allem etwas für Kinder aus reichen Elternhäusern, und reiche Elternhäuser hatten mehr Macht als die im Arbeiterviertel.

    „Das Französische wurde uns nicht nur von Napoleons Armee aufgedrängt, sondern begeistert von Adel bis später auch Bürgertum adaptiert.“ Ich sprach nicht von „aufgedrängt“. Aber ja, Adelige lernten französisch und befleißigten sich allenthalben eines eher gewählteren Ausdruckes, um sich vom – pardon – „gemeinen“ Volk zu diffenrencieren, das Groß- und Bildungsbürgertum seinerseits tat es dem dann nach, weil es gewisse Sprachskills als voll die krassen Statussymbole wahrnahm – sprich, um sich vom Kleinbürgertum abzugrenzen – und irgendwie verstehe ich gerade nicht, inwieweit Sie das jetzt als Gegenargumente darstellen wollen.

    „Dennoch haben die „Welschen“ uns nicht unterjocht, seien Sie beruhigt.“ Ja, und? Die Anglizismengegner machen ja auch nicht wegen französischer Fremdwörter einen Aufstand.

    „Ich bin ITler, Schwerpunkt OpenSource. Geschäftssprache ist Englisch. Das liegt daran, dass die wichtigsten Entwicklungen der letzten 50 Jahre in den USA ihren Anfang hatten.“ Richtig. Facebook, Google, Amazon. Weil wirtschaftlich wichtige Dinge aus den USA kommen, haben diese Macht. Deshalb wirken sich Anglizismen auch außerhalb von Fachsprachen auf die Umgangssprache aus. D’oh.

    „Englisch ist der oft der KGN, auch wo es nicht in der Schule gelernt wird, was auch an Hollywood liegt.“ In Ländern mit wenigen Sprechern, weil sich da die Übersetzungen nicht lohnen.

    „Es hätte ja auch Berlin sein können, aber man musste ja unbedingt die Film-Schaffenden aus dem Land jagen oder gar ermorden.“ Das ist jetzt nicht die Schuld der Anglizismengegner, oder?

    „Und „die Macht der Unis“? Wo denn, unter den Talaren? Gibt es irgendeinen Diskurs, initiiert von „den Unis“, der nicht zerfasert und heterogen bis zur Unkenntlichkeit daher käme?“ Hmm, also – meiner Wahrnehmung nach – sind beim Klimawandel und bei Corona Studierte eigentlich die Hauptdiskutierenden. Bei den Gendersternchen auch. Aber gut, ersetzen Sie meinetwegen „Macht“ mit „Einfluss“ im o.g. Satz.

    „Aufgelöst ist das wieder nur das langweilende blinde Elitenbashing, das populistische Zustimmung heischt, solange es nur unbestimmt genug bleibt.“ Ja, nech? Die verstehen sich als „unten“, und die Genderfraktion als „oben“. Die Genderfraktion hingegen stellt es so dar, dass sie die Interessen der kleinen, marginalisierten Leute vertritt, und die konservativen Gegner als die böse, unterdrückerische „Ober“schicht.
    Jede/r will der Underdog sein. Ist doch schön.

  67. Ach, ganz vergessen – Englisch ist auch sehr nützlich in z.B. Indien, wo die zwar eine hochproduktive eigene Filmproduktion haben, aber bis vor ein paar Jahrzehnten war das eine englische Kolonie.
    Sprache orientert sich an der Macht.

  68. @MYCROFT Ihr Englischlehrer in allen Ehren, aber das ist arg unterkomplex.
    Ich hatte es zumindest versucht. Wo Ihnen Altgriechisch begegnet ist, war doch nicht die Frage. Wie es in unsere Sprache Niederschlag fand.
    Aber arg bemüht dreht sich bei Ihnen alles ums Elitenbashing.

    In Indien gibt es über 300 Dialekte. Da ist eine gemeinsame Fremdsprache eben auch einfach nur eine Chance, überall verstanden zu werden.
    Das ist übrigens auch die Art und Weise, wie sich Sprachen bevorzugt ausbreiten ( auch historisch ): Über den Handel.
    Die Wissenschaft weiss das schon lange. Auch Indoeuropäisch dürfte kaum via Eroberer gereist sein, sondern hat sich als Möglichkeit etabliert, auch im übernächsten Dorf noch verstanden zu werden.

    Aber Sie sind da anscheinend eher ein Freund der einfachen Strukturen.

  69. „Ihr Englischlehrer in allen Ehren, aber das ist arg unterkomplex.“ Stimmt. Wer hat behauptet, dass die Anglizismengegner besonders komplex seien?
    „Wo Ihnen Altgriechisch begegnet ist, war doch nicht die Frage.“ Wieso haben Sie damit dann angefangen?
    „In Indien gibt es über 300 Dialekte.“ Ähm, eigentlich sind das Sprachen (und ja, ich kenne den Spruch. Trotzdem). Und – wenn man es komplexer angeht – die mit Abstand häufigste Sprache dort ist das Hindi, die dritthäufigste Sprache der Welt. Es gibt tatsächlich Bestrebungen, diese als alleinige Amtssprache durchzusetzen, aber auch das ist eine Machtfrage. Indisiche Minderheiten nehmen z.T. lieber die Sprache derer, die in der Vergangenheit Macht hatten, als die der Hindunationalisten.

    „Das ist übrigens auch die Art und Weise, wie sich Sprachen bevorzugt ausbreiten ( auch historisch ): Über den Handel.“ Jaaaa, hat jetzt aber wenig mit dem Englisch in Indien zu tun. Die Engländer hatten Indien erobert, nicht gekauft. Ich muss Englisch nicht sehr gut beherrschen, um damit was zu kaufen.

    „Auch Indoeuropäisch dürfte kaum via Eroberer gereist sein, sondern hat sich als Möglichkeit etabliert…“ – „Ich sehe der Verwandten Schar, oh Krshna, die Reihen kampfbereit genaht…“ Sowohl als auch, würde ich sagen, aber die Nicht-Indoeuropäischen-Sprachen-Sprechenden dort sehen das evt. etwas anders. Aber natürlich kann ein Händler ebenso Macht haben wie ein Krieger.

  70. Irgendetwas funktioniert hier nicht. Das zweite Mal heute.

    ich versuche es noch einmal:

    >>>Indisiche Minderheiten nehmen z.T. lieber die Sprache derer, die in der Vergangenheit Macht hatten, als die der Hindunationalisten. <<<

    Man muss Sie nur lassen, schon widerlegen Sie sich aufs Feinste selber.

    Aber ich breche das hier mal ab. Sie sind so in das Machtding vernarrt, dass die Kommunikation doch arg monochrom daher kommt.

  71. „Man muss Sie nur lassen, schon widerlegen Sie sich aufs Feinste selber.“ Wieso?
    Die Inder haben Englisch gelernt, weil das – lange Zeit und bis vor kurzem – die Sprache der Machthaber war. Die Hindunationalisten wollen, dass die übrigen _jetzt_ Hindi lernen und verwenden, weil damit die eigene Macht anerkannt wird/würde. Die übrigen Inder (und Inderinnen und sonstigen) haben dazu eine etwas andere Meinung. Und sei es nur, weil man nicht alle fünfzig Jahre oder so eine neue Freemdsprache lernen will.

    Sprich, die Hindunationalisten sind sowas wie die Anglizismengegner hierzulande. Nur sind die Hindigegner in Indien nicht ganz dasselbe wie die Gendersternchenbefürworter, insofern ist die Analogie nicht vollständig.

  72. @ Mycroft, #77 ff.

    „Richtig. Facebook, Google, Amazon. Weil wirtschaftlich wichtige Dinge aus den USA kommen, haben diese Macht. “

    >Bitte hier ein Facepalm-GIF Ihrer Wahl einfügen<

    Computer und damit Computersprache gibt es schon was länger als die letzten 10 Jahre. Seit der olle Zuse an so nem Ding rumgefrickelt hat in den 1940er Jahren nämlich, das ist ja der gemeinhin anerkannte Zeitrahmen. Nur kam danach nicht mehr so viel von ihm, sondern eben sehr viel aus den USA. Und die haben, Teufel noch eins!, auf englisch programmiert. Lange vor Amazon, sogar lange vor Microsoft.

    Damals gab es natürlich schon IBM und Kernpunkt der Entwicklungen war das Silicon Valley. Wenn Sie aber Handel und staatliche Förderung als Ausdruck von Macht definieren, haben Sie einen unnütz weiten Machtbegriff. Der, nebenbei, von der Wikipedia-Definition nicht gedeckt wird (https://de.wikipedia.org/wiki/Macht).

  73. @Gastbeitrag, @Andreas
    „Sprache dient der Übermittlung von Information, entweder an alle oder eben nur an bestimmte Personen.“

    Da hat Gastbeitrag völlig recht. Eine Nachricht enthält neben der Sachebene stets auch die Selbstoffenbarungsebene, die Appelebene und den Beziehungsaspekt.
    All diese Aspekte müssen zudem kodiert (z.B. in Sprache) und dann interpretiert werden.

    Konkret:
    Am Ende kommt durch die Verwendung von „Piloten“ selbst bei etwaiger Absicht halt etwas anderes an als eine gemischte Menge von „Pilotinnen und Piloten“. Ich find den Witz fantastisch, er ist voll auf den Punkt. Ganz schlechter Verlierer, wer gegen den noch andiskutiert :-D

  74. Gendern schön und gut, aber warum ein „*“ oder ein „:“?

    Das beleidigt mein ästhetisches Auge. Früher reichte doch das Binnen-I – wenigstens ist das ein Vokal, ein ‚echter‘ Buchstabe bzw. ein Phon.

    „*“ und „:“ aber nicht.

  75. „Computer und damit Computersprache gibt es schon was länger als die letzten 10 Jahre.“ Bestreitet ja auch keiner.

    „Wenn Sie aber Handel und staatliche Förderung als Ausdruck von Macht definieren…“ Tu ich ja nicht; Macht ist die Folge u.a. von Geld, Geld wird u.a. in einer weltweit wichtigen Industrie erwirtschaftet, deren Zentrum, das Silikon Valley, nunmal in den USA liegt. Weltweit wichtige Industrie erzeugt viele Umsätze und Export erzeugt Einnahmen, die in den USA versteuert werden, erzeugt Geld für die USA erzeugt Macht für die USA.
    Ist natürlich nicht der einzige Machtfaktor, und Computersprache ist nicht der einzige Grund, warum es im Dt. Anglizismen gibt. Oder noch nicht einmal der Hauptgrund.

  76. @ Peter Sievert:

    „Ganz schlechter Verlierer, wer gegen den noch andiskutiert :-D“

    Nein,jemand der dagegen „andiskutiert“, hat einfach nur verstanden, wann das generische Maskulinum gebräuchlich ist und wann eben NICHT. Aber keine Angst: Denn zumindest im Alltag benutzen Sie es ständig intuitiv richtig, so wie wir alle. ; )

  77. @MYCROFT
    >>>Die Hindunationalisten wollen, dass die übrigen _jetzt_ Hindi lernen und verwenden, weil damit die eigene Macht anerkannt wird/würde. Die übrigen Inder (und Inderinnen und sonstigen) haben dazu eine etwas andere Meinung. << 60% aller Parlamentssitze und im Endeffekt fast ununterbrochen seit 1947?
    Das ist schon schräg mit Ihrem Machtding.

    Realitäten lassen Sie da ziemlich unbeeindruckt.

  78. „Krämer fordert:

    „Da die Beitragszahler … etwa zur Hälfte männlich sein dürften, sollte diese diskriminierende Praxis umgehend unterlassen werden.““

    Da die Bürger_innen etwa zur Hälfte weiblich sein dürften (und es darüber hinaus auch nichtbinäre Menschen gibt), sollte diese diskriminierungsfreie Praxis unbedingt fortgeführt werden.

  79. Noch ein Einwand zum Gendersternchen.
    Bei Verwendung des Gendersterns kritisieren viele Feministinnen immer wieder die „Rangfolge“ dieser Schreib- und Sprechweise. Z.B. schreibt die Feministin Pusch als Kritikpunkt zum Genderstern – Zitat: „Die Frauen finden sich als Anhängsel wieder, wie zu Anfang der feministischen Sprachkritik.“
    Ein anderes Zitat einer sternenkritischen Feministin –„ Männer bekommen den Wortstamm und somit den ersten Platz, Transgender-Personen bekommen den zweiten Platz, Frauen wird mit der Wortendung der letzte Platz zugewiesen. Das ist für Frauen nicht akzeptabel.“
    Interessant sind auch die Symbole. Männer bekommen durch den Wortstamm ein verständliches Wort zugewiesen, Diverse einen Platzhalter und Frauen in einem gewissen Abstand zum Wortstamm ein „Innen“. Gesprochen wird das Maskuline in Form eines sinnhaltigen Wortstamms, Diverse werden mit einer Sprachpause geehrt und Frauen irgendwie wie ein eigenes Wort mit „Innen“ bezeichnet.
    Gerne akzeptiere ich den Wunsch der Zweit- und Drittplatzierten in dieser Form sichtbar gemacht zu werden, auch wenn ich mich über deren Gendersternbegeisterung ein wenig wundere. Den erstplatzierten Männern kann es jedenfalls recht sein und hübsch anzusehen ist die Schreibweise ja schon.

  80. @LLL
    Damit Ihr kleinkariertes Argument sich in Luft auflöst, eine Variante ganz speziell für Sie:
    „Sitzen zehn Piloten im Flugzeug. Sagt eine davon zu einer anderen: ‚Wetten, dass dabei niemand an Frauen gedacht hat?‘ “

    Und eh sie anfangen: ja, es es müsste grammatikalisch korrekt wohl heißen „Sagt eine Pilotin …“ Aber der künstlerischen Freiheit zur Betonung der Pointe wegen, goutieren Sie das bitte dann auch so. Leute mit Humor möchten darüber ja auch lachen können :-)

  81. Ich will Ihnen den Humor nicht verderben.
    Aber (jenseits von Humor) natürlich würde man das so kaum so formulieren.

    Und natürlich ist das generische Maskulinum etwas, was man in einer idealen Sprache nicht hätte. Da hätte man dann entweder eine neutrale generische Form für beide Geschlechter oder es gäbe gar keine unterschiedlichen grammatischen Geschlechter für Männer und Frauen. Die Frage ist halt nur immer: Kann man die unlogischen Eigenheiten der Sprache korrigieren, und wenn ja in welchen Situationen und zu welchem Preis? Was sind Vor- und Nachteile?

    Zu solchen Fragen finden sich wenige qualifizierte Debatten…

  82. „60% aller Parlamentssitze und im Endeffekt fast ununterbrochen seit 1947“
    Joah, gut, rd. 600 Mio. Inder verwenden Hindi, sagt Tante Wiki, das sind nur 45% von 1,3 Mrd.; offenbar wählen manche Inder auch einfach so nationalistisch.
    Trotzdem, wie gesagt, dem hindisprachigen „Harten Kern“ wäre es aus _Macht_gründen lieber, wenn möglichst flächendeckend hindi gesprochen wird, andere nehmen viel lieber ihre eigene Sprache, sofern Amtssprache im jeweiligen Bundesstaat, oder als kleineres Übel Englisch.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachen_Indiens#Amtssprachen_der_Zentralregierung

    „Am Gebrauch des Englischen wird so lange festgehalten, wie es die nicht-hindisprachigen Völker wünschen.“

  83. @Kritischer Kritiker #40

    Na ja, wenn Sprache sich ändert, dann wird sie ja von etwas verändert und dieses etwas ist meistens jemand. Auch ein extrovertierter Linguist kann so jemand sein, allerdings verträgt es sich dann halt schwerlich mit seiner wissenschaftlichen Attitüde, dass er nur Bewegung in eine Richtung akzeptiert. Es ist auch ansonsten ein seltsames Konzept, denn wenn nur Leute die Sprache bewegen dürften, die für Änderungen sind, würde Sprache ja schlagartig nutzlos. Im Weiteren sind wir uns aber, so glaube ich, recht einig, also sollten wir die Metadiskussion nicht übertreiben.

    @LLL #70

    Es gibt auch im deutschen (oft nur theoretische) nichtgenerische männliche Formen, nur sprechen die so Genderbewussten eher nicht von Personerichen, wohl aber von Menschinnen und Gästinnen.

  84. @ SvenR (#65):

    Danke für die Blumen! Es regt mich maßlos auf, dass über so etwas nicht mehr gesprochen wird – zumindest in dem halbamtlich-linksliberalen Milieu, in dem ich mich beruflich herumtreibe. Da ist dann ein Krampf wie „Menschen mit Behinderung“ eine in Stein gemeißelte Sprachstanze, an der sich mit Argumenten nicht rütteln lässt (bis zur nächsten Runde in der Euphemismus-Tretmühle).

    @ VonFernseher (#94):

    Schön, dass Sie meine Antwort in diesem Wust gefunden haben. Ich glaube, ich hatte Sie heute morgen falsch interpretiert. An dem Unterschied zwischen „sich verändern“ und „verändert werden“ möchte ich aber festhalten: Ich glaube nicht, dass irgendjemand dem Dativ per Beschluss sein -e geklaut hat, und auch die Verwandlung von „buk“ in „backte“ dürfte auf keine sprachpolitische Entscheidung zurückgehen. Das hat sich halt so entwickelt (schade, finde ich).

    Auch beim Gendern gibt es Sprachentwicklungen: Dass Titel eine explizit weibliche Form haben, ist ziemlich neu, aber nicht unbedingt per Beschluss geregelt. „Kanzlerin“ und „Ministerin“ zum Beispiel – vor 30 Jahren hieß es noch „Frau Minister“, wie es bis heute „Frau Doktor“ heißt.

    Merkel als „Frau Kanzler“ zu bezeichnen, klingt inzwischen komisch. Andererseits habe ich eine ältere Kollegin, die in ihrem Profil auf unserer Homepage als „Diplom-Ingenieur“ bezeichnet werden will, weil sie mit „Ingenieurin“ nichts anfangen kann. Hier erleben wir m.E. gerade einen Übergang, mit dem ich gut leben kann, auch wenn ich ihn nicht unbedingt für einen Fortschritt halte (ich glaube fest an das generische Maskulinum).

    Anders ist es mit Formeln wie „Pilot:innen“ – da schreit einen das Gewollte, Ausgedachte, Erzwungene geradezu an. Das ist keine Entwicklung, sondern eine Maßnahme. Faustformel: Bei Entwicklungen übt niemand Druck aus, mitzumachen. Bei Maßnahmen schon.

  85. @Kritischer Kritiker #95

    Eine Bewegung muss ja nicht immer eine politische Agenda haben. Auch diejenigen, die backen als schwaches Verb verwenden, waren ja vermutlich mal wenige und wurden dann mehr. Die meisten werden gar nicht bewusst dafür eintreten, alle starken Verben umzumodeln und/oder nur noch reguläre zu benutzen, sondern es sich einfach „falsch“ angewöhnt oder es einfach nie anders gelernt haben. Trotzdem haben sie aber, obwohl vielleicht mittlerweile in der Mehrzahl, nicht mehr Recht an der Sprache als in dem Fall wir beide, die wir die alte Beugung bevorzugen. Die Beweggründe machen da bei mir keinen Unterschied. Und deshalb finde ich es bei Linguisten unredlich, wenn sie die Gegner einer Veränderung per se als die Feinde des Fortschritts darstellen und ihren Anstrengungen und ihrem Einwirken die Legitimität absprechen (Ochsen, Esel, alte weiße Saarländer, …). Aber vielleicht kommen wir da auch nicht näher zusammen und dann soll es auch gut sein.

  86. @ VonFernseher (#96):

    Nun haben Sie mich missverstanden: Wir sind uns im Wesentlichen einig. Vor allem, was die Mode-Linguisten betrifft.

  87. Jetzt habe ich mich doch dazu hinreißen lassen, an der Diskussion teilzunehmen, was ich ja nicht wollte.
    Deshalb nochmals mein Vorschlag: Hier auf Übermedien könnten zwei Artikel erscheinen, einer der das Gendern verteidigt, einer der es kritisiert, beide von nivauvollen Autoren mit einer gewissen Differenzierungsgabe verfasst.
    Oder vielleicht auch allgemeiner gewendet: Ein Artikel, der der Sprache in vielen Bereichen eine große Wirkmacht zuspricht und einer, der da in verschiedenen Fällen eher skeptisch ist.

    Bisher sind Artikel eigentlich nur von Befürwortern (m/w/d) des Sprachwandels erschienen. Kritik kommt bislang fast nur von Kommentierenden (etwa (in alphabetischer Reihenfolge): Illen, Kritischer Kritiker, Mycroft) – also auch durchaus von Leuten, die weder dumm noch „rechts“ sind.
    Mit einem entsprechenden Artikel (bzw. einem Pro- und einem Kontra-Text) könnte Übermedien zeigen, dass es neben einer affirmativen auch für eine skeptischee Perspektive in dieser Angelegenheit offen ist.

  88. @MYCROFT
    Ich frage mich fortgesetzt, ob Sie sich tatsächlich klarmachen, was Sie schreiben.
    Also, die Hindis haben, seit 1947 fast durchgehend, die MACHT in Indien. Ihre Behauptung „Sprache orientert sich an der Macht“ (Fehler aus dem Original übernommen) widerlegen Sie somit selber. Dass die Engländer die Macht bis 1947 hatten, kann ja nicht 70 Jahre Machtausübung der Hindis auslöschen.

    Ent- oder weder. Sie haben da leider keine Linie, sondern nehmen nur das, was Ihnen gerade genehm ist.

    Sprache muss Realität abbilden. Die Realität 2020 ist, dass der Feminismus vor allem eines gebracht hat: Eine Frauenerwerbsquote, die allein von 1970 bis 2018 von etwa 47% auf etwa 68% gestiegen ist. Lehrer:innen sind zu > 70% weiblich. Auf die Frauenberufstätigkeit zu verzichten, wäre ja nicht einmal ansatzweise eine Option. Unter gar keinen Gesichtspunkten.

    Ich finde die Umsetzungen bislang mehr als holprig, aber in irgendeiner Form wird sich das in der Sprache niederschlagen müssen. „Lehrer“ als generisches Maskulinum ist doch mehr und mehr ein Witz.
    Die Menschen sorgen dafür, was in einer Sprache kleben bleibt, das ist sicher. Das heisst aber auch ganz sicher nicht, dass Überkommenes aus Tradition überleben muss.

    Der Furor gegen Versuche, die Sprache gerechter werden zu lassen, hat doch ganz andere Gründe, als die vorgeschobenen. Machen wir uns doch nichts vor, das ist Antifeminismus und mitunter Kastrationsangst einiger pur.

  89. (@Kritischer Kritiker

    Warum nur erinnert mich Ihre Ingeneurin, die Ingenieur genannt werden will nur so sehr an den in vergleichbaren Diskussionen immer wieder aus dem Hut gezauberten Menschen, der auch kein Problem damit hat, Neger genannt zu werden? Wenn einzelne sich nicht an diskriminierender Sprache stören oder sie gar mit verwenden, dann sagt das doch nichts darüber aus, dass trotzdem Diskriminierung stattfindet.)

    Ich finde etliche Versuche, Sprache gendergerecht zu machen, holprig und schwer umsetzbar. Selbst bei bestem Willen rutscht mir ein generisches Maskulinum durch. Und wie viele Grenzfälle es gibt. Ich habe letztens zu einer Gruppe Schwimmer*innen gesprochen, es gibt um Trainingsmöglichkeiten. Trotzdem habe ich von „Hallenbetreibern“ gesprochen, ohne Sternchen. Das alles ist unbefriedigend gelöst. Aber ist die Unzulänglichkeit der bisherigen Lösungen denn ein guter Grund, das ganze Problem zu leugnen?

    Mal angenommen, man würde, wie damals bei der Rechtschreibreform, einen Expertenrat an die Sache setzen, der Vorschläge unterbreitet für gendergerechte Sprache. Wirklich ein durchdachter, umsetzbarer Rahmen, an dem sich Medien, aber noch andere „Sprachnutzer*innen“ orientieren können. Ich fände das gut, der aktuelle Zustand ist einfach so politisch aufgeladen, das ist kaum noch zu entwirren.

    Mein bescheidener Vorschlag, obwohl ich das Sternchen nutze (ohne es gut zu finden, nur um zu zeigen, das ich das Problem erkenne): Man macht tatsächliche das generische Maskulinum zur Norm, wie es z.B. auch in Dänemark historisch entstanden ist. Und startet gleichzeitig eine große, eine richtig große Kampagne, um die Wahrnehmung zu ändern: „Yasemin Flieger, Pilot“, „Heike Haiku, Professor für Geschichte und Kultur Japans“, „Ingrid Helfermann, Krankenpfleger“.

    Um sich ändernde Wahrnehmung in Sprache, zwangsweise künstlich, abzubilden, braucht es unbestritten ein paar Verrenkungen. Aber wie so oft wirkt das Neue nicht sehr lange neu und ungewohnt.

  90. @ Frank Gemein (#99):

    Der Furor gegen Versuche, die Sprache gerechter werden zu lassen, hat doch ganz andere Gründe, als die vorgeschobenen. Machen wir uns doch nichts vor, das ist Antifeminismus und mitunter Kastrationsangst einiger pur.

    Das sind eine petitio principii, ein Pappkamerad und ein blitzsauberer Psychologismus in nur zwei Sätzen. Respekt, das schafft nicht jeder!

    By the way: Einen Schreibfehler wie „orientert“ abzutippen und auch noch fett darauf hinzuweisen, macht ihrem Nachnamen alle Ehre.

  91. @KRITISCHER KRITIKER
    Ich tippe nicht ab, so blöd ist 2020 auch kein Boomer mehr? Oder doch?
    Im übrigen ist das schlicht eine Behauptung meinerseits und keine „petitio principii“, es sei denn, Sie werten den „Furor gegen Versuche, die Sprache gerechter werden zu lassen“, als unbewiesene Behauptung. Da kann ich dann aber auch nicht mehr helfen. Auch einen „Psychologismus“ zu konstruieren, weil ich EINIGEN Kastrationsangst unterstelle … kann man machen, ist dann halt dumm.

    Warum kopiere ich Zitate idR, resp. in diesem Fall, ganz? Wenn der Kommentator das Zitat sucht, um den Zusammenhang nachzulesen, dann wird er den korrigierten Begriff nicht finden können. Ich mache es so, wenn dermaßen viel Text zusammen gekommen ist.

    Mein Nachname wiederum, läßt sich auf den guten alten Begriff „Almende“ zurückführen, wie er uns in der Gemeinde, im Gemeinsinn und im MA bei den Gemeinfreien begegnet. Es ist also äußerst „elitär“, sich den Mißbrauch durch die Feudalherren zu eigen zu machen, die den Begriff in etwas Schlechtes drehen wollten.

  92. Es gibt keine „geschlechtergerechte“ Sprache!

    Wer das wirklich glaubt hat einen an der Waffel. Das ganz grosse Problem das bei solchen Diskussionen entsteht ist, dass sie so wirken als ob es um politisch relevante Positionen ginge und aber am Schluss die eigentliche Ausrichtung so verschiebt, dass es nicht mehr um „oben und unten“ geht, sondern horizontale Unterschiede und dabei die Ursachen für die Ungerechtigkeiten völlig ignoriert werden.

    Sternchen in der Sprache ändert nichts daran, dass eine Verkäuferin schlecht bezahlt wird und erst recht macht es nicht auf die schlechte Bezahlung eines Amazonfahrer aufmerksam, der darüber froh sein darf, dass man ihn nicht mehr Mohr nennen darf, wenn seine Vorfahren aus Afrika stammen.

    Das was Probleme verursacht geschieht von oben nach unten und nicht wegen Hautfarbe, Geschlecht oder welches Attribut irgendwelche überprivilegierten Studenten noch für ihre Agenden aussuchen.

  93. @ Frank Gemein (#102):

    Ich tippe nicht ab, so blöd ist 2020 auch kein Boomer mehr? Oder doch?

    Schreibt der, der hier dauernd seinen Vornamen als Kommentar postet… Zur Aufklärung: Ich habe „abtippen“ geschrieben, weil sich mein Sprachgefühl Wörtern wie „copypasten“ verweigert. Für einen „Boomer“ bin ich übrigens rund 15 Jahre zu jung.

    […] es sei denn, Sie werten den „Furor gegen Versuche, die Sprache gerechter werden zu lassen“, als unbewiesene Behauptung.

    Unbewiesen ist die Behauptung, dass Sprache überhaupt „gerecht“ sein kann. Das setzen Sie voraus, obwohl es Gegenstand der Diskussion ist – erste petitio principii. Die zweite ist Ihre Unterstellung, sprachliche Gründe seien nur vorgeschoben.

    Auch einen „Psychologismus“ zu konstruieren, weil ich EINIGEN Kastrationsangst unterstelle … kann man machen, ist dann halt dumm.

    Ich muss da gar nichts konstruieren. Argumente für irrelevant zu erklären, weil sie von vermeintlichen Antifeministen und („mitunter“) Kastrations-Verängstigten kämen, ist ein psychologistischer Fehlschluss wie aus dem Lehrbuch: https://www.hoheluft-magazin.de/2016/10/na-logisch-der-psychologistische-fehlschluss/

    Es ist also äußerst „elitär“, sich den Mißbrauch durch die Feudalherren zu eigen zu machen, die den Begriff in etwas Schlechtes drehen wollten.

    Wenn Gemein Ihr richtiger Nachname ist, ziehe ich die Bemerkung zurück. Ich hatte ihn für ein selbsgewähltes Alias gehalten. Namenswitze mache ich nicht, sorry.

    Der Feudalherren-Vorwurf beruht aber wieder auf einem Fehlschluss, diesmal dem etymologischen. Die Benutzung von „gemein“ im Sinne von „fies“ ist gebräuchliche Umgangssprache (vgl. jeden Fünfjährigen, der kein Bonbon haben darf: „Menno, Du bist gemein!“). Wo das Wort vor Jahrhunderten mal herkam, ist dafür nicht relevant.

  94. @KRITISCHER KRITIKER
    „Unbewiesen ist die Behauptung, dass Sprache überhaupt „gerecht“ sein kann. Das setzen Sie voraus, obwohl es Gegenstand der Diskussion ist – erste petitio principii. Die zweite ist Ihre Unterstellung, sprachliche Gründe seien nur vorgeschoben.“

    Eine Behauptung, die auch niemand aufgestellt hat.
    Es muss nicht etwas final gerecht sein, um gerechter werden zu können.
    Es muss eine Gesellschaft auch nicht final zur Utopie werden, um sozialer werden zu können.

    So basteln Sie ein Strohmann Argument nach dem anderen.

    „Ich habe „abtippen“ geschrieben, weil sich mein Sprachgefühl Wörtern wie „copypasten“ verweigert.“
    Sie kopieren also ohne Rechtschreibfehler. Interessante Technik.

    Aus Ihrer Quelle:
    „Der psychologistische Fehlschluss basiert also auf dem dogmatischen Fehlschluss, dass eine mögliche Beschreibung des reflexiven Selbstbezugs von vornherein die einzig mögliche oder grundlegende ist. Wer einen psychischen Vollzug beschreibt, der tut so, als sei das die einzig authentische Weise, über das zu sprechen, was jeder immer schon voraussetzen muss.“

    Wenn ich „EINIGEN“ Kastrationsängste bescheinige, dann ist das eklatant NICHT „die einzig mögliche oder grundlegende“ (ebenda).

    Aber beissen Sie sich ruhig fest.

    „Der Feudalherren-Vorwurf beruht aber wieder auf einem Fehlschluss, diesmal dem etymologischen.“

    Sie können wieder aus dem Keller kommen. Ich schreibe nichts Lustiges mehr.

    Sehr angestrengt der Herr, muss man schon sagen.
    Vielleicht sollte ich doch mehr auf die Psychologie vertrauen.

    Sie können übrigens ruhig antworten, ich werde es nicht mehr lesen.

    Ein schönes Leben noch.

  95. @ Bazooka Joe (#100):

    Warum nur erinnert mich Ihre Ingeneurin, die Ingenieur genannt werden will nur so sehr an den in vergleichbaren Diskussionen immer wieder aus dem Hut gezauberten Menschen, der auch kein Problem damit hat, Neger genannt zu werden?

    Ob Sie es glauben oder nicht: Die Dame gibt es wirklich. Sie ist Jahrgang 1954 und in der DDR sozialisiert. Ich vermute, in ihrer Generation hat sich der Stolz von Frauen, die es in (damals noch) „Männerberufen“ wie dem Bergbau-Ingenieurswesen geschafft hatten, auch in einem Stolz auf den Titel ausgedrückt. Und der hieß halt damals noch ausschließlich „Diplom-Ingenieur“.

    Um Diskriminierung (oder nicht) ging es mir in dem Beispiel aber gar nicht, sondern um „authentischen“, also nicht irgendwo beschlossenen, Sprachwandel bei Berufsbezeichnungen und Titeln. In den 70ern hieß es noch „Frau Ingenieur“, „Frau Minister“, „Frau Doktor“, etc. Heute nur noch „Frau Doktor“ (mal sehen, wie lange noch).

    Wenn einzelne sich nicht an diskriminierender Sprache stören oder sie gar mit verwenden, dann sagt das doch nichts darüber aus, dass trotzdem Diskriminierung stattfindet.

    Ernstgemeinte Frage: War die Bezeichnung „Ingenieur“ für eine Frau im Jahre 1975 diskriminierend, wenn sie weder so gemeint war noch so empfunden wurde? Ich finde nicht, das wäre eine ahistorische Sichtweise. Diskrimierend ist sie erst heute, wo sich „Ingenieurin“ als grammatische Form durchgesetzt hat, wenn sie verweigert wird.

    Die Etablierung weiblicher Endungen für ehemalige „Männerberufe“ ist übrigens ein Indikator für den gesellschaftlichen Wandel. Frauen erobern sich neue Berufsfelder und die Sprache passt sich dem mit der Zeit an. So herum funktioniert es, andersherum (die Gesellschaft passt sich oktroyierten Sprachregeln an) funktioniert es nicht.

    @ Allgemeinheit zu #105:

    Nur, um es klarzustellen. In dem Text, den ich in #104 verlinkt habe, schreibt der Philosoph Daniel-Pascal Zorn, der psychologistische Fehschluss beruhe darauf,

    „… dass wir von der Äußerung unseres Gegenübers auf einen von uns konstruierten Ursprung dieser Äußerung schließen. Wir nehmen also ein Argument und machen es zum Symptom eines psychischen Zustandes. Wir schließen von der Äußerung auf eine generelle psychische Disposition oder eine ideologische Einstellung.“ (Hervorhebung von mir)

    Frank Gemein hatte in #99 geschrieben:

    „Machen wir uns doch nichts vor, das ist Antifeminismus und mitunter Kastrationsangst einiger pur.“

    Ob die Kritik auf die Aussage passt, mag jeder selbst entscheiden.

  96. „Jetzt habe ich mich doch dazu hinreißen lassen, an der Diskussion teilzunehmen, was ich ja nicht wollte.
    Deshalb nochmals mein Vorschlag: Hier auf Übermedien könnten zwei Artikel erscheinen, einer der das Gendern verteidigt, einer der es kritisiert, beide von nivauvollen Autoren mit einer gewissen Differenzierungsgabe verfasst.“

    Ich bewundere ja, wie Sie seit Wochen zurückhaltender sein wollen, dies aber nicht tun. Aktuell besteht Ihre Zurückhaltung darin, sich dieses Portal so zu basteln, wie Sie es gern hätten?

    Pro-Tipp: ein eigenes Portal eröffnen.

  97. @106 Kritischer Kritiker: „Die Etablierung weiblicher Endungen für ehemalige „Männerberufe“ ist übrigens ein Indikator für den gesellschaftlichen Wandel. Frauen erobern sich neue Berufsfelder und die Sprache passt sich dem mit der Zeit an. So herum funktioniert es, andersherum (die Gesellschaft passt sich oktroyierten Sprachregeln an) funktioniert es nicht. “

    Hier zeigt sich aber bereits, dass dieses Argument inkonsistent ist. Wer oktroyiert denn eine gendergerechte Sprache? Mit wurde noch an keiner Stelle aufgezwungen, irgendeine der vielfältigen Formen zu benutzen. Auch im Artikel geht es um eine Einzelperson, die diversen Institutionen seine Vorstellung von Sprachnutzung aufzwingen will – allerdings _kontra_ gendergerechter Sprache. Und wie soll denn ein Sprachwandel stattfinden, wenn nicht irgendwo begonnen würde? Was hier zuweilen erzählt wird (Achtung – Überspitzung!), ist doch, dass ausschließlich der Stammtisch, keinesfalls aber Medien oder Universitäten das Recht haben, Sprache zu verändern.
    @95 Kritischer Kritiker: „Anders ist es mit Formeln wie „Pilot:innen“ – da schreit einen das Gewollte, Ausgedachte, Erzwungene geradezu an. Das ist keine Entwicklung, sondern eine Maßnahme.“ Auch hier: Ersteres beweist Letzteres keineswegs. Für mich ist das lediglich Ausdruck dafür, dass wir noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden haben.
    @103 Struppi: „Sternchen in der Sprache ändert nichts daran, dass eine Verkäuferin schlecht bezahlt wird und […]“
    Ich bin mir ehrlich gesagt unsicher, wo Sie überhaupt hinwollen. Ich lese hier nur Whataboutism. Unterm Strich bleibt die triviale Erkenntnis, dass es auch andere Probleme gibt, die nicht durch ein Sternchen am Wortstammende gelöst werden. In diesem Sinne: Warum kommentieren Sie hier sinnlos in einem Blog, wo doch der Klimawandel voll im Gange ist?!

  98. „Also, die Hindis haben, seit 1947 fast durchgehend, die MACHT in Indien.“ Wer sind „Hindis“? Hindi-Sprecher? Hindu-Nationalisten? Hindus? Tamilen sind auch Hindus, sprechen aber eine völlig andere Sprache.

    Und ja, die Nationalisten haben Macht, aber es gibt etliche ethnische und religiöse Minderheiten, die damit nicht oder nicht in der Form einverstanden sind. Diese sind u.a. deshalb gegen Hindi als Amtssprache, weil sie gegen die Macht der Hindi-Sprachigen sind.

    „Ent- oder weder. Sie haben da leider keine Linie, sondern nehmen nur das, was Ihnen gerade genehm ist.“
    Wenn Sprache nichts mit Macht zu tun hätte, gäbe es keinen Grund, sich gegen Sprachen zu wehren.
    Dass Sprache der Macht folgt, ist umgekehrt auch nichts, was man hinnehmen muss. Die Anglizismengegner „kämpfen“ gegen den Einfluss der USA, indem sie gegen Anglizismen sind, die Tamilen et alii gegen den Einfluss der Hindi-Mehrheit. Dass die Englisch und nicht etwa Niederländisch, Portugiesisch oder Hochchinesisch als Ersatz nehmen, liegt am vergleichsweise geringen historischen Einfluss der Niederländer, Portugiesen und Chinesen in Indien.
    Wenn Sie persönlich der Ansicht sind, Sprache habe nichts mit Macht zu tun, ok, ändert aber erstmal nichts daran, dass ich nach wie vor der Ansicht bin, die Anglizismengegner, Hindi-Boykotteure und andere Personen (alle m/w/d) schöpfen zumindest teilweise ihre Motivation dazu aus dieser Idee.

    „Sprache muss Realität abbilden. Die Realität 2020 ist, dass der Feminismus vor allem eines gebracht hat: Eine Frauenerwerbsquote, die allein von 1970 bis 2018 von etwa 47% auf etwa 68% gestiegen ist.“ Ok. Spätestens seit der Wende werden in D. keine Straßen – also 0% – mehr geteert. Trotzdem liest man allenthalben von „frisch geteerten Straßen“. Was erwarten Sie?

    „Auf die Frauenberufstätigkeit zu verzichten, wäre ja nicht einmal ansatzweise eine Option.“ Es ist auch keine Option, Teer als Baustoff wieder einzuführen. Der Teer in Zigaretten ist schon schlimm genug. Und Frauen gehören selbstverständlich zu den Steuerzahlern(m/w/d/j). Das „j“ steht für juristische Personen.

    „Machen wir uns doch nichts vor, das ist Antifeminismus und mitunter Kastrationsangst einiger pur.“ Ja, deshalb gender ich die ganze Zeit durch Beidnennung oder (m/w/d). Weil ich Angst habe, andernfalls kastriert zu werden.

  99. @ Kritischer Kritiker:

    Ich bewundere Ihre Geduld, mit jemandem zu diskutieren, der kaum einen Beitrag zustandebringt, in dem er seine(n) Diskussionspartner nicht persönlich angreift.

    @ Bazooka Joe:

    „Mal angenommen, man würde, wie damals bei der Rechtschreibreform, einen Expertenrat an die Sache setzen, der Vorschläge unterbreitet für gendergerechte Sprache.“

    Die Rechtschreibreform ist kein gutes Beispiel, sondern eines, wie von oben herab der Sprachgemeinschaft gegen ihren Willen ein Sprachwandel über den Hebel der Schule „aufgedrückt“ wurde (70% der Bevölkerung dagegen, 10% dafür, 20% Enthaltung). Das Ergebnis war, dass dann jeder machte, was er wollte, und selbst die taz kehrte dem Vernehmen nach heimlich zu einem Teil der alten Regeln zurück, nachdem Sie vorher Zeitungen verhöhnt hatte, die zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt waren. Die Präsidentin der Kultusminister-Konferenz, Johanna Wanka, die die Reform zuvor verteidigt hatte, erklärte später:

    „Die Kultusminister wissen längst, dass die Rechtschreibreform falsch war. Aus Gründen der Staatsräson ist sie nicht zurückgenommen worden.“

    Die Rechtschreibreform ist also vielleicht nicht gerade der perfekte Leitstern für sinnvolle Sprachreformen, die in der Sache überzeugen und die Sprachgemeinschaft – die doch wohl die eigentliche Eigentümerin der Sprache ist – mitnehmen.

    Für mich ist das Gendern in einem bestimmten Punkt ein wenig wie die Rechtschreiberform und sagt einiges über die „Progressiven“ bzw. einen Großteil dieser Leute aus:
    Man sagt ihnen, dass dies und das ein fortschrittliches Projekt sei – und wenn dann vielleicht noch eine gewisse Prima-Facie-Plausibilität besteht, genügt ihnen das vollauf und sie sind dafür.
    Eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema bleibt oft aus, eine kritische Auseinandersetzung mit Argumenten findet nicht statt; tatsächlich werden oft überhaupt nur die Argumente der einen Seite „rezipiert“, falls der Ausdruck „Rezeption“ hier überhaupt angemessen ist. Studien, die keiner gelesen hat und über deren methodische Stärken oder Schwächen erst recht nicht nachgedacht wurden, werden in teils völlig verzerrter Form als Beweise angeführt für das erstrebte Ziel, ebenso wie in dieser Form längst überholte und unhaltbare Vorstellungen von Sprache.

    Es gibt natürlich auch Leute, die sich ernsthafter mit den entsprechenden Themen auseinandergesetzt haben und für die entsprechenden Veränderungen sind, und das ist natürlich zu respektieren. Es gibt aber eben auch viele, denen man jedes Stöckchen hinwerfen kann, und wenn man nur „Fortschritt“ darauf geschrieben hat, springen sie dem Stöckchen sofort hinterher. Und vielen fehlt dann auch noch jedes Verständnis, wenn andere skeptischer sind.
    Diese „Linken“ sind sozusagen der Gegenpart und zugleich die Entsprechung jener Konservativen, die aus Prinzip immer gegen Veränderung sind, ohne die Sachlage kritisch zu prüfen, und die sich mit oberflächlichen und einseitigen Argumenten abspeisen lassen.

    @ Stefan Pannor:

    Es ist ja nur ein Vorschlag. Weil das Thema ja eine sehr große Resonanz in vielen Kommentaren erfährt. Regelmäßig. Wenn man von den Kommentierenden irgendwelche Rückschlüsse auf die Leserschaft ziehen kann, dann dass das Thema wirklich viele interessiert und es dazu unterschiedliche Positionen und Meinungen gibt.
    Und extremer Mut würde sicher auch nicht dazugehören, Pro und Contra zu Worte kommen zu lassen.

    Und um das nochmals zu wiederholen: Vorschläge für kompetente Autoren (m/w/d) habe ich in # 15 unterbreitet.

  100. „Wenn man von den Kommentierenden irgendwelche Rückschlüsse auf die Leserschaft ziehen kann“

    Kann man nirgends.

    Getriggerte Retros, um mal den Ausdruck Boomer zu vermeiden, mit zuviel Freizeit zu allen möglichen Tageszeiten sind nicht repräsentativ. Das ist wie früher mit den Leserbriefschreibern: da haben zu allermeist auch nur die oft und öfter zur Feder gegriffen, die sich aufgeregt haben, meist waren das ältere Männer.

    Machen Sie Ihr eigenes Portal auf. Dann können Sie die Autoren einfach fragen.

  101. „Das was Probleme verursacht geschieht von oben nach unten und nicht wegen Hautfarbe, Geschlecht oder welches Attribut irgendwelche überprivilegierten Studenten noch für ihre Agenden aussuchen.“

    Durchaus richtig. Manchemal denke ich, den Ausbeutern dieser Welt hätte kaum etwas besseres passieren können als die Vernarrtheit größerer Teile der Linken in rein identitätspolitische Fragestellungen.
    Eine Ursache für diese Vernarrtheit mag sein, dass man sich mit diesen Themen nicht mit mächtigen Gegnern anlegen muss. Das sähe natürlich bei harten ökonomisch-sozialen Fragestellungen gänzlich anders aus…

  102. @ Stefan Pannor (#111):

    Wie wäre es denn mal mit einem Argument? Von LLL kommen welche, von Mycroft oder mir auch. Sie stopfen einfach nur Leute in Schubladen („Getriggerte Retros“, „Boomer“, „ältere Männer“) und überziehen sie mit Herablassung.

  103. @ Stefan Pannor:

    Dass nun die Kommentare eine Tendenz offenbaren sollen, scheint mir unplausibel. Können Sie das begründen, wenn Sie das derart apodiktisch behaupten?

    Abgesehen davon scheint es mir auch sehr unplausibel, dass das (kommentierende) Publikum hier so homogen ist, wie Sie das behaupten; gerade bei dieser Diskussion gibt es doch genügend Leute mit völlig unterschiedliche Auffassungen (und vermutlich auch in unterschiedlichem Alter) – also eben gerade nicht nur „Retros“.

    Zudem verstehe ich nicht, was Sie eigentlich dagegen haben, wenn ich einen Themen-Vorschlag mache. Oder soll jeder, der einen Themen-Vorschlag macht, deshalb sein eigenes Projekt beginnen?

    Des Weiteren fällt auf, dass Sie oftmals gar nichts zur Sache sagen, sondern auf eine Meta-Ebene gehen und ausschließlich Kommentare dazu abgeben, dass andere Leute Kommentare abgeben. In unserer letzten Diskussion etwa haben Sie mich mehrfach dafür kritisiert, dass ich eine bestimmte inhaltliche Kritik an Medien geübt habe. Ob Sie diese Kritik für inhaltlich berechtigt halten oder nicht, haben Sie aber nicht gesagt. Und auf meinen Vorschlag, zur Sache bzw. zum Inhalt meiner Kritik Stellung zu nehmen, haben Sie nicht reagiert.

    Hier nun kritisieren Sie, dass ich einen Vorschlag mache und machen mir selbst einen Vorschlag: zum Thema der Diskussion selbst kommt wieder nichts.
    (Wäre ich Sie, würde ich Ihnen vielleicht zu einem Meta-Blog zu Übermedien raten, bei dem Sie auf der Meta-Ebene die Diskussionen und Kommentare hier kommentieren können, ohne dabei auf den jeweiligen Inhalt einzugehen.)

    Sie können das natürlich halten, wie Sie wollen. Nur wäre es vielleicht fruchtbarer und konstruktiver, sich an Sachdebatten beteiligen, anstatt sich darauf zu beschränken, Leute, die genau das tun, immer wieder dafür zu kritisieren, dass sie es tun.

  104. „Getriggerte Retros, um mal den Ausdruck Boomer zu vermeiden, mit zuviel Freizeit zu allen möglichen Tageszeiten sind nicht repräsentativ. Das ist wie früher mit den Leserbriefschreibern: da haben zu allermeist auch nur die oft und öfter zur Feder gegriffen, die sich aufgeregt haben, meist waren das ältere Männer.“

    Das Problem mit diesem „Boomer, Retros, ältere Männer-Gequatsche“ ist die Tatsache, dass es nicht mal in sich schlüssig ist. Den Leuten, die tatsächlich ironiefrei vom „alten weißen Mann“ sprechen, müsste doch eigentlich selbst klar sein, dass sie ohne diesen weder mit modernen Verkehrsmitteln irgendwo hinreisen noch das Internet vollschreiben könnten :-)

  105. Ich meinte natürlich „Dass nun die Kommentare NICHT mal eine Tendenz offenbaren sollen, scheint mir unplausibel.“

    Vor allem, weil die Hürden ja viel geringer sind, als einen Leserbrief zu schreiben.

    @ Kritischer Kritiker:

    Es hat natürlich auch seine Vorteile, wenn man nichts zur Sache selbst sagt, vor allem wenn das Thema komplex und heikel ist. Dann kann man schon nichts sagen, was sich womöglich als falsch, fragwürdig wenig informiert oder wenig reflektiert herausstellen könnte. Statt sich da groß zu exponieren, ist es vielleicht doch reizvoller, die Kommentare der anderen aus der Vogel-Perspektive zu betrachten und sie (schnippisch) zu kommentieren.

  106. @ Al:

    In den USA werden die Weißen u.a. den Schwarzen, den „Hispanics“ und den Asiaten gegenübergestellt; es gibt also viele Leute (einschließlich viele alte Männer), die als „nicht-weiß“ gelten.
    In Deutschland gibt es hingegen relativ wenige (gerade ältere) Männer, die als „nicht-weiß“, und erst recht wenige, die beispielsweise im öffentlichen Diskurs präsent wören. Und die (angeblich) relevanten oder unterstellten Konfliktlinien oder Abgrenzungsversuche hierzulande verlaufen meistens nicht entlang von „weiß“ und „nicht-weiß“, sondern insbesondere zwischen „autochthonen“ Deutschen und Personen aus einem anderen Kulturraum wie der Türkei oder dem arabischen Raum. Letztgenannte Leute gelten aber gewöhnlich nicht als „nicht-weiß“ und erfahren (außer von den richtigen Rassisten) weniger wegen ihrer Hautfarbe als aus kulturellen Gründen Ressentiments. Und obwohl viele ältere türkische Männer selten als „nicht-weiß“ bezeichnet werden, sind sicherlich bei Weitem nicht alle von ihnen privilegiert.

    Die Rede vom „alten weißen Mann“ besitzt daher hierzulande sicherlich in weniger Fällen Relevanz als in den USA, unabhängig von der Frage, in welchen Fällen sie überhaupt aussagekräftig ist oder Erklärungskraft besitzt und in welchen eher nicht. Trotzdem hört man auch in Deutshcland ständig vom „alten weißen Mann“, auch in Kontexten, in denen es offensichtlich wenig passt, und die Ausdrucksweise wird genügend oft als Ad-hominem-Argument missbraucht.

    Auch wieder so ein Beispiel, wie ohne Reflexion jedem Stöckchen nachgerannt wird, wenn es nur richtig etikettiert wurde.

  107. Das kommt natürlich noch dazu, dass Begriffe des amerikanischen Diskurses 1 zu 1 auf unsere Gesellschaft übertragen werden, ohne zu reflektieren, ob diese hier überhaupt passen. Wirkt dann auch schnell mehr gewollt als gekonnt.

  108. „Das Problem mit diesem „Boomer, Retros, ältere Männer-Gequatsche“ ist die Tatsache, dass es nicht mal in sich schlüssig ist. Den Leuten, die tatsächlich ironiefrei vom „alten weißen Mann“ sprechen, müsste doch eigentlich selbst klar sein, dass sie ohne diesen weder mit modernen Verkehrsmitteln irgendwo hinreisen noch das Internet vollschreiben könnten :-)“

    Und man könnte auch keine Atombomben bauen ohne weiße alte Männer, und die Sklaverei hätt’s auch nie gegeben …

    Sie sehen, worauf Ihr Argument hinausläuft. Sie können sich da nicht nu die Kirschen rauspicken.

  109. Da haben Sie Recht. Ich kann mir nicht nur die Kirschen rauspicken und andere können sich nicht nur die sauren Gurken rauspicken. Deswegen ist es gleichermaßen schwachsinnig, generalisierend positiv vom „alten, weißen Mann zu sprechen“ wie es schwachsinnig ist, generalisierend negativ vom „alten, weißen Mann“ zu sprechen.

  110. @110 LLL: Ich kann mit dem ganzen Kommentar nichts anfangen.
    „Die Rechtschreibreform ist kein gutes Beispiel, sondern eines, wie von oben herab der Sprachgemeinschaft gegen ihren Willen ein Sprachwandel über den Hebel der Schule „aufgedrückt“ wurde […]“
    Das stimmt (die Zahlen, die Sie im weiteren Verlauf nennen, erscheinen mir nicht plausibel, aber ich habe nicht recherchiert). Aber das weitgehende Scheitern der Rechtschreibreform hatte doch wesentlich vielfältigere Gründe, insbesondere die inhaltlichen grammatikalischen Widersprüche und damit einhergehend das unerfüllte Versprechen der Vereinfachung haben doch dieses hohe Maß an Widerstand erzeugt. Kann man u.A. hier nachlesen: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45168987.html
    Dann schreiben Sie weiter: „Für mich ist das Gendern in einem bestimmten Punkt ein wenig wie die Rechtschreiberform und sagt einiges über die „Progressiven“ bzw. einen Großteil dieser Leute aus […]“ und dann folgen eigentlich nur noch Argumente ad hominem gegen irgendwelche erdachten „Progressive“, was erwartbar aber auch zum Strohmann wird, weswegen Sie das dann auch noch mit
    „Es gibt natürlich auch Leute, die sich ernsthafter mit den entsprechenden Themen auseinandergesetzt haben“
    relativieren. Die einzige Erkenntnis, die ich hier mitnehmen kann, ist: es gibt im linken Spektrum Personen, die Studien nicht verstehen, und Themen vertreten, weil diese woke sind. Was fang ich (bzw. die Kommentarspaltenleserschaft) jetzt aber damit an?

  111. @Stefan Pannor #107

    Wenn ich mich nach den (geschätzt: hunderten) Kommentaren richte, die ich von Ihnen auf diesen Seiten bisher gelesen habe, scheint Zurückhaltung bei Ihnen nicht zu den herausragenden Eigenschaften zu gehören. Ich habe nicht mitgezählt, wie oft sie schon nach stärkerer Moderation oder dem Weglassen oder Hinzufügen von etwas hier gefragt haben. Ich habe deshalb nicht mitgezählt, weil es ein ganz normaler Vorgang ist, wenn sich Leser mit ihren Bitten und Vorschlägen an Autoren und Redakteure richten. Die lesen das dann (oder auch nicht) und handeln danach (oder auch nicht).

    Wollte ich mir eine Medienkritikseite basteln, käme die jedenfalls ohne Ihre ständigen Lagerbildungsversuche aus. Mich nervt es.

  112. @ Mycroft (#122):

    Nicht nur hätte, sondern hat: Die Sklaverei zieht sich durch die Menschheitsgeschichte und über alle Kontinente. Die westliche Sklaverei der Neuzeit stellt für uns ein besonderes moralisches Problem dar, weil sie sich vor dem Hintergrund der Aufklärung abspielte und ihre Folgen bis heute nachwirken. Das macht aber z.B. die 1300-jährige Geschichte der Sklaverei in der islamischen Welt auch nicht besser.

    Wie sind wir jetzt auf dieses Thema gekommen?

  113. “ Ich habe nicht mitgezählt, wie oft sie schon nach stärkerer Moderation oder dem Weglassen oder Hinzufügen von etwas hier gefragt haben.“

    Man könnte unterscheiden zwischen Kommentarspalte und Artikelbereich.

  114. Dieser Artikel betreibt eine eigenartige Form von Journalismus, die ich auf Übermedien relativ häufig vorfinde. Er lässt mich mit dem Gefühl zurück, nicht zu wissen, was er eigentlich sagen will.

    Zunächst kann ich keine Medienkritik erkennen. Okay, das muss vielleicht auch nicht immer sein, aber worauf genau will die Autorin hinaus.

    Eigentlich referiert sie nur – ohne jeglichen eigenen Kommentar – die Medienbeschwerde eines anderen und ein paar erste Reaktionen.

    Wo bleibt die Einordnung? Ist die Beschwerde inhaltlich zutreffend oder nicht? Berechtigt oder nicht? Wird da irgendein wichtiger Punkt berührt, oder geht es um Belanglosigkeiten? Anne Fromm schafft es, sich jedes Urteils zu enthalten.

    Stattdessen bekommt man sprachlichen Manierismus aufgetischt.

    Ich formuliere mal die Einleitung eines Artikels von Samira El Ouassil etwas um:
    Dunja Hayali hat eine Mission: Sie begibt sich in Berlin auf Demonstrationen. Hayali fiel sofort als störende Persona non grata auf. Hayali gehörte nicht zu den Protestierenden. Hayali kommentierte kontinuierlich, unter welchen Umständen sie ihrer Arbeit nachging – bis sie sie aus Sicherheitsgründen abbrach.

    Warum die ständige Wiederholung des Namens? Nun, ich orientiere mich am Schreibstil Anne Fromms. Irgendwie wirkt das so, als wolle man eine Person von vornherein lächerlich machen. Vielleicht sollen die ständigen Wiederholungen eine Distanzierung ausdrücken. Nur Walter Krämer macht so komische Sachen, niemand sonst würde es tun, deshalb muss man immer wieder erwähnen, dass er es ist, sonst würde man es ja nicht verstehen.

    Das nennt man auch Suggestivmethoden. Aber wenn der Krämer so seltsam ist, warum unterlässt man nicht einfach das Suggerieren, warum bezieht man nicht Stellung? Ich meine so: mit eigenen Gedanken, eigenen Argumenten?

    Und natürlich „regt er sich auf“.

    Tja, was sonst, es handelt sich um eine Rundfunkbeschwerde.

    Solche Beschwerden sind übrigens legitim. Merkwürdig wäre es vielleicht, wenn er gegen Privatsender vorgehen würde. (Nebenbei: Noch merkwürdiger wäre es, wenn Privatsender zu gendern beginnen würden. Die wissen nämlich, dass sie ihre Kunden nicht vergraulen dürfen.)

    Das Gendern passiere also nicht konsequent genug, meint Krämer einerseits. Andererseits schreibt er in seinem Brief, dass der Genderstern […] rechtschreibwidrig sei und im Widerspruch zu einem Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung stehe.

    Soll hier ein Widerspruch suggeriert werden? Dass inkonsequent gegendert wird, zeigt ja gerade die Unaufrichtigkeit des Unterfangens. Der Einwand ist deshalb berechtigt.

    Zitat Krämer: Dieser Knacklaut […] bleibt allerdings oft unhörbar oder wird gar gänzlich vermieden

    Das ist sachlich richtig. Es gibt im ÖRR gelegentlich Sprecher, die das gedachte Sternchen nicht mitsprechen oder generisches Femininum verwenden. Das lässt sich belegen. Kann aus der Erinnerung nicht sagen, ob ich das bei hauseigenen Redakteuren oder bei eingeladenen Gästen so gehört habe, aber es kommt definitiv vor.

    Auf Journalistinnen und Journalisten ist er sowieso nicht gut zu sprechen. Im Interview mit der rechten „Jungen Freiheit“ sprach er von einer „rot-grünen Medienmafia“ mit „rot-grüner Weltverbesserungsidologie“, in einer Ausgabe seiner Verbandszeitschrift von „linksgestrickten Lügenmedien“.

    Das ist ziemlich schief formuliert, und soll Krämer offenbar pathologisieren. Wenn er von Lügenmedien oder einer Medienmafia spricht, folgt daraus nicht, dass er prinzipiell Journalisten nicht mag. Es kann durchaus welche geben, die er schätzt, z.B. die der Jungen Freiheit. Es geht ihm offensichtlich nicht um den Journalisten als solchen, sondern um das Gesamtbild, das die Medien abgeben. Do wie es Anne Fromm formuliert, klingt es so, als hätte Krämer Probleme mit einem bestimmten Menschentyp.

  115. @ Gastbeitrag:

    Die Zahlen (bzw. die Zahl) habe ich einfach aus der Wikipedia und der von ihr genannten Umfragen. (Ja, Wikipedia ist keine wissenschaftl. Quelle, aber für einen Kommentar in einem leserforum genügt es mir in diesem Fall. Und ja, die Ergebnisse später, nach Einführung der Reform, schwanken etwas, sind aber immer sehr schlecht.

    Ich habe gar nicht behauptet, dass es nur eine Ursache für das Scheitern gab.
    Man hätte m.E. bei einem etwas genaueren Hinsehen von Anfang an feststellen konnte, dass die Reform, so wie sie gemacht war, mit erheblichen Problemen behaftet wäre (qualifizierte Kritik gab es genug). Trotzdem wurde sie (gerade von Linken wie der taz) relativ unkritisch begrüßt. Dass die Sprachgemeinschaft sie ablehnten, interessierte dabei nicht.
    Die Parallele sehe ich darin, dass man bei etwas näherem Hinsehen auch feststellen könnte, dass es erhebliche Probleme mit dem Gendern gibt.
    Und auch hier lehnen die meisten Leute – Frauen eingeschlossen – diese Art des Sprachwandels ab. Und doch scheinen viele Linke das Phänomen sehr unkritisch zu sehen und etliche haben nur Spott für diejenigen übrig, die an dieser Stelle skeptisch sind.

    Ad-hominem-Argumente bestehen darin, dass man in unzulässiger Weise aus Eigenschaften einer anderen Person auf die Ungültigkeit ihrer Meinung oder Argumente schließt. Ich wüsste nicht, wo ich das getan habe.
    Und dass es hier nicht selten so läuft, wie ich das abstrakt beschrieben habe, und dass ich da auch nicht auf einen Strohmann schieße, können Sie doch an dieser Diskussion oder der von neulich sehen. Aus der völlig pauschal und undifferenziert vorgetragenen Behauptung, dass Sprache unser Denken präge, wird immer wieder ohne Umschweife (d.h. ohne Zusatz-Prämisse) gefolgert, dass es einen großen Unterschied für den Zugang der Menschen ausmachen müsse, ob gengedert wird oder nicht. Und/oder es erfolgt eine Berufung auf Studien mit doch ziemlich beschränkter Aussagekraft, die zudem etwas anderes sagen, als man glaubt. Kritische Argumente und Einwände sind allem Anschein nach vielen gar nicht erst bekannt.
    Trotzdem sind etliche Feuer und Flamme für das Gendern oder erklären Kritik aus den unterstellten psychischen Mängeln der Kritiker. Ich nenne keine Namen, aber wie gesagt: Sehen Sie sich allein diesen Thread an oder den von neulich.

    Und die Quintessenz ist nicht, dass es auch Linke gibt, die da unterkomplex an ein Thema rangehen, und denen offenbar die Etikettierung einer Sache als „progressiv“ schon ausreicht, um sie von etwas zu überzeugen, sondern dass das auf ziemlich viele zutrifft. Ob Sie meine Einschätzung dann letztlich teilen, und was Sie ggf. mit damit anfangen, müssen Sie entscheiden…

    (Was kritische Einwände gegen das Gendern angeht, so möchte ich auf die im ersten Beitrag genannte Literatur hinweisen. Ein Gutteil der Linguisten, die Kritik üben, sind übrigens Linguistinnen, um hier mal das generische Maskulinum zu gebrauchen. Ich behaupte nicht, dass jeder, der sich mit der entsprechenden Kritik beschäftigt hat, gegen das Gendern sein müsste, oder gar gegen das Gendern in jeder Form. Ich behaupte aber, dass diese und andere Diskussionen doch deutlich anders und differenzierter verlaufen würden, wenn die entsprechende Kritik bekannter wäre. Ob Sie dieser meiner Einschätzung nach einer ev. Prüfung zustimmen mögen, liegt wiederum bei Ihnen.)

  116. Der Artikel (und mehr noch die Kommentare) haben mich bewegt, die Webseite des Vereins Deutsche Sprache aufzusuchen und den Spendenknopf zu drücken.

    Es ist erschreckend, wie viele Aktivisten (m/w/d) offenbar zu glauben scheinen, man könne Menschen von „falschen Denkweisen befreien“, indem man sie zu einer bestimmten Sprechweise zwingt.

    Im übrigen: Frauen sind nicht unterdrückt oder benachteiligt in unserer Gesellschaft! – im Gegenteil, in vielfacher Weise besonders geschützt und gefördert. Um das zu erkennen, muss man allerdings nicht weiblichen die DAX-Vorstände zählen (die meisten von uns zählen ja nun sowieso nicht zu dieser elitären und kleinen Gruppe), sondern mal schauen, wer in der Gesellschaft ganz unten landet und alleine gelassen wird, wer die riskantesten Jobs ausübt und am meisten dabei verunglückt – stark überwiegend Männer.

  117. Der Vergleich mit der Rechtschreibreform ist nicht unpassend.
    • Ursprünglich wollten die Reformer Kleinschreibung. Weil die Politik das nicht wollte, kam dann vermehrte Großschreibung. Ursprünglich kam aus der feministischen Sprachwissenschaft der Vorschlag, die Endung -in abzuwerfen. Weil die Aktivisten das nicht als sperrig genug empfanden, kam die Vermehrung von Suffixen.
    • Mehrfach wurden Schulbücher eingestampft und neu gedruckt. Kurz vor dem Beschluss der Reform, stellte sich Bayern quer, weil dem Ministerpräsidenten Tron (statt Thron) und ein Dutzend andere Neuschreibungen nicht gefiel. Da waren Schulbücher schon gedruckt und vor Auslieferung Makulatur. Nach dem letztgültigen Beschluss, wurden dann alle Schul- und Jugendbücher ausgetauscht. Dann gab es immer wieder Änderungen, die vermehrte Getrenntschreibung kam bei der Bevölkerung nicht an, was Neuauflagen der gerade erneuerten Wörterbücher nach sich sog. Die Zeitungen erklärten, bei der alten Kommasetzung zu bleiben. Es ist überhaupt nicht absehbar, wie das bei dem ganzen politisch korrekten Neusprech mit den ständig neuen Sonderzeichen laufen soll. Erinnert sich noch jemand, dass man den Unterstrich benutzt hat?
    Wie oft müssen Straßen umbenannt, Schulbücher, Wörterbücher, Gesetzestexte, Amtsschreiben, Geburtsurkunden neu gedruckt, Kundenformulare umgestaltet werden, bis die Wohlmeinenden zufrieden sind? Können letztere bitte mal eine Schätzung der Kosten abgeben?
    • Die neue Rechtschreibung ist inkonsistent und niemand beherrscht sie. Dito Gendersprache.
    • Ist die Rechtschreibung nun eine bessere? Sind die Rechtschreibleistungen besser geworden? Nein. Haben sich die Geschlechterrollen durch das Gendern irgendwie verändert? Nein.

  118. die taz kehrte dem Vernehmen nach heimlich zu einem Teil der alten Regeln zurück

    Nur ein nebensächliches Detail, ich weiß, aber das bringt mich gerade um…
    Wie kehrt eine Zeitung heimlich zu den alten Regeln zurück? Werden die nur in Artikeln angewandt, die dann nicht veröffentlicht werden?

  119. Bin gerade dem Verein Deutsche Sprache beigetreten. Anregung dazu kam aus diesem verirrten Artikel und den Kommentaren darunter.

  120. Aus unserer beliebten Serie »Kerle kämpfen für das generische Maskulinum« sahen Sie die Folge »132 Übermedien-Kommentare«.

    Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn es heißt:
    »Wir wollen unsern alten Kaiser Willem wiederhamm!«

  121. „Es ist erschreckend, wie viele Aktivisten (m/w/d) offenbar zu glauben scheinen, man könne Menschen von „falschen Denkweisen befreien“, indem man sie zu einer bestimmten Sprechweise zwingt.“

    Solange Sie kein Journalist sind, zwingt man Sie zu gar nichts, nicht mal dazu, den DLF oder andere Sender zu hören.

    Sie müssen nun ganz stark sein: Zwang ist, wenn man etwas tut, weil man es nicht lassen darf, gezwungen durch akute äußere Umstände. Zwang ist eine Steigerungsform von Pflicht, weil die Pflicht Argumente kennt, der Zwang dagegen meist nicht.

    Und der Witz ist, keiner zwingt Sie, Ihren liebgewordenen Duktus zu ändern. Sie müssen nur damit leben, dass eben auch nicht jeder den gut findet. Wobei er den allermeisten egal sein dürfte.

    Ich finde die Definition von Zwang als „passiven Konsum, den ich lassen kann oder auch nicht“ doch sehr erheiternd.

  122. Selbstverständlich gibt es Zwang.

    Die Gendersprache ist nicht freiwillig. Wie auch, in der Alltagssprache existiert sie nicht.

    Zwang gibt es inzwischen nicht nur im Öffentlichen Dienst, im ÖRR, in den Unis. Selbst vor Parlamenten macht er nicht halt. Fraktionen müssen inzwischen um ihr Recht kämpfen, Paramentsangelegenheiten in der üblichen, allgemein verwendeten deutschen Sprache – ohne Genderzwang – einzureichen.

    Um noch einmal Stefanowitsch zu zitieren:

    Indem man die Bediensteten der Stadt Hannover zum Gendersternchen verpflichtet, zwingt man sie kurzfristig in eine Community of Practice, zu der sie eigentlich nicht gehören. Mittelfristig löst man damit dann die Verbindung des Markers zu dieser Gemeinschaft auf: Solange ich das Gendersternchen freiwillig – vielleicht sogar gegen gewisse Widerstände – verwende, kommuniziere ich damit auch, dass ich mich zu einer Gruppe von Menschen mit bestimmten Vorstellungen über Geschlecht rechne. Je mehr Menschen eine bestimmte Form verwenden, weil sie dazu gezwungen sind, desto schlechter lassen sich solche Rückschlüsse ziehen.

    Hervorhebungen von mir.

  123. @Wonko
    Offensichtlich bedeutet heimlich in diesem Zusammenhang, dass die taz dies nicht offiziell verkündet hat, sondern still und eben heimlich einen Teil der alten Regeln wieder verwendet.
    Ob das stimmt oder nicht, steht dabei auf einem anderen Blatt, das müsste der behauptende und gefürchtete Fassaufmacher LLL noch belegen.

  124. „der behauptende und gefürchtete Fassaufmacher LLL noch belegen.“

    Ohne und gefürchtete Fassaufmacher würde es auch gehen.

  125. @Stefan Pannor:

    Naja, wie auch immer, ich muss Sie nicht gut finden und sie mich auch nicht. Zwang wird’s aber, wenn an Hochschulen entsprechende Richtlinien erlassen werden, Prüfungsnoten von der Genderei abhängen, oder der GEZ-zwangsfinanzierte Rundfunk dieser Welle nacheifert.

    Übrigens erstaunlich, wie viele Männer meinen, sich bei Frauen beliebt machen zu können oder sonst irgendwie modern zu wirken, indem sie die schwachsinnigen Extrempositionen einer feministisch verirrten Minderheit wiederkäuen.

    Frauenbenachteiligung ist komplett von gestern. Es wird Zeit, sich mal um die bedürftigen Männer (Obdachlose, Gewaltopfer) zu kümmern und die Benachteiligung der Jungs in der Schule abzuschaffen.

    Das Gendersternchen ist ein lächerlicher Auswuchs einer schon lange nicht mehr angebrachten Opferkultur bestimmter Frauen. Fun Fact: auch die meisten Frauen können damit nichts anfangen, fühlen sich nicht als Opfer, sondern sind ganz happy mit ihrer Lebensweise und Berufswahl.

  126. Nachtrag: alleine dass der CDU-Vorstand jetzt beschlossen hat, bei 25% weiblichen Mitgliedern zukünftig Frauenquoten von 50% in Parteiämtern einzuführen, zeigt, wie verirrt der Feminismus mittlerweile ist. Und wenn diese Minderheit unter den Frauen meint, Männer seien ihr politischer Gegner, dann sollten wir Männer sie ernstnehmen – genau was sie anstreben! – und das bedeutet: sie politisch als unsere Gegnerinnen bekämpfen.

  127. @128 LLL: „Ad-hominem-Argumente bestehen darin, dass man in unzulässiger Weise aus Eigenschaften einer anderen Person auf die Ungültigkeit ihrer Meinung oder Argumente schließt. Ich wüsste nicht, wo ich das getan habe.“
    Naja. Zuerst würde ich die Defintion ausweiten zu „Ad-hominem-Argumente bestehen darin, dass man in unzulässiger Weise aus Eigenschaften, _Eigenarten oder Handlungsweisen_ einer anderen Person _oder Personengruppe oder Teilen davon_ auf die Ungültigkeit ihrer Meinung oder Argumente schließt.“ Und ja, explizit haben Sie das nicht getan, aber ich frage mich dann, warum Sie in ihren Kommentar auf die (vermeintlichen) Fehlleistungen „der Progressiven“ bei der Rezeption und Interpretation von Studien eingehen, wenn Sie das nicht implizit ausdrücken wollten. Oder kürzer: Warum halten Sie sich so lange mit der Frage auf, WER die Argumente vorbringt, statt WELCHE Argumente vorgebracht wurden und warum diese schwach oder unzutreffend sind.
    Für ihre Behauptung, dass sich „auf Studien mit doch ziemlich beschränkter Aussagekraft, die zudem etwas anderes sagen, als man glaubt“ bezogen würde, haben Sie auch keine Beispiele gezeigt. Wohingegen man ja schon bei naiven Alltagsexperimenten Effekte beobachten kann, z.B. im Link von #48. Wenn Sie schon die Argumente der anderen Seite als unwissenschaftlich bezeichnen (was, wie ich finde, ein schwerer Vorwurf ist), dann sollten Sie das schon belegen.
    @130 Stephan Fleischhauer:
    Ja, auch ich kann Parallelen zwischen Rechtschreibreform und Gendergerechter Sprache erkennen, z.B. dass beides aus sozialreformatorischen Bewegungen heraus stattfindet. Aber wo soll das auch sonst herkommen? Es gibt aber auch wichtige, in meinen Augen entscheidende, Unterschiede: eine gendergerechte Sprache ist 1. nicht verpflichtend (außer unter speziellen Umständen), 2. soll ein spezifisches soziales Problem adressieren und nicht mehrere gleichzeitig, 3. ist (im weitgehenden Konsens) auf eine grammatikalische Konstruktion – nämlich das generische Maskulinum – beschränkt, 4. ist vereinbar mit den restlichen grammatischen Regeln.
    @129 FRY: „wer in der Gesellschaft ganz unten landet und alleine gelassen wird, wer die riskantesten Jobs ausübt und am meisten dabei verunglückt – stark überwiegend Männer.“
    Ja, geschlechtliche Ungerechtigkeit ist keine Einbahnstraße, da haben Sie recht. In geschlechterungerechten Gesellschaften werden Meinung und Arbeitskraft von Frauen geringgeschätzt, und gleichzeitig physische Unversehrtheit von Männern. Paradoxerweise wäre eine gendergerechte Sprache (so sie denn wirkt) auch an dieser Stelle heilsam.
    Ich habe in den letzten Tagen über ein Argument nachgedacht, dass hier zwar irgendwo gefallen ist, aber nicht weiter verfolgt wurde: nämlich warum in negativen Kontexten oft auf gendergerechte Sprache verzichtet wird (DiebInnen/Dieb*innen/Dieb:innen wasauchimmer). Gerecht ist das tatsächlich nicht. Zum einen erzeugt es ja einen gender bias in der Strafverfolgung, zum anderen wird es auch den Täterinnen nicht gerecht, die ja vielleicht sogar auf ihre „Leistungen“ stolz sind. Ich kann mir das nur so erklären, dass man einfach nicht den Effekt haben will, den man sich ja gerade bei Berufsbezeichnungen wünscht, nämlich mehr Enpowerment bei den nicht genannten.

  128. 137-138

    Woher kommt dieser Stuss über frauengeknechtete Männchen?
    Sind die AfD-Spalten gerade zu oder drückt die Prostata?

  129. @FixundFoxi
    Na ja, bei mir geht es wenigstens nur ohne einenTeil, ihre Kommentare sind dagegen komplett überflüssig.
    Da bin ich doch etwas besser dran, finden Sie nicht?

  130. @137 Fry: Warum kommentieren Sie hier unablässig, wenn Sie das Problem schon nicht interessiert? Ich empfinde das als extrem störend. Wenn Sie ganz andere Probleme als drängend empfinden, als die hier besprochenen, dann gilt hier wie überall: Bitte gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.
    „Übrigens erstaunlich, wie viele Männer meinen, sich bei Frauen beliebt machen zu können […]“
    Genau, ich beteilige mich hier nur um Weibchen zu beeindrucken. Und jetzt gehe ich auf meinen Pavianhügel und trommel auf der Brust. Das ist wirklich fernab (meiner) der Realität.
    „Frauenbenachteiligung ist komplett von gestern.“ Erzählen Sie das mal bitte zum Geburtstag der Schwiegermutter – das wird bestimmt ne Riesenparty.
    @138: Die CSU hat übrigens auch eine Frauenquote für Landes- und Kreisvorstände, abgeschwächt auch für die kommunalen Vorstände, beschlossen durch Parteitage und nicht vom Vorstand. Das sind dann wohl auch alles so verirrte Feminist:innen.

  131. „Frauenbenachteiligung ist komplett von gestern.“ Erzählen Sie das mal bitte zum Geburtstag der Schwiegermutter – das wird bestimmt ne Riesenparty.

    Ja, die Zwangsrekrutierung von Frauen wurde ja nur ausgesetzt, nicht abgeschafft.
    Radikalfeminismus bei Männern als Pick-Up-Taktik funktioniert wohl nicht, also bitte entweder aus echter Überzeugung einsetzen oder gar nicht.

    In geschlechterungerechten Gesellschaften werden Meinung und Arbeitskraft von Frauen geringgeschätzt, und gleichzeitig physische Unversehrtheit von Männern.

    Ach, es waren gar nicht die Frauen, die zum Bund mussten?

    Paradoxerweise wäre eine gendergerechte Sprache (so sie denn wirkt) auch an dieser Stelle heilsam.

    Wo Sie es gerade ansprechen; jeden Tag stirbt in D. ein Mann bei einem Arbeitsunfall. Einmal die Woche eine Frau. Das könnte man natürlich dadurch ausgleichen, indem man Frauenquoten in den gefährlicheren Berufen einführt, oder – weil das ja Zwang wäre – die Berufsbezeichnungen gendert, also Gerüstbauerinnen und -bauer, Dachdeckerinnen und Dachdecker und Zimmerleute und Zimmerleute. Oh, „Zimmerleute“ ist ja schon gendergerecht? Seit länger, als jeder heutige Mensch alt ist? Warum hatte das keinen Einfluss auf die extrem niedrige Frauenquote dort?
    Kann es sein, dass die Wirkmächtigkeit der Genderung so groß ist? Also grö0er als die Messgrenze?

    Bis man sie mir bewiesen hat, bekämpfe ich die unterschiedlichen Unfallraten auf die ingenieurmäßige Art: Unfälle bekämpfen.

  132. @ Fry
    Sie meinen also, Sexismus schadet in manchen Bereichen auch Männern?! Bleiben Sie dran! Ich glaube, Sie sind ganz kurz davor, das Problem zu verstehen.

  133. Ich bin eigentlich nur stiller Mitleser, allerdings muss ich den @140 Gastautor fragen, was an der Rechtschreibreform und der Propagierung und Einführung einer gendergerechter Sprache denn sozialreformerisch ist? Das interessiert mich wirklich.

    Abgesehen davon frage ich mich schon, wie sie, Gastautor zu der Ansicht kommen, dass „eine gendergerechte Sprache (…) 1. nicht verpflichtend (außer unter speziellen Umständen) [sei], 2. (…) ein spezifisches soziales Problem adressieren [solle – welches denn genau?] (…) .“

    Eine Antwort auf diese Fragen interessiert mich tatsächlich.

  134. @144 Mycroft: Gibt es einen Grund für ihren polemischen Kommentar? Wollen wir nicht viel lieber, bei aller Meinungsverschiedenheit, doch wieder respektvoll miteinander sprechen?
    „Ja, die Zwangsrekrutierung von Frauen wurde ja nur ausgesetzt, nicht abgeschafft.“
    Und weil beim Thema Wehrpflicht Männer ungerecht behandelt werden, ist es gerechtfertigt, Frauen an anderer Stelle ungerecht zu behandeln, oder wie?
    „Radikalfeminismus bei Männern als Pick-Up-Taktik funktioniert wohl nicht, also bitte entweder aus echter Überzeugung einsetzen oder gar nicht.“ Hier kann ich ihnen nicht mal folgen. Vielleicht können Sie das ja noch Mal mit ein bisschen weniger Sprachbildern sagen?
    „Oh, „Zimmerleute“ ist ja schon gendergerecht? Seit länger, als jeder heutige Mensch alt ist? Warum hatte das keinen Einfluss auf die extrem niedrige Frauenquote dort?“
    Weil gendergerechte Sprache ALLEIN nicht die Lösung sein kann, was aber auch nie jemand hier behauptet hat. Gendergerechte Sprache löst nämlich nicht auf, dass Frauen im Baugewerbe strukturell bis in die Gesetzgebung hinein für lange Zeit benachteiligt waren und diese Strukturen teilweise bis heute nachwirken. Dagegen hilft in der Tat nicht, dass man bei „Zimmerleute“ die Zimmerinnen mitnennt.

    PS. Wie kann ich hier die Seitenstriche bei Zitaten erzeugen?
    PSS. Bezüglich des Themas interessant (und irgendwie auch lustig) hat die Katholische Studierende Jugend am 11.09.2020 veröffentlicht, das Wort „Gott“ zukünftig mit Genderstern zu verwenden, also „Gott*“. https://www.domradio.de/themen/glaube/2020-09-18/gott-nimmt-niemandem-was-weg-katholischer-jugendverband-verteidigt-gott-mit-gendersternchen

  135. 148/ Zu 1.: Ist denn eine Verpflichtung (ähnlich einer Gurtpflicht etwa) im gesamtgesellschaftlichen Raum erkennbar? Ich sehe keine. Falls Sie eine sehen, belegen Sie die bitte.

    Zu 2. finde ich persönlich jede mögliche Antwort etwas sehr redundant, weil sich die gesamte Debatte um das Problem dreht.

  136. „Dann schlage ich mal Putzmann und Krankenbruder vor.“ Putzkraft (m/w/d). Krankenpflegekraft(m/w/d). Wenn Sie jetzt sagen, dass „Kraft“ doch weiblich sei – ok, das sind das die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr ja dann auch, woll?
    „Nummernboy?“ kA, was das sein soll.
    „Haushalter?“ Haushaltskraft. mwd
    „Hurer?“ Kennen Sie den? Treffen sich zwei Prostuierte. Sagt der eine zum anderen Prostituierten: „Wetten, dass wieder alle gedacht haben, wir seien zwei Frauen?“ Oder Sexarbeiter.
    „Politesser?“ Politeur. (Musste ich googeln, sorry!)

    „Es waren wohl die schönen Zimmermannsbleistifte, die die Damen so entmutigt haben.“ Das ist nur ein Name – das ist gar kein Blei drin.

  137. Nun, da ich, übelste Inkonsequenz beweisend, noch einmal reinlese, muss ich mich, bei dem, was ich da lese, dann doch entschuldigen: Nein, das sind doch keine antifeministischen Möchtegern-Machos, verbreitet auch mit Kastrations-.Angst, die sich hier vehement an Krämers Seite ( und die seiner Sprach-Pegida ) sammeln.
    Wo sind die Chips, wenn man sie braucht?

  138. @Frank Gemein: „Nein, das sind doch keine antifeministischen Möchtegern-Machos, verbreitet auch mit Kastrations-.Angst, die sich hier vehement an Krämers Seite ( und die seiner Sprach-Pegida ) sammeln.“

    Ad hominem der Diskussionspartner ist übrigens typisch feministisch. Und ein klares Zeichen dafür, dass man keine Argumente hat.

    Fakt ist, die „Sprach-Pegida“ – also die, die hier was vorschreiben wollen – sind definitiv nicht die vom Verein Deutsche Sprache. Sie verwechseln da was.

    Und Übermedien könnte sich auch mal wieder echte Themen suchen. Das Gendersternchen hat gemeinsam mit der Gendertoilette, dass man beide nunmal nicht braucht. Wer daraus Probleme strickt, hat definitiv zu wenig Horizont.

  139. @148 Tagedieb: „was an der Rechtschreibreform und der Propagierung und Einführung einer gendergerechter Sprache denn sozialreformerisch ist?“

    Dazu möchte ich gerne noch Mal auf den Spiegel-Artikel verweisen:
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45168987.html
    „Denn auch in der Bundesrepublik hatte der linke Reformoptimismus nach der Politik- und Sozialwissenschaft die Pädagogik und Linguistik erfasst. Rechtschreibkritik war Gesellschaftskritik. Bildungsfernen Schichten sollte mit einer radikalen Vereinfachung der Schriftsprache eine Barriere in ihrer Bildungskarriere genommen werden, die gängige Orthografie galt umgekehrt als reaktionär, als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument. Was für die Ökobewegung der Atommeiler, das war für die Rechtschreibreformer die Großschreibung.“
    Es ging also um ein Projekt, die Sprache barrierefreier zu machen, damit auch die „unteren Schichten“ gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können – ungebremst von bourgoisen Sprachschranken, die exkludierend wirkten. „Nur mit der „Distanzierung von kulturellen Bindungen“ könne die bestehende Gesellschaft überwunden werden“. (Alles nicht meine Meinung)

    Bei der gendergerechten Sprache geht es darum sprachlich die Gruppen sichtbar/hörbar zu machen, die beim generischen Maskulinum (vermeintlich oder nicht) nicht mitgenannt werden – also Frauen und Genderdiverse – mit der Verheißung, dass dadurch geschlechtsspezifische Stereotype erst sprachlich, dann gesellschaftlich aufgelöst werden, insbesondere in der Berufs-/Arbeitswelt.

    „Abgesehen davon frage ich mich schon, wie sie, Gastautor zu der Ansicht kommen, dass „eine gendergerechte Sprache (…) 1. nicht verpflichtend (außer unter speziellen Umständen) [sei], 2. (…) ein spezifisches soziales Problem adressieren [solle – welches denn genau?] (…) .“
    zu 1.: weil weder ich, noch irgendjemand, den ich kenne, jemals in irgendeinem Kontext zu einer gendergerechten Sprache verpflichtet wurde. Und von den Begebenheiten, von denen ich indirekt erfahren habe, ist eigentlich immer von einer (teils demokratisch ermittelten) freiwilligen Selbstverpflichtung die Rede, z.B. bei der „taz“. Haben Sie da andere Beispiele, die über anekdotische Evidenz hinausgehen?
    zu 2. das in Gruppenansprachen, insbesondere, aber nicht nur, in der Arbeitswelt, sprachlich die weiblichen (und eventuell die genderdiversen) Mitglieder der Gruppe berücksichtigt werden.

  140. @153:
    „Ad hominem der Diskussionspartner ist übrigens typisch feministisch. “

    Dieser Satz ist wirklich Internet-Gold. Ich musste herzlich lachen – habe aber Zweifel, ob das so gedacht war.

  141. >>>ad hominem der Diskussionspartner ist übrigens typisch feministisch.<<<
    Witzig. Wahrscheinlich merkste das nicht einmal!

    Und ansonsten: Einfach noch einmal den Artikel lesen. Herr Krämer möchte dem ÖRR etwas vorschreiben. Und zwar mit großer Vehemenz.

    Sprach-Pegida stammt auch nicht von mir. Da waren Stefan Niggemeier und Thomas Niehr um Jahre schneller. Ideologen sind immer die anderen, cancel-culture kann auch NUR von links kommen, sonst hiesse es ja gerechter Volkszorn und nur Linke wollen alles verbieten. Bei Rechten heisst es dann "ausmerzen"?

    Schon nicht einfach mit Euch.

  142. #154 Gastbeitrag

    »Bei der gendergerechten Sprache geht es darum sprachlich die Gruppen sichtbar/hörbar zu machen, die beim generischen Maskulinum (vermeintlich oder nicht) nicht mitgenannt werden…«

    Eigentlich geht es darum, so zu formulieren, dass sich alle angesprochen fühlen. Dazu muss das Geschlecht nicht zwingend sichtbar oder hörbar werden. Wie weiter oben schon mal geschrieben, merkt man gut gegenderten Texten nicht an, dass sie gegendert wurden.

    »Wer Rad fährt, sollte einen Helm tragen« ist sicherlich die elegantere Lösung als »Radfahrer*innen sollten Helm tragen«. Zudem gesünder, weil sie bei Genderhassenden Schnappatmung und Blutsturz verhindert. Die merken das gar nicht.

  143. „Gibt es einen Grund für ihren polemischen Kommentar?“ Ja.

    „Und weil beim Thema Wehrpflicht Männer ungerecht behandelt werden, ist es gerechtfertigt, Frauen an anderer Stelle ungerecht zu behandeln, oder wie?“ Wenn es gesetzliche Regelungen gibt, die Männer benachteiligen, ist die Behauptung, Staat und Gesetzgebung seien frauenfeindlich, widerlegt. Bzw., das widerlegt genau genommen nicht, dass die Gesellschaft oder Teile von ihr frauenfeindlich sind, aber wenn eine Grammatikform ungerecht gegen Frauen sein soll, fällt es mir trotzdem schwer, Solidarität mit Menschen zu haben, die sich darüber beklagen, obwohl ihnen ein männerfeindliches Gesetz sehr egal war.

    „Vielleicht können Sie das ja noch Mal mit ein bisschen weniger Sprachbildern sagen?“ Nie den Witz erklären.

    „Weil gendergerechte Sprache ALLEIN nicht die Lösung sein kann, was aber auch nie jemand hier behauptet hat.“ Nicht ALLEIN ist ein schöner Euphemismus für „fast gar nicht“. Nebenbei stellt sich die Frage, warum Dachdecker’innen besser wäre als Dachdeckerinnen und Dachdecker.

    „Gendergerechte Sprache löst nämlich nicht auf, dass Frauen im Baugewerbe strukturell bis in die Gesetzgebung hinein für lange Zeit benachteiligt waren und diese Strukturen teilweise bis heute nachwirken.“ Achwas? Die Lastenhandhebungsverordnung, wonach Männer größere Lasten als Frauen heben müssen, ist etwa kein Vorteil für Frauen, sondern ein Nachteil? Weil man sie dann halt nicht einstellt? Ja, wieso ich polemisch werde, ein Rätsel der Menschheit.

  144. Eigentlich geht es darum, so zu formulieren, dass sich alle angesprochen fühlen.

    1. Dann sollte man alle fragen, wie sie angesprochen werden möchten.

    2. Nicht immer, wenn es um Personen geht, handelt es sich um eine Ansprache. Für die direkte Ansprache des Lesers bzw. des Hörers haben wir die sogenannte zweite Person (Singular und Plural). Die Pronomen der zweiten Person unterscheiden nicht nach Geschlecht. Die Ansprache mit Titulierungen, Berufsbezeichnungen usw. ist eigentlich ein Spezialfall, der sich mehr oder weniger auf Grußformeln beschränkt. Die Beidnennung der Geschlechter hat sich da ganz ohne Zwang schon lange eingebürgert.

  145. @ 159:
    „Achwas? Die Lastenhandhebungsverordnung, wonach Männer größere Lasten als Frauen heben müssen, ist etwa kein Vorteil für Frauen, sondern ein Nachteil? Weil man sie dann halt nicht einstellt?“

    Na, dann sollte es ja auch im Interesse von uns Männern sein, alles zu tun, um solche Ungleichbehandlungen zu reduzieren und irgendwann z.B. vielleicht die gleiche Lebenserwartung wie Frauen zu haben, oder? (Dass dieser Unterschied vermutlich allein dem unterschiedlichen Lebenswandel geschuldet ist, ist meines Wissens empirisch belegbar. Mönche im Kloster haben wohl die gleiche Lebenserwartung wie Frauen.)
    Und könnte es nicht ein winziger Mosaikstein dieser Veränderung sein, wenn wir ein Bisschen an sprachlichen Bildern und den darin konservierten Geschlechterrollen kratzen und z.B. Handwerker*innen sagen?

  146. @ Michael Frey-Dodillet (#158):

    »Wer Rad fährt, sollte einen Helm tragen« ist sicherlich die elegantere Lösung als »Radfahrer*innen sollten Helm tragen«

    Auch wenn ich den theoretischen Ansatz hinter der „gerechten Sprache“ für falsch halte – mit solchen Vermeidungsstrategien habe ich kein Problem. Sie entstellen die Sprache nicht.

    Nur scheint sich dafür kaum jemand zu interessieren; selbst dort, wo es leicht wäre, werden sie ignoriert. Oben hatte ich ja schon Beispiele genannt: Statt das neutrale „Publikum“ wird im DLF ständig das aufdringliche „Zuschauer*innen“ verwendet, statt „Gästen“ stets „Besucher*innen“.

    Warum ist das so? Zwei Gründe fallen mir ein: Indifferenz gegenüber Sprache (was ich bei Radioleuten* traurig fände) und politisches Sendungsbewusstsein – denn, wie Sie ja selbst schreiben: Bei „Wer Rad fährt, …“ fällt das Gendern nicht auf, das ist normales Deutsch.

    Dann merkt aber auch keiner, dass hier nicht einfach gesprochen wird, sondern politisch bewusst gesprochen wird. Und damit geht die ganze Botschaft flöten. Also: Radfahrer*innen“ – was, wie ebenfalls schon erwähnt, wegen des „r“ am Ende des Wortstamms wie ein Würgelaut klingt…

    * Sie merken, auch ich kann subtil gendern.

  147. Ideologen sind immer die anderen, cancel-culture kann auch NUR von links kommen, sonst hiesse es ja gerechter Volkszorn und nur Linke wollen alles verbieten. Bei Rechten heisst es dann „ausmerzen“?

    Wahnsinn! Im wahren Sinne des Worts: Wahnsinn.

  148. „Na, dann sollte es ja auch im Interesse von uns Männern sein, alles zu tun, um solche Ungleichbehandlungen zu reduzieren und irgendwann z.B. vielleicht die gleiche Lebenserwartung wie Frauen zu haben, oder?“ Ja, aber dann lege ich erstmal Wert auf die Feststellung, dass solche Vorschriften für die Interessen von Frauen gemacht wurden, nicht für die von Männern.

    Zweitens, sollte man die Traglast von Frauen erhöhen, die von Männern senken oder einen Mittelwert wählen?

    Drittens:
    „Mönche im Kloster haben wohl die gleiche Lebenserwartung wie Frauen.“
    Ich wiederhole mich: Achwas. Würde sich demnach die Lebenserwartung von Frauen also senken, wenn mehr Frauen in gefährlichen Berufen fänden, was sich irgendwie mit #heforshe bisse?

    „Und könnte es nicht ein winziger Mosaikstein dieser Veränderung sein, wenn wir ein Bisschen an sprachlichen Bildern und den darin konservierten Geschlechterrollen kratzen und z.B. Handwerker*innen sagen?“
    Nochmal: ich halte es für wichtiger, die absoluten Unfallzahlen zu reduzieren, anstatt sie einfach gleichmäßiger auf beide Geschlechter zu verteilen. Weiterhin, wenn ich eine Tochter hätte und sie für die Arbeit als Zimmerin begeistern wollte, erzähle ich ihr die Geschichte, wie ihre Oma mit Uropa richten war, in 6 Metern Höhe, ohne Gerüste. Es ist aber nicht meine Aufgabe, die Töchter anderer Leute für gefährliche Berufe zu erziehen, und es nicht Aufgabe meiner Sprache, das zu tun, und wenn, soll ich dann „Zimmerinnen und Zimmermänner“ sagen?

    Viertens, wenn ein Mädchen nur deshalb nicht Zimmerin wird, weil es nur die nicht ausreichend genderneutrale Formulierung „Zimmerleute“ kennt und nie weibliche Zimmerleute gesehen hat, ist es vllt. auch etwas sehr leicht zu beeinflussen. Ist nicht meine Schuld.

    Fünftens „uns Männer“? Seit wann sind „wir“ eine Solidargemeinschaft? Aber wenn wir es sind, ich arbeite nicht nur für Gleichberechtigung, sondern für Ergebnisgleichheit, was den Gender Death Gap betrifft (und bei aller Bescheidenheit, es ist besser als zu der Zeit, als ich anfing), aber Sie und andere Männer – die neuerdings meine Solidargemeinschaft sind, was ich als durchschaubaren Vorwand betrachte, dass ich Ihnen plötzlich helfen soll – erzählen mir jetzt davon, dass Wörter natürlich auch wichtig seien. Ein winziges Mosaiksteinchen, wofür? Gibt’s dafür auch Globuli?

    Die richtig polemischen Zeilen habe ich wieder gelöscht.

  149. @162
    „Wahnsinn! Im wahren Sinne des Worts: Wahnsinn.“

    DAS ist dann mal tatsächlich ein „Psychologismus“ :D :D :D

  150. @163:
    Och wissen Sie, das mit dem „wir Männer“ war bloß ein Bisschen Rangewanze. Der Versuch, zwischen all dem polemischen Rumgepupe vielleicht nen gemeinsamen Nenner zu finden. Aber muss ja auch nicht. Zumal geschlechtsspezifische Solidargemeinschaften bei diesem Thema wohl auch eher Problem als Lösung sind.

    „Viertens, wenn ein Mädchen nur deshalb nicht Zimmerin wird, weil es nur die nicht ausreichend genderneutrale Formulierung „Zimmerleute“ kennt und nie weibliche Zimmerleute gesehen hat, ist es vllt. auch etwas sehr leicht zu beeinflussen. Ist nicht meine Schuld.“

    Ist das noch Überspitzung oder schon Strohmann? Und wem hilft das?
    Und wenn Ihnen so an der Reduktion von Unfallzahlen gelegen ist: was hielten Sie davon, wenn man versuchen würde, z.B. die erhöhte Suizidrate bei homo-und transsexuellen Jugendlichen zu reduzieren, indem man hin und wieder sprachlich deutlich macht, dass sie ausdrücklich mitgemeint sind? Vielleicht bringt das wenig bis nichts aber es kostet halt auch nix. Und wer das nicht möchte, lässt es halt.
    Und wer zwischen all der Sprachverhunzung z.B. durch Werbe- und Politiker*innensprech ausgerechnet gegen Gendersternchen zu Felde zieht, wie Herr Krämer… naja, das erinnert mich immer ein wenig an diese schöne Studie, wo man mit Fragebögen und Elektroden am Penis zeigen konnte, dass homophobe Einstellungen stark mit der sexuellen Erregbarkeit durch Schwulenpornos korrelieren.
    Ja, ich weiß, das war jetzt kein schöner Stil. Aber anders als durch Projektion kann ich mir das echt nicht erklären.

  151. @ Wonko:

    Die Formulierung, dass die taz „heimlich“ in manchen Bereichen zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt ist, war schlecht formuliert. Sollte „still und leise“ heißen. Im Sinne von: Man tut es, redet aber nicht darüber, dass man es tut. Wie Frank Reichelt das schreibt.

    (auch @ Frank Reichelt:)

    Ich weiß nicht mehr genau, wo ich das mit der taz her habe. Es ist nach meiner Erinnerung ein seriöser Text, aber ich habe es nicht nachgeprüft. Deshalb schrieb ich auch „dem Vernehmen nach“.

    @ Frank Reichelt:

    „…gefürchtete Fassaufmacher LLL…“

    Ich bin doch in letzter Zeit – wenn nicht überhaupt – erst auf Züge aufgesprungen, die schon lange am Rollen waren…

    @ Gastbeitrag:

    Meine kleine Philippika war als eine allgemeine Anmerkung gedacht. Sie diente nicht dazu, inhaltliche Argumente von irgendwem zu diskreditieren. ( Ein solcher „Meinungsbeitrag“ wäre ja auch kaum geeignet, konkrete Argumente zu diskreditieren…) Es war eher ein Fazit; es ist schon lange meine Auffassung, dass es insbesondere bei den „Linken“ ziemlich viele Leute gibt, die es zwar gut meinen, aber dabei über jedes Stöckchen springen. Was mich vielleicht auch deshalb ärgert, weil ich mich selbst im Prinzip als „links“ verorten würde (auch wenn ich solche Schubladen problematisch finde) und die guten Motive ja nachvollziehen kann. (Mit etwas Googeln finden Sie beispielsweise meine Beiträge zum Thema „Islam“ oder „frühkindliche Sensibilisierung für nicht-heterosexuelle Lebensgemeinschaften“; Sie können dort meine „liberale“ bzw. „progressive“ bzw. „linke“ Gesinnung erkennen.)

    „Warum halten Sie sich so lange mit der Frage auf, WER die Argumente vorbringt […]“

    Ich habe doch nicht gesagt oder impliziert: ‚Es sind Progressive, die das Argument XY vorbringen, Progressive sind doof, also ist das Argument XY doof.‘ (Was ja auch dumm von mir wäre, weil ich ja wie gesagt eigentlich selbst „progressiv“ ticke.

    Zur problematischen Deutung von Studien:
    Erstens: Wenn jemand sieht, dass bestimmte Experimente sehr stark überinterpretiert werden, muss er das dann lange ausführen, um das anmerken zu dürfen? Vor allem, wenn es eine abstrakter Kritik ist? Zweitens: Ich habe mich zu von Ihnen genannten bzw. von MFD verlinkten Experiment (wenn auch kurz) geäußert. Drittens: Ich habe unter dem Artikel „Überlassen wir den schrillen Ton den Aktivisten“ ein Experiment bzw. seine Interpretation durch Stefanowitsch kritisiert (Kommentare 70 und 73 nach derzeitiger Zählung), und zwar relativ ausführlich.

    „Ja, auch ich kann Parallelen zwischen Rechtschreibreform und Gendergerechter Sprache erkennen, z.B. dass beides aus sozialreformatorischen Bewegungen heraus stattfindet. Aber wo soll das auch sonst herkommen?“

    Ja, und genau das verdeutlicht meinen Punkt: Das Gegenteil von „gut“ ist nur zu oft „gut gemeint“.

    „…nämlich warum in negativen Kontexten oft auf gendergerechte Sprache verzichtet wird (DiebInnen/Dieb*innen/Dieb:innen wasauchimmer).“

    Wenn es tatsächlich stimmen sollte, dass das generische Maskulinum mehr auf Männer als auf Frauen bezogen wird, und wenn es dann aber nur im negativen Zusammenhang gebraucht wird, während in neutralen und positiven Zusammenhängen gegendert wird, dann würde dies dazu führen, dass einseitig Männer mit Negativem in Verbindung gebracht werden. Es gibt aber auch Lügnerinnen, nicht nur Lügner. Ich erinnere mich übrigens an ein Interview mit einer Befürworterin des gendergerechten Sprechens, die die Inkonsequenz eingeräumt und sich der Position angeschlossen hat, dass man dann schon konsequent gendern sollte.

    Allgemein:

    Mit dem Zwang ist das halt so eine Sache. Selbst wenn z.B. Studenten nicht formal verpflichtet sind, ist es so eine Frage, ob man sich traut oder negative Konsequenzen befürchtet, wenn man sich dem Gendern verweigert, sofern das der absolute Usus ist.

    (A propos: Ich habe absichtlich nicht „Studierende“ geschrieben; denn Studierende hebt auf die aktuelle Tätigkeit ab. Deshalb klingen Sätze wie „Siehst Du die Fußball spielenden Studierenden dort?“ oder „Wie betrauern die toten Studierenden“ auch merkwürdig. Wer sich im aktuell Zustand des Studierens befindet, befindet sich meist nicht aktuell in dem des Fußballspielens oder des Totseins.
    Man kann halt nicht immer alles so einfach ersetzen: Ein Singender ist nicht unbedingt ein Sänger, eine Tanzende nicht unbedingt eine Tänzerin, und vice versa auch nicht. Und auch Lösungen wie „Diejenigen, die studieren“ bzw. „diejenigen, die professionell oder berufmäßig singen“ bzw. „diejenigen, die professionell oder berufsmäßig tanzen“ taugen als Ersatz nur bedingt.)

    Heute war ich in einer fremden Stadt und musste den Bus nehmen. Ich wusste nicht, ob ich beim Busfahrer direkt bezahlen kann, und deshalb habe ich das zwei junge Frauen gefragt. Ich habe mir für einen Moment ernsthaft überlegt, ob ich frage: „Kann man beim Busfahrer oder der Busfahrerin bezahlen?“
    Aber ich dachte, dann kommen sich die Frauen veralbert vor und habe es gelassen. Die Idee zu fragen, ob man „bei der Busfahrer [Pause] In bezahlen, habe ich nicht einmal erwogen.

    Klar: Es kann sein, dass sich das alles noch grundlegend ändert und dass völlig normal wird, was heute im normalen Leben noch kein Mensch sagen würde. Aber angesichts der natürlichen Sprachentwicklung (Tendenz generell zum Einfacheren und Kürzeren) und der bisherigen Erfahrung mit dem Gendern würde ich folgende Prognose wagen:

    – Bei offiziellen Anlässen wird es vermutlich zu einer Zunahme von Gendern kommen.
    – Bei „offiziösen“ Texten ebenfalls.
    – Die meisten Zeitungen werden weiterhin höchstens minimal und inkonsequent gendern.
    – Die meisten Sachbücher ebenso.
    – In der Belletristik wird das Gendern nie eine größere Rolle spielen.
    – In der gesprochenen Alltagssprache auch nicht.

    Es besteht somit (falls ich Recht habe) die Gefahr, dass das Gendern eine akademische Kunst-Prosa für spezielle Anlässe wird. *
    Ob das im Sinne des Erfinders resp. der Erfinderin wäre oder irgendwie „hilfreich“ wäre, wäre dann die Frage. Die Zukunft wird zeigen, ob meine Prophezeiung sich erfüllen wird.

    ( * Zitat Gastbeitrag: „Es ging also [bei der Rechtschreibreform der Intention nach] um ein Projekt, die Sprache barrierefreier zu machen, damit auch die ‚unteren Schichten‘ gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können“.
    Während die Gendersprache gerade die unteren Bildungsschichten noch mehr ins Abseits drängen dürfte – vor allem wenn es ums „elegante“ Gendern mit komplexen Partial- und Passivkonstruktionen oder „einfallsreiche Umschreibungen“ geht.)

  152. Eine Nebenbemerkung noch: Ausdrücke wie „gendergerechte Sprache“ oder „geschlechtergerechte Sprache“ suggerieren, dass es sich hier um ein gerechtes Projekt handele, was wiederum implizieren würde, dass Ablehnung ungerecht wäre.

    Nun wollen die meisten Menschen gerecht sein (oder jedenfalls vor anderen und meist auch vor sich selbst als gerecht gelten).
    Trotzdem gibt es genügend Leute, die gegenderte Sprache ablehnen – es ist die Mehrheit der Leute und die Mehrheit der Frauen. Und auch Kritiker (m/w/d) benutzen den Terminus „gendergerechte Sprache“, und zwar manchmal auch ohne Anführungszeichen oder ein „sog.“ davor.

    Das zeigt zumindest, dass Sprache eben doch nicht immer so einfach und direkt das Denken entscheidend prägt, nicht einmal immer dann, wenn sie hochgradig suggestiv ist.

  153. Nochmal zur berühmten Frage, ob sich alle angesprochen und mitgemeint fühlen – und als Ergänzung zu meinem letzten Kommentar:

    Wenn ein Nachrichtensprecher sagt, alle 160 Passagiere seien gestorben, geht es nicht darum, dass sich alle Nachrichten-Zuschauer mitgemeint fühlen. Wenn der Sprecher ergänzt, darunter seien 87 Frauen und Kinder gewesen, will er nicht, dass sich nun insbesondere die Frauen und Kinder angesprochen fühlen.

    Es geht hier überhaupt nicht darum, dass sich Leute gemeint oder inkludiert fühlen. Das ist nicht der Sinn eines Textes.

    Allenfalls geht es den Gerechtigkeitsfanatikern darum, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass eine genannte Gruppe nicht nur aus Männern, sondern auch aus Frauen bestehen kann. Es geht um einen Hinweis (!), es geht in solchen Fällen nie um Höflichkeit, Inklusion, Mitmeinen oder Ansprechen. Es geht, wenn überhaupt, um Repräsentation.

    Man könnte genauso gut an jede Personenbezeichnung ein „wmd“ anhängen, sprich: we-em-de. Das wäre sogar leichter zu lernen und hätte genau den gleichen Nerveffekt, der ja so erwünscht ist. Man könnte sich ungewohnte Laute wie das silbische r in jede:r sparen, man würde nicht versehentlich von Mitglieder:innen sprechen und es würde auch klarer erkennbar, wie schwachsinnig das ganze ist. Win win.

    Zur direkten Anrede. Wenn am Institutseingang steht: Liebe Erstsemester! Nach der Einführungsvorlesung gibt’s Kaffee und Kuchen vor der Bibliothek – dann rätseln gewiss auch die männlichen Studenten stundenlang, ob auch Frauen mitgemeint, denn was anderes als Frauen haben die eh nicht im Kopf.

    Es geht beim Gendern niemals ums Mitgemeint-Sein. Es geht immer nur um Repräsentation. Repräsentation ist das A und O der intersektionalen Theorie.

    Aber mal von der Theorie zum echten Leben: Was sagen denn die hier Anwesenden zu folgenden Aussagen?

    Aus dem Schreiben von Bellut:
    „funk“ richtet sich an Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren. Für dieses jüngere Publikum ist das „Gendern“ in diesem umfassenden Sinn bereits Alltag.

    Brief Meyer-Lauber, Vorsitzender des WDR-Rundfunkrats:
    Allerdings wolle der WDR prüfen, ob dies auch für Sendungen, die sich explizit an die jüngere Zielgruppe richteten, gelten solle. Denn unter jungen Menschen ist die Berücksichtigung aller Geschlechter auch in der gesprochenen Sprache durchaus üblich.

    Die jüngeren Leute gendern? Habe ich da was nicht mitbekommen?

  154. @Orangutanklaus #166

    Und wenn Ihnen so an der Reduktion von Unfallzahlen gelegen ist: was hielten Sie davon, wenn man versuchen würde, z.B. die erhöhte Suizidrate bei homo-und transsexuellen Jugendlichen zu reduzieren, indem man hin und wieder sprachlich deutlich macht, dass sie ausdrücklich mitgemeint sind?

    · Warum sollten homo- und bisexuelle Menschen nicht bei der weiblichen oder männlichen Form mitgemeint sein, wenn sie sich als weiblich oder männlich identifizieren?
    · Wie sollte die Psyche von Menschen, die sich nicht binär mit einem Geschlecht identifizieren, davon profitieren, dass unterstellt wird, sie seien ab sofort nur noch mitgemeint, wenn man mit Sonderzeichen gendert?
    · Glauben Sie nicht, dass diejenigen, die solche Menschen diskriminieren wollen, sehr gut negative Sprache finden, die eindeutig klarmacht, dass und wie sie mitgemeint sind? Gibt es in den Kommentarbereichen der Zeitungen nicht ausreichend Beispiele, wie man den Spott über die Genderschreibung auf die Mitgemeinten ausweiten kann?

    Vielleicht bringt das wenig bis nichts aber es kostet halt auch nix. Und wer das nicht möchte, lässt es halt.

    Nur, dass das so nicht stimmt. Symbolpolitik kostet immer etwas und ist ein Verlust für diejenigen, denen etwas an der Veränderung der tatsächlichen Zustände liegt, durch Imageschaden, Bias, Aufmerksamtkeitsverlust, Immobilisierung von Anhängern, Verlust von Fördergeldern etc. pp. Man könnte versucht sein zu fragen:

    Ist das noch Überspitzung oder schon Strohmann? Und wem hilft das?

    @LLL #167

    Wenn man es so genau nehmen wollte, dass müsste man wohl zum ‚Studiosus‘ zurückkehren, denn ‚Student‘ ist ja schon Gerundium.

  155. @ VonFernSeher:

    Ich dachte Student kommt von „studens“, also einem Partizip?
    Aber es kommt für ein deutsches Wort ja nicht darauf an, welche Natur das lateinische Wort hat, von dem es sich herleitet, sondern was es selbst im Deutschen darstellt.
    Und man mag vielleicht noch „Studierende“ sagen, auch wenn damit dann schon die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt werden, da die Möglichkeit der Partizipienbildung beschnitten wird („schwimmende Studierende“ klingt merkwürdig, anders als „schwimmende Studenten“).
    Aber Sie haben dann viele Fälle, wo es dann ganz offensichtlich nicht mehr geht. Sie können Musiker aus Gender-Gründen nicht in „Musizierende“ umwandeln; beileibe nicht jeder Musizierende (also jede Person, die zu einem gegebenen Zeitpunkt musiziert), ist ein Musiker (und auch nicht jeder Musiker ist ein Musizierender); und nicht jede Hausfrau, die einen Kuchen backt, ist eine Bäckerin, und nicht jede Bäckerin immer eine Backende usw.

    @ MFD:

    „Dazu muss das Geschlecht nicht zwingend sichtbar oder hörbar werden. Wie weiter oben schon mal geschrieben, merkt man gut gegenderten Texten nicht an, dass sie gegendert wurden.

    ‚Wer Rad fährt, sollte einen Helm tragen‘ ist sicherlich die elegantere Lösung als ‚Radfahrer*innen sollten Helm tragen‘.“

    Da st0ßen Sie aber auch an Grenzen. Nehmen Sie den Satz „Viele Bürgermeister beklagen sich über das neue Gesetz“. Was soll man daraus machen? „Viele Personen, die das Bürgermeisteramt bekleiden, beklagen sich…“ klingt nicht toll. Abgesehen davon steckt im „Bürgermeisteramt“ immer noch das generische Maskulinum, und zwar doppelt (in „Bürger“ und „Meister“). Und selbst in der „Bürgermeisterin“ steckt es noch; es ist nur von „Bürgern“ die Rede, nicht von Bürgerinnen. Ähnlich heißt es „Ärztekongress“, auch wenn Ärztinnen in großer Zahl teilnehmen, „Meisterprüfung“, „Anwaltskanzlei“, „Lehrerzimmer“, „Schülerzeitung“ usw. usf. Das generische Maskulinum ist in der einen oder anderen Form allgegenwärtig.

    Nehmen Sie Ihr Beispiel „Wer Rad fährt…“.
    Auch das „wer“ ist mit dem generischen Maskulinum verbunden. „Wer hat hier seinen Müll liegen lassen?“, fragen Sie, wenn Sie kein Geschlecht implizieren wollen. Fragen Sie „Wer hat hier ihren Müll liegen lassen“, dann sagen Sie damit, dass es eine Frau oder ein Mädchen gewesen sein muss.
    Oder denken Sie an „wer hat, dem wird gegeben werden“ und vergleichbare Beispiele. Immer das Maskulinum. Sie können natürlich auch sagen „wer hat, der wird gegeben werden“, aber dann ist das nicht mehr elegant unauffällig, denn es läuft Sprachgebrauch zuwider.

    Und das generische Maskulinum „schleicht“ sich dann übrigens nicht selten unbemerkt zurück, nachdem es entfernt wurde. Wenn etwa gendergerechte Partialkonstruktionen im Singular aufgeführt werden, passiert dies fast immer im generischen Maskulinum (aus „jeder Student“ wird dann „jeder Studierende“).

    Das generische Maskulinum leitet sich schon von der indogermanischen Ursprache her und hatte erst einmal rein gar nichts mit Diskriminierung zu tun. Vielmehr bezeichnete das grammatische „Maskulinum“ dort nicht etwa das männliche (biologische) Geschlecht, sondern vor allem Lebendiges (beiderlei Geschlechts).

    Nun gut, heutzutage ist das grammatische Maskulinum (das generisch verwendet werden kann) mit dem männlichen und nicht mit dem weiblichen Geschlecht verbunden. Das mag man als störend empfinden oder nicht. Wären Männer traditionell diskriminiert worden, würde man es wahrscheinlich umgekehrt sehen und sagen, dass die Frauen eine exklusive grammatische Form haben, während Männer die ihre mit Frauen teilen müssen…

    Ich habe dennoch Verständnis, wenn jemand das generische Maskulinum nicht mag. Nur sollte man bedenken, dass das generische Maskulinum tief in der Sprache verankert und auch wichtige Funktionen erfüllt. Die Linguistik-Professorin Heide Wegener hat daher einem von ihr verfassten Buchkapitel folgende Überschrift verliehen: „Grenzen gegenderter Sprache – warum das generische Maskulinum fortbestehen wird, allgemein und insbesondere im Deutschen.“
    Es sollte einem also wenigstens bewusst sein, dass das ganze Projekt, das generische Maskulinum aus der Sprache verbannen zu wollen und durch „gendergerechtes Sprechen“ zu ersetzen alles andere als eine Trivialität oder völlig unproblematisch ist.

    Es bleibt Ihnen natürlich überlassen, das alles vollkommen anders zu sehen und zu glauben, das generische Maskulinum werde sich völlig problemlos binnen weniger Jahre komplett aus der deutschen Sprache eliminieren lassen. Aber vielleicht sollten Sie es sich im Umgang mit Einwänden und kritischen Argumenten nicht zu einfach machen – soll heißen: Vielleicht sollten Sie sich mit solchen Einwände und Argumenten erst einmal sorgfältig auseinandersetzen, bevor Sie im Ton größter Sicherheit meinungsstarke Thesen von sich geben. Aber auch das bleibt natürlich Ihnen überlassen…

  156. @LLL #70, schwer OT

    In der Wikipedia ist es tatsächlich als von ’studens‘ herkommend angegeben, ich hatte es in der Schule anders gelernt; es kommt bei der Konjunktion auf den gleichen Stamm raus. Das mittelhochdeutsche ’studente‘ spricht aber für Ihre Variante. Worauf ich jedoch hinaus wollte, ist davon ja nicht betroffen. Ob es nun die „Strebenden“ oder die, „die zu streben haben“, sind, ist dafür egal. Ein Passant ist ja auch der im Vorbeigehen begriffene, nur das der Umstand üblicherweise kürzer und häufiger eintritt. Bei den Stadtmusikanten scheint es mir z.B. eher wieder mit den Studenten übereinzustimmen. Interessanterweise sprachen die, die in ihren Anreden auf den Status Bezug nahmen (Rektoren, Bildungspolitiker,…), ja fast nie von ’studiosi‘, sondern haben die ‚Studentinnen und Studenten‘ durch ‚Studierende‘ ausgetauscht.
    Ich glaube, dass da insgesamt mehr Gewohnheit als Logik hinter solchen Änderungen zu finden ist.

  157. Genderkonforme Sprache wird sich durchsetzen. Absolut! Nicht weil (tragen Sie bitte die Elite Ihrer Wahl ein) das wünscht, sondern weil Sprache einmal mehr einem gesellschaftlichen Umbruch folgt. Das Internet hat Gesellschaft, Kommunikation und Sprache ebenfalls massiv verändert und verändert sie immer weiter. Ich mag das! Deutsch ist so lebendig.

  158. #LLL

    Mit ein bisschen Gehirnschmalz wird der »Bürgermeister« zum Stadtoberhaupt und der »Bürgersteig« zum Gehweg.

  159. Das Problem sind und bleiben die Pronomen und Artikel. Da hilft auch Frey-Dodillets Gehirnschmalz nichts.

    Die Behauptung, dass sich die deutsche Sprache bezüglich Movierung/Genus ändere, ist falsch. Es hat sich lediglich ein Soziolekt einer bestimmten Gesellschaftsschicht gebildelt, und das auch nur sehr instabil, sehr vereinzelt, mit Irrungen und Wirrungen und voller Unsicherheit.

  160. @ 31, 46 KRITISCHER KRITIKER

    „Oder „Behinderte“: Wird man ganz böse angeguckt, wenn man das sagt. Aber warum? Das Wort transportiert wunderbar den Doppelcharakter einer Behinderung“

    „‚Menschen mit Behinderung‘ macht die Behinderung sprachlich allein zur Eigenschaft der Person.“

    „weil ich für eine Pressemitteilung den Kompromiss „behinderte Menschen“ gewählt habe. Warum das schlimm sei, konnte mir niemand erklären“

    Interessant, wie Sie sich hier einerseits mit Vehemenz für eine „gerechtere“ Sprache einsetzen, andererseits jedoch verkünden, „Behinderte“ wäre schon in Ordnung, weil das nach Ihrer eigenen Meinung die Eigenschaft der Person gut beschreibt.

    Wer von „Behinderten“ spricht reduziert diese Menschen nur auf diese Eigenschaft, diese ist aber im Gegensatz z.B. zu einem Beruf nicht selbst gewählt. Zuallererst ist man ein Mensch (der eben eine Behinderung hat). Der Wunsch nach dieser Bezeichnung kommt übrigens von betroffenen Interessengruppen und ist daher legitim – egal wie Sie persönlich dazu stehen. Falls Sie es interessiert, z.B. hier können Sie sich zu den Themen dieser Menschen informieren: http://www.menschzuerst.de

  161. @ VonFernseher:

    „Ein Passant ist ja auch der im Vorbeigehen begriffene…“

    Ja, aber dass ein Wort im Lateinischen ein Partipzip oder Gerundium oder was immer ist, heißt ja nicht, dass die eingedeutschte Form das auch sein müsste. Wir sprechen ja nicht ohne Grund von „Passanten“ und nicht von Passierenden.
    Worauf ich hinaus will: In einigen Fällen mag es noch (einigermaßen) funktionieren, mithilfe von Partizipien zu gendern, in vielen anderen aber nicht. (Verkäufer – Verkaufende, Täter – Tuende bzw. Getan Habende, Anwohner – Anwohende, Unternehmer – Unternehmende usw.)

    @ MFD:

    Nehmen Sie folgendes Beispiel:

    „Angela Merkel hat lange gezögert. Vielleicht zu lange. Das mag sich nun rächen. Denn wir wissen ja: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

    Ergibt das Sinn (sprachlich meine ich)? Oder haben Sie beim ersten Satz (generisches Maskulinum mit „wer“, „den“) speziell an Jungen und Männer gedacht und waren dann höchst irritiert, dass jemand das auf eine Frau bezogen hat?
    Sie können es natürlich komplizierter ausdrücken: „Diejenigen, die zu spät kommen, werden vom Leben bestraft“ (und die Original-Fassung war auch komplizierter). Aber wie viel prägnanter und eingängiger ist die übliche Formulierung!

    Oder nehmen Sie einen Satz: „Wir müssen jemanden fragen, der sich auskennt.“ Ja, da finden sich dann auch „Lösungen“: „Wir müssen eine Person fragen, die sich auskennt“. „Wir müssen jemanden mit entsprechenden Kenntnissen fragen. “ Alles kompliziert, alles nicht elegant, alles nicht alltagstauglich.

    Ja, man findet immer Lösungen: Die Ärztekammer wird vielleicht zur Kammer der medizinisch Tätigen, die Anwaltskanzlei zu Kanzlei der anwaltlich Tätigen (wobei da auch schon wieder „Anwalt“ drin steckt), die Schülerzeitung zur Zeitung derer, die die Schule besuchen, die Handweker-Innung zur „Innung der Handwerk-Treibenden“, das Bauernbrot zum Landwirtschafts-Brot, der Bauernaufstand zum Aufstand der in der Landwirtschaft Tätigen usw. Und aus dem Handwerker selbst wird „ein Handwerk-Treibender“, aus den Bauarbeitern werden „Bauarbeiten Verrichtende“, der Metzger wird eine „Fleichwaren verkaufende Fachperson“ usw.

    Ja, so macht Sprache Spaß. Und ja, vielleicht fällt dem einen oder anderen mit genug Geduld im Einzelfall noch ein besseres Beispiel ein. Aber das ändert ja nichts am grundsätzlichen Problem.

    „…wird der ‚Bürgermeister‘ zum Stadtoberhaupt…“

    Ja, das geht. Es gibt keine männliche und weibliche Form von Staatsoberhaupt. Und der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin (von MinisteINNENpräsidentinnen redet man ja nicht) wird dann zum Landesoberhaupt. Und für Minister und Bundeskanzler, Polizisten und Soldaten, Sanitäter und Bestatter, Bäcker und Techniker, Angler Künstler und Piloten und unendlich viel mehr werden sich mit genügend Geduld auch geschlechtsneutrale Bezeichnungen finden lassen.

    Und wenn man die Sprache so schön und gründlich verändert hat (bis sie eine andere geworden ist), dann endlich werden Frauen nicht mehr diskriminiert!
    Und hoffentlich auch Mädchen nicht mehr. Denn die werden oft gar nicht explizit erwähnt. Die bleiben „sprachlich unsichtbar“.
    Zwar sind Ingenieurinnen erwachsene Frauen, aber eine Fußgängerin zum Beispiel kann auch Mädchen von sieben Jahren (das man beim besten Willen noch nicht als „Frau“ bezeichnen kann). Trotzdem heißt es beispielsweise oft, dass man „Frauen“ im Straßenverkehr sichtbarer werden lassen, während die „Mädchen“ unter den Tisch gefallen lassen werden.
    Nun ja, die Mädchen sind aber vermutlich „mitgemeint“. So wie ja auch bei den Toiletten, wo oft auch nur „Damen“ und „Herren“ und nicht „Mädchen“ bzw. „Jungen“ steht.
    Wobei ich behaupten würde, dass Frauen und Mädchen sowie Personen, die weder eine männliche noch eine weibliche geschlechtliche Identität haben, leichter durch das generische Maskulinum erfasst werden, als dass Mädchen im generisch gebrauchten „Frauen“ aufgehen würden. Schließlich verwenden wir das generische Maskulinum viel häufiger, als dass wir „Frau“ als altersunabhängiges „Generikum“ für alle weiblichen Personen benutzen.

    Wobei es vielleicht eh einfacher und auch effektiver wäre, statt das Gendern voranzutreiben, das Deutsche gleich durch eine genuslose Sprache zu ersetzen, z.B. durch das Türkische. Also durch die Hauptsprache der Türkei. Oder durch das Persische. Also die Hauptsprache des Iran.

    Und wenn wir also so die Benachteiligung der Frauen und der oft nicht genannten, aber sicherlich stets mitgemeinten Mädchen beseitigt haben, sollten wir, falls wir das Deutsche doch behalten sollten, als nächstes dann alle Spuren des Martialischen aus der Sprache tilgen, von denen es ja auch viele gibt (z.B. eine Lanze brechen, etwas im Schilde führen, aus dem Stegreif, das Heft in der Hand haben, sich wappnen, etwas aufs Korn nehmen, mit offenem Visier kämpfen). Dann werden wir dem Weltfrieden sicher ein großes Stück näher gekommen sein.

    Die hier angedeuteten Probleme mit dem Gendern sind übrigens keineswegs vollständig; es gibt noch viele weitere Schwierigkeiten. Und man sollte sich auch mögliche unbeabsichtigte Effekte überlegen. Nehmen wir einmal an, es gelänge, das Sprachverständnis so zu verändern, dass das generische Maskulinum künftig deutlich weniger als generisch und deutlich stärker als spezifisch männlich wahrgenommen wird. Gleichzeitig aber, so nehmen wir an, gelänge nicht, das generische Maskulinum aus der die Alltagssprache zu eliminieren oder stark an den Rand zu drängen.

    Was dann? Dann hätte man womöglich genau das Gegenteil dessen erreicht, was man erreichen wollte.

    Kritische Fragen und Probleme sollten wenigstens ernsthaft bedacht und (auch im öffentlichen Diskurs) verhandelt worden sein, bevor man das Gendern immer weiter ausdehnt. Damit wäre mehr gewonnen als mit der Behauptung, dass jede Kritik am Gendern ausschließlich auf unterstellte psychische und charakterliche Unzulänglichkeiten der Kritiker zurückzuführen sei, oder auf deren Hautfarbe.

  162. @ Frank Reichelt:

    „Nicht jeder Bürgermeister ist ein Stadtoberhaupt, der Teufel bleibt im Detail stecken.“

    Stimmt, habe Ihren Beitrag zu spät gesehen.

  163. „Och wissen Sie, das mit dem „wir Männer“ war bloß ein Bisschen Rangewanze.“ Nicht nur ein bisschen.
    „Der Versuch, zwischen all dem polemischen Rumgepupe vielleicht nen gemeinsamen Nenner zu finden. …“ Also, anstatt sich mit meiner Position auseinanderzusetzen, appellieren sie an ein Männlichkeitsbild, welches Sie selbst nicht teilen, aber mir unterstellen? Empathiemangel bei Männern ist nur ein Rollenbild, Sie können doch auch anders sein.

    „Ist das noch Überspitzung oder schon Strohmann?“ Weder noch. Das Aufbrechen von geschlechterspezifischen Stereotypen und Rollenklischees wird regelmäßig als Argument für Gendersprache und gegen generisches Maskulinum genannt, insbesondere in Hinblick auf Berufe. Ich beziehe mich also auf das, was man mir sagt. Nebenbei wäre das DAS Argument, was ich noch am ehsten teile, ich habe nur große Zweifel bzgl. der Wirksamkeit.

    „Und wenn Ihnen so an der Reduktion von Unfallzahlen gelegen ist:“
    Eigentlich muss ich mich nicht dafür rechtfertigen, sondern die denen nicht daran gelegen ist.
    „was hielten Sie davon, wenn man versuchen würde, z.B. die erhöhte Suizidrate bei homo-und transsexuellen Jugendlichen zu reduzieren, indem man hin und wieder sprachlich deutlich macht, dass sie ausdrücklich mitgemeint sind?“ Da das typische Selbstmordopfer in D. männlich und Ende 50 ist, hielte ich es für extrem zynisch und verächtlich, Suizidprävention als Argument für Gendersternchen zu verkaufen. Dann doch lieber das Aufbrechen von berufsspezifischen Geschlechterklischees.

    „Ja, ich weiß, das war jetzt kein schöner Stil. Aber anders als durch Projektion kann ich mir das echt nicht erklären.“ Was projezieren Sie denn?

  164. Meine Fragen zum Satz „Wer zuerst kommt…“ sind natürlich missglückt; ursprünglich wollte ich die Passage so schreiben, dass das an erster Stelle kommt. Korrigiert müsste es etwa so heißen:

    „Angela Merkel hat lange gezögert. Vielleicht zu lange. Das mag sich nun rächen. Denn wir wissen ja: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

    Ergibt das Sinn (sprachlich meine ich)? Oder haben Sie beim letzten Satz (generisches Maskulinum mit „wer“, „den“) speziell an Jungen und Männer gedacht und waren also höchst irritiert, dass jemand so etwas im Zusammenhang mit einer Frau schreibt?

  165. @Error #177

    1. Tja, Adjektive stellen auf ein bestimmtes Merkmal eines Substantivs ab, dafür sind sie da. Wenn ich von roten Äpfeln spreche, dann reduziere ich nicht die Äpfel nicht auf das Rotsein – sie sind immer noch mehlig oder fest, süßer oder saurer – sondern ich reduziere die Information über sie, weil die anderen Aspekte für meine Unterscheidung nicht wesentlich sind. Senioren, Kinder, Rothaarige oder CoViD-Kranke mögen sich alle dieses Merkmal nicht ausgesucht und noch ganz viele tolle oder furchtbare Eigenschaften haben: Es ist für die Unterscheidung nicht von Belang. Das ist kein Problem, sondern der fundamentale Nutzen von Adjektiven, der zum Gelingen von Kommunikation beiträgt. Wer meint, dass alle, die nicht „Menschen mit Behinderung“ sagen, Behinderte auf ihre Behinderung reduzieren, der bewegt sich in der Kommunikation nicht auf der Sachebene, sondern auf einer Metaebene, die nichts über die Behinderten, sondern etwas über den Sender aussagen soll: Hört her, ich benehme mich anders (besser).
    2. Das Adjektiv kann hier deshalb substantiviert werden, weil jedem klar ist, dass es sich um Menschen handeln muss. Wenn Tiere oder humanoide Roboter irgendwann allgegenwärtige Mitglieder der deutschen Sprachgemeinschaft und die Barrieren zu ihrer Teilhabe im Zusammenleben als Behinderungen anerkannt sein werden, wäre es an der Zeit, das zu ändern.
    3. Wenn mit 1,2 folgt, dass Behinderte ≙ behinderte Menschen ≙ Menschen mit Behinderung, sieht das mit dem Vorwurf der Diskriminierung meiner Meinung nach nicht mehr so gut aus.
    4. Bliebe noch der von der Substantivierung unabhängige Vorwurf, man würde behinderten Menschen mit dem Adjektiv die Verantwortung für ihre Behinderung zuteilen. Mal abgesehen davon, dass ich das Konzept der Verantwortung hier für nur begrenzt hilfreich halte*, leuchtet es mir auch sprachlich überhaupt nicht ein. Das Adjektiv kommt ja hier von einem Partizip Perfekt und dieses wird im Deutschen, wenn ohne Hilfsverb unterwegs, als Passivform aufgefasst. Ein behinderter Menschen wird oder ist also von etwas behindert; es ist also möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Verantwortung nicht bei ihm liegt. Beim Menschen mit Behinderung finde ich das viel unklarer, wo die Eigenschaft begründet liegt, vgl. mit Kurzhaarschnitt, mit sonnengegerbter Haut, mit einem Muttermal über der Oberlippe.

    *Ja, in der Politik sollte man unbedingt Menschen für Barrierefreiheit verantwortlich machen, aber Barrieren gibt es auch außerhalb von menschlich geschaffenen Zusammenhängen.

    @LLL #179

    Bei Passierenden musste ich zuerst an Menschen vor Küchengeräten denken, aber das ist ja mein Problem mit meinem Kopf. Vorbeigehende drückt aber doch relativ genau das Gleiche wie Passanten aus, oder?

    #171

    Dieser Kommentar hat mir nochmal deutlich gemacht, dass „Mitmeinen“ nicht nur die Objekte der Kommunikation, sondern natürlich auch die Empfänger betrifft. In manchen Bereichen müssen wir die möglichen Empfänger reduzieren, um die Botschaft nicht zu verfälschen, z.B. Fachpublikationen. Bei einer immer verkopfteren Alltagssprache tun wir das bei jenen, die auf einfaches Deutsch angewiesen sind, völlig ohne Not.

  166. @183

    Mir ist es eigentlich etwas zuwider, mich mit jemanden auseinanderzusetzen, der die Wünsche/Empfindungen von Menschen mit Behinderungen weder nachvollziehen noch akzeptieren kann. Deswegen nur ganz kurz:
    Danke, dass Sie sich so viel Mühe geben, zu erklären, warum Menschen mit Behinderungen es einfach zu akzeptieren haben, Behinderte genannt zu werden.
    Ich möchte vorschlagen, je nachdem was auf Sie zutrifft, zukünftig von Ihnen nur noch als der/die Dicken, Homosexuellen, Kurzbeinigen o.ä. zu sprechen. Es ist ja nur ein substantiviertes Adjektiv.

    P.S.:
    „Senioren, Kinder, Rothaarige oder CoViD-Kranke mögen sich alle dieses Merkmal nicht ausgesucht und noch ganz viele tolle oder furchtbare Eigenschaften haben: Es ist für die Unterscheidung nicht von Belang.“

    Es ist sehr wohl Belang (insbesondere aus der Perspektive der Betroffenen) all diese von Ihnen benannten Eigenschaften sind veränderbar (ich wüsste nicht, dass Menschen als Senioren geboren werden, auch rote Haare kann man färben), eine Behinderung leider nicht.

  167. @ VonFernseher:

    „Vorbeigehende drückt aber doch relativ genau das Gleiche wie Passanten aus, oder?“

    Ja, wobei man das ja eher mit einem Substantiv verbunden würde („Die vorbeigehenden Dorfbewohner taten, als hätten sie nichts gesehen“.) Die substantivierte Form („Vorbeigehende“, „Passierende“) klingt dagegen holprig und macht die Sprache sicher nicht schöner. Deshalb haben wir aus dem lateinischen Partizip (oder Gerundium?) eben kein Partizip gemacht, sondern es als Grundlage für ein gewöhnliches Substantiv benutzt (Passanten).
    Aber gut, im Prinzip ginge es natürlich hier mit „Vorbeigehende“). Es gibt Fälle, in denen es mit dem Gendern durch Partizipienbildung einigermaßen klappt, andere, in denen es sehr doof klingt und nicht wirklich taugt („Verkaufende“ als Ersatz für „Verkäufer“) und wieder andere, wo es beim besten Willen nicht geht („Tuende“ oder „Getan habende“ als Ersatz für „Täter“).

    @ Error:

    „Mir ist es eigentlich etwas zuwider, mich mit jemanden auseinanderzusetzen, der die Wünsche/Empfindungen von Menschen mit Behinderungen weder nachvollziehen noch akzeptieren kann.“

    Ohne mich da groß einmischen zu wollen: Woher wissen Sie denn was die Wünsche der „Menschen mit Behinderung“ sind? Wie die genannt werden wollen?

    Zumindest im Hinblick auf die Ersetzung des „N-Wortes“ durch „Schwarze“ sowie beim Gendern wurden resp. werden die Änderungen ja offenbar gegen die Präferenzen der deutlichen Mehrheit der Betroffenen forciert. Was man im Übrigen auch als paternalistisch empfinden könnte.

    Das ist auch etwas, was ich zu meiner kleinen Philippika über die Linken (zu denen ich mich im Prinzip ja selbst zähle), die jedem Stöckchen nachspringen, noch hinzufügen zu können: Nicht nur unterlässt man es, das Stöckchen etwas genauer zu untersuchen, um zu sehen, ob es wirklich etwas taugt, sondern man fragt die Betroffenen auch gar nicht, was sie sich selbst wünschen. Bzw. es ist einem einfach egal. Man ist die Avantgarde, die sich auf ihrem Weg nicht von den unverständigen Betroffenen ablenken lassen kann.

  168. @Error #184

    Danke, dass Sie sich so viel Mühe geben, zu erklären, warum Menschen mit Behinderungen es einfach zu akzeptieren haben, Behinderte genannt zu werden.

    Sie wollen also gar nicht argumentieren, sondern missverstehen. Das war leider zu erwarten.
    Mal abgesehen davon, dass wir alle mit allen möglchen Benennungen zu leben haben, solange diese nicht am Ort des Geschehens strafrechtlich relevant sind, war das ja gar nicht entscheidend für meine Ausführungen. Es ging ja darum zu zeigen, dass man durchaus begründet auch der Meinung sein kann, dass ‚Menschen mit Behinderung‘ eben gar nicht positiver ist als ‚Behinderte‘.
    Diese Möglichkeit haben Sie ganz klar ausgeschlossen und damit allen, die sich für letzteres entscheiden, einen Vorsatz zur Diskriminierung unterstellt; da lässt sich auch nicht dran rütteln.

    Ich möchte vorschlagen, je nachdem was auf Sie zutrifft, zukünftig von Ihnen nur noch als der/die Dicken, Homosexuellen, Kurzbeinigen o.ä. zu sprechen. Es ist ja nur ein substantiviertes Adjektiv.

    Auch das ist nur ein Strohmann. Ich habe ja nie dafür geworben, von Behinderten nur noch als solchen zu sprechen. Warum sollte man denn auf die Behinderung eines Menschen abstellen, wenn für eine Aussage die Unterscheidung dieses Merkmals überhaupt nicht notwendig ist? „Der Behinderte an Tisch 3 nimmt ein Bier zum Rahmschnitzel.“, so etwa? Das fand ja bis zu Ihrem Kommentar auch nur in Ihrem Kopf statt.

    Es ist sehr wohl Belang (insbesondere aus der Perspektive der Betroffenen) all diese von Ihnen benannten Eigenschaften sind veränderbar (ich wüsste nicht, dass Menschen als Senioren geboren werden, auch rote Haare kann man färben), eine Behinderung leider nicht.

    Jetzt noch einen und sie können eine ganze Dorfkirmes ausstatten. Nicht alle Behinderungen bestehen von Geburt an und für den durchschnittlichen Senioren ist es auch eher schwer, nochmal (im Irdischen) aus dieser Lebensphase auszutreten. Aber dass sich viele von den Hexen die Haare färben, damit wir sie nicht gleich erkennen, das ist ja nun wirklich kein Geheimnis.

  169. @185
    „ Ohne mich da groß einmischen zu wollen: Woher wissen Sie denn was die Wünsche der „Menschen mit Behinderung“ sind? Wie die genannt werden wollen?“

    Ich habe nur täglich mit denen zu tun, aber vermutlich ist das irrelevant?

    @186
    Ihr Beitrag ist so, tja wie soll man sagen, verächtlich und erbärmlich ggü. den Menschen mit Behinderungen. Betrifft das eigentlich nur diesen Bevölkerungsanteil, oder neigen Sie generell dazu, Ihre Meinung als das Maß aller Dinge zu betrachten? Was berechtigt Sie denn dazu, sich über Andere zu erheben und ihnen nicht zuzugestehen, stigmatisierende Zuschreibungen abzulehnen?
    Eigentlich ist das auch egal, ich werde mich nicht weiter daran beteiligen, Ihnen Gelegenheit zu geben, sich an der eigenen Unfehlbarkeit zu ergötzen. Sie können Menschen gern anhand Ihres – sry dafür, aber genau so äußern Sie sich hier – dürftigen Menschenbildes in Schubladen packen, und Ihre Meinung weiterhin als die Maßgebliche betrachten. Für mich ist das nur Müll.

  170. @ VonFernseher (#186):

    Sie wollen also gar nicht argumentieren, sondern missverstehen. Das war leider zu erwarten.

    Ja, leider ist das ein klassisches beispiel für eine starke Tendenz in der aktuellen Debattenkultur: Den Willen zum Missverstehen von Argumenten, die man nicht teilt. Ich kann jedenfalls nicht feststellen, wo Sie jemanden „verächtlich“ gemacht hätte.

    Einen schönen Kommentar dazu gab es kürzlich von Arnd Pollmann im – mal wieder – Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunkkultur.de/verrohte-gespraechskultur-der-wille-zum-missverstaendnis.2162.de.html?dram:article_id=483182

  171. @175 bis 180 (ausgenommen 177)

    Das sind natürlich Wahnsinnsprobleme. Man könnte aber auch einfach mal seinen Mut zusammennehmen und laut »Voldemort« sagen.

  172. @189
    Sie könnten aber auch ihren Mut zusammennehmen und zugeben, dass ihre Beispiele zu sprachlichen Ungenauigkeiten führen und Sie in Zukunft mehr Gehirnschmalz investieren müssen.

  173. @ MFD:

    „Das sind natürlich Wahnsinnsprobleme.“

    Na ja, das Ergebnis ist ja, dass Sie, um elegant zu gendern, einen Großteil der Sprache umändern müssten, allein schon, weil unglaublich viele Bezeichnungen eben nicht (wie „Stadtoberhaupt“) geschlechtsneutral sind, sondern männliche und weibliche Formen zulassen: „Handwerker“, „Ärzte“, „Politiker“, „Autofahrer“, „Schüler“, „Lehrer“, „Steuereintreiber“, „Einwohner“, „Asylant/Asylbewerber“, eigentlich fast alles. Ist das denn dann KEIN großes Problem? Vor allem, wenn eine elegante Lösung in vielen Fällen noch nicht mal im Ansatz erkennbar ist?

    @ Kritischer Kritiker:

    „Adjektive stellen auf ein bestimmtes Merkmal eines Substantivs ab, dafür sind sie da. Wenn ich von roten Äpfeln spreche, dann reduziere ich nicht die Äpfel nicht auf das Rotsein – sie sind immer noch mehlig oder fest, süßer oder saurer – sondern ich reduziere die Information über sie, weil die anderen Aspekte für meine Unterscheidung nicht wesentlich sind.“

    Gut gebrüllt, Löwe. Dieser ständig wiederkehrende und abwegige „Reduzierungs-Vorwurf“ kann einem auf den Zeiger gehen.

    Hier wurde in einem Artikel ja einmal gegen die Verwendung des „N-Wortes“ argumentiert, da das Wort eine „heterogene[…] Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals […] zusammenklumpt und entmenscht“.

    Dahinter steht offenbar die Auffassung, dass Menschen dadurch, dass sie unter einen Allgemein-Begriff gestellt werden, welcher auf eine Äußerlichkeit rekurriert, auch auf diese Äußerlichkeit „reduziert“ würden. Das ist, wie Sie schreiben, natürlich absurd – wenn wir von Linkshändern, Falschparkern und Brünetten hören, kommen wir ja im Traum nicht auf die Idee, dass die entsprechenden Aspekte wesentliche Eigenschaften der genannten Leute wären, oder gar deren einzige wesentliche Eigenschaften. Erst recht sprechen wir mit solchen Oberbegriffen niemandem sein Menschsein ab. Es wird einfach nur auf ein Merkmal abgehoben, das in einem ganz bestimmten Zusammenhang (!) eine gewisse Relevanz hat, mehr nicht.
    Abgesehen davon rekurriert „Schwarze“ genau auf dieselben Eigenschaften wie das „N-Wort“ und fasst exakt dieselben heterogenen Menschen auf der Basis derselben Äußerlichkeiten zu derselben Gruppe zusammen. Denn die Denotation (nicht die Konnotation) von „Schwarze“ und „N…“ ist die gleiche.

    Wieder etwas, was mich bei den „Linken“ (denen ich mich wie gesagt im Prinzip ja zugehörig fühle) ärgert: Natürlich sollte das „N-Wort“ vermieden werden, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sehr wahrscheinlich die meisten Betroffenen sich das so wünschen und seinen Gebrauch als herabsetzend empfinden würden.

    Aber im moralischen Eifer genügt das nicht: Eilfertig werden die denkbar absurdesten Argumente gesammelt. (Es gibt noch weitere in ähnlicher Preisklasse. ) Es reicht dabei völlig, dass die Argumente die „gute Sache“ stützen oder vorgeben, das zu tun; ein kritisches Nachdenken, ob sie eigentlich auch nur im Ansatz Sinn ergeben, ist da unnötig. Hauptsache, man ist mal wieder auf der richtigen Seite.

    Die Möglichkeit, dass man mit dieser Art von verfehltem Moralismus (der sich ja in verschiedenen Aspekten zeigt) dem eigenen Anliegen womöglich mehr schaden als nutzen könnte, liegt dabei wohl außerhalb der Vorstellung der Protagonisten. (Und wenn solches von „Linken“ nicht kritisiert wird, überlässt man die Kritik eben den „Rechten“. Ob die dann aber differenzierter, stichhaltiger und luzider ausfällt, sei dahingestellt.)

  174. Was „Behinderte“ vs. „Menschen mit Behinderungen“ betrifft, so denke ich, dass das in erheblichen Maße ein subjektive Frage des Geschmacks ist. Argumente für „Behinderte“ wurden dargelegt. „Menschen mit Behinderungen“ soll vermutlich den Fokus symbolhaft wieder ein wenig von der Behinderung weglenken.

    Meine Vermutung wäre, dass es den meisten Behinderten resp. Menschen mit Behinderungen relativ gleich ist, wie sie bezeichnet werden; aber ich habe keine Umfrage dazu und mag mich täuschen.

  175. Ich hatte ja mal rumgefragt, was von Belluts und Meyer-Laubers Behauptung zu halten ist, die jungen Leute würden gendern.

    Wie kommt es, dass gerade unter den Jüngeren die Bezeichnung „Ehrenmann“ so en vogue ist? Verfestigt das nicht Geschlechterrollen? Gibt es auch die Ehrenfrau? Hab mal ein bisschen BibisBeautyPalace geschaut. Gegendere habe ich nicht gehört, aber Ehrenmann kam vor.

  176. Ich finde es erstaunlich, wieviel Energie Leute aufwenden, um darzulegen, was alles NICHT geht. Mir sind schon immer diejenigen lieber gewesen, die mit mir überlegen, was möglich ist. Erstere sind Teil des Problems, letztere Teil der Lösung.

    Aber natürlich muss es beide Sorten geben – die, die bremsen, und die, die treiben. Sonst würde sich die Welt vermutlich so schnell drehen, das allen schwindelig wird.

  177. „Ich finde es erstaunlich, wieviel Energie Leute aufwenden, um darzulegen, was alles NICHT geht.“ Sie kann man aber leicht in Erstaunen versetzen.
    „Mir sind schon immer diejenigen lieber gewesen, die mit mir überlegen, was möglich ist.“
    Beidnennung, das Anhängen von „emwede“, die Abkürzung soe für sie oder er, ios, ioi, soi. Gern geschehen.
    Verschlusslaute um Wörter zu erzeugen, die fast wie andere, fast gleichbedeutende Wörter klingen, ist nicht sehr sinnvoll.

    Mir sind übrigens Leute lieber, die nicht aus allem ein Problem machen, aber das muss für Sie ja kein Kriterium sein.

  178. @ MFD:

    Na ja, ob es sinnvoll ist Gas zu geben oder zu bremsen und zu „bremsen“ hängt doch wohl von der jeweiligen Situation ab.
    Aber gut, da kommen wir nicht weiter.
    Sie haben doch glaube ich geschrieben, dass das Gendern Ihrer Meinung bald gang und gebe sein werden und das gen. Maskulinum bald weg sei. „In wenigen Jahren“ war Ihre Formulierung, wenn ich mich recht erinnere. Ich wette dagegen, dass sich das Gendern in der Alltagassprache nicht oder nur minimal verbreiten wird, und dass das gen. Maskulinum weiterhin gebräuchlich bleiben wird. Auf wie viele Jahre sollen wir wetten?

  179. Wenn der Bürgermeister von Frey-Dodillet zum Stadtoberhaupt umbenannt wird, weil man ihn ja sonst Bürger*innenmeister*in nennen müsste, um fast allen ein wenig gerechter zu werden, dann sind wir sehr nah an einem von oben verordneten Neusprech der übleren Sorte.

    Schwebt Ihnen, Frey-Dodillet, dann auch eine dementsprechende Überarbeitung der gesamten vor der Genderwelle veröffentlichten deutschsprachigen Literatur vor? Sehen Sie da gar Ihre berufliche Zukunft? Anders kann ich mir dererlei Ansinnen kaum erklären.

  180. Aha. MFD verwendet ein dudenanerkanntes Synonym für »Bürgermeister«. Und deshalb muss die »gesamte deutschsprachige Literatur« überarbeitet werden. Und die Erde ist eine Scheibe. Und Bazooka Joe ein Kommentator mit Sachverstand.

  181. @ MFD:

    „Aha. MFD verwendet ein dudenanerkanntes Synonym für ‚Bürgermeister‘. Und deshalb muss die ‚gesamte deutschsprachige Literatur‘ überarbeitet.“

    Das sicher nicht, aber wenn Sie jedes Substantiv, das eine männliche und weibliche Form hat ersetzen wollen, dann werden Sie schon einiges umschreiben müssen. Sie brauchen dann Ersatzbezeichnungen für Journalisten, Schriftsteller, Leherer, Schüler, Professoren, Dozenten, Schlosser, Mechandroniker, Türsteher, Tischler, Apotheker, Täter, Einwohner, Kunden, Romanisten und Romantiker, Fensterputzer und Millionäre – und und und. Sicherlich für die Mehrheit der Substantive, mit denen Menschen bezeichnet werden können.

  182. @Stephan Fleischhauer
    „Gibt es auch die Ehrenfrau?“

    Aus meiner Erfahrung aus der Schule: Kommt vor, ja. Aber Ehrenmann ist tatsächlich etwas geläufiger, geht halt besser von der Zunge. Es wird meist aber einfach verkürzt „Ehre“ gesagt, um etwas zu loben. Aber so allmählich verschwinden all die Wörter auch sogar schon wieder, habe ich das Gefühl.

  183. @Michael Frey-Dodillet

    Vorschlag: Nehmen Sie sich zehn beliebige Seiten aus einem beliebigen Werk der deutschsprachigen Literatur. Z.B. eins Ihrer niedlichen Büchlein über niedliche Hündchen.

    Und gendern Sie das mal nach Ihren Vorstellungen durch.

    Vielleicht bleibt Ihnen dann Ihre durch so gar nichts gerechtfertigte Blasiertheit im Hals stecken.

  184. @BazookaJoe: Die Wette verlieren Sie. Probieren Sie es selbst aus. Gerade literarische / fiktionale Texte haben nur wenige Stellen, an denen das nötig wäre. „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er (!) sich in ein seinem (!) Bett in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt“ bleibt so, denn es geht um Gregor Samsa und nicht um „als mehrere Hausbewohner*innen eines Morgens erwachten“. Wie geht’s Ihrem Hals?

  185. Das „Buch der Richter“? „Die Räuber vom Liang-Schan-Moor“? Alles mit „Fünf Freunde“?
    Filmtitel wie „Die Rückkehr der Jediritter“? „Tanz der Vampire“?

  186. @ MR RE:

    Es kommt halt ganz darauf an, worüber Sie schreeben. Wenn Sie über Ihr Haustier oder die molekulare Struktur von Stoffen schreiben, können Sie vermutlich eine kleine Bibliotheken füllen, ohne mit dem Gendern ernsthafte Probleme zu bekommen.
    Aber in vielen Texte kommen halt Gruppen von Menschen vor, und dann wird es schwierig. Sie können manchmal noch mit „Kraft“ und „Person“ was machen, (Lehrperson, Lehrkraft), aber eben nicht immer (Spaziergangsperson, Spaziergangskraft, Obdachlosigkeitsperson, Obdachlosigkeitskraft, Agnostizismusperson, Agnostizismuskraft…)

    Allgemein:

    Interessant fand ich einen Satz, den ein Radioeins-Moderator unmittelbar vor einem Interview mit der Linguistin Ewa Trutkowski („Möglichkeiten und Grenzen von gendergerechter Sprache“) formulierte:

    „Wenn man diese echten Sprachexperte-Innen fragt, was sie etwa vom mitgesprochenen Gender-Sternchechen halten […], oder von scheinbar korrekten begriffen wie ‚People of Color‘ für Nicht-Weiße oder ‚Inuit’für ‚Eskimo‘, dann stellt man verblüfft fest: Linguisten sind in der Regel Sprachbewahrer, und keine ‚Sprachveränderer‘.“

    Das Wort „verblüfft“ ist in diesem Kontext bemerkenswert. Wäre es denkbar, dass die Medien – trotz einer nicht geringen Anzahl von Gegenbeispielen – überproportional häufig Sprachwissenschaftler „pro Sprachänderung“ zu Worte kommen lassen, so dass hier womöglich ein falscher Eindruck entsteht?
    Ganz anders als viele Medien-Artikel, die Studien, die angeblich die Wirksamkeit des Genderns belegen sollen, oft unkritisch darstellen, äußert sich auch Wolfgang Klein vom Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen. Ihm selbst, so zitiert ihn wissenschaft[dot]de, seien keine Studien bekannt, die stichhaltig belegen würden, dass Frauen durch das generische Maskulinum benachteiligt werden. Zwar solle man sich, so zitieren ihn die Lübecker Nachrichten, „gewissen Höflichkeit und eines gewissen Anstands befleißigen“, aber die Sprache lassen, wie sie ist.

    Und es ist auch so allgemein nicht richtig, dass niemand* gezwungen wird, die Gender-Sprache zu verwenden. Diejenigen, die im öffentlichen Dienst sind, sind je nach Arbeitgeber eben doch verpflichtet.

    (* Trutkowski macht in dem besagten Interview darauf aufmerksam, dass auch das von manchen Gender-Leitfäden empfohlene „niemand“ maskulin ist. Wir sagen: „Niemand, der diesen Text liest…“ anstatt „niemand, die diesen Text liest“ [mein Beispiel].)

  187. Ich sehe, es werden Hausaufgaben verteilt. Da bin ich dabei. Das macht Spaß. Hier ist eure:

    Erörtern Sie anhand des Zitats »Der Saunainnenbereich ist ab 18 Uhr 30 geöffnet« die verheerenden Auswirkungen des linksgrünversifften Genderwahnsinns auf die deutsche Fitnessbranche. Achten Sie auf SEO-Relevanz. Bleiben Sie nicht unter 800 Wörtern.

    Abgabe ist morgen um 11:00.
    Entschuldigungen der Mütter werden nicht akzeptiert.

  188. Ja, und mein Vater ist tot.

    Saunas kommen aus Finnland und sind daher kulturelle Aneignung.

    Obdachlose IST genderneutral. Vom Wort her, nicht von der Sache.

  189. @ Mycroft:

    „Obdachlose IST genderneutral.“

    Stimmt. Dann brauche ich ein anderes Beispiel: „Alkoholismus-Personen“ und „Alkoholismus-Kräfte“ klingt auch doof, und Alkoholiker(in) ist nicht genderneutral.

    @ MFD:

    Sie wollen die grundlegend Sprache verändern, obwohl es dafür sehr wahrscheinlich keinen einzigen triftigen Grund gibt. Bei der von Ihnen gewünschten Änderung müsste eine schier unendliche Anzahl von Wörtern durch neue ersetzt werden (nämlich alle, die eine männliche und eine weibliche Form haben). Und bisher hat noch niemand auch nur einen Ansatz gefunden, wie das ohne enorme Eingriffe in die Sprache gehen soll. Mehr als Beschwörungen, dass es sicher schon Lösungen geben werde und man sich doch bitte nicht mit den offenen Fragen aufhalten solle, gab es bisher nicht.

    Wer also ist es hier, der Probleme konstruiert, die es gar nicht geben müsste?

  190. LLL
    »Bei der von Ihnen gewünschten Änderung müsste eine schier unendliche Anzahl von Wörtern durch neue ersetzt werden (nämlich alle, die eine männliche und eine weibliche Form haben)…«

    Nein, das müssen sie natürlich nicht. Sie müssen nur kreativ werden und in Ihren Texten auf die Formulierung achten. Schon wird aus »Alkoholiker leiden unter…« zum Beispiel »Wer gewohnheitsmäßig trinkt, leidet unter…“«. Das ist nicht kompliziert und macht Ihre kurzen, knackigen Texte nur unwesentlich länger.

    Für alle, die sich keine Mühe geben wollen oder wenig Zeit zum Nachdenken haben, gibt es den Genderstern. (Der zurzeit noch ein wenig mit dem Gendergap ringt. Aber ich vermute, er wird sich durchsetzen.)

  191. Der Artikel hat einen so anklagenden Ton, dass man wirklich daran zweifeln kann, dass das hier objektiver Journalismus ist. Frau Fromm schreibt hier, als wäre es eine politisch verwerfliche Maßnahme, auf einen problematischen Sachverhalt mit einem Brief hinzuweisen. Was soll denn Herr Krämer sonst machen, wenn in Sendern un Behörden Genderleitfäden angeordnet werden?

  192. Besser ist »Fünf und der Gendergap«. Dann sind wir auch näher an Enid Blytons Titelkonzept, das nie so betulich war wie das Deutsche.

    Wo wir gerade beim Streichen sind: Ritter auch raus. Welcher Hirni 1983 auf die Idee kam, in den deutschen Titel von »Return of the Jedi« noch Ritter reinzuschrauben, entzieht sich meiner Kenntnis.

  193. Wenn man sich an Blyton orientierte, wären das „Die berühmte Fünf und irgendwas“ und klängen ein bisschen überzogen.

    Aber gut, „Buch Richterin und Richter“? („Richterinnen und Richter“ stimmt ja nicht)
    „Tanz der Vampirinnen und Vampire“?

  194. Achja, ganz vergessen – denken Sie bei „Brautleuten“ an zwei Lesben? Wenn jemand erklärt, auf „Partnersuche“ zu sein, ist das dann notwendigerweise ein Schwuler oder eine Hetera?
    Was wird aus dem Nibelungen-Zyklus? Dem Meister-der-Insel-Zyklus? Wenn die Polizei berichtet, der oder die Täter hätten sich bei einem Einbruch über ein Fenster auf der Rückseite Zutritt verschafft, wenn die genaue Anzahl nicht bekannt ist, wie sollte sie das zukünftig formulieren?

  195. Der erste Band hieß »Five on a Treasure Island«. Alle weiteren fingen ebenfalls nur mit »Five« an. Und ja, bei »Brautleuten« denke ich auch an Lesben. Wer auf »Partnersuche« ist, sucht einen Mann. Die Polizei wird über kurz oder lang von »Tatverdächtigen« sprechen. Aus Siegfried muss selbstverständlich niemals Sieglinde werden. Das »Buch der Richter« kenne ich nicht. Wenn da nur Männer richten, kann das ruhig so bleiben. »Der Richter und sein Henker« von Dürrenmatt muss auch nicht gegendert werden, weil beide Protagonisten Männer sind. »Tanz der Vampire« habe ich vor 25 Jahren zum letzten Mal gesehen. Tanzen da auch Frauen? Ansonsten siehe »Richter«. Wo darf ich die Rechnung hinschicken? Gender-Workshops mache ich nicht für umme.

    Apropos: Der Abgabezeitpunkt für den »Saunainnenbereich« wurde allseits elegant umschifft. War das zu komplex? Ich könnte stattdessen eine Aufgabenstellung mit »Hähncheninnenfilet« anbieten.

    Noch was Versöhnliches: Genderkonforme Sprache fordert ja nicht, dass wir alle Literatur bis zurück zum Diamant-Sutra neu schreiben und alle Filme neu synchronisieren. Es genügt schon, dass das Thema ins Bewusstsein rückt und Alltagstexte ab 2020 berücksichtigen, dass es im Leben eine weit größere Vielfalt gibt als die männliche Beschränktheit.

  196. Was wird aus dem Nibelungen-Zyklus?

    Interessante Frage. Das Original ist in mittelhochdeutscher Sprache.

    Wäre auch interessant, ob man in regionelen Dialekten gendern muss. Oder Lehnwörtern. Man sagt ja gern Sinti und Roma, aber das kann wohl kaum der Weisheit letzter Schluss sein. Roma ist nur der männliche Plural, der weibliche ist Romnija. Wie schafft man das mit dem Glottisschlag zwischen m und n?

  197. „Und ja, bei »Brautleuten« denke ich auch an Lesben.“
    Wieso „auch“?
    „Wer auf »Partnersuche« ist, sucht einen Mann.“
    Ich nicht. Und nein, ich bin auch nicht auf Partnerinnensuche…
    „Die Polizei wird über kurz oder lang von »Tatverdächtigen« sprechen.“ Tut sie doch schon. Aufgrund der Unschuldsvermutung muss zwischen Verdächtigen und Tätern sauber getrennt werden. Als jemand, der geschlechtergerechte Sprache propagiert, sollten Sie gar nicht auf die Idee kommen, das vermischen zu wollen.
    „Aus Siegfried muss selbstverständlich niemals Sieglinde werden.“ Weiß man’s? Aber nicht alle Nibelungen sind Männer.
    „Das »Buch der Richter« kenne ich nicht. Wenn da nur Männer richten, kann das ruhig so bleiben.“ Das sind keine Gerichtsvorsitzenden, und exakt eine Person von ihnen ist weiblich.
    „Tanzen da auch Frauen?“ Ja. (Oder jedenfalls tragen sie weiblich konnotierte Kleidung.)
    „Der Abgabezeitpunkt für den »Saunainnenbereich« wurde allseits elegant umschifft.“ Da Sie nur Entschuldigungsschreiben von nicht-weiblichen Elternteilen akzeptierten, und daher bestimmte Personengruppen ausschlossen, musste das natürlich boykottiert werden. Nicht girlkottiert, der Mann hieß wirklich Boycott.
    „Noch was Versöhnliches:“
    Wenn das schon so anfängt, bin ich natürlich misstrauisch. Außerdem impliziert Versöhnung, dass Söhne wichtiger seien als Töchter.
    „Genderkonforme Sprache fordert ja nicht, dass wir alle Literatur bis zurück zum Diamant-Sutra neu schreiben und alle Filme neu synchronisieren.“ Doch. Die Bibel wurde schon. Mit eher durchwachsenem Ergebnis, aber ja.
    „Es genügt schon, dass das Thema ins Bewusstsein rückt und Alltagstexte ab 2020 berücksichtigen, dass es im Leben eine weit größere Vielfalt gibt als die männliche Beschränktheit.“ Moralinsaure Forderungen von spießigen Gruppen, denen Nachteile meiner Gruppe grundsätzlich egal waren und sind, was ich aus der Tatsache herleite, dass sie keinerlei Anstrengungen erkennen ließen, diese auch nur zu kritisieren? DAS wollen Sie mir als „versöhnlich“ verkaufen?
    Wie gesagt, dass Frauen grundsätzlich empathischer seien als Männer, ist ein sexistisches Vorurteil, aber da Sie mit Ihrem Mangel an Einfühlungsvermögen auch meinen Ruf ruinieren, bitte ich Sie, das zu unterlassen.

  198. @ Stephan Fleischhauer:

    Ja, der Singular von „Obdachloser“ hat ein erkennbares Genus; aber im Plural fallen beide Formen zusammen, und das hatte ich nicht bedacht.

    @ MFD:

    Wer gewohnheitsmäßig Alkohol trinkt, ist eben noch nicht unbedingt Alkoholiker (denken Sie an jemanden, der jeden Abend ein kleines Bier trinkt). Sie müssten dann formulieren: „Wer vom Alkohol abhängig ist“. Wobei das und auch Ihre eigene Formulierung ein „wer“ enthält. „Wer“ ist aber immer maskulin: „Wer zu spät kommt, DEN bestraft das Leben.“ Geht also auch nicht.

    Und wie wollen Sie einen Satz formulieren wie:
    „Manche Alkoholiker haben schon etliche Therapien hinter sich.“
    Vielleicht so:
    „Manche von denen, die vom Alkohol abhängig sind, haben schon etliche Therapien hinter sich.“
    Das IST länger und komplizierter.

    Und in anderen Fällen:
    „Skeptiker sind im Zweifel.“
    Daraus: „Personen mit einer skeptischen Einstellung sind im Zweifel.“

    „Dort ist ein Spaziergänger.“
    Daraus:
    „Dort ist jemand, der Spazieren geht.“
    Ne, da ist ja ein „jemand“ und ein „der“ drin. Also vielleicht:
    „Dort ist eine Person, die spazieren geht.“

    Zitat MFD:

    „Und ja, bei ‚Brautleuten‘ denke ich auch an Lesben.“

    Wie Mycroft es schon andeutet: Das in „Brautleuten“ nur die „Braut“ und nicht „Bräutigam“ drin steckt und die sprachliche Form ja so unmittelbar unser Denken determiniert, denken Sie da hoffentlich NUR an Lesben?

    „Die Polizei wird über kurz oder lang von ‚Tatverdächtigen‘ sprechen.“

    Das kommt auf den Zusammenhang an. Wenn es eindeutig einen Einbruchsdiebstahl gibt, dann gibt es auch (mind. einen) Täter. Das kann man auch so sagen („Der oder die Täter haben die Türe aufgebrochen.“). Hier von „Tatverdächtigen“ zu sprechen, wäre unangemessen.
    Steht hingegen eine konkrete Person im Verdacht, Täter zu sein, ohne dass dies bisher gerichtsfest bewiesen ist, dann ist „Tatverdächtiger“/“Tatverdächtige“ angemessen.

    „Wer auf ‚Partnersuche‘ ist, sucht einen Mann.“

    Da ist Ihr Sprachverständnis an dieser Stelle aber hochgradig idiosynkratisch und weicht völlig vom allgemeinen Usus ab. Sehen Sie sich Partnerschafts-Anzeigen oder Partnerschafts-Portale an oder schauen Sie, wie der Ausdruck „Partnerschaft“ allgemein benutzt wird. Die Leute verstehen „Partner“ in vielen Zusammenhängen generisch und haben damit nicht die kleinste Schwierigkeit.

    Sie können jetzt sagen: Dann ist das allgemeine Sprachverständnis eben falsch! Das macht aber keinen Sinn. Was (sprachliche) Zeichen oder Symbole bedeute,n ist eine Frage der Konvention und Zuschreibung. Sie bedeuten erst dadurch etwas, dass ihnen Bedeutung „gegeben“ wird. Weshalb es z.B. auch keinen Sinn hat zu sagen: ‚Eine rote Ampel bedeutet, dass man zulaufen resp. zufahren soll. Die Öffentlichkeit und die Verkehrsbehörden irren sich alle, wenn sie meinen, da solle man anhalten.‘

    Wenn die Sprachgemeinschaft das generische Maskulinum in der großen Mehrheit der Fälle problemlos benutzt und versteht, dann ist das einfach erst mal eine Tatsache, und zwar eine, die die Sprache in ihrer Bedeutung formt – ob einem das nun gefällt oder nicht.

    „Genderkonforme Sprache fordert ja nicht, dass wir alle Literatur bis zurück zum Diamant-Sutra neu schreiben und alle Filme neu synchronisieren. Es genügt schon, dass das Thema ins Bewusstsein rückt und Alltagstexte ab 2020 berücksichtigen, dass es im Leben eine weit größere Vielfalt gibt als die männliche Beschränktheit.“

    Ja, und wenn dann alte Texte gelesen werden, werden sie diese missverstanden. Da denken die Leser bei einem Satz wie „Berlin hat XY Einwohner“ dann, dass Berlin XY männliche (sic) Einwohner hat. Oder bei einem Satz wie „Das Orchester spielte grandios und die Zuschauer waren begeistert“, dass es entweder nur männliche Zuschauer gab oder die weiblichen (und solche mit einem anderen Geschlecht) eben nicht begeistert waren. Und ja, auch in Zeiten „männlicher Beschränktheit“ gab es schon weibliche Nachbarn und Zuschauer, und es wurde auch über sie gesprochen.

    Jetzt werden Sie vermutlich sagen: Alles kein Problem! Man kann den Leuten doch einfach sagen, dass das Maskulinum früher oft generisch verstanden wurde und gerade vom biologischen Geschlecht abstrahierte! Oder sie werden es beim Lesen alter Texte doch von alleine verstehen!

    Ja nur: Wenn wie Menschen eine Form, die in ihrer Alltagssprache dann nicht mehr existent ist bzw. stets etwas anderes meint, in ihrer Bedeutung so problemlos verstehen: Wieso sollten wir diese Form dann nicht auch verstehen können, so lange sie absoluter Usus ist?

    „Für alle, die sich keine Mühe geben wollen oder wenig Zeit zum Nachdenken haben, gibt es den Genderstern. (Der zurzeit noch ein wenig mit dem Gendergap ringt. Aber ich vermute, er wird sich durchsetzen.)“

    Erst hatte sich das eingeklammerte „innen“ durchgesetzt, dann das große Binnen-I, dann sind Unterstrich und Genderstern in Mode gekommen, derzeit ist wohl der Doppelpunkt mitten im Wort der letzte Schrei. Und nichts davon taugt für die Singular-Bildung: „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre*n Ä/Arzt*in oder Ihre*n Apotheker*in.“

    (Abgesehen davon stören solche Einschübe viele Leser; das gilt offenbar selbst für etliche taz-Redakteure (oder war jedenfalls vor noch nicht allzu langer Zeit so). Aus dem taz-Artikel „Gegen den Strich“:
    „Am meisten stört die beabsichtigte Störung im Lesefluss. Es wirkt auf einige Redakteure und Redakteurinnen pädagogisch bis penetrant.“)

    Und wofür das alles? Wenn es höchstwahrscheinlich eh nichts bringt, wie etwa der Vergleich unterschiedlicher Sprachen mit und ohne Genus nahelegt?

    Es geht hier doch wohl darum, dass man das Gefühl haben möchte, durch (vermeintlich) ein wenig Herumschrauben an der Sprache etwas Gutes tun zu können und dass man nicht einsehen möchte, dass es so einfach halt doch nicht geht. Oder wie die Linguistin Ewa Trutkowski auf die Frage, wieso denn die Debatte um das Gendern so politisch sei, antwortet („Möglichkeiten und Grenzen von gendergerechter Sprache“, Radioeins):

    „Sprache wird hier als Vehikel benutzt, um die soziale Realität umzustülpen. Aber ich denke, die soziale Realität muss erst mal … ja, da muss anders dran gearbeitet werden. Politisch und aktivistisch, aber eben nicht durch Sprache. Sprache determiniert nicht das Denken. Das ist einfach der Punkt hierbei.“

  199. Einverstanden. Einigen wir uns darauf: genderkonforme Sprache ist modernistischer Bullshit, weil es bei Perry-Rhodan-Heftchen etwas schwierig wird. Und jetzt gehen wir alle in den Garten und graben uns ein Loch.

  200. Gendern? Nein danke, dafür bin ich zu alt. Es nervt ungemein, weil es ausufert und geschlechtsspezifische Unterschiede auf Teufel komm raus negiert und ausgemerzt werden sollen. Da kommen dann noch so skurrile Forderungen im Nachgang, die überhaupt die Begriffe Mann und Frau ersetzen wollen. Es gibt dann scheinprogressive Menschen, die beispielsweise nicht mehr Frau, sondern „Mensch mit Uterus“ oder „Menschen, die menstruieren“ schreiben (alles schon mit Erstaunen und Kopfschütteln gelesen). Und was kommt als nächstes? Folgt dann die Diskussion, welche Substantive ihren männlichen, weiblichen oder sächlichlichen Artikel zu recht besitzen? Müssen wir jetzt bei jedem Gegenstand der einen weiblichen Artikel vorangestellt bekommt in Zukunft darüber diskutieren, ob dies geändert werden muss. Wird „die Orange“ dann womöglich als sexistisch wahrgenommen, weil die Frucht an einen Busen erinnert? Sarkasmus und Ironie aus.

    Ist mir egal, ob ich jetzt als spießig, hinterwäldlerisch oder konservativ bezeichnet werde. Kümmert euch lieber um die Dinge, bei denen es sich wirklich lohnt und notwendig ist, Diskriminierung zu bekämpfen. Zum Beispiel was die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern angeht oder den nicht zu tolerierenden Umstand, dass Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird. Dies sind wirkliche Fronten, an denen sich das Kämpfen lohnt.

    Und was macht die progressive Linke hauptsächlich? Sie führt unnütze und belehrende, moralinsauere Diskussionen um die deutsche Sprache oder will allen vorschreiben, wer (mit welcher sexuellen Orientierung) welche Toilette zu benutzen hat, bzw. führt die Unisex-Toiletten ein. Mir geht’s ziemlich und immer mehr auf die Nerven.
    Die Energie, die für diese Diskussionen verwendet wird, sollte in wichtigere Gesellschaftsaufgaben fließen.

    (Dies schreibt ein Mann, der mit einer Frau verheiratet ist, die die gleiche Meinung vertritt und der schon sehr oft festgestellt hat, dass viele Frauen ebenso von der Sprachgenderung genervt sind!)

  201. Standardantwort auf das Thema geschlechterinklusive Sprache ist sehr häufig „Haben wir denn nichts wichtigeres zu tun?“. Das impliziert ja, das „man“ sich immer nur um ein Thema kümmern könne. Wer entscheidet denn dann, welche Themen wichtig sind?

    Komisch ist auch, dass alle übereinstimmen, dass Sprache einem ständigen Wandel unterworfen ist. Gerade aber beim Thema geschlechterinklusive Sprache wird dies mit Vehemenz abgestritten. Und jetzt bitte nicht mit „Sprache darf nicht von oben herab“ aufgedrückt werden argumentieren. Da müsste man mir erst mal erklären, wer oder was „von oben“ ist? Der Gender-Gap beispielsweise wurde von trans*-Aktivist_innen „erfunden“, von „von oben“ kann ja also gar keine Rede sein.

    Und wenn ich eine Vielzahl von Kommentaren lese, dann wird geschlechtergerechte Sprache immer noch auf Mann und Frau reduziert. Diesen Schreiber_innen möchte ich dann gerne ins Gesicht schleudern „Ey Leute, wir haben seit Dezember 2018 eine dritte Geschlechtsoption“ (eigentlich sind’s ja vier). Für mich ist es selbstverständlich, dass auch diese Menschen sprachlich Berücksichtigung finden müssen. Und es dürfte auch klar sein, dass es mit Gender-Gap oder Sternchen noch lange nicht getan ist, denn es gibt im Deutschen beispielsweise noch überhaupt keine Pronomen für nichtbinäre Menschen.

    Und der Lönneberga-Michel muss mir jetzt bitte mal erklären, was die sexuelle Orientierung eines Menschen mit der Toilettenfrage zu tun hat.

  202. „Wer entscheidet denn dann, welche Themen wichtig sind?“ Ich entscheide, welche Themen mir wichtig sind. Wenn mir weiter oben bspw. erklärt wird, dass man mit geschlechtergerechter Sprache einen winzigen Beitrag gegen Selbstmorde leisten könne, obwohl die Hauptopfer von Selbstmorden weiße, alte Männer sind, über die mir ebenfalls wiederholt gesagt wird, dass die ja sowieso immer mitgemeint seien, dann wird mir der Nutzen der Maßnahme derartig überzeichnet und kontrafaktisch dargestellt, dass mir das doch mehr Hohn als alles andere zu sein scheint.
    „Der Gender-Gap beispielsweise wurde von trans*-Aktivist_innen „erfunden“, von „von oben“ kann ja also gar keine Rede sein.“ Das schon, aber er wird inzwischen auch von Cis-Personen verwendet, verteidigt und teilweise auch durchgesetzt. Um das Argument umzukehren: wenn sich die Sprache sowieso wandelt, wieso müsste da überhaupt nachgeholfen werden?
    „denn es gibt im Deutschen beispielsweise noch überhaupt keine Pronomen für nichtbinäre Menschen.“ Heißt das nicht Pronomina? Egal, mein Vorschlag wäre aus Gründen der Logik „rie“: er sie es rie.
    Dekl.: rie, rier(e/r/e), riem, rien.
    Man bräuchte übrigens noch einen Artikel für „Künstler’in“.

    Ändert nichts daran, dass ich es für einen Knieschuss halte, „Journalist’innen“ zu _sagen_. Warum nicht „Journalistinnen und nicht-weibliche Journalisten“? Da sind alle denkbaren Geschlechter mit erfasst.

  203. @Svetlana L.
    „Diesen Schreiber_innen möchte ich dann gerne ins Gesicht schleudern „Ey Leute, wir haben seit Dezember 2018 eine dritte Geschlechtsoption“ (eigentlich sind’s ja vier).“

    Na ja, so lange Sie mir keine Corona-Viren, sondern nur Ihre Meinung ins Gesicht schleudern, soll’s mir egal sein. Hauptsache, Ihr Ton ist nicht beleidigend. Was aber übrigens nichts an meinem Unwillen ändern wird, ein drittes, viertes oder weiteres Geschlecht mit Hängen und Würgen in die deutsche Rechtschreibung hineinzupfriemeln. Diese Meinung bekommen Sie von mir übrigens nicht entgegengeschleudert, sondern freundlich geäußert :-) Hab nämlich nicht so einen missionarischen Drang, wie viele Gendersprachkonformisten, dass ich mich so ereifern müsste laut zu werden.
    Vielleicht beruhigt es Ihren Puls, wenn ich sage, dass es mir ziemlich egal ist, ob auf amtlichen Formularen seit 2018 noch ein Kästchen für „Divers“ zu finden ist. Da kann ich sehr gut mit leben. Was ich eben nicht kann und will, ist es, mir meine Art des Sprachgebrauchs vorschreiben zu lassen.

    In diesem Zusammenhang frage ich mich desöfteren ob die Streiter und Streiterinnen für den Umbau der deutschen Sprache selbst Betroffene des Problems sind – also z.B. als sog. Diverse in der Sprache benannt werden wollen. In der Regel konfrontieren mich nur solche Leute mit diesen Forderungen in meinem Bekanntenkreis, die selbst nicht divers sind. Die haben halt das in der Luft umherschwirrende Recht ergriffen, für diese Minderheit einzutreten und nehmen die rein gefühlte Prokura – aufgrund ihrer subjektiven Wertvorstellungen – in Anspruch, die Meinung der Minderheit vertreten zu müssen.

    Gruppe A (die selbst nicht betroffenen Aktivisten) versucht Gruppe B (die nicht Willigen) dazu zu bringen, eine Verhaltensänderung zu erwirken (hab mir jetzt den Begriff „erzwingen“ verkniffen) um vorgeblich – ohne Mandat – die Interessen der Gruppe C (die der Geschlechtsminderheiten) zu vertreten.

    Ob Sie es jetzt glauben wollen oder nicht: Nichts liegt mir ferner, als Menschen zu diskriminieren, die sich selbst als „divers“ betrachten. Aber ich wehre mich dagegen, moralisch verurteilt zu werden, nur weil ich die deutsche Sprache nicht verbiegen will.

    Um Sie jetzt nochmals ein bisschen anzutriggern :-) : Menschen, die nur aus gesellschaftlich-politischen Gründen heraus unbedingt als „divers“ bezeichnet werden wollen, kritisiere ich eher, weil ich denen das Bedürfnis nicht abnehme (z.B. diese recht obskur agierende TAZ-Journalistin Hengameh Yaghoobifarah). Die kann sich meinetwegen tausend Mal diskriminiert fühlen,“Mode-Diverse“ haben (meine) Unterstützung nicht verdient.

    Möge der Shitstorm über mich hereinbrechen ;-)

  204. Gendern? Nein danke, dafür bin ich zu alt. Es nervt ungemein, weil es ausufert und geschlechtsspezifische Unterschiede auf Teufel komm raus negiert und ausgemerzt werden sollen. Da kommen dann noch so skurrile Forderungen im Nachgang, die überhaupt die Begriffe Mann und Frau ersetzen wollen.

    Richtig, und das ist wohl auch der Zweck der Übung. Niemand will Frauen sichtbar machen, das ist Hokuspokus. Es geht um die Durchsetzung politischer Forderungen wie Frauenförderung, Verschärfungen des Sexualstrafrechts, Umerziehung der Kinder in Schulen und aller möglicher anderer Mist.

    Die Gendersprache ist lediglich das Fähnchen, das man raushält. Wer gendert, will auch andere Dinge. Insofern liegen auch Kritiker wie LLL falsch, die meinen, diese Sprachregelungen würden nichts bringen. Was nicht verstanden wird: Diese Regelungen funktionieren über Bande. Wenn ein Gendersprecher überzeugt ist, Gutes zu tun, dann deshalb, weil dieser ganze Zirkus den Kampfgeist stärkt, ein Gradmesser für Gleichschaltung ist, weil er eine Atmosphäre schafft, in der andere, relevantere Maßnahmen durchgesetzt werden.

    Der Gender-Gap beispielsweise wurde von trans*-Aktivist_innen „erfunden“, von „von oben“ kann ja also gar keine Rede sein.

    Selbstverständlich Zwang von oben. Siehe Öffentlicher Dienst, Universitäten, sogar die höchsten Verfassungsorgane, die Parlamente bröckeln (Zwang Parlamentsanträge zu gendern). In funk-Känalen der Öffis, Deutschland3000 u.a., werden Kinder manipuliert.

    Das ist natürlich nicht zu vergleichen mit dem erheblich stärkerem Konformitätsdruck, der innerhalb der „Community“ besteht, z.B. bei Übermedien-Autoren.

    Pronomina
    Plural 1 & 2, ja sowas gibt’s.
    https://de.wiktionary.org/wiki/Nomen

    Journalistinnen und nicht-weibliche Journalisten
    Boah, ist das fies, generisches Maskulinum nur für Dudes und Enbies. Warum nicht gleich für alle? Aber trotzdem gutes Beispiel. Es zeigt die Prioritäten: Frauen. Letztlich geht es um die Durchsetzung von Frauenpolitik. Darum ist das -innen so überaus wichtig. Siehe oben, dir tatsächlichen Gründe des Genderns.

    Gendersprecher sagen: Französ:innen. Das ist mehrfach markiert, auch durch das ö. Wenn man nun eine dieser methodisch unsauberen Fortsetzungs-Studien machen würde, mit denen man das generische Maskulinum zu delegitimieren versucht, würde man feststellen, dass sich „Französ:innen“ nicht gut mit „Männer“ wiederaufnehmen lässt. Das man mit Gendern also das Gegenteil von dem erreicht, was man zu erreichen vorgibt.

    Man will eigentlich den Spieß umdrehen.

    Neutrale Vorschläge gibt es genug, aber es geht letztlich um Frauenpolitik, Frauenförderung, Frauen.

  205. „Plural 1 & 2, ja sowas gibt’s.“ Wenn alle gendern dürfen, wie sie wollen, verwende ich den Plural, der mir passt, und kritisiere alle, die einen anderen verwende.
    „Boah, ist das fies, generisches Maskulinum nur für Dudes und Enbies.“ Wieso? Wenn ich „nicht-weiblich“ davor sage, sind sämtlichen denkbaren Geschlechter mit erfasst außer dem weiblichen, welches einen eigenen Plural kriegt. Wer sich jetzt noch beschwert, will einfach nur nerven.

  206. @ Mycroft
    Wer sagt denn, dass man selbst divers (oder nichtbinär) sein muss, um den Gap oder Stern zu verwenden? Das würde ja auch bedeuten, dass -innen nur von Frauen verwendet werden dürfte. Vielleicht reicht es ja aber auch schon aus, wenn man das Problem erkannt hat!? Das nennt sich – glaube ich – Empathie!

    „Um das Argument umzukehren: wenn sich die Sprache sowieso wandelt, wieso müsste da überhaupt nachgeholfen werden?“

    Ich kenne ja nicht Ihre Vorstellung davon, wie sich Sprache sonst wandeln sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass „die Sprache“ eines Morgens aufwacht und aus einer Laune heraus beschließt, heute führen wir mal ganz viele Anglizismen ein, heute werden bestimmte Wörter nicht mehr benutzt oder ab heute sind wir geschlechterinklusiv. Nein, in aller Regel sind das Menschen, die was auch immer einführen und im Laufe der Zeit zeigt sich, ob das von einer breiten Mehrheit angenommen wird oder nicht. So wird es auch mit der geschlechterinklusiven Sprache geschehen, wobei ich angesichts der zunehmenden Verbreitung, die ja nicht nur hier einige auf die Barrikaden treibt, eher zu angenommen tendieren würde.

    @ Michel aus Lönneberga
    Cool, dass Sie in die Köpfe der Menschen sehen und auch genau trennen können, wer „echt divers“ und wer nur aus „gesellschaftlich-politischen Gründen“ divers ist.

    Schade nur, dass Sie meine Frage nicht beantwortet haben. Ich habe noch nie etwas davon gehört, dass es künftig z. B. getrennte Toiletten für schwule Männer und für heterosexuelle Männer geben soll. Aber anscheinend wissen sie da mehr!?
    Bitte klären Sie mich auf! Und bitte machen Sie sich um meinen Puls keine Sorgen, dem geht es ausgezeichnet!

  207. „Wer sagt denn, dass man selbst divers (oder nichtbinär) sein muss, um den Gap oder Stern zu verwenden?“ Ich hatte Sie so verstanden, dass das eine Erfindung von nicht-binären oder diversen Menschen sei, und da die nicht „oben“ sind, würde das nicht „von oben“ durchgesetzt. Nun, da aber auch doch-binäre Menschen den Stern oder so verwenden, und zumindestens einige von denen „oben“ sind, ist Ihr Argument fehlerhaft.

    „Das nennt sich – glaube ich – Empathie!“ Empathie ist Einfühlungsvermögen. Aber wenn ich ein Problem „von oben“ ändern möchte, schließen sich Empathie und „von oben“ nicht gegenseitig aus.

    „Ich kenne ja nicht Ihre Vorstellung davon, wie sich Sprache sonst wandeln sollte.“ Durch Lautverschiebungen. Durch Bedeutungswandel. Durch Übernahme neue Wörter. Und halt durch Leute, die eine bestimmte Veränderung forcieren. Klimawandel entsteht gewöhnlich auch nicht durch Industrieabgase…

    „Nein, in aller Regel sind das Menschen, die was auch immer einführen und im Laufe der Zeit zeigt sich, ob das von einer breiten Mehrheit angenommen wird oder nicht.“ Einführen impliziert _Absicht_. Das ist die absolute Ausnahme. Eigentlich hat niemand ein Interesse an Sprachwandel, weil durch Sprachwandel unterschiedliche Sprachen entstehen. Aus Latein bspw. Italienisch, Französisch, Spanisch usw.: niemand hatte ein Interesse daran, dass sich unterschiedliche Gruppen nicht mehr gegenseitig verstanden.

  208. Also ich muss jetzt tatsächlich mal eine Lanze für Winselwalter Krämer brechen.

    Zitat aus seiner bahnbrechenden Epistel: „Dieser Knacklaut […] bleibt allerdings oft unhörbar oder wird gar gänzlich vermieden. Dann wird ausschließlich die gemäß aller deutschen Grammatiken und Wortbildungslehren unstrittig feminine Form hörbar, womit die jeweilige Personenbezeichnung männliche Mitglieder explizit ausschließt.“

    Glückwunsch! Sieht aus, als hätte er das Problem, das geschlechterausschließende Sprache aufwirft, verstanden. Wenn ihm jetzt noch der geistige Transfer zur gleich gelagerten Problematik des generischen Maskulinums gelingt, machen wir einen Sekt auf. Bis dahin graben wir fein weiter an unserem Gartenloch, meine Herren.

  209. @ Der Michel aus Lönneberga:

    „Es nervt ungemein, weil es ausufert und geschlechtsspezifische Unterschiede auf Teufel komm raus negiert und ausgemerzt werden sollen.“

    Das mag der Impuls dahinter sein, aber im Prinzip geht das Gendern in die gegenteilige Richtung: Dass es mehrere Geschlechter gibt, soll den Lesers (und in seltenen Fällen den Hörern) ständig bewusst gemacht und vor Augen gestellt werden.
    Sage ich: „Bei den Besuchern des Festivals kam der Auftritt sehr gut an“, dann abstrahiere ich vom Geschlecht. Das Geschlecht ist hier kein Thema. Und jeder versteht das.
    (So wie es auch jeder versteht, wenn ich sage: „Jeder versteht das“. Ich muss nicht schreiben: „Jeder, jede und jedes versteht das.“)

    Sage ich hingegen: „Bei den Besucherinnen und Besuchern“ bzw. „Bei den Besucher*innen des Festivals…“, dann betone ich andauernd die Tatsache, dass die Menschen, über die ich spreche, unterschiedliche sexuelle Identitäten haben (im ersten Fall m/w, im zweiten m/w/d). Ich lenke den Fokus ständig auf die geschlechtliche Identität. Es ist, als würde ich immer sagen: „Bei den Besuchern (weiß / schwarz / andere Hautfarbe…)“
    Dadurch wird ein Aspekt, der im Zusammenhang eigentlich irrelevant ist (dass Menschen unterschiedliche Geschlechter haben), wie eine Monstranz vor sich hergetragen und ständig ins Bewusstsein geholt. Hier wird also gerade NICHT die Botschaft ausgesendet, dass sexuelle Identität in vielen Zusammenhängen keine Bedeutung hat.

    Zumindest in der Theorie ist das so. In der Praxis denkt kein Mensch bei „Berlin hat knapp 4 Mio. Einwohner:innen“ in höherem Maße an Frauen oder nicht-binäre Identitäten als bei „Berlin hat x Millionen Einwohner“. Der einzige Effekt dürfte in den meisten Fällen sein, dass der Lesefluss gestört wird – bei manchen mehr und bei manchen weniger. Aber bei vielen Lesern sicher nicht unerheblich.

    @ Svatlana L:

    Es geht nicht darum, ob wir nichts „Wichtigeres“ zu tun haben, sondern ob wir etwas Sinnvolles tun.
    Und wenn alle möglichen staatlichen Verwaltungen ihren Angestellten etwas empfehlen oder anordnen, was die meisten Leute (Frauen) nicht wollen, dann ist das von „oben“ (wie Stephan Fleischhauer näher ausführt) und stellt nicht einfach einen natürlichen Sprachwandel dar. Ebenso ist ein entsprechender informeller Druck zu berücksichtigen (etwa Studenten). Ein natürlicher Sprachwandel ist selbstredend auch „menschgemacht“, aber er kommt ohne Vorschriften aus. Er setzt sich von alleine durch.

    Und Aktivisten (m/w/d) haben zwar schon viele wichtige Impulse gesetzt, aber nicht alles, was Aktivisten fordern muss immer sinnvoll sein, und nicht stets repräsentieren die Wünsche von Aktivisten auch die Wünsche der Minderheit jener Menschen, für die die Aktivisten sich einsetzen. Ich bezweifle beispielsweise sehr, dass die Mehrheit der Frauen sich wünschen würde, dass alles, was Alice Schwarzer möchte, Wirklichkeit wird.

    „Und es dürfte auch klar sein, dass es mit Gender-Gap oder Sternchen noch lange nicht getan ist, denn es gibt im Deutschen beispielsweise noch überhaupt keine Pronomen für nichtbinäre Menschen.“

    Ja, und solange das so ist, ist auch unklar, wofür der Gender-Stars und -Gaps überhaupt steht, zumal er im Singular ja nicht auftaucht. Er steht für ein Genus, das es einfach (noch) nicht gibt.
    Und auch für binäre Leute ist das mit den Pronomina übrigens nicht ganz so eindeutig: Die Wache, die Person, die Koryphäe, das Mädchen, das Kind, der Gast… Es gibt nur eine ungefähre aber keine eindeutige Entsprechung von grammatischem und sexuellem Geschlecht.

    Die Frage, wie die Sprache so geändert werden sollte, dass nicht-binäre Identitäten berücksichtigt werden UND der vorgeschlagene Sprachgebrauch angenommen wird, dürfte nicht einfach zu beantworten sein. Und was wäre im Übrigen, wenn die Angehörigen mancher dieser Identitäten nicht unter einem Sammelbegriff zusammengefasst werden wollen, sondern (wie bei Männern und Frauen ja auch) separat repräsentiert werden möchten (wenn das nicht heute gewünscht wird, dann vielleicht morgen)?
    Also nicht: „Mann, Frau und der Rest“, sondern „Mann, Frau, Identität A, Identität B, Indentität C…“
    Ansonsten wirft man alle nicht-binären Identitäten auf einen Haufen und definiert sie einfach negativ als „weder Mann noch Frau“.

    „Vielleicht reicht es ja aber auch schon aus, wenn man das Problem erkannt hat!?“

    WLECHES Problem denn? Es wird ständig VORAUSGESETZT, dass es da ein ernstes, störendes Problem gibt, für dessen Lösung einiges in Kauf zu nehmen ist.

  210. @ MFD:

    „Einigen wir uns darauf: genderkonforme Sprache ist modernistischer Bullshit, weil es bei Perry-Rhodan-Heftchen etwas schwierig wird.“

    Die deutschsprachige Literatur soll angeblich mehr als nur Perry.Rhodan-Heftchen umfassen. Es erstaunt schon ein wenig, wie Sie über das Argument hinweggehen, dass die gesamte bisherige Sprach-Kultur plötzlich unverständlich und fremd würde (wenn man die entsprechenden Prämissen teilt).

    Aber Ihr letzter Beitrag bestätigt mir, wo bei Ihnen und vielen anderen Befürwortern der Gender-Sprache wohl das Missverständnis liegt.
    Sie stellen sich das vermutlich so vor: Viele maskuline Formen wie „Briten“ oder „Einwohner“ oder „Nachbarn“ sind männlich. Sie bezeichnen männliche im Gegensatz zu weiblichen (und nicht-binären) Personen. Werden die maskulinen Frauen gebraucht, um Frauen oder nicht-binäre Personen zu bezeichnen, dann sind Frauen und andere nur „irgendwie“ dabei ohne eigentlich gemeint zu sein (wie immer das auch gehen soll!), oder sie müssen es sich alternativ gefallen lassen, zu den Männern gezählt zu werden.

    Der Irrtum steckt hier in der Annahme, dass sprachliche Annahmen oder Formen nur eine Bedeutung haben könnten. Tatsächlich aber kann etwa ein Wort oft mehrere Bedeutungen besitzen, die sogar völlig unabhängig voneinander sein können (Homonymie). Ein „Laster“ etwa kann ein Lastkraftwagen oder eine schlechte Gewohnheit sein.
    Es gibt aber auch Beispiele, in denen die eine Wortbedeutung die andere gewissermaßen „umfasst“. Ein Beispiel wäre der Ausdruck „Tag“. Mit „Tag“ kann der „Sonnentag“ gemeint sein, dem die Nacht folgt. „Tag“ kann aber auch den 24h-Tag bedeuten, der die Nacht beinhaltet. Es wäre völlig verfehlt, hier zu argumentieren, dass die Nacht bei der zweiten Bedeutung von „Tag“weniger gemeint wäre als der Sonnentag, oder dass sie nur sekundär „mitgemeint“ wäre. Der 24h-Tag umfasst die Nacht ganz genauso wie den Tag.

    Ähnlich verhält es sich im Deutschen und vielen indogermanischen Sprachen in vielen Fällen mit dem grammatischen Maskulinum:
    Es KANN männliche Individuen (im Gegensatz zu weiblichen und anderen) bezeichnen.
    Es kann aber auch ALTERNATIV eine generische Bedeutung besitzen – und dann bezeichnet es Individuen UNABHÄNGIG von ihrem Geschlecht. Männer sind da nicht mehr oder weniger „gemeint“ als Frauen oder andere, weil das natürliche Geschlecht in diesem Zusammenhang einfach gar keine Rolle spielt (so wenig wie bei „Personen“, „Menschen“, „Leuten“ oder „Kindern“).

    In fast allen Fällen wird auch völlig problemlos aus dem Kontext erkannt, ob eine maskuline Form eine „männliche“ oder „generische“ Bedeutung hat. Ich finde die Umfrage auf die Schnelle leider nicht, aber ca. 80% der Frauen geben an, sich noch gar nie (!) unsicher gewesen zu seien, ob sie gemeint waren oder nicht.

    Ist das alles logisch, vernünftig, gut durchdacht? Nein. Natürlich sähe/sieht eine logisch konstruierte Sprache anders aus als unsere natürliche Sprache. Die natürliche Sprache hat oft ihre Eigenheiten, die unlogisch oder willkürlich wirken. Wieso heißt es im Nominativ Plural „die Männer“ obwohl wir „die“ doch eigentlich mit dem Singular Femininum assoziieren? Wieso heißt es „der“ Löffel, „die“ Gabel, „das“ Messer? All das und vieles andere hat offenbar keinen tieferen Sinn, wenn auch irgendwelche historischen Gründe, von denen manche erforschbar sein mögen und andere für immer im Dunkel liegen.

    Das macht aber normalerweise auch nichts, weil die Sprache eben nicht so eins zu eins das Denken prägt, schon gar nicht auf dieser Ebene.

    Und natürlich wäre es auch möglich, dass feminine Formen generisch gebraucht werden statt maskuline. (Sie wären dann allerdings sicherlich kürzer.) Die Sprache ist aber nun mal so, wie sie ist. Und durch die grammatischen Strukturen als solche entstehen sehr wahrscheinlich niemandem Nachteile, und ändern lassen sie sich eben auch nicht so einfach. Oder wie der Artikel „Die Amtsmännin als Reisegästin“ (auf wissenschaft[dot]de es formuliert):

    „Die Sprache sei für gesellschaftliche Probleme nicht verantwortlich und könne sie auch nicht beheben, betont [Linguistik-Professorin] Klann-Delius. ‚Nicht die Sprache ist frauen-feindlich, sondern ihr Gebrauch.'“

    Nochmals: Die Sprache ist hier (und in vielen Fällen) nicht für gesellschaftliche Missstände verantwortlich und kann sie auch nicht beheben.

  211. Beim Gendern geht es nicht um „Sichtbarmachung“ aller Geschlechter. Es geht darum, penetrant bei jeder sich bietenden Möglichkeit, Frauen hervorzuheben. Ein Gendersprecher sagt: die Ärzt_in, Student_innen (was Studenten unsichtbar macht, vor der Genderzeit hätte man allenfalls Student(inn)en geschrieben), Voluntäre bleiben bei Voluntär_innen unerwähnt.

    Es geht nicht um die Vermeidung von Alltagssexismus, sondern um Bekenntnis zum Alltagsfeminismus. So wie es beim Feminismus nicht um Gleichberechtigung geht, sondern um Sonderrechte.

    Man kann sich das Gendern vorstellen wie das Demonstrationstransparent, das man unentwegt mit sich herumträgt, dass Pappschild, das man ständig hochhält.

    Ja, das wird schon seine Wirkung haben. Und man wird – wie immer – damit auch seine Gegner aufbringen, sie regelrecht erzeugen. Viel Feind, viel Ehr. Wer ständig mit Transparent rumläuft, sät auch Streit.

    Würde mich nicht wundern, wenn die Leute es irgendwann verballhornen und die Sekretärin „Sekretär in“ nennen.

  212. Zu den Beispielen von LLL wie der „Tag“, der auch die Nacht umfasst. Es gibt noch deutlichere Beispiele, etwa Länge, die auch Kurzes umfasst. Scherzhaft kann man sagen, etwas ist 5cm kurz, aber das ist nicht der reguläre Sprachgebrauch. Man nennt das linguistisch, glaube ich, Neutralisation. Länge ist bezüglich Länge neutral, ebenso das Adjektiv lang, obwohl es auch den Gegensatz lang-kurz gibt. Beim Genus könnte man auch von Neutralisierung sprechen.

  213. #234
    Guten Morgen! Das ist jetzt ungefähr die 148. Typo-Tapete zum Thema, was alles NICHT geht. Das kann nicht gesund sein. Schreiben Sie einfach »Publikum« statt »Besucher«. Ich bin nur bis zur 7. Zeile gekommen. Soviel Defätismus zieht mich runter.

  214. @243: Ein natürlicher Sprachwandel muss sich also natürlich durchsetzen, ohne jegliche Steuerung. Soso.
    Ist das jetzt ein Argument im Sinne von „der Markt wird’s regeln“, ist es ein Argument im Sinne des anarchischen Prinzips von keine Macht für niemand, ist es ein Argument des Survival of the Fittest, linguistische Basisdemokratie oder doch eher einfach ahistorisch und unsinnig?

    „Ich nenne meine Erfindung Globus.“ „Wer sind Sie, Vorschriften zu machen, wie man das nennt? Vorschriften darf nicht mal der öffentliche Dienst seinen Beamt*innen machen! Wir warten gefälligst ab, wie die Mehrheit sich auf natürliche Weise äußert und das bleibt dann für immer so!“

  215. @ MFD:

    „Schreiben Sie einfach ‚Publikum‘ statt ‚Besucher‘.“

    Warum denn? Das ist die Frage, de ich Ihnen schon einmal gestellt habe: Was spricht für das Gendern?

    @ MR RE:

    „Ein natürlicher Sprachwandel muss sich also natürlich durchsetzen, ohne jegliche Steuerung.“

    Ja, das ist üblich so.

    „Ich nenne meine Erfindung Globus.“

    Bei dem Beispiel geht es einfach um die Einführung eines neuen Wortes durch Entdecker, Erfinder oder Hersteller. Die Öffentlichkeit nimmt es entweder an oder ersetzt das Wort, wenn es ihr nicht passt. Mitunter formt sie es auch um oder verkürzt es (z.B. Kinematograph zu Kino). Da steht keine Behörde und keine staatliche Autorität dahinter. Und schon gar keine, welcher die Präferenzen der Mitglieder der Sprachgemeinschaft – einschließlich der weiblichen – offenbar völlig egal sind. *
    Zudem ist die Änderung von Grammatik nochmals etwas anderes als die einzelner Wörter.

    (* Tatsächlich scheint es denen, die „emanzipatorische“ Sprachreformen durchsetzen wollen, oft völlig gleich zu sein, wie die Gruppe, für die sie angeblich kämpfen, selbst die Sache sieht. Die meisten Leute aus der Gruppe sind dann halt zu beschränkt, um den großen Nutzen der propagierten Sprachreformen zu begreifen und muss von den Erleuchteten in die richtige Richtung geschoben werden.)

    @ Stephan Fleischhauer:

    Wahrscheinlich verfolgen verschiedene Akteure verschiedene Ziele. Manche werden ihr Mäntelchen nur nach dem Wind hängen und der Mode folgen. Manche werden sich auch, wie Sie das ausführen, einer angeblich moralisch überlegenen Gruppe zugehörig fühlen wollen. Und in wieder anderen Fällen stehen vielleicht noch fragwürdigere Motive im Hintergrund.

    Ich fokussiere mal einfach nur auf die, die ehrlich glauben, da etwas Gutes zu tun. Und in deren Richtung schreibe ich:

    Selbst WENN durch Doppelnennungen oder Kunstformen wie Gender-Star ganz am Anfang ein besonderes Bewusstsein für Frauen oder „nicht-binäre“ Personen geschaffen wird, nutzt sich der Effekt nach kürzester Zeit ab. Ich spreche jetzt erst mal von mir, was natürlich „anecdotal evidence“ ist, aber ich vermute sehr, dass es vielen ganz ähnlich geht, und etliche andere Leute (Männer UND Frauen) haben mir das schon bestätigt.

    Wenn ich einen langen Text mit endlosen Doppelnennungen lese (oder gelesen habe, inzwischen ist das ja schon wieder antiquiert), dann denke ich nach kurzer Zeit: Ja, ich habe jetzt verstanden, dass es Männer und Frauen gibt.
    Es nervt und ermüdet dann einfach nur, ständig die Doppelformen zu lesen. Ich versuche dann einfach, die Doppelformen besonders schnell „wegzulesen“.

    Es kann ja jeder den Selbsttest machen. Wenn ihm jemand sagt: „Unsere Nachbarn von nebenan sind wirklich sehr nett“, wird er dann meinen, dass im Nachbarhaushalt nur männliche Personen wohnen? Oder vielleicht im Gegenteil sogar eher vermuten, dass da mit einer Wahrscheinlichkeit über 50% auch weibliche Personen dabei sind? Und wenn dann die „Nachbarinnen und Nachbarn“ auch noch 100 mal im Text hintereinander auftauchen, wird da wirklich noch eine Information vermittelt?

    Und bei den Texten mit Gender-Stern und Gender-Doppelpunkt denke ich auch nicht jedes mal: Oha, es gibt mehrere Geschlechter! Interessant! Sondern ich konzentriere mich darauf, den Text innerlich so zu verbalisieren, dass der Lesefluss möglichst wenig gestört wird. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand, der 100 mal von „Journalist*innen“ gelesen hat, sich immer noch nicht bewusst ist und immer von Neuem daran erinnert werden muss, dass nicht nur Männer als Journalisten arbeiten.

    Damit will ich nicht ausschließen, dass es einige ausgewählte Zusammenhänge geben könnte, in denen eine Doppelnennung (eine Form für nicht-binäre Personen gibt es halt derzeit (noch) nicht) sinnvoll sein könnte. In der Art, in der sich das immer mehr durchsetzt, macht es aber wohl kaum Sinn.

  216. @ Michael Frey-Dodillet:

    Darf man Ihre Verlinkung so verstehen, dass Leute, die das Gendern kritisch beurteilen (also die Mehrheit der Männer UND Frauen), nach Ihrem Dafürhalten psychisch krank sind und in psychiatrische Behandlung gehören?

  217. @LLL
    Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand, der 100 mal von „Journalist*innen“ gelesen hat, sich immer noch nicht bewusst ist und immer von Neuem daran erinnert werden muss, dass nicht nur Männer als Journalisten arbeiten.

    War das auf mein Argument der Hervorhebung von Frauen bezogen?

    Wenn man jeden Tag ein T-Shirt trägt mit dem Aufdruck „This is what a feminist looks like“, dann glaube ich nicht an einem Abnutzungseffekt. Die Antifa benutzt seit gefühlt Jahrzehnten ihr Doppelfahnen-Symbol (in Reichsbürger-Farben). Da nutzt sich nichts ab.

    Würde es sich abnutzen, wäre der Kampf beendet.

    Zum Thema Zwang: Die feministische Gesellschaft kann es nur geben, wenn 100% der Bevölkerung ihr Verhalten ändern. Es geht um eine neue gesellschaftliche Moral, um neue Regeln und Gesetze. Ohne Zwang wird es nicht gehen, denn die normale Bevölkerung denkt überhaupt nicht daran, sich dieser Ideologie zu unterwerfen.

    Der Sprachduktus der neuen Revolutionäre ist auch uralt. Beschimpfungen, gespielte Überlegenheit, Beschimpfungen, stumpfsinniges Wiederholen von Standard-Hohlphrasen, Beschimpfungen, moralische Selbstüberhöhung, Beschimpfungen, Markierung des anderen als rückständig, Beschimpfungen.

  218. …“Und muss von den Erleuchteten in die richtige Richtung geschoben werden“ – also z.B. von Ihnen, der dann sagt, dass sie nicht gendern sollen, weil das blöd ist? „Die Öffentlichkeit nimmt es an oder nicht“ – außer natürlich, eine relevante Anzahl von Menschen nimmt gegenderte Sprache an, das geht natürlich nicht, das ist erst möglich, wenn genau durchgezählt wird und es 50,01% der Sprachgemeinschaft sind (inklusive Kleinkindern, Schweizern und DaF-Lernenden in Australien)? Got it.

  219. „Ich nenne meine Erfindung Globus.“
    Wenn jemand ein neues Geschlecht entdeckt oder erfindet, darf soe es natürlich nennen, wie soe es will.

    Beim Vorschlag, weibliche Bezeichnungen von Diensträngen einzuführen, war die Mehrheit der Soldatinnen aber dagegen.

    Was mich zu der Frage veranlast, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, der Gendersternchen o.ä. Sonderzeichen befürwortet, wie groß der Anteil derer ist, die Gendern durch Beidnennung befürworten, und wie groß der Anteil jener, die mit dem generischen Maskulinum zufrieden sind?
    Gerne aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Alter.

  220. Es sind nicht die Gender-Kritiker, die Druck auf irgendwelche Leute ausüben. Es sind die Leute selbst, die Gendersprache nicht sprechen. Es gibt überhaupt keine Motivation.

    Man findet diese Sprache ausschließlich in öffentlichen Verlautbarungen von Leuten, die sich dem Feminismus nahestellen wollen. Nur in öffentlicher, nicht in privater Rede, und auch nur in der politischen Sphäre.

    Man findet es nicht in der Werbung, nicht im Film, nicht bei Youtubern, nicht in Shows, nicht in Liedtexten, man belästigt damit keine Kunden, nicht seine Freunde, Kollegen oder Familienangehörigen. Im Grunde ist es Politikersprech. Ein eng begrenzter Soziolekt, voller Fallstricke (Mitgliederinnen), mit dem jeder sprachlich Untalentierte, Unterschichtler, Ausländer heillos überfordert sein dürfte.

    Wer behauptet, es finde ein Sprachwandel statt, sollte es belegen. Es gibt Milliarden von Aufzeichnungen aktueller deutscher Sprache, Texten in sozialen Netzerken, Printartikeln.

    Jeder noch so kleinste Sprachwandel („wie geil ist das denn?“, „Ehrenmann“) ist bestens belegt. Nur die Gendersprache nicht. Komisch.

  221. Jetzt entscheiden Sie sich halt mal, Herr Fleischhauer. Kommt „Gendersprache“ quasi nirgends vor oder belästigt sie Sie überall? Fühlen Sie sich davon wahnsinnig unterdrückt oder taucht es in Ihrer Lebenswelt eigentlich gar nicht auf?

  222. @Mr RE
    Es kommt in meiner realen Welt nicht vor, aber in einem Teil der Medien, die ich konsumiere. Zu meinen Emotionen habe ich mich übrigens gar nicht geäußert, und es wäre auch irrelevant, ob ich mich persönlich nun unterdrückt, belästigt oder sonstwie fühle.

    Das Thema ist gesellschaftlich hoch relevant, und darum äußere ich mich hier.

    Unsere Gesellschaft ist enorm gespalten, sie polarisiert sich immer stärker, ständig werden, ideologiegetrieben, verfassungswidrige Eingriffe versucht, in die Sprache unserer Parlamente, in das Wahlrecht, durch „Hass“-Gesetzgebung und und und. Der intersektionale Feminismus ist ebenso gesellschaftsschädlich wie jede andere fundamentalistische Bewegung. Und Übermedien hat als Ideologie-Verbreiter seinen Anteil.

  223. @M. F.-D.
    Fragen Sie mal beim Duden-Verlag, die haben einen großen Textkorpus und das, was ich sage, bestätigen.
    Aus Ihrem Link:
    Gendern ist in vielen Institutionen und Firmen zum Standard geworden

    Das ist schon verräterisch. Wieso schreiben die nicht, Gendern verbreitet sich immer weiter in der Sprachgemeinschaft?

    Warum ist das aufgezogen wie ein Ratgeber? So nach der Art: Wie verfasse ich einen Kondolenzbrief?

  224. #243
    The Doctor is in: »Herr LLL, ich nehme eine große Sorge, wenn nicht gar Urangst Ihrerseits wahr, dass das Feminine sich über das Maskuline stülpen und die Männlichkeit schrumpfen könnte – schlimmstenfalls bis zur Bedeutungslosigkeit. Möchten Sie diesem Gedanken in einer ruhigen Minute einmal nachspüren?«

  225. Na Donnerwetter, Herr Fleischhauer, jetzt sind wir endlich bei Verfassungswidrigkeit angelangt (Sie erinnern sich: öffentlich-rechtliche Spartensender gendern manchmal, darum ging es in obigem Artikel). „…ebenso gesellschaftsschädlich wie jede andere fundamentalistische Bewegung“ – also z.B. jene Fundamentalisten (sic!), die jedweden Versuch des Genderns als Angriff auf die deutsche Sprache, die Freiheit und Selbstbestimmung und als Indoktrination von Kindern (Ihre eigenen Worte!) sehen? Und in Ihrer „realen Welt“ ist das aber kein Problem, folglich also ein irreales? Keine weiteren Fragen.

  226. @ MR RE:

    Wenn die Mehrheit der Leute gendern wollen würde, dann würde ich das respektieren, auch wenn ich es inhaltlich für unvernünftig halte. Ich versuche aber nicht, einen von der Sprachgemeinschaft abgelehnten und im Alltag absolut ungebräuchlichen Stil jemandem per Vorschrift oder informellem Druck aufzuzwingen.

    „…außer natürlich, eine relevante Anzahl von Menschen nimmt gegenderte Sprache an…“

    Ich habe es bisher noch nie im normalen alltäglichen Sprach gebraucht erlebt, dass jemand gendern würde. NIE.
    Heute habe ich zu einer anderen Person gesagt: „Achtung, da kommen Radfahrer!“
    Es waren zwei Männer und eine Frau. Was hätte ich denn sagen sollen?
    „Achtung, da kommen Radfahrerinnen und Radfahrer!“
    Wäre falsch gewesen, außerdem zu lang und unmständlich.
    Vielleicht: „Achtung, da kommen Radfahrer und eine Radfahrerin!“
    Zu lange und umständlich.
    Oder:
    „Achtung, da kommen Radfahrer[Pasue]innen!“ Zu langsam, umständlich und seltsam klingend.
    Und Sie können sich ja überlegen, ob ich da die große Ausnahme bin, oder ob ALLE Leute im Alltag so reden.

    Sie schaffen es nicht, mit dem Gendern die Sprache zu verändern. Was Sie mit dem Gendern schaffen, ist einen akademischer Kunst-Jargon zu etablieren, der außer in bestimmten schriftlichen Zusammenhängen nur in einigen offiziellen Situationen auftaucht und für die typische sprachliche Interaktion völlig irrelevant ist. (Stephan Fleischhauer hat das schön ausgeführt.) Ein Jargon, der im normalen Alltag von Frauen so wenig gesprochen wird wie von Männern. Ein Jargon, der heute so wenig eine Rolle im normalen Sprachgebrauch spielt wie vor zehn oder zwanzig Jahren.

    Das ist ein Kritikpunkt, der hier schon oft aufgetaucht ist, auf den die Befürworter des Genderns aber gewöhnlich gar nicht erst eingehen. Und hier würde mich Ihre Haltung interessieren: Glauben Sie wirklich, dass sich im alltäglichen Sprachgebrauch ein (wenigstens halbwegs) konsequentes Gendern durchsetzen wird? Und falls Sie zugeben, dass das zumindest recht zweifelhaft ist, was ist dann Ihr Ziel?
    Und was Sind nach Ihrer Auffassung überhaupt die Vorteile des Genderns?

    @ Mycroft:

    „Was mich zu der Frage veranlast, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, der Gendersternchen o.ä. Sonderzeichen befürwortet, wie groß der Anteil derer ist, die Gendern durch Beidnennung befürworten, und wie groß der Anteil jener, die mit dem generischen Maskulinum zufrieden sind?“

    Das interessiert doch kein Schwein. Es interessiert übrigens auch kein Schwein, was die meisten Frauen oder „Nicht-Binären“ selbst möchten.

    @ MFD:

    Wenn Sie es nötig haben, Andersdenkende zu psychiatrisieren – was eines der unterirdischsten Ad-hominem-Argumente überhaupt darstellt -, dann zeigt das, dass es Ihnen an Sachargumenten führt. Daher nochmals zurück auf die Sachebene:

    3. Anlauf: Warum Sie denn überhaupt für das Gendern? Was sind Ihre Argumente?

  227. Dass eine Schriftform (z.B. das Gender-Sternchen) eine Aussprachemöglichkeit (hier: den glottaler Stop) erhält, ist aus linguistischer Sicht sinnvoll, da die gesprochene Sprache immer das Primat hat und somit nur das wirklich relevant ist, was auch gesprochen wird.
    Das bedeutet aber auch, dass eine Veränderung gesprochener Sprache ein weit tiefgreifender Eingriff ist als ein geschriebenes Sternchen. Darum regt er sich wohl so auf.
    Lustigerweise ist der glottale Stop auch genau das, womit sich vor einigen Jahren Gegner noch über das Gendern (damals noch mit Binnen-I) mokierten („LehrerInnen: Lehrer innen, nicht aber Lehrer außen, höhöhö.“)
    Am glottalen Stop ist sonst wenig zu mäkeln: Er ist ein vollgültiger Konsonant, nicht besser oder schlechter als andere. Seine scheinbar geringe Wahrnehmbarkeit ist eine Gewöhnungsfrage. Er tauchte im Deutschen bisher nur an immer denselben Stellen (immer am vokalischen Silbenanfang) auf und wird daher in der Wahrnehmung vernachlässigt: „Auto beginnt mit A.“ – Niemand würde sagen: „Auto beginnt mit Knacklaut“, obwohl es stimmt. Dem Ausländer fällt der deutsche Knacklaut hingegen sofort als Merkmal des typischen „German accent“ auf, da Deutschsprecher ihn unbewusst auch ins Englische oder in andere Fremdsprachen übernehmen, obwohl er dort meist nicht hingehört.

  228. So einfach ist ist das nicht mit dem Glottisschlag.

    Versuchen Sie mal

    ein*e Obdachlose*r

    zu sprechen. Beim ersten Wort haben Sie einen einzeln stehenden Schwa-Laut, beim zweiten ein einzelstehendes r. Letzteres gewinnt silbische Qualität, obwohl es eigentlich zur Silbe „-ser“ gehört. Mann verstößt, abgesehen von diesem Sonderfall, immer gegen die reguläre Silbengrenze bei Suffixen. Im Deutschen beginnen Suffixe nicht mit Silbenanlaut. Silben- und Morphemgrenze fallen nach deutschen Ausspracheregeln nicht zusammen.

    Glottisschläge stehen im Deutschen grundsätzlich an anderen Stellen, niemals am Auslaut des Stamms. Gendersprache behandelt Suffixe wie ein neues, nachfolgendes Wort. Daher auch der Witz mit „Lehrer außen“, und daher auch die Schwierigkeiten, wenn Einzelbuchstaben abgetrennt werden.

  229. Übrigens stört mich nicht einmal so sehr, dass die Gender-Sprache sich (in speziellen Kontexten) so sehr durchsetzt bzw. so sehr durchgesetzt wird). Ich bedauere das, weil ich glaube, dass es unvernünftig ist – aber andere Leute mögen das anders sehen. Persönlich stand ich dem Gendern anfangs neutral bis tendenziell positiv gegenüber und habe meine Meinung erst nach einer etwas ausführlicheren Beschäftigung mit dem Thema geändert. Andere Leute mögen bei einer Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen zu anderen Ergebnissen kommen.

    Was ich aber wirklich bedauerlich finde ist, dass eine offene Diskussion, in der auch qualifizierte kritische Stimmen und Argumente prominent vorkommen, so selten ist. (Und qualifizierte kritische Stimmen scheint es unter Linguisten, auch weiblichen, in erheblicher Zahl zu geben.) Inwieweit das Gendern angemessen und sinnvoll ist, ist eine Frage, die doch die Sprachgemeinschaft als ganze angeht; und bevor das Gendern mithilfe von „Autorität“ forciert wird, sollte eine lebendige und ausgewogene Debatte stattfinden. Das sehe ich höchstens ansatzweise gegeben.

    Und natürlich sollte nicht nur diskutiert werden, wie stichhaltig die Argumente tatsächlich sind, die fürs Gendern vorgebracht werden, sondern auch, was z.B. passieren würde, wenn das Projekt nicht funktionieren sollte wie gewünscht.
    Was etwa, wenn das Gendern sich tatsächlich nur bei offiziellen Anlässen und bei bestimmte Schrift-Texten durchsetzen sollte, der gesprochenen Sprache aber zutiefst fremd bliebe? Eine Option, die angesichts der bisherigen Erfahrung (keinerlei Gendern im normalen Sprachgebrauch, trotz jahrzehntelangen Vohendenseins) und sprachlicher Entwicklungsgesetze (zum Kürzeren und Einfacheren hin) immerhin als realistische Möglichkeit erscheint?

    Hätte man dann etwas Substantielles erreicht, wo doch die Sprache das Denken prägen soll, der größte Teil sprachlicher Akte aber gleich bliebe?
    Oder würde vielleicht sogar das Ergebnis drohen, dass einerseits das generische Maskulinum weiterhin stark verbreitet bleibt, gleichzeitig aber immer weniger als generisch und spezifisch männlich aufgefasst würde? Was dann wohl das Gegenteil des Erwünschten wäre?

    Solche Fragen und weitere Fragen sollten zumindest einmal Gegenstand einer ernsthaften öffentlichen Diskussion werden, bevor das Gendern immer weiter ausgedehnt wird. Man bedenke immer: Das Gegenteil von „gut“ ist oft „gut gemeint“.

  230. „Das interessiert doch kein Schwein. Es interessiert übrigens auch kein Schwein, was die meisten Frauen oder „Nicht-Binären“ selbst möchten.“ Ja, ich habe halt eine Schwäche für Theorie und Zahlen.

    Apropo: Dt. Literatur besteht nicht nur aus Perry Rhodan, Perry Rhodan stellt aber den größten Einzelposten dar.

  231. Gendersternchen OK. Schreibweisen sind immer schon im Wandel. Dieser Walter Krämer regt sich im Grunde über eine Welt im Wandel auf. Aber diese „ausgesprochene“ Lücke bei manchen Sprechern wirkt ähnlich störend wie auffällige Rechtschreibfehler, die in Texten den Lesefluss stocken lassen. Hört auf damit, Leute, dieses Sternchen als Leerzeichen zu „sprechen“. Ich spreche doch auch kein Dehnungszeichen als ebendieses aus.

  232. @Nachtigalle
    Ihr Kommentar ist ohne Sinn, denn Krämer stört sich – genau wie Sie – an der gesprochenen Sprache. Sein Schreiben richtet sich an die Rundfunkanstalten.

    Abgesehen davon: Welche Alternative – außer „hört auf“ – haben Sie zu bieten? Wieder generisches Maskulinum?

  233. Interessante Diskussion. Gestolpert bin ich über „.. wo doch die Sprache das Denken prägen soll ..“

    Soll es das?

    Ist es nicht andersherum, dass das Denken die Sprache prägt?

    In jedem Fall sind die Versuche, mit sprachlichen Vorgaben und Zwängen das Denken zu beeinflussen, für mich und zumindest auch Orwel generell fragwürdig.

    Die These, dass sich die negative Konnotation eines Worte („behindert“) mit Substituierung („anders Begabt“) verliert, bestätigt sich meiner Erfahrung nach nicht, das Gegenteil ist der Fall: Die negative Konnotation überträgt sich eher auf das bis dahin unverdächtige Wort.

    Insofern ist das Ganze vielleicht auch kontraproduktiv, die Anzahl der sagbaren Worte nimmt ab und um es mit Wittgenstein zu sagen, „..wovon man nicht reden kann, darüber muß man schweigen“. Vielleicht geht es aber genau darum.

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