„Bunte“ hat keine Erklärung für Medizin-Schleichwerbung
Was hilft eigentlich für einen gesunden Schlaf? Das neue „Bunte Special Gesundheit“ hat eine Menge Tipps, zum Beispiel: „Schäfchen zählen“. (Ja, wirklich.)
Aber die Redaktion kennt auch ein paar gute „Schlafhelfer aus der Apotheke“. Zwei nennt sie namentlich: Bei Kapseln mit Lavendelöl rät „Bunte Gesundheit“ zu „Lasea“; bei den empfohlenen Antihistaminika steht in Klammern: „z.B. Doxylamin in ‚Hoggar Night'“.
Nun gibt es jede Menge Präparate, die Lavendelöl oder Antihistaminika enthalten. Was macht genau diese beiden Präparate für „Bunte Gesundheit“ so hervorhebenswert, dass die Redaktion sie namentlich nennt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass auf der Seite neben dieser Empfehlung eine Anzeige von „Lasea“ steht:
Und auf der übernächsten Seite Werbung für „Hoggar Night“:
„Bunte Gesundheit“ erscheint viermal im Jahr und wendet sich „an eine Lifestyle-orientierte Zielgruppe, für die Gesundheit und gutes Aussehen einen enorm hohen Stellenwert hat“. Der Burda-Verlag vermarktet das Blatt als „perfektes Umfeld für Produkte und Marken aus dem Bereich Gesundheit, Medizin, Wellness, Beauty und Food“.
Die Zeitschrift ist gleichzeitig voller Werbung und fast frei von Anzeigen. Einerseits ist fast jeder Artikel mit Hinweisen auf Produkte oder Bücher verbunden. Andererseits gibt es fast keine klassischen Inserate. Wenn man die Eigenwerbung für Burda-Angebote nicht mitzählt, finden sich im aktuellen Heft gerade einmal sechs Anzeigen auf 100 Seiten.
Darunter ist auch eine für „Carvomin“. Das sind Verdauungstropfen, deren Wirkstoffe laut Anzeige Angelikawurzeln, Benediktenkraut und Pfefferminzblätter sind. Der Hersteller wirbt mit der Formulierung: „Pflanzliche Magen-Darm-Balance“.
Die Anzeige steht auf Seite 87. Einmal umgeblättert, und schon lacht einem auf Seite 88 ein Artikel-Kasten „Wenn der Darm überreagiert“ entgegen. Die Redaktion weiß:
„Auch Tropfen mit Angelikawurzeln, Benediktenkraut und Pfefferminzblätter (z. B. ‚Carvomin‘) sorgen für eine gute Magen-Darm-Balance und entlasten die Organe.“
Wir haben uns bei der Burda-Pressestelle erkundigt, ob es sich bei dieser dreifachen Kombination aus redaktioneller Empfehlung und Werbeschaltung um Zufälle handelt oder wie das zustande kommt. Wir haben außerdem gefragt, nach welchen Kriterien die Produkte ausgesucht werden, die die Redaktion von „Bunte Gesundheit“ in ihren Artikeln beispielhaft als Empfehlung nennt, und ob man eine solche Nennung als Werbekunde „buchen“ kann.
Eine Sprecherin schreibt uns:
„Unsere journalistischen Inhalte sind grundsätzlich nicht käuflich. Die Nennung von Produkten erfolgt, wenn die Redaktion darin einen Nutzwert für ihre Leser/innen sieht.“
Die Praxis von Zeitschriften, konkrete Präparate namentlich zu nennen, „ohne dass hierfür ein ausreichendes Leserinteresse, z.B. aufgrund eines Alleinstellungsmerkmals, aus dem Artikel hervorging“, hat der Deutsche Presserat schon mehrmals gerügt. Wegen solcher Praktiken hat er wiederholt Gesundheitsartikel in der Fernsehzeitschrift „Hörzu“ beanstandet. (Die Funke-Mediengruppe hält an dieser Schleichwerbepraxis davon unbeeindruckt fest.)
Wir haben den Burda-Verlag auch gefragt, warum er der Meinung ist, dass seine Art der Produktnennung dennoch keine Schleichwerbung darstellt. Er ist auf diese Frage nicht eingegangen.
Es bleibt ein Rätsel, warum „Bunte“ & Co. solche tendenziösen Beiträge nicht als Advertorial oder „werbeunterstützer Beitrag“ kennzeichen. Es ist der Leserin doch wurscht. Die möchte unterhalten und informiert werden; sicher macht sich Lieschen Müller keine Gedanken darüber, ob das Präparat nun als Anzeige oder als Erwähnung auftaucht. Und bezahlt haben die Hersteller das Ding eh – mit den Anzeigen übers Jahr verteilt.
Was allerdings schäbig ist: die nachfragenden Journalisten und Redakteure (hier Übermedien) für Blöd zu verkaufen und so zu tun, als ob dieser Mist nicht offensichtlich ist. DAFÜR gehören sie gerügt, bis ihnen der Posteingang glüht.
Da muss der Presserat ran! Eine weitere der inzwischen unzähligen Rügen des Presserates wird die unVerantwortlichen in der Redaktion dieses Werbeblättchens sicher enorm stark beeindrucken.
@Sascha
Ich sehe das nicht so tolerant wie Sie. Die Erwähnung im Artikel weckt ja den Eindruck, als wäre das – unabhängig von der Werbung links oder rechts daneben – ein Produkt, dass die Schreiber guten Gewissens empfehlen können, quasi als wäre es selbst ausprobiert. Kann ja sein, dass die halt auch dafür werben, was sie gut finden. Bzw. selbst wenn sie es nur erwähnen, weil sie werben, haben sie vielleicht ja doch auch Erfahrung damit.
Lieschen Müller muss das schon sehr bewusst hintersteigen um zu verstehen, dass die Schreibenden das in Wirklichkeit wahrscheinlich noch nie in der Hand hatten geschweige denn irgendwelche Erfahrung damit, um es zu empfehlen, sondern dass sie die Arzneimittel nur im Text erwähnen, weil Geld geflossen ist.
Das nennt man meines Wissens Materndienste. Die Pressestellen der Firmen schreiben pseudo-journalistische Inhalte und bieten diese den Zeitschriften zum Drucken an. Jetzt würde man denken, dass die Zeitschrift für die Inhalte bezahlt. Aber nein! Sie bekommt Geld, wenn sie die Texte druckt.
Das gleiche Prinzip haben gekaufte Bewertungskommentare.
Bei Juristen heißt „grundsätzlich“ eigentlich immer, dass es Ausnahmen gibt. „… grundsätzlich nicht käuflich.“ liest sich also wie „im Einzelfall schon, ja.“
@#1: Mir ist ein Rätsel, warum in anderen Medien (Streaming-Plattformen) schon die Nennung oder das Zeigen von Produkten als Werbung ausgelegt wird und gesetzlich verpflichtend zu kennzeichnen ist und hier in Presseartikeln das nicht gemacht werden muss.
Die „Bunte“ ist traditionell ganz groß in Sachen Schleichwerbung. Neben dem Medizinteil ist vor allem die Autokolumne erwähnenswert, in der C-Promis, die keinerlei Expertise im Bereich Fahrzeugbewertung vorweisen können, vorgefertigte Statements in den Mund gelegt werden, um die jeweiligen Produkte vorteilhaft erscheinen zu lassen. Mitunter ist auch zarte Pseudokritik eingewebt, um die Bewertung zaghaft ausgewogen erscheinen zu lassen. Ein ganz klarer Fall für den Presserat.
Die Schleichwerber rechtfertigen für sich selbst die Schleichwerbung damit, dass es alle machen und man es sich unter dem Wettbewerbsdruck nicht leisten kann, solche Aufträge abzulehnen.
In der Tat machen es sehr viele Medien. Z. B. die Funke Mediengruppe oder die Süddeutsche, welche dafür vorgefertigte Cross-Media-Pakete in Zusammenarbeit mit einer externen Unternehmensgruppe anbietet. Sogar die Öffentlich-Rechtlichen machen es. Nicht nur Schleichwerbung und Produktplazierung allgemein sondern speziell auch für medizinische Produkte und Leistungen. Beispielsweise wurde in der Tagesschau bzw. Tagesthemen Werbung für „Snorelift“ gemacht. Unter dieser Marke vertreibt ein Arzt kommerziell ein Behandlungskonzept welches aus einer Operationen besteht durch die das nächtliche Schnarchen gestoppt werden soll. Die Schleichwerbung erfolgte im Rahmen einer ziemlich ausgefeilten PR-Kampagne. Unter diesem Hintergrund ist es schwierig, schleichwerbenden privatwirtschaftlichen Medien mit moralischen Aspekten zu kommen.
@Münchner: Das sind ganz schön massive Vorwürfe, die Sie da erheben. Gibt es dafür Belege?
Aber, selbst wenn Ihre Beispiele stimmen sollten, mindert das ja nicht die Kritik an den geschilderten Praktiken privater Medien.