Zweierlei Maß in der Corona-Berichterstattung

Von der fehlenden journalistischen Distanz zu Christian Drosten

„Bild“-Chef Julian Reichelt wirft anderen Medien vor, der Chef-Virologe der Charité sei für sie unantastbar. Völlig Unrecht hat er damit nicht. Drostens Studie über die Viruslast bei Kindern bekam nicht die nötige kritische Aufmerksamkeit. Je nach Wissenschaftler haben Journalisten sehr unterschiedliche Maßstäbe angelegt.


Am 9. April 2020 traten Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, der Bonner Virologe Hendrik Streeck und einige andere vor die Presse. Sie präsentierten die Zwischenergebnisse der sogenannten „Heinsberg-Studie“, die im Ort Gangelt im Landkreis Heinsberg repräsentativ ermitteln soll, wie viele Menschen sich in einem der frühesten Hotspots der Coronavirus-Pandemie schon mit dem Erreger infiziert haben und wie hoch die tatsächliche Letalität bezogen auf die Gesamtzahl der Infizierten ist.

Wenige Stunden später diskutierten der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten und Gérard Krause, Leiter der Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, die präsentierten Zwischenergebnisse in einem Video-Chat des „Science Media Center Germany“ (SMC). Große Zurückhaltung übten sie dabei nicht: „Ich kann daraus nichts ableiten“, sagte Christian Drosten zur Einleitung – und stellte eine Reihe von Fragen. Gérard Krause befand, man dürfe „auf keinen Fall“ alle Personen, die in einem Haushalt positiv sind, in die Gesamtergebnisse einrechnen.

Am selben Abend legte Drosten im „Heute Journal“ nach.

Breite mediale Kritik an Streeck

Diese ad hoc vorgetragene wissenschaftliche Kritik fand prompt ihren Niederschlag in diversen Medien: Bei „Zeit Online“ schrieben die Leiterin des Wissensressorts Dagny Lüdemann und Gesundheitsredakteur Florian Schumann bereits im Teaser von „unplausiblen Zahlen“ und den „Zweifeln von Fachleuten“.

 Was genau „unplausibel“ gewesen sein soll – immerhin ein Vorwurf, der die Ergebnisse sprachlich in die Nähe von unbrauchbar, wenn nicht gar manipuliert rückt – erklärt der folgende Artikel indes nicht. Die Frage der Plausibilität wird gar nicht im engeren Sinn erläutert; es werden nur Zweifel an der Genauigkeit der eingesetzten Tests geäußert – und noch einmal die Krause’sche Kritik an der Zählung von mehreren Personen in einem Haushalten referiert.

Die „Heinsberg-Studie“ wurde von Anfang mit höchster wissenschaftlicher und medialer Skepsis begleitet: Vom „Spiegel“ bis zu den Öffentlich-Rechtlichen, nahezu überall wurden Zweifel geäußert, Methoden hinterfragt, die Plausibilität angezweifelt und anderes mehr.

Natürlich trugen viele Umstände maßgeblich und nicht zu Unrecht zur öffentlichen Skepsis bei: Streecks umstrittene Zusammenarbeit mit der PR-Agentur „Storymachine“ des früheren „Bild“-Chefs Kai Diekmann; die offen zur Schau getragene Nähe zur Politik; die Verknüpfung der eigenen Vorab-Ergebnisse mit politischen Handlungsaufforderungen zur Lockerung der damals bestehenden Kontaktsperren.

Aber keines der etablierten Medienhäuser sah sich damals veranlasst, seinen Leser:innen nahezubringen, was „Preprint-Papers“ sind, wie der wissenschaftliche Diskurs funktioniert, warum Methodenkritik völlig normal und keine Studie allein deshalb schlecht ist. Stattdessen fokussierte man sich auf Streecks fragwürdige Nähe zur Politik und seine PR-Partner, zitierte breit die Kritik von Drosten und anderen – und ließ insgesamt kaum ein gutes Haar an der „Heinsberg-Studie“. Niemand sah darin allerdings einen „Angriff auf die Wissenschaft“ oder ähnliches.

Methodische Kritik an Streeck und Co. war voreilig

Als Wochen später die Ergebnisse in einem Preprint-Paper vorlagen, entpuppte sich die Studie als handwerklich durchaus solide Arbeit, die wichtige Erkenntnisse lieferte. Kritiker Krause war beim Pressegespräch im Science Media Center gewissermaßen als „Erstgutachter“ zugeschaltet und kommentierte durchaus wohlwollend, wenngleich er bei einem Kritikpunkt blieb, nämlich dass die Ergebnisse keinesfalls auf ganz Deutschland zu übertragen seien. Seine statistische Kritik zur Zählung mehrerer Personen aus einem Haushalt, die breiten medialen Niederschlag gefunden hatte, erneuerte er dagegen nicht.

Entsprechend etwas leiser wurde nun auch die mediale Kritik vorgetragen, exemplarisch erneut an Florian Schumanns „Zeit Online“-Rezension: Von „unplausiblen Zahlen“ war nun keine Rede mehr, dafür wurde die Kritik erneut an der Nicht-Übertragbarkeit auf ganz Deutschland festgemacht: „Hohe Dunkelziffer? Ja, in Gangelt“, heißt es schon in der Überschrift, „aufs ganze Land übertragbar ist das aber kaum“. Es folgt ein kurzer Abriss der Ergebnisse, bei dem unter Verweis auf Krause zumindest anerkannt wird, dass die Studie „wichtige und für Deutschland bislang einzigartige Daten“ vorgelegt habe.

Im Artikel findet sich dann erstmals ein Hinweis auf das Format „Preprint“, allerdings eher in Form eines Beipackzettels, der davor warnt, die Ergebnisse für allzu valide zu halten: Die Arbeit sei „eine Vorabveröffentlichung also, die noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat, also noch nicht von der Fachwelt geprüft und diskutiert wurde“.

Anschließend folgen 13 (!) weitere Absätze, die nur Kritikpunkte referieren, die im Laufe des Peer-Review-Prozesses auftauchen könnten. Abschließend kommt Schumann zu dem Urteil:

„Auch wenn sich aus Hendrik Streecks Studie keine Aussagen für ganz Deutschland treffen lassen und die Kommunikation einmal mehr zumindest als unglücklich bezeichnet werden kann: Die Ergebnisse des Teams aus Bonn sind trotzdem wichtig, das betonte auch der Helmholtz-Forscher Gérard Krause.“

Drostens Studie bleibt weitgehend kritiklos

Christian Drosten Foto: imago images / IPON

Als die Studie zur Viruslast bei Kindern, die das Team der Berliner Charité um Christian Drosten vorgelegt hat, Ende April als Preprint erschien, twitterte Drosten selbst dazu: „Keine signifikanten Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen“.

„Spiegel“-Wissensredakteurin Julia Koch schrieb bereits in der Dachzeile von einer „Seuchenverbreitung durch Minderjährige“ und referierte: „Virologen wie Christian Drosten warnen vor einem leichtfertigen Neustart“ der Kitas und Schulen. Denn:

„Kinder könnten ebenso infektiös sein wie Erwachsene. Dass die meisten von ihnen eher mild erkranken oder gar keine Symptome entwickeln, macht das Ergebnis noch brisanter. Oder würden Eltern ein quietschfideles Kind vorsorglich zu Hause lassen?“

So oder so ähnlich fiel der Tenor in den meisten Medien aus.

Fairerweise sollte man anmerken, dass Drosten selbst in seinem Podcast darauf hinwies, dass die Ergebnisse vorläufig und die Schlussfolgerungen im Konjunktiv formuliert seien. Er beklagte sich auch darüber, dass die Zeitungen das verkürzt hätten.

Doch er selbst lieferte genug Anlass zum Nachfragen. Zur Entstehung der Studie sagte er nämlich:

„In einer Blitzaktion habe ich vorgestern nach dem Podcast die Mitarbeiter dort im Labor gebeten, mir alle Daten zusammenzustellen. … Wir haben die am Mittwochnachmittag, das war gestern, zusammengeschrieben, das Manuskript, das wir dann veröffentlicht haben. Wir haben das auf unsere eigene Homepage gestellt, das ist aber ein vollständiges wissenschaftliches Manuskript. … Das ist innerhalb von ein paar Stunden geschrieben worden. Die Auswertung, das Endergebnis, ist, was die Laborseite angeht, glasklar, wir haben eine ganz saubere statistische Analyse gemacht. Und diese statistische Analyse sagt: Wir können in Kindergruppen nicht nachweisen, dass die gegenüber Erwachsenen unterschiedliche Viruskonzentration in den Atemwegen haben.“

Hand aufs Herz: Wem würde man es verdenken, wenn in dieser Eile Methoden, Berechnung und Statistik vielleicht doch nicht ganz so „glasklar“ und „sauber“ gewesen wären? Doch statt genau hier den Anlass zu weiteren Nachfragen zu sehen, scheinen die meisten Wissenschaftsjournalisten diese Aussagen Drostens nur als Beleg für seinen heldenhaften Arbeitseifer gesehen zu haben.

Eine rühmliche Ausnahme ist Jakob Simmanks lange Analyse bei „Zeit Online“, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt die statistische Kritik an Drostens Studie aufgriff. Schon Anfang Mai gab es demnach zum Teil harsch formulierte Kritik von Wissenschaftlern auf Twitter. Warum dieser gründlich recherchierte Artikel nicht breiter aufgegriffen wurde, ist eine der Fragen, die sich (Wissenschafts-)Journalist:innen stellen sollten.

Laut Drosten schrieben ihm alle ernstzunehmenden Kritiker freundliche Emails – und man arbeite die Kritik dankbar ein. Doch der Tonfall in Papers und auf Twitter ist ein anderer. Der britische „Statistik-Papst“ David Spiegelhalter mag privat anderes schreiben (was im Übrigen unüberprüfbar ist), öffentlich aber sagt er nun einmal: „Die statistische Analyse ist unsachgemäß. Wir empfehlen, das Preprint zurückzuziehen.“

Und der Schweizer Leonhard Held sagte im SRF-Radio noch nach der „Bild“-Veröffentlichung: „Die Schlussfolgerung ist nicht haltbar. Wenn man die Daten anders betrachtet, kommt man zum gegenteiligen Schluss.“

Eine Steilvorlage für eine „Bild“-Kampagne

Dieses und andere Zitate wurden von „Bild“ im Übrigen nicht aus dem Kontext gerissen, sondern weitgehend korrekt wiedergegeben. Die Tatsache, dass sich nahezu alle wissenschaftlichen Kritiker:innen von der „Bild“-Berichterstattung distanzieren, liegt jedenfalls nicht darin begründet, dass sie ihre Kritik zurückziehen, sondern darin, dass sie nicht Teil einer Boulevard-Kampagne sein wollen, die Wissenschaftlichkeit insgesamt zu diskreditieren droht.

Tatsächlich muss aber niemand die Kampagne der „Bild“ mitspielen wollen, um sich zu fragen, warum man es ausgerechnet dem Duo Reichelt/Piatov überlassen hat, die Kritik an der Drosten-Studie in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Hendrik Streeck hat mit dem Hinzuziehen von „Storymachine“ und der zur Schau gestellten Nähe zu seiner Landesregierung selbst mit dafür gesorgt, dass das mediale Kind in den Brunnen gefallen ist. Aber auch Christian Drosten ist nicht der mediennaive Wissenschafts-Nerd, als der er von seinen zahlreichen – man muss es so sagen – Fans in den Medien dargestellt wird.

Immer wieder gerät er in Konflikte mit Medien über angeblich oder tatsächlich verkürzte Äußerungen, erinnert sei an die „Stern“-Schlagzeile zu den vollen Bundesliga-Stadien (die meiner Meinung nach einfach seinem Zitat entsprach). Bereits im Januar sagte er bei Jörg Thadeusz im RBB sinngemäß, dass er absichtlich nur in Langformate gehe, weil nur diese die Möglichkeit böten, seine wissenschaftliche Botschaft in angemessener Ausführlichkeit darzustellen. In der Folge entstand der Podcast im NDR.

Wissenschaftler und PR-Profi

In einem aktuellen „Spiegel“-Interview gibt Drosten bereitwillig darüber Auskunft, dass er sich „Mitte Januar dafür entschieden“ hat „einen großen Teil meiner Zeit für Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden“.

Das sollte zumindest aufhorchen lassen. Der Leiter einer renommierten Forschungseinrichtung widmet also seit Monaten einen „großen Teil“ seiner Zeit der Öffentlichkeitsarbeit. Trotzdem wird ihm medial natürlich nicht wie einem PR-Profi, sondern wie einer Koryphäe begegnet, die er ohne jeden Zweifel ja auch ist. Dies führt aber dazu, dass es weder im Podcast, noch in den meisten anderen Interviews besonders kritische Fragen gibt.

Man kann Drosten nicht vorwerfen, dass Medien ihm diese Bühne bieten, aber man kann sein Auftreten auch mit den Begriffen der klassischen PR beschreiben: Message Control; Framing; kritischer Berichterstattung sofort begegnen oder gar zuvorkommen; eigene Narrative setzen; der Kritik den Wind aus den Segeln nehmen. Man stelle sich Christian Drosten als Pressesprecher der Deutschen Bahn vor: Das permanente Journalisten-Gejammer über verspätete Züge hätte wohl bald ein Ende.

Denn Drosten teilt aus, auf Twitter und anderswo: Auf einen kritischen Artikel von Alexander Kekulé entgegnete er etwa, dieser sei im Prinzip gar kein Wissenschaftler, denn: „Kekulé selbst könnte man nicht kritisieren, dazu müsste er erstmal etwas publizieren.“ Ein Satz wie aus einem Battle-Rap.


Und im „Spiegel“: „Wer Herr Reichelt ist, weiß ich auch erst seit Montag.“ Markige Sprüche, die seine Fans lieben, die Journalist:innen aber vielleicht auch zu denken geben sollten, denn aus ihnen spricht durchaus eine gewisse Verachtung fürs Metier. Niemand muss den Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung kennen; wer allerdings nach eigenen Angaben seit Januar einen „Großteil“ seiner Zeit der Öffentlichkeitsarbeit widmet, der will damit anderes sagen. Unter anderem vermutlich: „Ich habe Besseres zu tun.“

So wird im „Spiegel“ die Veröffentlichung einer Presseanfrage inklusive der Telefonnummer des „Bild“-Redakteurs Filipp Piatov gar nicht erst aufgegriffen. Sicherlich kann man Drosten hier keine Absicht unterstellen – er löschte den Ursprungstweet, um die Anfrage ohne Kontaktdaten erneut zu posten – dennoch wäre eine Stellungnahme vielleicht angebracht. Denn schließlich läuft der Hass im Netz nicht nur in eine Richtung – und auch, wenn man mit der „Bild“ wenig Mitleid haben mag, trägt man mit 350.000 Followern Verantwortung dafür, keine Shitstorms gegen Privatpersonen auszulösen.

Wie sich die Interviewer von Christian Drosten zumeist nur als Stichwortgeber inszenieren, zeigt im „Spiegel“ die Abschlussfrage, in der Rafaela von Bredow und Veronika Hackenbroch unter Berufung auf Medienberichte behaupten, Julian Reichelt habe Drosten zum „Duell“ gefordert. Dieser antwortet: „Was soll das heißen, ‚zum Duell gefordert‘? Das klingt nach tiefstem 19. Jahrhundert. Keine Ahnung, was das soll.“

Diese Frage könnte man in der Tat stellen, allerdings vor allem den beiden „Spiegel“-Kolleginnen, denn das Wort „Duell“ kommt nicht von Reichelt – und sich auf „Medienberichte“ zu berufen, wenn es einen Tweet gibt, der eine Einladung zum Gespräch darstellt, ist schlicht unredlich, egal, wie man zu „Bild“ steht.

Kritische Analysen für alle statt mediale Selbstverzwergung

Vergleicht man den Umgang mit Streeck und mit Drosten, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein erheblicher journalistischer Bias vorliegt, der die öffentliche Debatte insgesamt verzerrt. Streeck selbst hat gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt, das sei eine Frage, die ihn wirklich beschäftige:

„Warum es auf der einen Seite trotz berechtigter Kritik viel Unterstützung von Medien und auch sonst gibt, während einem auf der anderen Seite niemand zur Seite springt. Die inhaltliche Kritik an unserer Studie – und um die geht es ja am Ende – hat jedenfalls nicht standgehalten.“

Auf der einen Seite steht einer der weltweit führenden Coronavirus-Forscher, der genau deshalb natürlich völlig zu Recht auf erhebliches mediales Interesse und Wohlwollen stößt.

Doch auf der anderen Seite stehen eben nicht nur Julian Reichelt, die „Bild“-Zeitung und verächtlich so genannte „Covidioten“, sondern die Grenze verläuft für viele mediale Player offenbar schon zwischen Drosten und Streeck. Mehrere Journalist:innen haben auf Twitter ganze Threads mit Streeck-Kritik verfasst, nur um jetzt mit derselben Verve zu fordern, man möge bitte die Wissenschaft und ihren Diskurs in Ruhe lassen, es handle sich um Konjunktive und Preprints. Sogar der Vorschlag, den Zugang zu Preprint-Servern auf Fachleute zu begrenzen, geistert durch den Raum.

Überall sind nun Stücke darüber zu lesen, mit welchen Samthandschuhen man Preprints anfassen müsse, wie wenig Journalist:innen davon verstünden – und wie wichtig doch der wissenschaftliche Diskurs (hinter Bezahlschranken?) sei, der nun in der Öffentlichkeit völlig verzerrt werde. Nichts davon war zu lesen, als Hendrick Streeck in der medialen Luft zerfetzt wurde. Zum Teil erklären nun dieselben Kolleg:innen, die Streeck gar nicht schnell genug kritisieren konnten, was eigentlich ein Preprint ist.

Doch eine journalistische Selbstverzwergung spielt nur der Intransparenz in die Karten. Welche Gefahr eine solche „Expertokratie“ birgt, sollte spätestens klar werden, wenn in repräsentativen Umfragen bis zu zwanzig Prozent der Bevölkerung angeben, Verschwörungsmythen zu unterstützen.

Christian Drosten sagt im „Spiegel“ in Bezug auf die Kommunikation von Wissenschaft und Politik: „Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben.“ Diese Absolutheit muss hinterfragt werden – am besten nicht erst von „Bild“ und mit den Methoden von „Bild“. Es reicht nicht, wenn bildungsbürgerliche und linksliberale Medien und ihre Nutzer:innen sich gegenseitig versichern, alles richtig gemacht zu haben. Diese Lektion sollte nach dem Brexit, nach Trump und allen anderen Katastrophen der letzten Jahre eigentlich irgendwann angekommen sein. Und Journalist:innen sollten nicht in einem Team spielen wollen – auch nicht im #TeamDrosten.

40 Kommentare

  1. „Christian Drosten […]: „Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben.“ Diese Absolutheit muss hinterfragt werden“
    Fraglos muss m.E. der Sachverhalt hinterfragt werden. Einem Satz, der mit „Ich glaube“ eingeleitet ist, „Absolutheit“ zu nennen, finde ich allerdings etwas seltsam. Eine Fortsetzung könnte ja z.B. gut lauten: „Aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.“ Es steht eben nicht da „Wir haben alles richtig gemacht“. Das wäre wohl in der Tat absolut.

  2. Ich finde diese Art der Medienkritik sehr sehr wichtig, und das ist das Kerngeschäft von Übermedien. Trotzdem bin ich etwas irritiert, dass hier so ein einfacher Gegensatz Kritik bei Streeck vs Lob für Drosten aufgemacht wird.

    Zur Kritik bei Streeck habe ich das damals nicht so wahrgenommen. Er ging ja auch durch Talkshows, saß bei Lanz. Drosten hat die Pressekonferenz kritisiert und sich für die Details der Inhalte interessiert. Die beiden Links oben belegen nicht, was sie angeblich sollen. Beim SMC ging es nicht um die Studie, sondern um die Pressekonferenz. Da gab es noch kein Manuskript zum Nachlesen, und es wurde einfach nach Details gefragt, die für die Bewertung wichtig sind. Genauso beim Heute Journal. Da lobt Drosten sogar erstmal und man merkt doch, wie er sich auf die Ergebnisse freut, und dass die jetzt in Fachkreisen diskutiert werden kann. Hier im Artikel wirkt das so, als wäre die Studie da schon schlechtgemacht worden. Das ist einfach normale Skepsis und später wurden diese Fragen ja auch geklärt.

    Es ist vermutlich richtig, dass die Medien(TM) mehrheitlich negativ darüber berichtet haben. Aber gab es da wirklich keine Gegenbeispiele? Das kommt mir doch etwas unwahrscheinlich vor.

    Zur Kritik an Drosten bei der neuen Studie und wie die BILD das aufgefasst hat war mein Eindruck auch anders. Es hat doch niemand Drosten gegen inhaltliche Kritik in Schutz genommen. In jedem Artikel den ich gelesen habe, wurde explizit darauf hingewiesen, dass und auch wie die Studie kritisiert wurde, inhaltlich. Bild hat aber keine inhaltliche Kritik geübt. Das kann dort kein Autor, das gehört nicht zum Format Bild. Die Zitate waren aus dem Kontext gerissen und Drosten persönlich für politische Entscheidungen verurteilt. Diese Bild-Apologetik im letzten Absatz hier kann ich einfach nicht nachvollziehen.

    Mir persönlich ist seit Monaten klar, dass viele Erkenntnisse auf Preprints ohne Peer-Review basieren. Ich muss dazu sagen, dass ich auch in der Wissenschaft tätig bin. Aber mich überrascht dennoch, dass Journalisten angeblich erst jetzt darauf hinweisen?

    Allgemein finde ich, dass solche Art von Medienschau immer daran krankt, dass mir als Leser nicht klar wird, wie einflussreich die entsprechend zitierten Artikel sind. Selbst wenn es einen Artikel vom Spiegel, der Zeit und der SZ gibt, sind die repräsentativ für das Medium? Für alle Medien? Wie oft wurden sie gelesen, geteilt, zitiert? Wenn es irgendwie möglich ist, könnte das vielleicht quantifiziert werden? Ich würde dem Autor, dessen Ausführungen meiner Wahrnehmung widersprechen, eher zustimmen, wenn seine Zitate belegbar repräsentativ für die Mehrheit sind.

  3. Meiner Erinnerung nach, und der Artikel bestärkt die Erinnerung, ging es bei der Kritik damals gegen Streeck in erster Linie darum, dass bei der Zwischenveröffentlichung gar keine Angaben über die Datenerhebung etc. gemacht wurden. Das man also nichts Schlussfolgern oder nachprüfen konnte, sondern glauben musste, was Streeck auf der Pressekonferenz sagte.
    Es war halt eine Pressekonferenz und Datenlage vor dem Preprint-Stadium.

    Wenn jetzt lang und breit erklärt wird, wozu ein Preprint dienen soll, dann ist klar, warum das damals nicht erfolgte: weil es sich nicht mal um ein Preprint handelte. Man konnte damals nichts herleiten, also auch nichts sachlich kritisieren und damit voran bringen.

    Anders als jetzt bei dem Preprint von Drosten.
    Oder den tausend anderen Preprints, die gerade relativ öffentlich besprochen werden.

    Mir scheint der Artikel also nicht sonderlich gut recherchiert zu sein, meine Erinnerung kann aber auch verkehrt sein.

    Ich persönlich bin auch kein Freund davon, wie Drosten sich auf die Ereignisse einlässt.
    Die Spitzen müssten nicht sein.

    Sachlich kommt er aber immer sehr gut weg, erklärt gut und verdient mMn den Vertrauensvorschuss, der hier bemängelt wird.

  4. Ich muss Micha (3.) leider zustimmen: Hier wird eine politisch inszenierte Pressekonferenz in Zusammenarbeit mit einer PR-Agentur mit der Veröffentlichung eines Preprints gleichgesetzt.

    > Aber keines der etablierten Medienhäuser sah sich damals veranlasst, seinen Leser:innen nahezubringen, was „Preprint-Papers“ sind, wie der wissenschaftliche Diskurs funktioniert, warum Methodenkritik völlig normal und keine Studie allein deshalb schlecht ist.

    Diese Aussage erscheint mir grob irreführend. Es gab zum Zeitpunkt der Pressekonferenz von Streeck kein Preprint. Es gab nur eine Pressemeldung. Streeck hat in einer Pressekonferenz politische Empfehlungen aus seiner Studie abgeleitet hat, diese aber nicht mal als Preprint veröffentlicht.

  5. Wie hier gezeigt wird, wurde Drosten breit kritisiert. Von Wissenschaftlern, zu Recht und wie es Usus ist.

    Streeck auch, aber eben von Medien.

    Jeder so, wie er sich sein Publikum aussucht.

  6. Eine fällige Analyse zum wissenschaftlichkeitsfernen Hype um Drosten. Den Unterschied im Umgang mit Drosten einerseits und Streeck andererseits auf die Frage Preprint zu reduzieren sieht eher nach enttäuschter Fanbase aus.
    Wo es passt, schweigt Drosten gerne: Ob bei BILD oder auch bei seriösen Anfragen zu den Parametern des von ihm entwickelten PCR-Testes – Sensitivität und Spezifität. Ob man das schon „Manipulation“ nennen darf?

  7. Dieser Beitrag hat m.E. eine tatsächlich wenig publizierte und sehr berechtigte Stoßrichtung. Aber einige Ungenauigkeiten muss der Autor sich selbst auch vorwerfen lassen, allem voran die Unterschlagung der Tatsache, dass Streeck erst lange nach den „Zwischenergebnissen“ ein Paper vorgelegt hat, das dann tatsächlich viel Kritik entkräften konnte. Aber die anderen Kommentatoren haben da ja schon viel zu gesagt – und ich freue mich trotzdem über den kritischen Artikel.

  8. Streeck ist meiner Meinung nach auch daher besonders heftig kritisiert worden, weil bei ihm der (vielleicht falsche) Eindruck entstand, er wollte/sollte kurz vor Ostern der Politik (hier Laschet) Argumente für frühere Lockerungen liefern.

  9. Was User Micha oben schon sagte: Es gab zu Streecks Zwischenergebnissen überhaupt kein Preprint. Es gab ein eineinhalb Seiten langes Papier, das am Tag nach der PK auf der Webseite des Landes NRW veröffentlicht wurde, und dem man praktisch nichts entnehmen konnte. Es fehlte einfach alles, Methodenbeschreibung, deskriptive Statistiken, statistische Tests. Kein Mensch wusste, was da überhaupt wie gemacht worden war. Auch ein Preprint muss gewisse Minimalstandards einhalten.

  10. Ich stimme den Vorrednern auch zu. Auch meine Wahrnehmung war eher so, dass bei Streeck damals vor allem das Vorgehen und (anfangs) nicht Vorhandensein der Daten kritisiert wurde.

    Und wenn ich mir die Zitate der Forscher in der Bild so durchlese, sind da sehr wohl einige aus dem Kontext gerissen. Es ist daher mMn durchaus nachvollziehbar, dass sich die Wissenschaftler davon distanzieren.

    Generell sehe ich es aber auch so, dass bei den meisten Journalisten offenbar das Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten fehlt (oder bewusst ignoriert wird). Da werden „Pro und Kontra“ Strecken gebaut, die vollkommen irrwitzig sind, Vorabstudien oder preprints zu gesichertem Wissen erklärt und Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet usw.
    Es gibt da natürlich Ausnahmen (Spektrum der Wissenschaft z.B., oder Teile der Wissenschaftsredaktionen von Zeit oder Süddeutsche, aber das generelle Vorgehen dort ist sehr fragwürdig.

    Allerdings halte ich es auch nicht für sinnvoll oder überhaupt möglich, dass Journalisten wissenschaftliche Ergebnisse hinterfragen können. Dazu haben sie schlicht nicht die Expertise. Das ist jetzt vor allem in Corona Zeiten natürlich unbefriedigend, aber damit muss man sich irgendwie arrangieren. Oder wie sollte diese Kritik aussehen? Hält jemand ernsthaft für möglich, dass ein Julian Reichelt die statistische Auswertung von Drosten hinterfragen kann? Wie sollte das gehen?

  11. auch ich schließe mich den vorrednern an, der artikel bringt da ein bißchen was durcheinander. tatsächlich ist es so dass in beiden fällen teile der öffentlichkeit und der presse nicht damit umgehen konnten dass das peer review verfahren ein völlig normaler, und grade nicht unerhörter vorgang ist. mit dem unterschied dass es im falle streecks entsprechend geboten war einblick in die daten zu fordern, die kriterien für einen pre-print quasi erfüllt werden sollten. grade weil dieser ja nicht frei vom verdacht war nicht ganz ergebnissoffen zu sein.

    https://www.riffreporter.de/corona-virus/corona-streeck-heinsberg-pandemie-exit-laschet/

  12. Nur als Detail: entgegen der Darstellung im Text steht im Spiegel sehr wohl, dass die Mobilnummer Hr. Piatovs stand – nicht jedoch, dass diese später gelöscht wurde.

  13. Der Autor kann leider nichts zu dem Thema beitragen, weil er schon im
    Vorspann Drostens Arbeit eine Studie nennt. Drosten hat aber lediglich einen Pre-Print abgeliefert. Wer dazwischen nicht unterscheiden kann, dem fehlt auch die Kompetenz, alles Weitere zu beurteilen.

  14. Ich finde, das ist eine wichtige Kritik im Umgang mit Drosten und Streek, finde aber auch , dass der Vergleicht an einer entscheidenden Stelle hinkt: Streek hatte nicht einmal einen Preprint veröffentlicht, sondern auf einer PK Daten präsentiert, die nicht zu überprüfen waren, und er hat sich damit gleich politisch einspannen lassen. Hätte er einfach nur einen Preprint veröffentlicht, ohne PK und ohne Storymachine, wäre das sicher anders gelaufen.

  15. Ich gebe dem Autor schon recht, weil es unter anderem passiert ist, die Heinsberg-Studie den Impfgegnern usw. in die Hände zu legen, quasi als Pseudoargument, das man sofort als unglaubwürdig abstempeln könnte. Dabei fand ich die Daten sehr spannend im Zusammenhang mit den Ursprüngen der Ausbreitung, dagegen wurde in den Nachrichtensendungen, die ich gesehen hatte, oft kritische Töne in den Vordergrund gerückt. In diesem Punkt ist Wissenschaft eben nichts Absolutes, und schon gar nicht sollten die Medien da eine Wertung vornehmen, wenn sie sich sowieso nur ausgesuchte Experten herausfischen. Drosten mag eine Koryphäe sein, das wusste ich bis dahin gar nicht, und ich denke, das wussten die wenigsten. In der Pandemie ist er aber derart übersteigert worden, dass er sich selbst gerne mal verzettelt hatte. Und in dem Punkt sollte man aufpassen, wenn sowieso jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Soll auch heißen, dass ich keinen Groll gegen den Mann hege, er aber hier und da zu sehr unter einen öffentlichen Schutzmantel schlüpfen darf, wo andere vergleichbar schon längst auf die Nase gefallen wären. Streeck hätte ich mir als mediales Gegengewicht ohne Feindbildzeichnung gewünscht gehabt, stattdessen wurde ihm unbeabsichtigt ein zwielichtiges Image zuteil.

  16. @Ni Hau
    „In der Pandemie ist er aber derart übersteigert worden, ….

    Streeck hätte ich mir als mediales Gegengewicht ohne Feindbildzeichnung gewünscht gehabt, stattdessen wurde ihm unbeabsichtigt ein zwielichtiges Image zuteil.“

    Rein subjektiv und völlig ungerecht, muss ich sagen, unabhängig von den Inhalten, finde ich Streeck jetzt nicht so fesselnd wie Drosten.
    Drosten kann halt gut reden, gut erklären. Es ist spannend, ihm zuzuhören und man merkt, der Mann ist nicht Dumm, es hat einen Grund, dass er als Koryphäe gilt.
    Streeck hab ich zwei Mal beim Lanz gesehen und da hatte ich einen wesentlich anderen Eindruck.
    Weniger eloquent, eher verdruckst.
    Und von daher aus meiner Sicht gerade als mediales Gegengewicht weniger geeignet.
    Wie gesagt, das alles ist rein subjektiv und soll nichts über seine fachliche Qualifikation aussagen.

  17. @Micha

    Aus diesem Grund versuche ich mich erst mal von der Sympathieschiene zu lösen. Das hat jetzt nichts konkret mit Streeck oder Drosten zu tun, auch bei Politikern ist man hinterher immer schlauer oder folgt einer Person, unabhängig der Agenda, die dahinterstehen könnte.

    Ich finde es völlig okay, wenn Sie ihre subjektive Einschätzung wiedergeben. Ich persönlich bin da schon ein paar Male auf Blender reingefallen und versuche das auf die sachliche Ebene zu verlagern. Und da zeichnet sich nicht selten ein anderes Bild.

  18. Wie gesagt, ist mein subjektiver Eindruck.
    Ich möchte aber auch betonen, dass ich eben als Zuhörer das Gefühl habe, bei Drosten was zu lernen, während ich bei Streeck dieses Gefühl noch nicht bekommen habe.
    Um mich für eine Prüfung vorzubereiten würde ich wahrscheinlich eher die Vorlesung von Prof. Drosten als die Vorlesung von Prof. Streeck hören wollen.
    Es geht mir also auch um die Sachebene.

  19. Es führt leider auch kein Weg daran vorbei, dass Drosten international führender Experte für pandemische Coronaviren ist. Und wir haben gerade eine Pandemie mit einem Coronavirus. Dass er jetzt Deutscher ist und gerne viel erklärt, ist jetzt erstmal unser Glück in Deutschland.

    Virologe ist eben auch nicht gleich Virologe, Streek ist (primär) Experte für HIV.

    Einen kritischen, ausgewogenen und fairen medialen Umgang mit ihm bzw. allen wünsche ich mir auch. Einerseits den Artikel hier gutzuheißen, andererseits aber einzusehen, dass das hier gewählte Beispiel einfach nicht passt, der Artikel sogar sachlich ziemlich ungenau ist, kann ich allerdings nicht so ganz nachvollziehen.

  20. „keines der etablierten Medienhäuser sah sich damals veranlasst, seinen Leser:innen nahezubringen, was „Preprint-Papers“ sind“

    – kein Wunder, denn es ging bei der Präsentation am Gründonnerstag nicht um ein solches Paper, sondern um einen medialen Filefanz von Streeck mit Laschet – gipfelnd in der These, man könne aus der Gangelt-Analyse etwas für Gesamt-Deutschland ableiten (das wurde hernach, quasi im Kleingedruckten, auch von Bonner Wissenschaftlern selbst bestritten).

    Ansonsten ist dies wieder einmal eine typische Andrej-Reisin-Nummer. Nahezu alle möglichen Journalisten würden Fehler machen, und dann ist es der Super-Journalist, der mal aufräumt und sagt, was Sache ist. Man darf dabei kein Konjunktiv erwarten, die Sachen sind immer ganz klar. Notfalls pickt er sich halt die Dinge heraus, die gut zum roten Faden passen, den Rest lässt er weg. (Und diesmal ist es ein stattliches Häufchen an Dingen, die weggelassen werden.)

    Das Wichtigste, wenn man schon arg spät dran ist bei der Kommentierung eines Sachverhaltes: Das eigene Alleinstellungsmerkmal, die eigene journalistische Überlegenheit fett herausstellen. Alle doof, die einen mehr, die anderen weniger, und keiner ist so gut wie ich. Ähnlich kommentiert der Frank Lübberding in der FAZ immer Talkshows. Der Dunning-Kruger-Effekt macht vor keiner Berufsgruppe halt.

  21. Ja, irgendwie senken die Beiträge des Autors das Niveau hier etwas.
    Finde ich Schade.
    Wo ich doch eigentlich Niggemeier-Fanboy bin und seine Entscheidungen fast immer Nachvollziehen kann. ;-)

  22. Der exzellente Andrej Reisin nobilitiert sich allein schon durch seine differenzierte und faktengesättigte Haltung zur Ultrà-Szene beim Fußball.

  23. Nein, wissenschaftliche Ergebnisse müssen mitnichten von Journalisten hinterfragt werden. Sie müssen zunächst von Wissenschaftlern hinterfragt werden. Das nennt sich Peer-Review. Journalisten verfügt höchst selten über die Kompetenz, wissenschaftliche Arbeiten zu reviewen. Dann wartet lieber auf die Ergebnisse der Peer-Reviews und berichtet dann darüber.

    Ich kann mich auch nicht entsinnen, dass Übermedien versucht hat, den eigenen „[…]Leser:innen nahezubringen, was „Preprint-Papers“ sind, wie der wissenschaftliche Diskurs funktioniert[…]“.

    Und – nur nebenbei – die Bild-Zeitung in einem Satz mit Journalismus zu erwähnen ist… mutig/absurd.

  24. @23

    Was an der Aussage „kein Wunder, denn es ging bei der Präsentation am Gründonnerstag nicht um ein solches Paper, sondern um einen medialen Filefanz von Streeck mit Lasche“ hast du noch nicht verstanden?

    Du kannst dich gern offenbaren. ;-)

  25. @Ilja Karl
    Ich denke, mein erster Beitrag war völlig auf der Sachebene.
    Und die Beiträge danach bauen im Grunde darauf auf.
    Was soll das offenbart haben? Ich würde mich über einen sachlichen Hinweis freuen. :-)

  26. @19 Bemerkenswerte Ausweichstrategie: Virologe ist nicht gleich Virologe. Pure Spezialistenhläubigkeit. Da sind die Fragen nach Wissenschaftlichkeit und Methodik sowie Erfahrung gleich mit beantwortet.
    @25: „medialer Firlefanz“ = Präsentation von Ergebnissen VOR Veröffentlichung wird in der Medizin doch hin und wieder geübt. So wurde im Dezember 2014 auf dem Kongress der amerik. Kardiologen die IMPROVE-IT-Studie vorhestellt, die erst im Juni 2015 im NEJM erschien.
    Die Drosten-Jünger mögen erklären, worüber Drosten und Krause im SMC-Videochat diskutiert haben, wenn es gar nichts zu diskutieren gab? Was konnten die Medien wertend berichten, wenn nicht mal ein preprint draussen war? Nichts. Und das ist das Problem: Streeck wird nicht fürs fehlende preprint zerrisen und Drosten wird bei vorliegendem (in drei Tagen zusammengenageltem) und offenbar fehlerhaftem preprint quasi in Ruhe gelassen.
    Streeck bedient sich einer seltsamen Agentur und Drosten macht PR selber: Beides Mist, bei Streeck bleibt der so der Wissenschaftler aber Wissenschaftler, während bei Drosten die Rollen mittlerweile satt konfligieren.
    Danke, Andrej Reisin.

  27. @27

    Wenn du den Unterschied zwischen einer Diskussion in einem Chat und einer hektisch organisierten Präsentation mit einem Politiker (mit einer eigenen Agenda) nicht sehen willst? Wenn ein Fach-Gespräch über wissenschaftliche Zwischenergebnisse für dich das Gleiche sein soll („PR“) wie ein von einer Werbeagentur orchestrierter multimedialer Auftritt?

    Mich erinnert dieses Verrühren von Begrifflichkeiten etwas an das Wording der Pharmakonzerne, wenn es um Anwendungsbeobachtungen geht. Du als niedergelassener Arzt weißt, was ich meine.

    Deine Angewohnheit, Leute mit anderen Ansichten durchgängig als „Drosten-Jünger“ zu bezeichnen, führt mich nochmal zu #23:
    „Bemerkenswertes Ausweichen von der Sach- zur Beziehungsebene.“

  28. @Ilja Karl
    Die Kritik an meinem Kommentar kann ich nur begrenzt nachvollziehen. Der erste Teil sollte eine Ergänzung zur Diskussion sein. Die fachliche Eignung bzw. der Hintergrund sind m. E. natürlich relevant. Wenn ich Darmkrebs hab, geh ich nicht zum Unfallchirurgen, beides Ärzte. (Mir ist klar, dass das überspitzt ist, aber evtl. gehe ich sogar zu einem ausgewiesenen Spezialisten.) Und ich bin schon „spezialistengläubig“, weil ich selbst gar nicht von allen Themen so viel Ahnung und Expertise erwerben kann.

    Und klar, ich falle wahrscheinlich unter das, was im Artikel als „Fan“ bezeichnet wird. Als regelmäßiger Hörer des Podcasts kommt mir das nach meiner Vorbildung zumindest wissenschaftlich auch gerechtfertigt vor.

    Auf übermedien erwarte ich dann eine mediale (nicht naturwissenschaftliche) Einordnung, die auch bei Drosten fair und wo nötig kritisch sein soll, da bin ich völlig bei vielen Kommentierenden hier.

    Dieser Artikel bietet das meiner Meinung nach aber nicht und deshalb finde ich ein darauf basierendes „gotcha“ unehrlich. Was überhaupt nicht heißen soll, dass Drosten oder die Medien keine Fehler machen.

  29. @FPS: Beim SMC-Chat ging es nicht (bzgl Heinsberg) um ein „Fach-Gespräch über wissenschaftliche Fachergebnisse“. Die gabs ja noch nicht. Drosten wies auf das Fehlen einer Diskussionsgrundlage hin, das wurde aber von den Medien anders verarbeitet.
    @29 (der sich selbst als Drosten-Jünger bezeichnet @FPS): Zu welchem Spezialisten gehen Sie denn zur Darmspiegelung? Zu dem für den ansteigenden oder zu dem für den absteigenden Dickdarm? Drosten und Streeck sind beide „Virologen“, wobei mir nicht ganz klar ist, ob da eine konkrete formale Qualifikation (Zusatzbezeichnung? Subspezialisierung…?) zugrunde liegt.
    Ich möchte an dieser Stelle auf den Titel des diskussionsstiftenden Artikels hinweisen: „Von der fehlenden journalistischen Distanz zu Christian Drosten“ Ich lese hier eine Kritik am Journalismus, nicht an Drosten oder Streeck.

  30. Streeck selbst sagte es bei Lanz mal so: Das, was Drosten kann, kann ich nicht so gut. Und das, was ich gut kann, kann er nicht.

    Anschließend erwähnte er noch, dass der Besuch beim Frisör grundsätzlich wohl ungefährlich sei. Warum? Weil er in Gangelt niemanden gefunden habe, der sich daran erinnern konnte, beim Frisör angesteckt worden zu sein. Na denn.

    Ach ja, es ging hier um eine Kritik am Journalismus. Die Kritik behauptet, Journalisten hätten bei Drosten und Streeck zu Unrecht unterschiedliche Maßstäbe angesetzt. Der Maßstab für die Kritik wiederum basiert auf einer einseitigen Betrachtung, die unterschiedliche Dinge gleichsetzt und keine Notwendigkeit sieht, das den Lesern zu erklären.

    Es ist interessant, wenn jemand auch die wohlwollende Berichterstattung über Drosten unter die Lupe nimmt. Nur sollte er dann schon etwas gründlicher arbeiten, sich aufrichtig mit Gegenargumenten auseinandersetzen, intensiver recherchieren und vor allem: weniger apodiktisch auftreten.

    (Dass Julian Reichelt diese Nummer stolz auf Twitter retweetet hat, ist ja noch kein Beweis für die handwerkliche Qualität.)

  31. „Christian Drosten sagt im „Spiegel“ in Bezug auf die Kommunikation von Wissenschaft und Politik: „Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben.“ Diese Absolutheit muss hinterfragt werden – am besten nicht erst von „Bild“ und mit den Methoden von „Bild“.“

    Man sollte sich auch die Frage von Spiegel und die Antwort von Drosten komplett anschauen, um den Zusammenhang zu verstehen:

    „SPIEGEL: Bislang ist Deutschland sehr gut durch die Pandemie gekommen, dennoch wüten nun Corona-Rebellen, Impfgegner und Rechte auf Demos und im Netz. Aber auch gemäßigte Kritiker meinen, Forscher wie Sie hätten übertrieben und seien schuld am wirtschaftlichen Niedergang. Haben Sie, hat die Politik falsch kommuniziert?
    Drosten: Ich glaube nicht, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben. Wir haben mit vergleichsweise milden Maßnahmen eine Pandemiewelle gestoppt, und zwar total effizient, ohne eine große Zahl von Toten. Ich finde, man sollte den Corona-Leugnern sagen: Schaut ins Ausland. Wir haben in Deutschland etwas geschafft, das kein vergleichbares Land der Welt hinbekommen hat. “

    Drostens Antwort bezieht sich also nicht darauf, ob die Politik richtig kommuniziert hat, sondern darauf, ob die von der Politik verhängten Maßnahmen richtig waren.

    Ich glaube auch, es ist die Aufgabe der Medien und der Politik, darauf zu antworten, ob die Politik richtig kommuniziert hat. Und ob Drosten richtig kommuniziert hat: Ich finde auf jeden Fall; er hat die Unsicherheiten auch seiner eigenen Daten immer sehr klar aufgezeigt.

  32. Weder bin ich Journalist noch Wissenschaftler, kannte bisher weder Drosten noch Streeck noch Reichelt, Letzteren allenfalls aus Medien.
    Was heißt „fehlende journalistische Distanz zu Christian Drosten“? Ist das was BILD bietet die gewünschte Distanz? Kritik an einer Pre-Studie sollte von Wissenschaftlern kommen, dafür ist sie auch gedacht. Bild hatte mit den völlig unsachlichen Artikeln nur ein Ziel, von Reichelt selbst benannt, die Auflage. Dafür erschien ein prominenter Name wie Drosten derzeit bestens geeignet.

  33. #31

    Kann gut sein, dass Streeck und Drosten sich im wissenschaftlichen Sinne ergänzt haben mögen, allerdings hat der Journalismus als Ganzes tatsächlich unterschiedliche Maßstäbe angesetzt. Ein täglicher Drosten-Podcast im Gegensatz zur Handhabung der Heinsberg-Studie war für mich jetzt nicht als ergänzend zu betrachten. Deswegen finde ich die Kritik schon wichtig, auch weil es im Detail unterschiedliche Schlüsse zulässt und Auslassung sowie Fokusverschiebung in der Berichterstattung ein einseitiges Bild zeichnet. Auch das kann man apodiktisch sehen. Dann gleicht man seine Kritik im Duktus eben an, um für Ausgleich zu sorgen.

  34. „Ein täglicher Drosten-Podcast im Gegensatz zur Handhabung der Heinsberg-Studie war für mich jetzt nicht als ergänzend zu betrachten.“

    Streeck hatte einen regelmäßigen Podcast beim BR, und Kekulé sendet auf MDR bis zu sechs Mal die Woche. Drosten inzwischen nur noch dienstags und donnerstags.

  35. Wurde hier bestimmt schon tausend mal gesagt, aber ich sehe die beiden Sachverhalte als nicht so vergleichbar: Streeck hat sich mit einer PR-Agentur ins Mediengetümmel gestürzt und so für die eigene Fallhöhe gesorgt. Drostens Kritik war in meiner Warhnehmung auf den medialen Hype bezogen, die Qualität der Studie hat er nicht in Frage gestellt.

    Ich gehe davon aus, dass Drosten auf seine eigene Studie irgendwie stolz war, aber er hat sich nie so positioniert, dass er den Schlüssel zur Öffnung bzw. zum weiteren Lockdown aller Schulen gefunden hätte. Dazu wurde die Studie erst durch das in die breite Öffentlichkeit tragen der Bild gemacht. Bis dahin habe ich die Studie als das wahrgenommen, was sie innerhalb der wisschenschaftlichen Community offenbar immer noch ist: Ein weiteres Puzzleteil für das Gesamtbild (maiLab hat das ganz gut zusammengefasst).

    Ich finds schwierig, diese beiden Geschichten als gleichwertig hinzustellen. Das wirkt so ein bisschen, als hätte die BILD damit ihr Ziel erreicht.

    Generell zu hinterfragen, ob sich Drosten wirklich aller Medienkritik entziehen kann, wo er gerade den vermutlich erfolgreichsten Podcast in Deutschland am Start hat, ist natürlich sehr berechtigt und dafür ist das hier auch der richtige Ort. Ich finde nur den Kontext schwierig, weil das wie gesagt die BILD-Kampagne aufwertet.

  36. @ Ilja Karl #6
    „sieht eher nach enttäuschter Fanbase aus“
    LOL!
    @ Michael #8
    „der…Eindruck entstand, er wollte/sollte kurz vor Ostern der Politik…Argumente für frühere Lockerungen liefern“
    Ostern wäre ein guter Zeitpunkt dafür gewesen.
    Und der Eindruck, dass Drosten mit seiner „Blitzaktion“ einen Tag vor der Bund-Länder-Entscheidung am 30.4. die frühere Öffnung von Schulen und Kitas verhindern wollte, ist ja im Gegensatz zu Streecks Hintergedanken absolut auszuschließen. LOL!

  37. Habe mich schon länger gefragt, wie die Medien Drosten behandelt hätten, wenn Streeck die Regierung beraten hätte – und wie sie dann mit Streeck umgegangen wären …

  38. Es ist ja nicht grundsätzlich falsch, wenn Streeck öffentlich hochaktuelle und interessante Ergebnisse seiner Studie mit Medienprofis aufbereitet um einen falschen Spin in den Nicht-Fach-Medien zu vermeiden. Dann ist aber auch alles was er präsentiert oder nicht präsentiert dem Abschuss freigegeben.
    Bei dem aktuellen Unsinn von oder über Streeck wünscht man ihm aber einen Medienprofi zur Seite, auf den er hört.

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