E-Bikes

Räder mit „Focus“-Antrieb

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Die Welt ist schlecht. Aber E-Bikes sind super.

Kein Wunder, dass alle sie haben wollen.

Die Räder mit Motor gelten als smart, trendig und unwiderstehlich vernünftig. Alle wollen sie haben.

Schreibt der „Focus“, und der muss es wissen. Schließlich hat er sich gründlich – oder jedenfalls: ausführlich – mit dem Thema beschäftigt. In den vergangenen drei Wochen lag der Illustrierten jeweils ein „Special“ mit einem großen E-Bike-Test bei – hat es sowas in Deutschland überhaupt schon einmal gegeben?

So etwas gab es in Deutschland noch nie! Einen E-Bike-Test mit 50 verschiedenen Rädern in sechs Kategorien und 34 Testkriterien.

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Wahnsinn, oder? Und das ist natürlich erstmal ein netter Service: Dass ein Institut all diese Geräte testet und ihre Vor- und Nachteile dokumentiert. Und die Zeitschrift dieser größten Erfindung seit der Erfindung des Nicht-E-Rades den Platz einräumt, den sie verdient.

Es hat den Experten Marcus Degen, der sonst als Chefredakteur das digitale Fahrrad-Magazin „Velomotion“ verantwortet, als Redaktionsleiter für die „Specials“ engagiert, und der erklärt den Lesern in aller gebotenen Nüchternheit:

Ich verspreche Ihnen, dieses FOCUS-Special macht Sie fit für ein faszinierendes Mobil. Es bringt Sie leicht, flink und scheinbar mühelos von A nach B. Kurz: Es ist eine Erfindung, bei der das Nützliche mit dem Angenehmen innig verbunden ist.

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Im Editorial der zweiten Ausgabe erklärte er, „warum das E-Bike glücklich macht“. Früher konnte man gar nicht wirklich zusammen Rad fahren, weil der eine schneller fuhr als der andere:

Nicht so, wenn einer von uns – oder wir beide – E-Bike fahren. Jede Radtour wird automatisch zu einem viel schöneren und wertvolleren Erlebnis. Natur, Genuss und Harmonie – für mindestens einen in der Gruppe waren diese Gefühle immer ziemlich weit weg.

Es ist, andererseits, natürlich nicht alles super an E-Bikes. Nicht so super ist zum Beispiel, dass es so viele Missverständnisse gibt! Der „Focus“ räumt zum Glück mit ihnen auf. Sind Sie zum Beispiel einer von denen, die glauben, E-Bikes seien nur was für Senioren?

Quatsch! Die einen können mit dem E-Bike die Leistungsdifferenz zu ihrem Partner ausgleichen. Andere, etwa Pendler, wollen einfach nicht mehr verschwitzt in der Arbeit ankommen. Und dann gibt es noch die, die sich einfach nicht auspowern wollen. Warum auch nicht?

Eben, warum auch nicht! Aber sind E-Bikes nicht kompliziert zu bedienen?

Im Gegenteil! Wer mit einem Fahrrad umgehen kann, kann auch Pedelec fahren. Einschalten, die passende Unterstützungsstufe wählen… Und los geht’s!

Aber teuer sind die Dinger, oder?

Natürlich kosten sie auf Grund der elektronischen Ausstattung mehr als normale Räder. Selbst E-Bikes sind aber meist hochwertiger ausgestattet als normale Räder: Fahrspaß, lange Lebensdauer und die Lust an der Bewegung sind unbezahlbar. Fragen Sie Ihr neues Körpergefühl.

Ja, später. Vorher möchte ich aber noch einwenden, dass die E-Bike-Technik doch noch lange nicht ausgereift ist.

Nur so zur Information: Elektromotoren gibt es mittlerweile seit 150 Jahren! Moderne Mittelmotor-Typen sind Weiterentwicklungen aus Antrieben, wie sie seit Jahrzehnten etwa in der Servolenkung von Autos stecken.

Und dieser Glaube, dass E-Bike-Akkus viel zu gefährlich sind? Schmarrn, oder?

Schmarrn! Seit einigen Jahren werden am E-Bike nur noch Hochleistungs-Akkus mit Lithium-Ionen-Technik verwendet, wie sie auch in Ihrem Laptop stecken. Bei richtiger Handhabung sind Unfälle nahezu ausgeschlossen.

Das E-Bike, weiß der „Focus“, ist eine deutsche Erfolgs-Story, und analysiert das Geheimnis dahinter:

Sie galten als belächelte Nischenprodukte: Doch jetzt gelten E-Bikes als begehrte Lifestyle-Produkte.

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Selbst „harte Jungs satteln jetzt um auf E-Mountainbikes“, berichtet das Magazin dem staunenden Publikum in seiner dritten Ausgabe, und wenn Sie jetzt meinen, sie hätten sich verhört, warum sollten ausgerechnet die wilden Geländefahrer eine Unterstützung brauchen? Dann antwortet Ihnen der Herr Degen:

Sie haben richtig gehört! Und werden sich jetzt wahrscheinlich fragen: Warum brauchen ausgerechnet die wilden Geländefahrer eine Unterstützung? Ganz einfach: weil das E-MTB der Trend im Trend ist.

So.

Damit ist das Oma-Image des E-Bikes für alle Zeiten vorbei. Endlich. (…)

Überzeugen Sie sich, probieren Sie die Bikes aus, Sie werden Freude an ihnen haben.

Versprochen!

Als wohltuender Kontrast zu dieser distanzierten journalistischen Analyse steht dann ein paar Seiten weiter eine ausrufezeichenreiche „Liebeserklärung an das E-Mountainbike!“ Es schwärmt, unter anderem, Guido Tschugg, „Adrenalin-Junkie, MTB-Profi und Haibike-Markenbotschafter“.

Ein Unternehmensportrait stellt die Zweiradfirma Cube vor, die es in 23 Jahren von der kleinen Studentenklitsche zum Marktführer schaffte: „mit über 500 000 verkauften Mountainbikes für Abenteurer, Rennrädern für Adrenalin-Junkies und Prinzessinnen-Gefährten für Mädchen sowie coolen Mountainbikes für die wilden Kerle“. Gründer Marcus Pürner sei damit so etwas wie, Sie haben das selbst sicher gerade schon gedacht: „der Steve Jobs der Oberpfalz“.

Dazu gibt es ein Interview mit Georg Honkomp, dem Vorstandsvorsitzenden eines Fahrradhändler-Verbunds, der sich im „Focus Special“-Verhör den Fragen stellen muss:

Herr Honkomp, werden die Zulassungszahlen bei den E-Bikes weiter steigen?

Was fasziniert am E-Bike?

Welche Qualität haben E-Bikes?

Und der „Focus“ scheut sich auch nicht, dahin zu gehen, wo es wehtut. „E-Bikes für Kids: Fluch oder Segen?“, heißt es in einem Kasten:

Die E-Bike-Hersteller Haibike und KTM bieten 24-Zoll- Modelle für Kinder und Jugendliche von acht bis 14 Jahren an. Doch ist es wirklich sinnvoll, einem Kind ein E-Bike zu kaufen?

Schön zu sehen, dass sich die Unternehmen der Branche von solchen kritischen Fragen nicht abschrecken lassen: Das „Focus Special“ ist voller Anzeigen von E-Bike-Herstellern und Händlern.

Ach so, und die Antwort, die der „Focus“ gibt, ob so ein E-Ding wirklich schon sinnvoll ist für ein Kind, sie lautet:

Absolut!

16 Kommentare

  1. Wieso beschäftigt Ihr Euch eigentlich immer noch mit dem „Focus“?
    Ich dachte, es ist nun allgemeiner Konsens, dass es sich bei allen Formaten NICHT um Journalismus im Sinne der Definition handelt.

  2. Lach!
    Och ja, ich finde schon, man darf den duften Focus gern ab und an mal zur Erheiterung hernehmen.

  3. Dass der Focus die E-Bikes massiv bewirbt, wird nach den ersten Sätzen klar, dafür muss ich nicht seitenlange überflüssige Zitate lesen.
    Habe beim Lesen permament auf Hintergrundinfos gewartet, z.B. WARUM der Focus das macht, mit wieviel Geld er „gekauft“ wurde und am Ende evtl. Hinweise auf objektive Artikel zu den Vor- und Nachteilen von E-Bikes in den verschiedenen Altersstufen, um es besser zu machen. So bringt mir der Artikel nicht mehr als ein Werbeblättchen eines E-Bike-Herstellers… dass der Focus einseitig berichtet, ist ja nicht die Überraschung.

  4. Wie geil! Welche Marketing-Disziplin ist das nochmal für die sich das Fakten-Magazin hergibt? Native Advertising, PR-Strecke, Content-Markting, Corporate Publishing, Anzeige, Campaigning, Ad Special, Advertorial …? Wie heißt es in den Mediadaten von Burda so schön: “
    Wir sorgen bei jedem Produkt für das passende Umfeld – dabei behalten wir stets das Ganze im Blick. Steigern Sie die Awareness Ihrer Kunden und wecken Sie Sehnsüchte. Dafür kreieren wir ganzheitliche, lebendige und trendige Produktwelten.“ (BCN.burda.de/Promotionskosten)

  5. Für mich als Schreiberling, der sich hauptsächlich mit Fahrrad, E-Bikes, Radsport und Verkehrspolitik befasst, erneut ärgerlich, wie unverhohlen hier Journalismus durch Marketing zerstört wird. Das ist dann genau das, das einem öffentlich fast automatisch vorgeworfen wird als „Fachjournalist“. Traurig.

  6. Ehrlich gesagt, bin ich noch nicht voll überzeugt. Hoffe, daß dieses alle Welt bewegende Thema von Focus-„Fachjournalisten“ noch mal umfassend aufgegriffen wird.

  7. Ich finde man sollte die Kirche im Dorf lassen. Letztendlich kaufen sich doch, von den Abonnenten mal abgesehen, genau die Leute den Focus mit Ebike Test, die sich für ein solches interessieren. Über die Qualität und Belastbarkeit der dargestellten Argumentationskette im Stil eines schlechten Selbsthilfebuch lässt sich sicher diskutieren, aber als Tatsachen verkaufte Kommentare wie „Vorher möchte ich aber noch einwenden, dass die E-Bike-Technik doch noch lange nicht ausgereift ist.“ sind natürlich auch nicht besser recherchiert oder belegt. Medienkritik und -Aufklärung sind heute wichtiger denn je. Aber bitte nicht so reißerisch wie die kritisierten „Leitmedien“ selbst…

  8. Unter uns Über-MTBlern: Verschärfte Neuauflage des Grip-Shift-Phänomens.

    Genau diese Art „Artikel“ fällt mir seit bereits einigen Jahren nahezu wöchentlich auf, stets die selben Argumente abarbeitend und stets verzweifelt darum bemüht, das Image als Greisen-Zweiradrollator als rückständigen Irrtum von Unhipstern zu enttarnen.

    Argumente, Assoziationen und Zielrichtung vorformatiert und „Artikel“ immer auf maximalen Botschaftstransfer ausgerichtet.

    Kann denn nicht einmal ein Profi die Omerta brechen und Roß und Reiter benennen? Steckt als Urheber hinter dieser recht erfolgreich mit viel repetitiver Power platzierten Dauer-PR nur jenes eine Unternehmen oder eine gemeinsam Verbandsfinanzierte PR-Agentur?

    Man wird doch nicht dafür schon als Whistleblower gejagt werden, oder?

  9. Um Missverständnisse zu vermeiden: „Fällt auf…“ in allen möglichen Titeln von allen bekannten Magazin- und TZ-Dickschiffen bis zu TV-Zeitschriften und Lokalblättchen. Hier ist der Focus ausnahmesweise mal nur einer unter vielen…

  10. Guckt euch die 19. Staffel von South Park an.
    „Weiß Sie es? Weiß sie, dass sie eine Werbung ist?“

  11. naja das ist ganz lustig zusammen montiert. Man mag den Begeisterungsstil nicht mögen. Aber inhaltlich sind die Passagen allesamt nicht falsch.
    Im Sepcial-Interest-Bereich gilt ohnehin der Satz „Es gibt keine kritische Bikini-Berichterstattung“

  12. Herzlich gelacht.
    Die Auftrags-Werbe-Sonderheftchen sind sicher sehr „dicke aufgetragen“ aber andererseits doch gerade dadurch als solche zu erkennen.
    Der füllende Dummquatsch entspricht offensichtlich auch dem üblichen Focus-Niveau. So what?
    In den Bahnhoskiosken sind die Regale mit „Fach“Blättern gefüllt, die für teures Geld ausschließlich solche Art von „Journalismus“ bieten.
    Sie bedienen Bedürfnisse von Menschen, die bewusst keine kritischen Berichte, sondern Bestätigung ihrer Wünsche Ansichten und Sehnsüchte suchen.
    Dass der Focus dieses Segment auch „abgrast“ sehe ich als Folge der bekannten Medienkrise.

    Elektroräder finde ich übrigens wirklich richtig klasse.
    (Ich passe als leicht adipöser angehender Frührentner, aber auch genau ins gängige Klischee)

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