Bedeutungsverlust der Presse

Journalisten müssen von Friedrich Merz nicht gebraucht werden

Friedrich Merz hat etwas so Ungeheures über Journalisten gesagt, dass Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes DJV, sich veranlasst sah, ihm umgehend einen offenen Brief zu schicken, um ihm mitzuteilen, dass die mit 32.000 Mitgliedern größte Journalistenorganisation Deutschlands darüber „in hohem Maße irritiert“ sei. Er sagte ihm „den erbitterten Widerstand des DJV“ voraus, falls Merz „allen Ernstes Journalisten und Medien als ‚vierte Säule‘ des Staates aushebeln“ wolle.

Will Merz das? Mehrere Medienberichte legen das nahe. „CDU-Politiker Friedrich Merz hält herkömmliche Medien für verzichtbar“, titelt der österreichische „Standard“. Die „Welt“ behauptet, es gebe eine „Absage“ von Merz „an die herkömmliche Medienberichterstattung“. Er wird mit dem Satz zitiert: „Wir brauchen die nicht mehr.“

Merz sagte diesen Satz bereits am 21. Januar beim „Rittertalk“ des Aachener Karnevalsvereins (AKV). Am 27. Januar veröffentlichte der ein Video, in dem mehrere Ausschnitte aus dem Gespräch im Cinemascope-Format mit Industriefilmmusik und Werbekitsch-Schnittbildern präsentiert werden.

Merz sagte dort demnach wörtlich:

„Im Augenblick gibt es ja eine richtige Machtverschiebung zwischen denen, die Nachrichten verbreiten, und denen, die Nachrichten erzeugen. Und zwar zugunsten derer, die die Nachrichten erzeugen. Wir brauchen die nicht mehr. Und das ist das Schöne: Sie können heute über Ihre eigenen Social-Media-Kanäle, über Youtube ein Publikum erreichen, das teilweise die öffentlich-rechtlichen, auch die privaten institutionalisierten Medien nicht mehr erreichen. Wenn man das richtig nutzt, wenn man das gut macht, dann haben Sie über diese Kanäle eine Möglichkeit, Ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, Ihre eigene Deutungshoheit auch zu behalten über das, was Sie gesagt haben. In ganz anderer Form, als wir das früher gehabt haben. So, und das ist die gute Nachricht der Digitalisierung.“

Ist das ein Grund zur Aufregung?

Moment, bevor Sie das beantworten, schauen Sie sich das glückliche Gesicht von Merz an, während er das erzählt:

Nun aber: Ist das ein Grund zur Aufregung?

Unerfreulich

Der größte Teil der Aussagen von Merz sind unbestreitbare Tatsachen: Die Machtverschiebung von denen, die Nachrichten verbreiten, zu denen, die Nachrichten erzeugen, ist real. Prominente und Politiker können nun direkt mit dem Publikum kommunizieren und sind nicht mehr auf Journalisten als Vermittler angewiesen.

Unerfreulich ist das natürlich zunächst einmal für Journalisten. Es kann aber auch unerfreulich für die Demokratie und die Gesellschaft sein, wenn mächtige Menschen sich nicht mehr lästigen kritischen Fragen stellen, weil sie ihre Botschaft auch ganz ungefiltert und unhinterfragt unters Volk bringen können.

Trotzdem ist es natürlich aus Sicht desjenigen, der etwas mitteilen möchte, ein pures Glück, dass er nicht mehr auf Vermittler angewiesen ist. Und, seien wir ehrlich: Journalisten sind nicht nur die, die den Botschaften kritische Fragen und notwendige Einordnungen hinzufügen. Journalisten sind regelmäßig auch die, die Botschaften missverstehen, verdrehen oder nur nach Skandalisierungsmöglichkeiten auswählen.

Genau genommen sagt Merz nicht, dass traditionelle Medien überflüssig sind. Es sagt, dass sie nicht mehr nötig sind, um eine Botschaft an ein Publikum zu bringen.

Das ist nicht dasselbe, und selbst das ist vermutlich zu optimistisch formuliert von Merz: Über „institutionalisierte Medien“ lassen sich in der Regel immer noch viel größere Publika erreichen. Und man muss die eigenen Kanäle wirklich außerordentlich gut nutzen, um darüber erfolgreich die eigenen Interessen wahrzunehmen – wer am Ende wirklich die Deutungshoheit behält, ist noch einmal eine ganz andere Frage; im Zweifel: das Publikum.

Das ist es auch, das letztlich entscheidet, welche Bedeutung und welches Vertrauen es der Arbeit von Journalisten schenkt – ob es sie zu schätzen weiß und im Zweifel sogar dafür bezahlt. Und das wiederum hängt davon ab, in welchem Maße Journalisten mehr sind als nur Mikrofonhalter.

Der hysterisch-hilflose Aufschrei, dass man gefälligst „‚vierte Säule‘ des Staates“ bleiben müsse, wird dabei nicht helfen. Und eine erregte Überinterpretation von Aussagen bei einem Karnevalsverein auch nicht.

Inzwischen hat Friedrich Merz die aufgeregte Interpretation durch den DJV zurückgewiesen und beteuert, dass er „die Bedeutung der freien Presse an keiner Stelle in Frage gestellt“ habe.

Kampagnenverdacht

Wie das Zusammenspiel von klassischen und sozialen Medien funktioniert, sieht man übrigens auch in diesem Fall: Das Video mit den Aussagen von Merz ist schon seit drei Wochen öffentlich. Wirbel hat es erst jetzt gemacht, als die „Aachener Zeitung“ darüber berichtete.

Ausriss: „Aachener Nachrichten“

Die machte sich die Entscheidung, wie sie in einem Kasten erläutert, außerordentlich schwer. Ein Mitarbeiter der Zeitung habe die Rede gehört, aber über die Aussagen von Merz über die Rolle der Presse nicht berichtet, weil das Umfeld „als privat deklariert“ gewesen sei. Auch nach der Veröffentlichung des Videos durch den Karnevalsverein habe man zunächst nicht berichtet – aus Sorge, dass der Beitrag „als Kampagne gegen den AKV-Orden wahrgenommen“ werden könnte. Die Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst fand am 8. Februar statt.

Danach sah sich die Redaktion mit einem neuen Dilemma konfrontiert: Nach dem angekündigten Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende war Merz plötzlich wieder in den Nachrichten. Nun könnte „unsere Berichterstattung den Eindruck einer Kampagne gegen ihn erwecken“, fürchtete das Blatt. Es entschied sich aber nach langem Zögern für die Veröffentlichung und stellte nun fest, dass die Verschiebung „im Rückblick keine gute Entscheidung“ war.

Erstaunlich, wie viel Gedanken sich eine Redaktion darüber machen kann, welche Motivation in ihre Berichterstattung hineingelesen wird – anstatt einfach zu melden, was ihr meldenswert erscheint.

Unverfrorenheit

Heute nun machten die „Aachener Nachrichten“ mit dem Merz-Zitat groß auf ihrer ersten Seite auf. „Aachener Nachrichten“ und „Aachener Zeitung“ nutzten die Seite 3 um es wortgleich und fast seitenfüllend zu kommentieren.

Der stellvertretende Chefredakteur Amien Idries räumt dabei ein: „Was Merz sagt, stimmt in Teilen und wird mutmaßlich von vielen Politikern, Firmenchefs und Funktionären genauso gedacht.“ Wirklich irritierend sei allerdings „die von Merz zur Schau getragene Freude, ja fast schon Häme.“ Das hätte man vielleicht von Donald Trump „oder anderen Demokratieverächtern“ erwartet, aber „in dieser Unverfrorenheit“ nicht von Merz.

Doch am Ende eines langen Textes findet Idries eine eigene Haltung zu Merz und seinem Zitat, die sich deutlich von dem Reflex des DJV-Chefs Überall unterscheidet:

„Merz und denen, die ihm zustimmen, möchte man zurufen: Wir wollen von Ihnen nicht gebraucht werden! Wir wollen von unseren Leserinnen und Lesern gebraucht werden. Für guten Journalismus, der natürlich immer noch besser werden kann, für einen verlässlichen Wegweiser im Informationsdickicht, für unseren Beitrag zum Erhalt dieser Demokratie.

Aber das wäre wahrscheinlich etwas zu pathetisch.“

Gar nicht.

42 Kommentare

  1. Danke für diesen Kommentar. Seitdem ich heute zum ersten Mal von Merz‘ Äußerungen gehört habe, geht mir Übermedien im Kopf herum, habe ich förmlich auf einen Text dazu gewartet. Ihr beweist mir wieder einmal, dass das Geld für das Abo gut angelegt ist. Unaufgeregt eingeordnet, Hintergründe deutlich gemacht, das ist es, was ich von Euch erwarte und war Ihr mir immer wieder zuverlässig liefert.
    Genau das macht guten Journalismus aus. Um auf Merz zurückzukommen: Journalismus ist eben mehr, als Nachrichten zu verbreiten. Auswählen, einordnen, kommentieren, das ist es, was Leser, Zuhörer, Zuschauer erwarten. Ich habe die Hoffnung, dass sie uns, die Journalisten, deswegen auch in Zukunft brauchen.

  2. Danke für diesen Beitrag. Man merkt an der Berichterstattung, dass sich einige Journalisten auf den Schlips getreten fühlen und Fakten nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

  3. Schöne Einordnung! Als Ironie könnte man ansehen, dass das Journalistendasein sich bei vielen anscheinend aufs bloße Verbreiten von Nachrichten beschränkt und es sich hier massiv angegriffen fühlt. Dabei ist eine gute Einordnung etc wie in Kommentar 1 beschrieben das Herzstück des Journalismus. Fragen stellen kann letztlich jeder, aber nachhaken, kritisch sein, das ist es letztlich, was die Leser erwarten/bezahlen. Gefälligkeitsjournalismus – dafür gibt kaum ein Privatmensch Geld aus.

  4. „Erstaunlich, wie viel Gedanken sich eine Redaktion darüber machen kann, welche Motivation in ihre Berichterstattung hineingelesen wird – anstatt einfach zu melden, was ihr meldenswert erscheint.“

    Ich finde es sehr löblich, dass die AZ so offen darlegt, wieso sie erst nicht und jetzt doch darüber berichtet. Würde ich mich öfter wünschen, sowas.

  5. Die Aufregung zeigt doch schon, daß hier ein wunder Punkt getroffen wurde, wenn auch verpackt in einer „ironisierenden“ und damit mühelos dementierbaren Verpackung, dem Karneval. man ja bekanntlich analog dem früheren Hofnarren die Wahrheit sagen, ohne dafür büßen zu müssen.
    Der Analyse kann ich uneingeschränkt zustimmen. Nicht jeder Journalist handelt uneigennützig, die Sensationalisierung ist zumeist ein besserer Karrierebeschleuniger. Extreme wie die Hitlertagebücher sind zwar selten, aber sie bilden auch nur die Spitze des Eisbergs.
    Wenn man sich heute den Fernsehjournalismus, besipielhaft das HEUTE-Journal ansieht, stellt man fest, daß im früher tiefst seriösen Fernsehen heute überwiegend Sensationsnachrichten den Schwerpunkt bilden, grundsätzlich mit negativem Hintergrund. Schlimm genug, daß positive Ereignisse anscheinend keine Meldung wert sind, so ist doch die „Sensation“ gar keine mehr, da andere Medien die Meldungen der HEUTE-Redaktion längst vorweggenommen haben. Alles, was der SPIEGEL schon am Sonntag in den elektronischen Medien verbreitet, wird erst zwei Tage später bei HEUTE als brandaktuell gemeldet. Ebenso haben alle Betroffenen, wie Merz ja „dementierfähig“ dargestellt hat, auch schon ihre eigene Meinung vorbei an zensierenden Redakteuren gepostet.
    Damit ist für mich klar, daß zumindest die öffentliche Berichterstattung tatsächlich auf den Prüfstand gestellt werden sollte, insbesondere im Hinblick auf die Gebührenerhebung, der man ja nun völlig hilflos ausgeliefert ist. Merz‘ Meinungsäußerung weckt in mir gewisse Hoffnung, daß der öffentliche Rundfunk wieder auf sein Normalmaß, mit Neubesinnung auf informative „Grundversorgung“, zurückgeführt wird.

  6. Mit solchen Äußerungen stellt Merz sich auf eine Stufe mit Trump oder Sympathisanten der AFD. Wer meint, wir brauchen keine (unabhängige) Presse mehr, den brauchen vor allem wir nicht und schon gar nicht als Kanzlerkandidat.

  7. Sowohl Tagesthemen als auch Heute-Journal haben diese aufgablasene Nichtigkeit heute thematisiert. Natürlich findet sich sofort auch ein Professor, der gerne mal im Fernsehen als „Experte“ auftauchen möchte, der sich besorgt äußert…

  8. Da habe ich ja noch einmal Glück gehabt. Weil Herr Niggemeier meine Kommentare grundsätzlich nicht veröffentlicht, wird niemand erfahren, dass ich diesen Artikel für sehr notwendig und für gut gelungen halte.

  9. Wegen der 4. Gewalt …

    Aus meiner Sicht, in der alten Bundesrepublik groß geworden und medial sozialisiert, liegt es im Wesentlichen an der seit 2008 (Bankenkriese) und ab 2014 (Ukrainekonflikt) immer stärker systemisch eingemeindeten sogenannten 4. Gewalt.

    Die BRD-Regierungen und bis in die 90er, ob konservativ oder (links)liberal, sie hatten immer das Regulativ der jeweils oppositionellen Medien zu beachten. Sie mussten Medien fürchten, welche gnadenlos die „Narreteien“, gar die Schweinereien der Regierenden offenlegten.

    Das ist vorbei …

  10. Herr Niggemeier schreibt, „… das ist vermutlich zu optimistisch formuliert von Merz: Über „institutionalisierte Medien“ lassen sich in der Regel immer noch viel größere Publika erreichen. …“

    Ist es nicht der eigentliche „Knackpunkt“ des Medienwandels, dass es allen Arten von öffentlich auftretenden Personen/Parteien… eben genau NICHT darauf ankommt, „viele“ (im Sinne von: „möglichst viele“) anzusprechen/zu erreichen, sondern diejenigen, die sie erreichen *wollen*? Also ein klares Subset der „möglichst vielen“, vielleicht sogar nur ein minimaler Teil davon. Beispiel: es ist Herrn Merz/der CDU nicht daran gelegen, dass irgendein Thema von SZ, FAZ, FR, ARD/ZDF… publik gemacht wird (in welcher Weise auch immer) – es ist ihm/der Partei daran gelegen, eine bestimmte (potentielle) Wählergruppe zu erreichen, möglichst mit dem „unveränderten“ O-Ton. Das sind neben den „Followern“ (also Leute, die filterblasenmäßig Nachrichten über die jeweiligen „social media“-Kanäle beziehen) diejenigen, die potentiell angesprochen werden sollen/können – also z.B. Wähler, die unentschlossen sind, aber für Herrn Merz/die CDU „aufgeschlossen“.

    Natürlich bekommen die „zu Beeinflussenden“ die Nachrichten über die Medien *vielleicht* mit – aber nicht in der Art und Weise, die Merz/die CDU kontrolliert/beabsichtigt. Es hängt immer ein Mittelsmann/-frau, meist viele, „dazwischen“. Worauf es „heute“ aber anscheinend ankommt ist, die Mittelsleute (=alle irgendwas-mit-Medien-Leute) möglichst auszuschalten.

    Das ist ja prinzipiell ein rationales Vorhaben, wenn die technischen/medialen Rahmenbedingungen gegeben sind. Die Werbe-Leute machen das ja seit „immer“ schon so, dass sie möglichst genau ihre Botschaften an mögliche Käufer addressieren. (Deshalb ja auch der gesamte Aufwand mit Google Analytics, Cookies, Datensammelwut usw. usf.)

    Insofern kann es z.B. Herrn Merz doch tatsächlich egal sein, ob er bei einem beliebigen Thema über „institutionalisierte Medien“ verbreitet wird, wenn dabei 50% und (weit) mehr der erreichten Leute sich entweder gar nicht für das Thema interessieren oder sowieso gegen alles sind, was Herr Merz/die CDU aufs Tapet bringt. Was er und alle anderen Propagandisten (ihrer jeweiligen Sache) wollen, ist möglichst genau und direkt diejenigen zu erreichen, die durch ein Thema oder eine Person/Sache angesprochen werden sollen – und vor allem AUCH diejenigen, die keine „klassischen“ Medienkanäle (mehr) nutzen (was „heute“ wohl durchaus mehr sind, als sich Journalisten im Alltag klarmachen können/wollen).

  11. @11 / AJKI

    „und vor allem AUCH diejenigen, die keine „klassischen“ Medienkanäle (mehr) nutzen (was „heute“ wohl durchaus mehr sind, als sich Journalisten im Alltag klarmachen können/wollen).“

    Sehe ich ebenso! Als alter 68er, der sich nicht mit den neuen, systemfrommen Linken anfreunden kann, daher wohl eher als Querfrontler durchgeht.

    Von taz bis Tichy’s lese ich viel, glaube wenig, hinterfrage alles, denke selbst (frei nach Albrecht Müller) und kann die gepflegte Bigotterie der transatlantisch-neoliberal eingebundenen sog. Qualitätsmedien oft nur noch mit Spott und Fatalismus ertragen; ist so eine Art Ventil.

  12. @11: Nennt sich „Zielgruppe“.
    Politiker müssen die besten Werbe-Leute sein, da das Produkt, das sie verkaufen keine inhärenten Merkmale (Grundnutzen) besitzt.
    M. E. ist „Werbung“ in DE viel zu negativ konnotiert.

    Als ob es verwerflich wäre, sich an diejenigen zu wenden, die einem zuhören.

  13. Herbert Hauck/ #7:

    „Merz‘ Meinungsäußerung weckt in mir gewisse Hoffnung, daß der öffentliche Rundfunk wieder auf sein Normalmaß, mit Neubesinnung auf informative „Grundversorgung“, zurückgeführt wird.“

    Ich wußte ja, dass es darauf hinausläuft, ABER:

    „Schlimm genug, daß positive Ereignisse anscheinend keine Meldung wert sind, so ist doch die „Sensation“ gar keine mehr, da andere Medien die Meldungen der HEUTE-Redaktion längst vorweggenommen haben. Alles, was der SPIEGEL schon am Sonntag in den elektronischen Medien verbreitet, wird erst zwei Tage später bei HEUTE als brandaktuell gemeldet. “

    Das können Sie doch sicher empirisch belegen, vor allem in der von Ihnen formulierten Absolutheit („alles“) – selbst wenn die etwas überspitzt ist.

    Oh, und btw.: das mit der „informativen Grundversorgung“ ist in der Formulierung Humbug, aber ich vermute, das wissen Sie.

  14. @7,9,10
    Diesen Dreh gegen den ÖR teile ich nicht. Die politische Berichterstattung ist sehr divers und meistens regierungskritisch. (Und zum Teil auch durchaus system-, also kapitalismuskritisch) Insbesondere der Verweis auf die Gebühren derailed sehr, zumal die erwähnten Nachrichtensendungen nur einen speziellen (mutmaßlich sogar kleinen) Teil des Budgets ausmachen.

  15. @11
    Selbst die AfD-Leute drängen aber sehr in die institutionalisierten Medien und wissen die von Herrn Niggemeier erwähnte starke Reichweite zu schätzen. Von daher ist Ihr Abgesang da noch etwas deplatziert, finde ich.

  16. @13:EBERTUS
    Ich sehe das ganz genau so. Dazu kommt noch, dass ich, weil ich 90% der berichteten Vorgänge nicht beeinflussen und auch keinen praktischen Nutzen daraus ziehen kann, Journalismus für reine Unterhaltung und Journalisten für die Bänkelsänger der Gegenwart halte.

  17. #18, „… Abgesang da noch etwas deplatziert …“

    Irgendein „Abgesang“ auf „klassische“ Medienkanäle liegt mir fern – das habe ich auch nicht gemeint/geschrieben.

    Es ging um eine Äußerung von Herrn Merz, die mit einer ganz bestimmten Perspektive verbunden ist: ein Politiker / eine Partei / irgendein Propandist einer Sache urteilt über die heutige Medienlandschaft dahingehend, dass er „heute“ mit den gegebenen Mitteln die „Mittler“ überspringen kann im Gegensatz zu „früher“ (und das das aus dieser Perspektive „gut/richtig“ ist). Diese Perspektive halte ich für „rational“ und folgerichtig – und stimmig, wie eine ganze Reihe von Beispielen der letzten Jahre gezeigt hat (ob man die Beispiele nun jeweils als „gut“ oder „schlecht“ beurteilt, tut hier nichts zur Sache – also etwa populistische Strömungen oder Affekt-Aktivismus der „Grünen“).

    Dass es völlig unabhängig von den „direct marketing“-Ansätzen AUCH ein starkes Interesse aller Propagandisten gibt, möglichst hohe Reichweite zu haben und daher gerne auch „klassische“ Medienkanäle bespielen (vor allem: unter ihrer Kontrolle), steht dem nicht entgegen.

  18. Es erinnert mich fatal an daran, wie große Teile „der Presse“ über das Leistungsschutzrecht „berichteten“.

    Es kommt ein bisschen der Verdacht hoch, dass es mit dem hehren Anspruch auf Wahrheit nicht mehr weit her ist, sobald die eigenen Fleischtöpfe in Gefahr sind.

    Das einzige, das ich aus dem Gejammer heraushöre: „Mimimi, der merz hat gesagt, für PR werden wir gar nicht mehr gebraucht.“

  19. „weil ich 90% der berichteten Vorgänge nicht beeinflussen und auch keinen praktischen Nutzen daraus ziehen kann“

    Also Kochsendung statt Tagesschau? Oder beides kombiniert?

    Oder alternativ: Wumpe, weil das anderen anders geht und nicht alles für jeden ist?

    Und sowieso: nix gegen Bänkelsänger.

    PS: Die Freischaltung eines zusätzlichen Kommentars hat insgesamt für Chaos gesorgt und u.a. dafür, dass Max Niggemeier einen „Boomer“ nennt.

  20. Das besagte Youtube-Video war schon seit dem 27. Januar öffentlich für Jedermann abrufbar, da war nichts „als privat deklariert“. Das lange Zögern der Lokalpresse wirft – wie auch oben erwähnt – kein gutes Licht auf einen selbsternannten „verlässlichen Wegweiser im Informationsdickicht“.

    Als Eingeborener würde ich eher davon ausgehen, dass man bei der AZ im Öcher Mikrobiotop Keinem ans Bein pinkeln wollte, bevor die große Show (AKV-Sitzung) abgedreht und ausgestrahlt war. Im Raum war halt auch die Crème der Öcher-man-kennt-sich-Fraktion, mit der man es sich beim Zeitungsverlag (pardon, Medienhaus) sicher nicht verscherzen wollte.

    Nebenbei: Am Ende des besagten Videos lästert der Privatflieger Merz ja auch noch über die fehlende Intelligenz von Menschen, welche U-Bahn fahren (via Dieter Nuhr), auch hier mit erkennbarer Häme. Ich denke, auf dieser Veranstaltung durfte Merz mal ungestört unter Freunden frei von der Seele weg reden, und so muss man es auch aufnehmen.

  21. Wenn in Deutschland einer „Wir“ sagt, wird das Land ja regelmäßig zum gackernden Hühnerstall und fühlt sich in seiner „nationalen Identität“ attackiert. Wen aber meinte Merz nun mit „Wir“? Er erläuterte es ja in den nachfolgenden Sätzen: „Wir Politiker“ brauchen keine Journalisten mehr als unsere Sprachrohre, wir haben die digitalen Möglichkeiten erkannt und brauchen sie nur noch zu nutzen. Also so wie der Horst S., seines Zeichens Bundesinnen- u.a. Minister, der das Twittern nach drei Tweets wieder aufgab, um mehr Zeit für seine Eisenbahn zu haben.

    Aber ist doch schon schön und ein Fortschritt, soviel Einsicht, dass man die Medien eigentlich nur zur Propagierung seiner Propaganda brauchte. Wenn das jetzt auch die Journalisten einsehen, könnten sie endlich anfangen, ihre Arbeit zu machen, die da heißt: Information!

  22. #8 Christiane Winkler

    Mit solchen Äußerungen stellt Merz sich auf eine Stufe mit Trump oder Sympathisanten der AFD. Wer meint, wir brauchen keine (unabhängige) Presse mehr, den brauchen vor allem wir nicht

    Dass Herr Merz genau das gerade nicht gesagt hat ist eigentlich Thema der Kolumne, die Sie kommentieren. Man muss ihn wirklich nicht mögen, um das anzuerkennen.

    #24 Peter Sievert

    Ihre Formulierung erweckt etwas den Eindruck, Sie würden auf den Duden verlinken. Frau Ouassil schreibt auf Übermedien eine Kolumne. Darin vertritt sie eine Meinung, sie erklärt nicht die Wahrheit.

    Für die Meinung, das „Ok Boomer“-Meme rekurriere ausschließlich auf eine Geisteshaltung, obwohl „Boomer“ nun einmal eine Generationenbezeichnung ist, hat sie in der dortigen Kommentardiskussion entsprechend Gegenwind bekommen.

  23. Lob:
    Super gemacht, Stefan Niggemeier.
    Tadel:
    Im Durchschnitt ein Text pro Woche von einem Chef und Gründervater von Übermedien ist ein dezenter Anhaltspunkt für Faulheit.

  24. @26
    Meinetwegen. Das klären Sie bitte dann mit dem Absender.
    @27
    Sehe ich insofern anders, als dass Frau El Ouassil eine sehr informierte und mit vielen Links unterfütterte Meinung hat und die Foristen ausm hohlen Bauch es besser wissen wollen. Aber wenn sie meinen zitiere ich gerne auch Wikipedia:
    “ ‚OK Boomer‘ is a catchphrase and internet meme that gained popularity among younger cohorts from 2019, used to dismiss or mock attitudes stereotypically attributed to the baby boomer generation.“

    Die „Einstellungen“ unabhängig vom Alter sind halt also das womit man aufgezogen wird und die Boomer sind nur der plakative Stereotyp dafür.

  25. #20
    Nur die echten Boomer, also die amerikanischen, enden mit dem Jg. 1964. In Deutschland setzte der Pillenknick erst 1969 ein, also ca. eine Schwangerschaftsdauer nach ˋ68. Die Babybooms waren überhaupt deutlich zeitversetzt. Die Sozialisationen derer, die zu der Alterskohorte gezählt werden, sind für ein global verwendetes Stereotyp /Hashtag viel zu heterogen. Mehr Kollateralschaden als Treffer.
    Man sollte die Floskel in den Orkus werfen und sich etwas Witzigeres ausdenken, das ohne alterdiskriminierende Nebenwirkungen auskommt.

  26. @JUB 68
    Wer so viele mein Denken bereichernde Autoren auf seiner Plattform versammelt, dem sei die »Faulheit« verziehen.

  27. Alternativ könnte man ja inhaltlich darüber nachdenken, warum jemand mit „Ok Boomer“ antwortet, obwohl man keiner ist.

  28. @32 „Die Sozialisationen derer, die zu der Alterskohorte gezählt werden, sind für ein global verwendetes Stereotyp /Hashtag viel zu heterogen. “

    Wird denn das Stereotyp tatsächlich global verwendet, oder nur in Gesellschaften bestimmten Typs, die über eine Baby-Boom-Phase hinaus auch viele Parallelen haben (ich meine die sog. westliche Welt, kapitalistisch-demokratische Gesellschaften)? Ich habe den Ausdruck noch nie in einem anderen Kontext wahrgenommen. Der Einwand mit der Heterogenität lässt sich im übrigen auf so ziemlich jeden Generationenbegriff ausdehnen, ist also nicht wirklich ein Einwand gegen die „Boomer“, sondern gegen die Verwendung der Generationskonstruktion im Allgemeinen.

  29. @24: STEFAN PANNOR Sie müssen mich nicht absichtlich missverstehen. Zur Klarstellung: ich habe nichts gegen Bänkelsänger, nichts gegen Journalismus und nichts gegen Unterhaltung. Eine Mischung aus Tagesschau und Kochshow kann ich mir gut vorstellen: z.B. *Nachricht: Trump ätzt gegen Merkel, Kochen: 2 Köche treten mit den Lieblinggerichten der Beiden gegeneinander an.* Was mich stört, ist die Selbstüberschätzung, mit der Journalisten ihrer Arbeit den Anschein von Relevanz geben. Wirklich relevant sind amtliche Bekanntmachungen, Veranstaltungshinweise, Verkehrsfunk u.Ä.. Aber die findet man nicht z.B. in der Tagesschau oder der Bildzeitung und auch nicht in „Welt“, „Zeit“ und „Süddeutsche“ oder den ganz besonders wichtigen „Übermedien“ (die ich sogar besonders gerne lese).

  30. Doch, doch, Amien Idris ist pathetisch. Nämlich das hier:
    „für unseren Beitrag zum Erhalt dieser Demokratie“

    Diese albernen Beteuerungen von allen Seiten, man wolle/müsse die Demokratie erhalten, gehen mir echt auf die Nerven. Das ist nicht nur eine Nummer zu groß. Es scheint überdies eine Parole zu sein, mit der sich unsere „Haltungsjournalisten“ zu erkennen geben.

  31. Ich halte das Wetter z. B. für relevant. Und Fußballergebnisse. Also Tagesschau nur noch Wetter und Fußball?
    Sicherlich eher weniger konsensfähig.
    (Was nicht heißt, dass man die derzeitige Programmauswahl nicht kritisieren dürfe. Aber halt nicht mit „Relevant ist, was ich dafür halte“.)

  32. „Wirklich relevant sind amtliche Bekanntmachungen, Veranstaltungshinweise, Verkehrsfunk u.Ä.. Aber die findet man nicht z.B. in der Tagesschau oder der Bildzeitung und auch nicht in „Welt“, „Zeit“ und „Süddeutsche“ oder den ganz besonders wichtigen „Übermedien“ (die ich sogar besonders gerne lese).“

    Ach so, Sie wollen einen Staatsfunk mit angeschlossenem Entertainment-Abteil. Sagen Sie das doch gleich. Das ist kein Sarkasmus: Wer Nachrichten auf „amtliche Bekanntmachungen“ reduziert (plus ein bißchen Servicetainment), weil nur das relevant sei, der will keinen freien Journalismus, der will gar keinen Journalismus, der will, dass der Staat ihm erzählt, was der Staat ihm erzählen will, und mehr nicht.

    Und auf Übermedien mehr Verkehrsfunk. Ja, das ist hier definitiv ein Defizit, das gibts hier nur ganz selten, da haben Sie recht.

  33. @40:STEFAN PANNOR
    Sie wollen oder können es nicht verstehen. Ich reduziere keine Nachrichten auf „amtliche Bekanntmachungen“ und ich will auch keinen „Staatsfunk“. Ich unterscheide lediglich zwischen nützlich/wichtig und unnütz/unwichtig. Es liegt in der Natur der Sache, dass Berichte über bereits Geschehenes reine Unterhaltung, also unnütz/unwichtig sind, weil sie sich auf Sachverhalte beziehen, die ich im Nachhinein weder beeinflussen noch ändern kann. Sie befriedigen lediglich meine Neugier oder Sensationslust und dienen dazu, dass ich darüber diskutieren, mich freuen oder aufregen kann. Einen praktischen Nutzen haben sie nicht. Nützlich/wichtig sind nur Nachrichten, auf Grund derer ich mein Verhalten einstellen und damit etwas beeinflussen kann. So einfach ist das!

  34. Sie teilen zwischen relevant und irrelevant.

    Wobei alles, was Ihnen Möglichkeit der demokratischen Teilhabe gibt, als irrelevant erscheint, und alles, was über staatliche Kanäle gelenkt wird, als relevant.

    Das ist ja sonnenklar, weil kein Staat der Welt, keine Regierung und keine Behörde ihr eigenes Versagen, ihre eigenen Fehler via amtlicher Bekanntmachungen formulieren wird, vor allem dann nicht, wenn er nicht dazu gezwungen wird z.B. über das Regulativ der Öffentlichkeit, zu der der Journalismus gehört.

    Das gilt noch mehr bei internationalen Nachrichten. Sie können gern darauf vertrauen, dass Trump, Putin und Kim stets dieWahrheit verlautbaren und das zur Formung Ihres Weltbildes genügt.

    Aber ich würde mich nicht darauf verlassen.

    Doch, es bleibt dabei: im Kern lehnen Sie mit Ihrer Forderung die Demokratie ab und zeigen ein Staatsvertrauen, das mich in höchstem Maß verwirrt. Wer den praktischen Nutzen von Information in einer Demokratie nicht versteht, hat die Demokratie nicht verstanden.

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