Medien-Startup „The Buzzard“ in der Kritik

Den Blick auf die Welt weiten – mit rechtsradikalen Blogs?

Das Medien-Startup "The Buzzard" will den öffentlichen Diskurs verbessern, indem es zu einer Debatte verschiedenste Perspektiven verlinkt. Doch wo genau die Grenzen verlaufen, hat es bislang nicht definiert. Auch extrem rechte, islamfeindliche und unseriöse Seiten dienten als gleichwertige Quellen. Einige prominente Unterstützer wenden sich nun ab.

Fast 170.000 Euro hat das Medien-Startup „The Buzzard“ bislang mit einer Crowdfunding-Kampagne eingenommen. Es geht um die Rettung „unserer Demokratie“. Die sei in Gefahr, heißt es gleich im ersten Satz des Crowdfunding-Werbevideos. „Populisten bestimmen den Diskurs“, heißt es weiter. „Extremisten gewinnen an Macht, weil sie mit einfachen Antworten überzeugen.“ Es folgt eine Warnung vor Filterblasen, vor Algorithmen, die bestimmen, was wir sehen und lesen. Und schließlich die Lösung: „The Buzzard“.

Das Startup rund um die Gründer und Geschäftsführer Dario Nassal und Felix Friedrich hat eine App entwickelt, mit der es für einen Diskurswandel sorgen will. Das funktioniert in etwa so: Zu einer kontroversen Frage (zum Beispiel: „Sollten wir uns in der EU mehr gegen Flüchtlinge abschotten?“) sucht das „Buzzard“-Team mehrere Artikel, in denen verschiedene Positionen vertreten werden. Von links bis rechts, von Massenmedien bis zu kleinen Blogs und „Alternativmedien“. Die Artikel werden verlinkt und auf der Buzzard-Plattform zusammengefasst, außerdem werden die politischen Positionen der verlinkten Websites und AutorInnen steckbriefartig eingeordnet. Den LeserInnen soll das helfen, sich vielfältig zu informieren und Andersdenkende zu verstehen. In den Worten von „Buzzard“-Gründer Felix Friedrich:

„Mit Buzzard bekommst du einen ganz neuen Zugang zur Nachrichtenwelt. Eine App, die deinen Blick weitet für Perspektiven des ganzen Meinungsspektrums.“

Sie soll im Frühjahr 2020 starten, genug Geld dafür hat das Unternehmen gesammelt. Ein Blick auf den „Buzzard“-Prototypen, der noch bis August dieses Jahres mit aktuellen Debatten bestückt wurde, gibt jedoch bereits einen Vorgeschmack. Die Plattform ist schon 2017 online gegangen. Seitdem wurden dort Debattenbeiträge zu mehr als 100 Themen empfohlen.

Rechtsextreme Blogs auf Augenhöhe

Vor allem für die Auswahl der dort empfohlenen Quellen steht „The Buzzard“ jetzt in der Kritik. Eine der ersten auf der Plattform veröffentlichten Debatten drehte sich im April 2017 um die Frage: „Wäre Marine Le Pen eine gute französische Präsidentin?“ Die Präsidentschaftswahl in Frankreich stand vor der Tür, die Politikerin des rechtsextremen „Rassemblement National“ hatte realistische Chancen, die Wahl zu gewinnen. Um „beide Seiten“ der Debatte abzubilden, empfahl „The Buzzard“ einerseits einen Artikel des US-Onlinemediums VOX, in dem erklärt wird, wie Le Pen versucht, ihre rechtsextreme Partei zu „entdämonisieren“. Und andererseits einen Text des rechtsextremen und islamfeindlichen Blogs „PI-News“, in dem die Autorin zu der Schlussfolgerung kommt, Le Pen nehme die Ängste der Franzosen ernst und Medien wie die „Zeit“ würden sie in ein falsches Licht rücken.

Die tiefgehende VOX-Analyse steht plötzlich auf Augenhöhe mit einem deutschsprachigen Zentralorgan rassistischer und islamfeindlicher Niedertracht, mit einem Blog, das Propaganda statt Berichterstattung betreibt und immer wieder Falschmeldungen verbreitet.

Seit wenigen Tagen wird vor allem diese Buzzard-Leseempfehlung auf Twitter heftig diskutiert. Einigen prominente Medienschaffende haben das Unternehmen bei seinem Crowdfunding unterstützt. Richard Gutjahr wird auf der „Buzzard“-Seite ebenso als Unterstützer gelistet wie die ARD-Journalistin Natalie Amiri, der „Spiegel“-Autor Markus Feldenkirchen und der „Focus“-Kolumnist Jan Fleischhauer.

Seit Mittwoch hat „The Buzzard“ jedoch mehrere UnterstützerInnen verloren. So etwa die freie Journalistin und Kolumnistin Hatice Akyün, den „Tagesspiegel“-Korrespondenten Matthias Meisner und den ehemaligen CDU-Generalsekretär (und Twitter-Influencer) Ruprecht Polenz. Von der bisherigen Arbeitsweise des Startups waren sie offenbar überrascht. Auch die Journalistin Özlem Topçu zog ihre Unterstützung am Donnerstag zurück und erklärte, „The Buzzard“ habe ihr Vertrauen verspielt.

Als Reaktion auf die Kritik erklärte Buzzard-Geschäftsführer Dario Nassal auf Twitter, man habe mit der Empfehlung des rechtsextremen Blogbeitrags zeigen wollen, „wie das Narrativ von Rechtspopulisten funktioniert. Es mag sein, dass uns das in diesem Fall nicht gelungen ist.“ Der Fall ist jedoch kein Einzelfall.

Parallel zu den Debattenbeiträgen um Marine Le Pen wurde im April 2017 auch ein Pro- und Contra-Paket zu Emmanuel Macron veröffentlicht. Gegen den heutigen französischen Präsidenten ließ „The Buzzard“ das Blog „American Everyman“ ins Feld ziehen. Im empfohlenen Beitrag der mittlerweile offline genommenen Internetseite wird Macron als das „handgefertigte Werkzeug der neoliberalen globalistischen Eliten“ bezeichnet. Daneben finden sich auf der Seite (die noch über das Internet-Archiv abrufbar ist) diverse Verschwörungstheorien etwa über 9/11 und die rechtsextremen Anschläge von Anders Behring Breivik.

Erst im Mai 2019 empfahl „The Buzzard“ einen Artikel der rechtsradikalen Seite „Journalistenwatch“ zu der Frage, ob eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung gut für Europa ist.

Ebenfalls empfohlen wurden unter anderem das „Alt Right“-Medium Breitbart, die russischen Staatsmedien RT und Sputnik, die Verschwörungstheorie-lastige Seite „Rubikon“ und das Blog der rechten Publizistin und Falschmeldungsverbreiterin Vera Lengsfeld.

Zweifelhafte Einordnungen

An der bisherigen „Buzzard“-Arbeitsweise irritiert nicht nur die Auswahl der Quellen. Auch die politischen Einordnungen der verlinkten Seiten und AutorInnen werfen Fragen auf. Über das rechtsextreme „PI-News“ heißt es beispielsweise: „Der Blog ‚Politically Incorrect‘ bezeichnet sich als ‚proamerikanisch‘ und ‚proisraelisch‘ sowie gegen den ‚Mainstream‘ und eine ‚Islamisierung Europas‘ gerichtet und setzt sich nach eigenen Angaben für das ‚Grundgesetz und Menschenrechte‘ ein, welche er ‚aufgrund der immer mehr um sich greifenden Ideologie des Multikulturalismus‘ bedroht sieht.“ Statt einer kritischen Einordnung anhand nachvollziehbarer Kriterien wurde sich offenbar auf die Selbstbeschreibung verlassen. Die politische Position der Autorin wird als „islamkritisch, rechtspopulistisch“ eingestuft.

Über das vollständig vom Kreml kontrollierte russische Staatsmedium RT heißt es an anderer Stelle: „Wie der gesamte Sender ist auch der deutsche Ableger wegen seiner einseitigen Berichterstattung und seiner propagandistischen Nähe zum Kreml umstritten.“

Über Rubikon schreibt „The Buzzard“ lediglich: „Das RUBIKON-Magazin sieht sich als Informationsplattform abseits des Mainstreams – für die kritische Masse.“

Erstmal mit dem Beirat reden

Während der „Prototyp“ von den Buzzard-Machern vor wenigen Tagen noch aktiv als transparenter Einblick beworben wurde, „welche Medien mit aufgenommen werden können“, erklärt Dario Nassal nach der massiven Kritik und einigen zurückgezogenen Unterstützungen, dass es in Zukunft doch anders weitergehen soll und man in der Vergangenheit Fehler gemacht habe. Der Prototyp sei „nicht repräsentativ für die Arbeit, die wir in den nächsten Jahren machen werden“, teilt er auf Übermedien-Anfrage mit.

„Wir distanzieren uns von allen Medien und Medienmachern, die rechtsextreme Tendenzen haben und menschenverachtende Äußerungen tätigen“, schreibt er. „Hier ist die Grenze für Meinungsvielfalt in jedem Fall erreicht.“

Warum in der Vergangenheit dennoch Beiträge rechtsextremer Medien empfohlen wurden, erklärt er so:

„Grundsätzlich finden wir es schwierig, zu schnell Quellen pauschal auszuschließen, wenn man den Wert der Perspektivenvielfalt und der Diskursabbildung als Ziel verfolgt. Das könnte schnell zu einer Spirale der Zensur führen, wenn man erst einmal anfängt erste Quellen komplett auszugrenzen.“

Sie hätten sich stattdessen bislang dafür entschieden, „auf Textbasis zu entscheiden, ob die Perspektiven unseren Maßstäben entsprechen und zum Beispiel keine volkshetzerischen, menschenverachtenden oder rassistischen Äußerungen enthalten. Das bedeutet: Texte jeweils einzeln zu prüfen, anstatt eine rote Flagge für ein ganzes Medium zu vergeben.“

Dario Nassal erklärt auch, warum 2017 die Wahl auf den „PI-News“-Text fiel:

„Wir hatten den Text damals ausgewählt, weil er eine anhand von Textbeispielen und Argumenten vorgetragene Medienkritik enthält, insbesondere gegenüber der ‚Zeit‘, die zu verstehen hilft, warum viele Franzosen, die Front National wählen, sich ungerecht behandelt fühlen: Diese Menschen empfinden es als ungerecht, dass man Le Pen unterstellt, sie schüre Angst.“

Den „Journalistenwatch“-Artikel im Mai 2019 hätten sie ausgewählt, „um zu zeigen mit welchem Narrativ und welchen Argumenten Menschen am rechtsextremen Rand der Gesellschaft gegen die Arbeitslosenversicherung wettern.“

Bei der neuen „Buzzard“-Version solle es nun „ein neues Prüfverfahren von Quellen insgesamt“ geben. Wie das aussehen soll, ist bislang jedoch unklar. Welche Medien künftig ausgeschlossen werden, solle in den kommenden Wochen „gemeinsam mit dem Beirat und der Community“ entschieden werden. Gemeint ist der journalistische Beirat des Unternehmens, der besetzt, aber bislang noch nicht zusammengekommen ist. Die Mitglieder Richard Gutjahr und „Zeit Online“-Chefredakteurin Maria Exner kündigten als Reaktion auf die massive Kritik auf Twitter bereits Diskussionsbedarf an. Die freie Journalistin Anett Selle verabschiedete sich nicht nur aus dem Beirat, sondern entzog „The Buzzard“ ebenfalls ihre Unterstützung. Sie habe es vorab zur Bedingung für ihre Unterstützung gemacht, dass keine „Quellen, die Hetze & Unwahrheiten verbreiten“ gestreut werden, schrieb sie. „Das wurde mir versichert. Lol.“

Das soll sich ändern

Bereits beschlossene Sache: Die empfohlenen Meinungsbeiträge sollen künftig auf die „faktische Richtigkeit der Kernthesen“ überprüft werden. „Wir setzen auch auf die Crowd, die uns bei diesem Vorhaben unterstützt und fragliche Faktenlage in der Zukunft kennzeichnen können soll“, teilt Dario Nassal mit.

Auch die verlinkten Seiten insgesamt sollen demnach künftig überprüft und eingeordnet werden: „Wer finanziert das Angebot? Welche Menschen stecken hinter der Seite? Gibt es außerhalb des empfohlenen Beitrags hetzerische Inhalte?“ Ob Seiten dann im Zweifelsfall mit einer Warnung versehen oder pauschal ausgeschlossen werden, solle gemeinsam mit dem Beirat entschieden werden. Bei der Einordnung der Seiten und AutorInnen wollen sich die „Buzzard“-Macher laut Dario Nassal außerdem künftig nicht mehr auf beschönigende Selbstbeschreibungen verlassen.

Erst das Geld, dann das Konzept

Festzuhalten bleibt: „The Buzzard“ hat es nach zweieinhalb Jahren laufenden Betriebs des Prototyps nicht geschafft, ein funktionierendes Konzept für den Umgang mit rechtsextremen, rassistischen und verschwörungstheoretischen Seiten zu entwickeln.

Erst nach einigen öffentlichen Auftritten, einer sehr erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne und einer Flut aus Kritik und Distanzierungen soll das nun gemeinsam mit dem vorab offenbar unzureichend über das Projekt informierten journalistischen Beirat ausgearbeitet werden.

Gelungener als das Konzept ist die „Buzzard“-PR: Das Startup hat es geschafft, Medienprofis als UnterstützerInnen zu gewinnen, die es offenbar versäumt haben, sich ein Bild davon zu machen, für was sie da eigentlich werben.

Was den professionellen und kritischen Umgang mit Quellen umso dringender macht: Mit ihrer App wollen die Buzzard-Macher ab dem Frühjahr auch SchülerInnen erreichen. In mehreren Bundesländern haben Unternehmen bereits kostenlose „Buzzard“-Zugangsberechtigungen für alle SchülerInnen und LehrerInnen des Landes gesponsert.

20 Kommentare

  1. Zum Schmunzeln, dieser Text. In der Echokammer eines guten Journalismus hat der rosa (braune?) Elefant im Zimmer nichts zu suchen; obwohl es ihn nicht nur gibt, sondern er offensichtlich wächst und wächst.

    So zumindest der Eindruck, wenn die vor ihm warnenden Stimmen ebenfalls wachsen und wachsen, auch diesseits strafbarer Relevanz zunehmend den politisch korrekten McCarthy geben.

  2. @Ebertus
    Das die braunen Elefanten nicht thematisiert werden, ist offensichtlich falsch. Dass man sie nich fördert von Seiten der freiheitlichen-demokratischen Presse, ist natürlich eine Frage der Bewertung der Inhalte. Aus meiner Sicht eine Frage der objektiv möglichen und zum Teil sehr einfachen Bewertung.
    Der Vergleich zur McCarthy-Ära ist zum Beispiel objektiv falsch. Wikipedia spricht von antikommunistischen Verschwörungstheorien und Denunziation, dort wurden viele Meinungen aktiv von staatlicher Seite unterdrückt und es hatten zweifellos Unschuldige zu leiden.
    Davon kann keine Rede sein, wenn man die besagten Blogs einfach nur nicht verbreiten will – im Gegensatz zu unterdrücken.
    Im Fall von PI und ähnlichen ist es genau umgedreht. Diese braunen Elefanten betreiben bewusste Denunziation, Lüge und Manipulation. Es ist somit schlichtweg falsch, Ihnen einen unkommentierten Rahmen zur Verbreitung zu geben und ebenso falsch und geradezu zynsich, sofern man über einen moralischen Kompass besitzt, sie als unschuldige Opfer der freien Berichterstattung darzustellen, wie Sie es tun.

  3. @2 Ebertus:
    Ich halte es da mit Holger Klein: Man muss nicht mit rechtsextremen reden. Man muss aber über sie reden!

  4. @Peter Sievert

    „Das die braunen Elefanten nicht thematisiert werden, ist offensichtlich falsch. “

    habe ich auch nicht geschrieben, im Gegenteil darauf hingewiesen, dass die davor warnenden Stimmen wachsen und wachsen. Es vergeht ja kaum ein Tag, es gibt kaum ein gutes Medium, welches nicht permanent und mit erkennbar würgender Attitüde vor diesem „Hitler next door“ warnt.

    Da gehe ich sogar -was selten vorkommt- mit dem Broder konform. Der stellt, aus meiner Sicht sehr richtig fest, dass dieses permanente Nazi, Nazi-Geschrei die realen Greultaten des Nationalsozialismus mehr als verharmlost. Die letzte, skurrile Aktion des doch in Sachen Höcke und Co. medial gut gelittenen ZPS machte dann selbst eben diese Unterstützer etwas ratlos – vorsichtig ausgedrückt …

  5. @Gunnar
    So sehr ich die Nachdenkseiten auch mag, vor allem für ihre „Hinweise des Tages“ so sehr verrennen Albrecht Müller und Jens Berger von Jahr zu Jahr mehr in Verschwörungstheorien und sehen überall nur noch Meinungsmanipulation. Dieser Blog disqualifiziert sich zunehmend selbst und ich kann es mittlerweile verstehen, wenn Leute diesen Blog kritisch sehen.

  6. Das wohl wichtigste Argument der Buzzard-Macher für die Einbindung der angesprochenen Beiträge wird im Artikel zitiert:
    „Grundsätzlich finden wir es schwierig, zu schnell Quellen pauschal auszuschließen, wenn man den Wert der Perspektivenvielfalt und der Diskursabbildung als Ziel verfolgt. Das könnte schnell zu einer Spirale der Zensur führen, wenn man erst einmal anfängt erste Quellen komplett auszugrenzen.“

    Und das wäre ja durchaus ein valides Argument. Dennoch sollte es selbstverständlich sein, dass Quellen, die in der Vergangenheit durch hetzerische und verschwörungstheoretische Fake News aufgefallen sind, auf eine schwarze Liste kommen, die man wiederum transparent machen könnte. Doch dazu müsste man sich mit diesen Quellen erst einmal beschäftigen, wenn man schon keinerlei Ahnung hat.

    Der von Gunnar in @1 verlinkte Twitter-Thread deutet hingegen darauf hin, dass man dazu einfach keine Lust hat. Über Twitter zu fragen „Also was denkt Ihr denn so darüber?“ anstatt sich z.B. die Nachdenkseiten einfach mal anzusehen, das lässt auf eine ganz ungute Mischung aus Ahnungslosigkeit und schlichter Faulheit schließen. Und das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für so ein Angebot. Das man dann sogar noch auf Schüler loslassen möchte.

    Also: Idee gut, Ausführung ungenügend.

  7. So sehr ich die Nachdenkseiten auch mag, vor allem für ihre „Hinweise des Tages“ so sehr verrennen Albrecht Müller und Jens Berger von Jahr zu Jahr mehr in Verschwörungstheorien und sehen überall nur noch Meinungsmanipulation.

    Das finde ich eine interessante These.

    Ich verfolge den Block auch seit vielen Jahren und finde er wird von Jahr zu breiter was die Themen und Meinungen angeht und man erfährt viel über Hintergründe, die in anderen Medien nicht thematisiert werden.

    Gerade wenn es um soziale Themen geht, sind die Hintergründe über Manipulationen z.b. des Bertelsmann Verlag hilfreich, um zu verstehen warum der deutsche Arbeitgeber in der Vergangenheit recht kritiklos Rentenkürzungen um fast 50% über sich ergehen lassen hat und warum die Medien aktuell aus Frankreich über angebliche „notwendige Reformen“ berichten, wenn die dortigen Arbeitnehmer dies eben nicht so hinnehmen wollen. Wir lesen und hören dagegen in nahezu allen „etablierten“ Medien wie notwendig diese Kürzungen waren um die Wirtschaft anzukurbeln.

    Und wenn es sich dabei um Verschwörungtheorien handelt, ist für mich als davon Betroffener belanglos. Ich muss damit leben und würde gerne Wissen was dahinter steht.

    Taurig ist aber diese Hegemonie der Presseerzeugnisse. FAZ, Taz, Stern, Spiegel, Focus, Zeit, FR, Tagespiegel, Handelsblatt usw. waren früher ein Synomym für eine breite Vielfalt unterschiedlicher Standpunkte, diese finden sich heute nur noch in Nuancen.

    In Anbetracht von vergangenen Skandalen und Peinlichkeiten dann Medien wie RT ohne Argumente pauschal jede Legitimation abzustreiten, zeugt auch nicht davon das jemand ein Interesse an Meinungsvielfalt hat. Denn selbst wenn diese die russische Perpektive vermitteln müsste dies im Sinne eines Pluralismus wünschenswert sein. Wer sonst ausser jemand die zumindest Sympathien für Russland hat sollte dies denn tun?

    Und so muss man natürlich auch rechte Medien als Standort von rechter Meinung anschauen. Wer das nicht erträgt dürfte in einer offenen Gesellschaft schnell überfordert sein.

  8. @C.Weber
    Ich sehe es auch so, dass neben lesenswerten Artikeln dort auch für mich nicht interessanter Polemik (zumindest Müller neigt mittlerweile zu unnötiger Konfrontation) erscheint. Wenn auf social media so verallgemeinert schon Nachdenkseiten etc. in einen Topf mit PI und Co geworfen werden, besteht aber die Gefahr, dass das Buzzard-Projekt ad absurdum geführt wird.

    Es ist ja Ziel von Buzzard verschiedene Ansichten zum Thema zu präsentieren. Nicht „die Ansicht, die kaum Kritik hervorrufen wird“, was ein dickes Fell erfordert. Das ist natürlich ein schmaler Grad, weil Meinungsvielfalt nicht als Ausrede daherhalten sollte jede Absurdität zu publizieren. Das Problem mit Seiten wie PI sind allerdings nicht einfach nur polemische Meinungen, sondern damit verbundene Falschmeldungen, Hetze, Irreführungen und so weiter. Da sollte auch meiner Ansicht nach die Grenze gezogen werden.

  9. @7, Ingo: Wichtiger Hinweis auf die SchülerInnen – da Lehrkräfte verpflichtet sind, die ihnen anvertrauten jungen Menschen zu den verfassungsmäßigen Grundsätzen der Toleranz, Schutz der Menschenwürde, Gleichberechtigung zu erziehen, dürfen sie solche Quellen wie PI-News gar nicht als seriöse Quelle im Unterricht einsetzen, da diese gegen eben die Prinzipien verstoßen, die Schule lehren soll. Wenn unseriöse Quellen also in einem Angebot für Schulen auftauchen und der Einfachheit halber einfach unkommentiert im Unterricht eingesetzt werden, wäre das wirklich problematisch.

  10. Über die mangelnde Seriösität von PI-News muss man nicht lange debattieren. Ebenso die von RT Deutsch – die Verbindung zwischen den Geldgebern und dem Inhalt ist gar offensichtlich.

    Andererseits sind die großen privaten Medien fest in den Händen weniger Verlage, deren Pfründen mehr und mehr schmelzen, und tatsächlich findet sich gelegentlich eine merkwürdige Einhelligkeit unter den großen Zeitungen und Zeitschriften. (Jüngst nebenan von El Ouassil in Bezug auf die neuen SPD-Vorsitzenden wieder belegt.)

  11. @PHYSETER

    „und tatsächlich findet sich gelegentlich eine merkwürdige Einhelligkeit unter den großen Zeitungen und Zeitschriften“

    Und das wäre schlimm, weil? Wenn es da um Fakten geht (Klimawandel, Homöopathie,..) würde ich mir viel mehr Einhelligkeit wünschen als es derzeit gibt.

    „in Bezug auf die neuen SPD-Vorsitzenden wieder belegt“

    Erstens gibt es da durchaus auch positive Kommentare (z. B. unter https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/kommentar-spd-scholz-nowabo-nrw-100.html ) und zweitens ist es logisch, dass es zu Leuten, die keinerlei Erfahrungen mit solchen hohen Ämtern haben vermehrt negative Stimmen kommen. Alles andere wäre ja auch verrückt (sieht man aber auch überall und ist nicht auf die SPD beschränkt. Bei AKK oder Niko Kovac als Trainer der Bayern war das auch so…
    )

  12. Ich sympathisiere sehr mit dem Buzzard-Projekt. Ich finde die hier im Beitrag formulierte und zusammengetragene Kritik an The Buzzard jedoch sehr verständlich und wichtig.
    Ich würde mir auch wünschen, dass sich die Macher von The Buzzard mit dieser Thematik schon längst tiefer auseinandergesetzt hätten und schon eine Lösung dafür in petto hätten.
    Ich finde es gleichzeitig aber auch verständlich, dass – obwohl ich es mir anders wünschen würde – sie noch nicht auf alles Antworten und für alle Herausforderungen die richtigen Umgangsweisen gefunden haben. Ich gehe davon aus, dass das gesamte Buzzard-Projekt in manchen Fragen und Hinsichten ein stetiger Prozess des Erkennens und Veränderns, ohne Erreichen der Perfektion bleiben wird.
    Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache, wenn man sich im Feld der Meinungsfreiheit, publizierter Meinungen und gesellschaftlicher Debatten bewegt. Es ist eben nicht einfach – trotz der vermeintlich scharfen Grenzen argumentativ zulässiger Meinungsäußerungen.

    Schade finde ich, was sich an diesem Beispiel wieder sehr gut zeigt: dass eine „Fehlertoleranz“ oder auch eine wohlmeinende „Fehlerbenennung“ bei vielen Leuten, die Kritik an The Buzzard üben, oder als Unterstützer/-innen von The Buzzard auf Kritik an diesem Projekt aufmerksam werden, sehr schwach ausgeprägt ist.
    Warum muss man gleich alles hinschmeißen, die Unterstützung komplett zurückziehen und/oder sich in diskreditierender Wortwahl über die Macher/-innen von The Buzzard äußern – von denen man doch im Grunde weiß (und bis dato auch annahm), dass sie mit ihrer Arbeit einen Beitrag für das gesellschaftliche Gute schaffen wollen?

    Diese fehlende „wohlmeinende Kritikkultur“ bzw. das Fehlen einer „Fehler(bennenungs)kultur“, die konstruktiv kritisiert und nicht gleich versenken will, ist schrecklich – und für gesellschaftlichen Fortschritt schrecklich kontraproduktiv.
    Wozu führt diese Kultur? Wenn man mit gutem Vorsatz etwas neues wagt oder wagen möchte, mal out-of-the-box denken und handeln will, etwas ausprobieren möchte? Dabei aber ständig Angst haben muss, dass ein Fehler oder eine blinde Stelle (beides wird es immer geben wird) öffentlich gleich den Kopf kosten könnte – weil so harsch ins Gericht gegangne wird und oft selbst die Leute, mit denen man sich weltanschaulich verbunden und assoziiert fühlt, oft nicht wohlmeinend und konstruktiv Kritik üben (können/möchten), sondern dazu neigen, verallgemeinernde und vernichtende Worte zu wählen?
    Meine Antwort: Diese (Un-)Kultur setzt mächtige Hemmschwellen und führt eher dazu, dass nicht probiert und getestet wird, aus Angst und Sorge, Fehler zu machen.
    Klar muss man prinzipiell ein gewisses Fell mitbringen, wenn man etwas tut und automatisch natürlich dafür kritisiert werden kann. Doch, die Frage, wie Kritik geübt und formuliert wird und welche wohlmeinende Fehlertoleranz mit einer Kritikkultur verbunden ist, spielt aus meiner Sicht eine erhebliche motiverende oder eben demotivierende Rolle. Ich halte die Kritik- und Fehlerkultur in der deutschen Öffnetlichkeit für sehr problematisch und gesellschaftlichen Fortschritt und Innovationen hemmend.

  13. @13 Nimmermued

    Hm. „ein stetiger Prozess des Erkennens und Veränderns, ohne Erreichen der Perfektion“ „trotz der vermeintlich scharfen Grenzen argumentativ zulässiger Meinungsäußerungen“ „einen Beitrag für das gesellschaftliche Gute schaffen“ „Wenn man mit gutem Vorsatz etwas neues wagt oder wagen möchte, mal out-of-the-box denken und handeln will“ „mächtige Hemmschwellen“ „aus Angst und Sorge, Fehler zu machen“ „wohlmeinende Fehlertoleranz“ „Kritik- und Fehlerkultur in der deutschen Öffnetlichkeit“ „gesellschaftlichen Fortschritt und Innovationen hemmend“

    Das Problem sehe ich eher darin, dass da anscheinend ein paar Hipster eine, naja, nicht ganz dumme Idee hatten, und dann mit viel neudeutschem Wortgeklingel (s.o.) so ein Crowdfunding-Startup Dingsbums gestartet haben, nur dass dabei vergessen wurde, dass man sich vielleicht vorher (!) ein paar Gedanken zur Umsetzung hätte machen sollen. Die beschriebenen Probleme mit der möglichen Einbindung unseriöser Quellen ist ja nicht irgendein Randproblem sondern genau das Kernproblem der ganzen Unternehmung, und das war doch vorher schon offensichtlich. Und jetzt, nachdem man die Kohle langsam beisammen hat, auf entsprechende Kritik zu reagieren mit „Hm, naja, vielleicht sollten wir da mal drüber nachdenken. Ach, fragen wir mal die Communitiy. Selber recherchieren ist ja auch echt stressig, ne.“ Das ist wirklich einfach nur erbärmlich.

  14. Pluralismus ist in Deutschland immer schon schwer gefallen. Da ziehen sich manche – Linke und Rechte – schnell zurück, wenn Ihnen politische Ansichten zu bunt werden. Das Freund-Feind-Denken, das die Buzzard-App wohl zugunsten einer breiten Debatte überwinden wollte, sitzt zu tief, um sie zu einem Erfolg werden zu lassen. Die Aufforderung in dem Artikel, man müsse immer zuerst ein Urteil zur Frage seriös oder unseriös parat haben, ist das eigentlich erbärmliche. Unseriös sind dann immer nur die anderen. Wer nach diesem Muster ausgrenzt, hat den Sinn einer pluralistischen Demokratie nicht begriffen. Was seriös oder unseriös ist, sollte man dem Urteil jeder und jedes Einzelnen überlassen. Alles andere ist Bevormundung. Wer so bevormundet, geht davon aus, dass die meisten zu eigener Unterscheidung nicht fähig sind bzw. Argumentationsschwächen nicht erkennen können. Mit Demokratie, Freiheit und Pluralismus ist diese bevormundende Haltung nicht vereinbar.

  15. @Roland Czada

    Was für ein unpräzises Geachwurbel.

    Wenn zB. auf dem Blog pi-News bekanntermaßen regelmäßig Tötungs- und Gewaltfantasien geäußert werden, dann hat das exakt Null mit Demokratie, Freiheit und Pluralismus zu tun.
    Vielleicht sollten Sie sich einmal Gedanken über die Bedeutung der von Ihnen verwendeten Schlagwörter machen.

  16. Die Diskussionen -auch hier- drehen sich einmal mehr im Kreise. Dabei ist es doch sehr einfach zu verstehen:

    Buzzard ist ebenso wie Facebook oder Google et al. und wie auch beispielsweise Übermedien eine private Unternehmung, welche sich ihre eigenen Regeln geben darf und darüber bestimmt, was auf ihren Seiten passiert; oder eben nicht.

    Die Frage und diesseits einer eindeutigen strafrechtlichen Relevanz (für die in der aufgeklärten Moderne nach wie vor die Institutionen der Gewaltenteilung zuständig sind) ist lediglich diejenige, ob die aus Sicht des jeweiligen Hausherren wohl gut gemeinte Einschränkung der Bandbreite veröffentlichter Meinung klammheimlich vorgenommen, oder transparent gemacht wird.

    Zuviel Transparenz dahingehend triggert den Streisand-Effekt, macht implizit Werbung für die transparent benannten, verbotene Früchte. Aber aussitzen und dummstellen hilft auch nicht weiter, begründet lediglich eine weitere gute Echokammer.

    Klar, das ist ein zweischneidiges Schwert, wenn man -rudimentär an den AfD-Wählerzahlen orientiert- 25 bis 30 Prozent an Meinung nicht abbilden; dennoch von „der ganzen Bandbreite“ sprechen möchte.

  17. Wollen wir nicht einfach Meinungen in Kilo statt in Prozent bemessen? Wäre ebenso unsinnig, aber irgendwie erdiger.

    Und nicht vergessen: auch die 194,5 Gramm rechtsextremer Meinung muss natürlich dabei sein. Richtig, Ebertus?

    Alternativ könnte man natürlich sagen, dass Hetze keine Meinung ist. Das würde die ganze von Ihnen konstruierte Problematik elegant lösen. Deal? :-)

  18. @ Stefan Pannor

    194,5 Gramm von welcher Basis? Von einem Kilogramm? Wären ja auch in Ihrem Beispiel dann fast 20 Prozent. Dem „Deal“ setze ich die nur wenig ironisch zu verstehende Altersweisheit entgegen:

    Früher, als wir noch keine Geschirrspülmaschine hatten, da habe ich aus konkretem Anlaß schon mal die Küchentür zugemacht; nicht sehen zu müssen, wie sich meine Frau mit dem Abwasch -der keiner ist- doch so abmüht …

  19. Eine Meinung bleibt eine Meinung, auch wenn 30% sie vertreten. Sie wird nicht zu 30% Meinung.

    Ihre Prozentzuschreibung ist also so sinnvoll wie meine Kilozuschreibung. Sie könnnen diese Antwort gern versuchen in Ohm zu messen.

    Und wenn 20% aller Deutschen antisemitische Ansichten haben, ist das dennoch kein Grund, diesen Ansichten irgendwo Platz einzuräumen. Darauf läuft es doch immer hinaus: nur weil genug Menschen menschenfeindliche Ansichten haben, rechtfertigt das diese Ansichten noch längst nicht.

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