„Gehört der Islam zu Deutschland?“

70 Jahre Grundgesetz: MDR-Telefonumfrage mit Nebenwirkungen

Seit dem Wochenende macht ein Tweet die Runde, der vermeintlich alles belegt. Diese ganze Ablehnung gegenüber dem Islam in nur 280 Zeichen und einigen Sekunden Video. „Das Volk wurde gefragt und die Antwort war mehr als deutlich“, schrieb der AfD-Politiker Frank Pasemann staatstragend dazu.

Die Antwort, die der Bundestagsabgeordnete meint, ist das Ergebnis einer Telefonumfrage des Mitteldeutschen Rundfunks. Die Fernsehsendung „MDR um 4“ beschäftigte sich vergangene Woche mit dem Grundgesetz, das dieses Jahr 70 Jahre alt wird, und jeden Tag gab es in der „interaktiven Wochenserie“ eine andere Frage, über die die Zuschauerinnen und Zuschauer abstimmen sollten, immer passend zu einem bestimmten Artikel des Grundgesetzes.

Ein „Hit für rechte Kreise“?

Am Mittwoch ging es um Artikel 4: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ Jeder darf also glauben, was er will. Okay. Aber was fragt man da denn nun mal. Ach, ja! Vielleicht etwas, das in den vergangenen Jahren nicht schon etliche Male in verschiedenen Varianten erörtert wurde:

„Gehört der Islam zu Deutschland?“

Liest man diese oft gestellte Frage, könnte man natürlich gegenfragen: Warum? Wieso stellt der MDR das in einer Telefonabstimmung zur Debatte? Sind die doof? Ein „Hit für rechte Kreise“ sei das, schrieb zum Beispiel die Journalistin Doreen Reinhard auf Twitter. Das stimmt einerseits. Andererseits war die Wochenserie insgesamt differenzierter, als es die Umfrage erahnen ließ.

Das Ergebnis, okay, war dann in der Tat eindeutig. Nach ungefähr einer halben Stunde verkündete der Moderator, dass gewaltige „95,34 Prozent“ geantwortet hätten: Nein, der Islam gehört nicht zu Deutschland. Was für Pasemann, seine AfD und deren Anhänger offenbar so etwas wie ein statistischer Triumph war. Immerhin hieß die MDR-Serie ja auch: „Im Namen des Volkes“!

Doppel-Justizia um 4: MDR-Serie „Im Namen des Volkes“ Screenshot: MDR

Leuten, die mit so einer Umfrage ihr Weltbild stützen, ist natürlich egal, dass sie nicht annähernd repräsentativ ist. Jeder und jede konnte beim MDR anrufen, wer wollte, sogar mehrfach – wurde alles mitgezählt, wie der MDR Übermedien auf Nachfrage erklärt. Was so eine Telefonumfrage natürlich manipulierbar macht und ihre Aussagekraft überschaubar.

Jeden Tag nannte Moderator René Kindermann auch die genaue Zahl, wie viele Zuschauer sich beteiligt hätten. Was gut ist, einerseits, aber auch nicht ganz richtig, eben weil mehrfach abgestimmt werden konnte. Es waren im Schnitt demnach nicht 2.500 Menschen, sondern rund 2.500 Anrufe jeden Tag. Nur bei der Islam-Frage, da waren es plötzlich mehr als 15.000 Anrufe. „Laut Abstimmungs-Tool“, sagt der MDR, seien diese Stimmen „von 8.000 verschiedenen Telefonanschlüssen“ abgegeben worden.

Die große Beteiligung bei dieser Frage habe die Redaktion „nicht überrascht“, sagt der MDR. Es sei „eine Debatte, die auch 2019 breit diskutiert wird in allen politischen Lagern und die bei den Bürgerinnen und Bürgern eine große Rolle spielt“. Auch in der Diskussion zur Europawahl, die am Donnerstag im ZDF lief, habe eine Frage gelautet: „Gehört der Islam zu Europa?“ Dass das Thema polarisiert, sei der Redaktion sehr wohl bewusst gewesen, schreibt der MDR. „Das war aber kein Grund, das Thema nicht anzufassen und umzusetzen.“

Im Titel der Serie sieht der MDR kein Problem

War es allerdings klug, die Serie „Im Namen des Volkes“ zu nennen? Moderator Kindermann hatte immer wieder gesagt, man könne „sozusagen“ im Namen des Volkes abstimmen, was schon vorsichtig einschränkend klang. Der MDR aber sieht im Titel kein Problem. Dieser spitze „den Grundgedanken der Reihe“ zu, schreibt der Sender, „und zwar auf doppeldeutige Art und Weise“:

„Das Grundgesetz soll einerseits ‚im Namen des Volkes‘ stehen. Dies versucht die Redaktion zu hinterfragen. Andererseits soll der Titel auch die Interaktivität der Reihe abbilden.“

Der interaktive Teil der Serie war, dass die Zuschauer mit ihrer Stimmabgabe auch darüber entschieden, welchen Beitrag es später in der Sendung zu sehen gab. Die Redaktion hatte drei Beiträge pro Thema vorbereitet. Einen, der vor der Abstimmung lief und in das Thema einführte – und zwei, die weiterführen, von denen aber nur einer ausgestrahlt wurde, je nach Umfrageergebnis.

Zwei Männer hoclen in einem weißen Rohbau einer Moschee.
Reporter und Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinde in Erfurt Screenshot: MDR

Im Fall der Islam-Frage traf der MDR-Reporter unter anderem den Vertreter einer islamischen Gemeinde, die gerade eine Moschee in Erfurt errichtet. Im Rohbau ging es um das Grundgesetz und die Religionsfreiheit – und um die oft wütende, verächtliche Ablehnung, die der Gemeinde entgegenschlägt; Schweinekadaver, die vor der Baustelle abgelegt wurden, inklusive.

Auch dem Reporter ist es hier nicht ganz geheuer. Die Leute von der Gemeinde haben ihn eingeladen, mit ihm geredet, sogar für ihn gekocht. Aber als dann vier Männer vor ihm beten, sagt er:

„Ganz ehrlich: Während des Freitagsgebets empfinde ich auch Befremden, ganz unterschwellig eine gewisse Bedrohung. Weil mit diese Welt fremd ist und sich islamistische Terroristen eben auch auf den Islam berufen.“

Die Diskussion sei „so aufgeheizt“, dass es unmöglich sei, die richtigen Worte zu finden. Er versuche deshalb, „das zu tun, was möglich ist: zuhören, verstehen – und auch kritisch nachfragen.“ Und ein bisschen fürchten.

„Was macht das mit Ihnen?“

Als dann feststand, dass die Mehrheit der Anrufer etwas gegen den Islam in Deutschland hat, zeigte der MDR den zweiten Film, in dem der Reporter den Mann von der islamischen Gemeinde mit dem Resultat konfrontiert: „Was macht das mit Ihnen, wie nehmen Sie das auf?“, fragte er ihn. Und, lustigerweise: „Wie wollen Sie es schaffen, dass die Ablehnung sich abbaut?“ – als läge es ausschließlich an den Muslimen dort, den Hass auf sie zu minimieren.

Anschließend durfte noch, wie in jeder Ausgabe der Serie, Jurist und Autor Georg M. Oswald erklären, was da genau im Grundgesetz steht und wie es einzuordnen ist. Abschließend resümierte der Reporter zur Islam-Frage:

„Diese Fakten helfen vielleicht, Sachlichkeit in eine harte und aufgeheizte Debatte zu bringen.“

Der Satz zeigt ganz gut, worum es dem MDR ging: um ausgeruhte Aufklärung. Mit manchen Filmen ist das möglicherweise gelungen, weil sie viel erklären. Die Filme zum Briefgeheimnis und der Frage, ob der Staat das Internet strenger kontrollieren, die Behörden also mehr Rechte bekommen sollten, ist jedoch, zum Beispiel, arg einseitig.

Dass die Polizei, die der Reporter besucht, gerne mehr Überwachungsrechte möchte, um „noch besser“ gegen Verbrecher zu schützen, ist klar. Dass es hier aber auch um die Privatsphäre aller Bürger geht, die durch eine große Überwachung gefährdet sein könnte, reißt der Beitrag am Ende nur ganz kurz an. Kein Wunder, dass so viele für mehr Überwachung sind, wenn immer wieder betont wird, wie gut man dann Internet-Verbrecher fangen könnte.

Pegida mit Fakten erreichen? Schwierig

Die andere Sache ist: Triggern Fragen, ob der Islam zu Deutschland gehört oder ob man überhaupt noch alles sagen dürfe, nicht ohnehin vor allem Menschen, die zu Nein tendieren und deshalb schnell am Telefon hängen?

Wie schwer es ist, Teile der Bevölkerung mit Fakten zu erreichen, die ihnen nicht in den Kram passen, zeigte die Ausgabe am Montag, in der es um die Meinungsfreiheit ging und der Reporter in Dresden war, bei einer Pegida-Demonstration. Es war nicht überraschend, aber dennoch interessant: Wie erwartet, hatte er es schwer, mit den Menschen dort ins Gespräch zu kommen. Und sprach mal jemand, war das auch nicht leicht, wie eine Szene zeigt, in der eine Demonstrantin versucht, bevormundend ins Gespräch einzugreifen.

Das ist spannend anzusehen, und es sagt womöglich mehr aus als jede Umfrage, die auch in dieser Folge sehr deutlich ausging: Auf die Frage „Darf man in Deutschland sagen, was man denkt?“ antworteten fast 85 Prozent mit Nein, was der Reporter mit Journalisten der „Sächsischen Zeitung“ bespricht.

Einer von ihnen sagt, er sei erstaunt: „Weil die Leute gerade hier bei Pegida das in Anspruch nehmen, die Meinungsfreiheit.“ Aber die sehen das bekanntlich anders. Wie im ersten Film zu sehen war, glauben sie ja auch, dass das Grundgesetz von „den Besatzern“ ist und gar keine Anwendung findet.

Moderator steht neben Bildschirm mit der Frage: "Darf man in Deutschland sagen, was man denkt?"
Sagen, was man denkt? MDR-Moderator Kindermann Screenshot: MDR

Fakten über Grundrechte zu vermitteln, hätte auch ohne Interaktivität und Telefonumfrage funktioniert, und es wäre wohl besser gewesen. So nämlich stehen da nun diese Ergebnisse, die – „im Namen des Volkes“ – höchstrichterlich klingen. „Das ist nicht repräsentativ“, sagt der MDR, das sei doch klar: Man gehe davon aus, „dass die Zuschauerinnen und Zuschauer das bei einer spontanen Telefonumfrage auch so einordnen können“.

Einige können, sicher. Einige aber, die könnten, wollen eben gar nicht einordnen. Der Herr von der AfD zum Beispiel. Oder die rechten Internet-Seiten, die den Tweet und die MDR-Umfrage nun feiern. Sie alle interessieren sich nicht dafür, was um die Umfrage herum noch gesendet wurde. Das ganze Projekt, mit dem der MDR versuchte, das Grundgesetz als Errungenschaft zu würdigen, ist insgesamt besser und ambitionierter als es zunächst scheint. Umso ärgerlicher, dass die Umfragen all die Differenziertheit konterkarieren.

65 Kommentare

  1. Viele Deutsche, die meinen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, haben wenig Kenntnisse über diese Religion. Wer aber den Koran studiert und sich mit Geschichte und Gegenwart des Islam beschäftigt, wird den Islam keinem Land wünschen. Christentum und Buddhismus dagegen haben bei vielen Deutschen und sonstigen Europäern ein positives Image.

  2. Stimmen die Nummern im Bild? Waren das wirklich kostenlose Nummern?
    Dann finde ich die Anzahl der Anrufe sogar noch sehr sehr gering…

  3. Schon die Fragestellung begünstigt eine überwiegend ablehnend Haltung. Dann hätten sie gleich fragen können, ob das andere zu “uns“ gehört. Was soll das heißen “der Islam“? Klingt nach Entmenschlichung der Gläubigen, ohne die es keinen Glauben gäbe. Ehrlicher wäre gewesen zu fragen, ob die Zuschauer*innen sich durch die Anwesenheit von Muslim*innen in Deutschland gestört fühlen.

  4. @ Yong Meier:

    Bei den spanischen Juden zur Zeit der Reconquista hatte der Islam eine besseres Image als der Christentum: Die damaligen Moslems haben die Juden nämlich gut leben und arbeiten lassen, die Christen haben sie vertrieben. Was eine Religion ist, lässt sich nicht allein anhand ihrer Urtexte bestimmen, sondern vor allem anhand ihrer Praxis – und die ist an Zeit und Raum gebunden.

    Weshalb es auch, umgekehrt gedacht, wenig bringt, die toleranten Verhältnisse im Emirat von Cordoba zu beschwören, wenn man die zeitgenössische Islamkritik widerlegen will. Ich bin Islam-Kritiker (nicht: -Feind), weil ich den Mehrheits-Islam in seiner aktuellen Ausprägung für gefährlich halte.

    In weiten Teilen der sunnitischen Diaspora-Gemeinden hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein politisches Religionsverständnis verbreitet; in den islamisch dominierten Staaten analog dazu die Sharia samt Hand abhacken und Steinigung. Mit dem „Mittelalter“ hat das nichts zu tun, es handelt sich um eine moderne politische Ideologie, die eine vermeintlich bessere, reinere Vergangenheit als Legitimationsgrundlage benutzt – und darin den nationalistischen bis faschistischen Ideologien Europas ziemlich ähnlich ist.

    Linke und Liberale begehen gerade den Fehler, diese Ideologie als Ausdruck einer vermeintlich authentischen, hierzulande unterdrückten Kultur unter Welpenschutz zu stellen. Noch das reaktionärste Familien- und Geschlechterbild wird mit dem Hinweis verteidigt, alte weiße Männer sollten erstmal vor der eigenen Haustür kehren. Kritische muslimische Intellektuelle wie Kamel Daud, Ahmed Mansour, Necla Kelek oder Seran Ates werden als Erfüllungsgehilfen der AfD denunziert.

    Wie wäre es mit: „Seran Ates gehört zu Deutschland!“ Eine religions- und herkunftsübegreifende Kampagne für eine mutige Muslima, die sich in Berlin derzeit nur unter Polizeischutz bewegen kann – weil sie von Muslimen mit dem Tode bedroht wird.

    P.S.: Selbstverständich gehört der Islam zu Deutschland. Das mag vor 50 Jahren noch anders gewesen sein, aber auch eine Gesellschaft ist nicht statisch, sondern prozesshaft. 5 Prozent der Bevölkerung lassen sich nicht wegreden.

  5. Es ist immer wieder, immer wieder, die gleiche Katastrophe: Die Journalisten – ich behaupte wirklich alle, auch in den Öffis – haben keinen Schimmer, wie Demoskopie funktioniert. Es fehlen die banalsten Grundkenntnisse in Fragetaktik und Stichprobentheorie. Konkret: Wer Kommazahlen bei Stichprobenerhebungen angibt, hat keine Ahnung. Schlimmer: Er manipuliert: Er (oder sie) suggeriert eine Genauigkeit, die nicht berechtigt sein kann. Es gibt bei Stichproben aus der Bevölkerung immer Fehlerspannen, die bis zu mehr als zwei Prozent betragen können. Also: Statt „25,5 % tun dies und das“ müsste es beispielsweise heißen: „Der wahre Wert für die Bevölkerung schwankt zwischen 24,5 und 26,5 % – und das auch nur mit einer Sicherheit von ca. 95 %!! Genauer wissen wir es nicht.“ Aber das ist nicht gerade fesselnd. Über das Manipulationspotenzial der Fragetaktik könnte man noch länger berichten. An nüchterner Genauigkeit, an bloßen Fakten, auch trivialer Natur, haben reichweiten- oder quotendressierte Lohnschreiber (sach ich mal) kein Interesse. Und die Marktforschungsinstitute wollen nicht, dass die Öffentlichkeit zu viel weiß über mangelnde Genauigkeit und Fehlerquellen ihrer Befragungen. Vorteilsorientierte Allianzen allenthalben, und die Hochschulabsoventen von heute müssen keine propädeutischen Kompetenzen für solche Themen aufweisen. ! „Die Medien“ bekleckern sich selber immer wieder, wenn sie sich mit Umfragezahlen wichtig machen und daneben langen. Wie gesagt, auch die Stolzen, ARD und das ZDF.

  6. Eine ernst gemeinte Frage in die Runde:

    Kann mir jemand sagen, was die inhaltliche Bedeutung von Sätzen wie „Der Islam gehört zu Deutschland“ bzw. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ ist?

    Ist ein etwa der Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, deskriptiv gemeint in dem Sinne, dass der Islam eben auch in Deutschland in nicht unerheblichem Ausmaß praktiziert wird? Das wäre dann eine empirische Frage, und die Antwort läge auf der Hand.
    Oder ist der Satz normativ gemeint in dem Sinne, dass der Islam nicht hierher passt und man ihn nicht haben mag? (Wenn das so gemeint sein sollte: Wieso stellt man die Frage nach der Wertung des Islam dann so doof?)

    Oder hat der Satz womöglich überhaupt einen rational fassbaren eindeutigen Gehalt, den die meisten Leute darlegen könnten und auf den sie sich spontan einigen würden?
    (Klar, in manchen Kontexten wie in dem der Wulff-Rede hat der Satz einen recht eindeutigen Sinn; aber ohne konkreten Kontext?)

    @ Kritischer Kritiker:

    „In weiten Teilen der sunnitischen Diaspora-Gemeinden hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein politisches Religionsverständnis verbreitet; in den islamisch dominierten Staaten analog dazu die Sharia samt Hand abhacken und Steinigung.“

    In den meisten islamischen Staaten wird das meines Wissens nicht praktiziert. Einen starken negativen Einfluss auf die Entwicklung des Islam in vielen Teilen der Welt hat offenbar der saudische Wahabismus – wobei der Erfolg des saudischen Wahabiten-Regimes m.W. allerdings wesentlich auf westlicher Unterstützung beruht und beruhte.

    Jedenfalls finde ich es gut, dass Sie klarmachen, dass es nicht den einen Islam gibt, sondern nur jeweilige konkrete Formen des Islam, die historisch und geografisch ziemlich unterschiedlich sein können. Eine Selbstverständlichkeit ist selbst eine solch banale Einsicht offenbar leider nicht, wie verschiedene Diskussionen zeigen.

    Ansonsten möchte ich nur anmerken, dass Patrick Bahners in seinem Buch „Die Panikmacher: Die deutsche Angst vor dem Islam“ auch einige der von ihnen gelobten Personen kritisiert hat, und die Kritik erschien mir recht überzeugend. Ist aber schon viele Jahre her, da ich das Buch gelesen habe, und ich erinnere mich nicht mehr an die Details.

  7. @ Kritischer Kritiker:

    Ergänzend noch:

    „In weiten Teilen der sunnitischen Diaspora-Gemeinden hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein politisches Religionsverständnis verbreitet […]“

    Douglas Saunders hatte in einem Buch namens „Mythos Überfremdung“ argumentiert, dass die Integration von Muslimen bezogen auf politischer Werte weit besser gelingt als oftmals vermutet. Ich persönlich fand seine Darstellung ziemlich überzeugend und gut untermauert, wobei ich allerdings ein Laie auf dem Gebiert bin.

  8. Alle Götter doof, nur mein Gott toll.
    Reden wir doch mal über Säkularismus. Über kirchliche Kindergärten, die zu 95% öffentlich finanziert werden, deren Erzieher aber nach Kirchenrecht angestellt sind. Über Konfessionsführer, die keine Ahnung haben, über wieviel Eigentum sie verfügen. Über Kündigungen von Ärzten wegen Scheidung. Über das C in CDU.
    Wir haben eine christliche Großsekte mit parlamentarischem Arm in Deutschland aber Angst vor Menschen, die nach Osten beten. Verrückt.

  9. @ Anderer Max
    Na wenn das kein lupenreiner Whataboutism ist. In diesem Artikel geht es nicht um christliche Großsekten, sondern um den Islam. Über das C in CDU reden wir vielleicht bei anderer Gelegenheit, dann können Sie sich ja in epischer Breite darüber auslassen.

  10. @ Dr. Rosenberger:

    Bevor Sie gegen „quotendressierte Lohnschreiber“ lospoltern, hätten Sie ruhig mal den Text lesen können. Es geht darin nicht um eine Stichprobenerhebung, sondern um eine TED-Umfrage. Deren Ergebnis kann man auf die die einzelne Stimme genau angeben – sie ist halt bloß kein Stück repräsentativ…

    @ LLL:

    Wenn ich von Gemeinden rede, dann meine ich nicht die Communitys, sondern tatsächlich die religiösen Gemeinden. Natürlich gibt es auch eine Menge als muslimisch verbuchter Migranten, die mit Religion wenig bis gar nichts am Hut haben. Die Religionsgemeinden aber haben sich – im Vergleich zu den 70er- und 80er-Jahren – in großen Teilen politisiert und/oder auf ein konservativ-identitäres Religionsverständnis hin ausgerichtet. Das hat mit dem Einfluss der Wahabiten und Salafisten zu tun, mit der Islamisierung der Türkei (DITIB-Gemeinden) oder mit politisch-religiösen Bewegungen wie Mili Görus.

    In den islamischen Staaten ist in den letzten zwei, drei Jahrzehnten ebenfalls eine Tendenz zur politisierten Religion erkennbar, der z.B. in der Verankerung der Scharia in der Rechtsprechung erkennbar wird. Siehe z.B. die kürzlich erfolgte Einführung der Todesstrafe für Homosexualität im Sultanat Brunei. Vielleicht lassen sich in dem Sturz des islamistischen Diktators Omar al-Baschir im Sudan Hinweise auf eine Trendwende entdecken – allzu hoffnungsfroh bin ich aber erstmal nicht…

  11. #9: „Na wenn das kein lupenreiner Whataboutism ist.“

    Ist es nicht, weil:

    „In diesem Artikel geht es nicht um christliche Großsekten, sondern um den Islam.“

    Nein, geht es nicht. In dem Artikel geht es um eine fragwürdige Telefonumfrage des MDR. Vielleicht lesen Sie den Artikel erst mal, bevor Sie sich echauffieren.

  12. @ Someonesdaughter
    Sehen Sie es mir nach, wenn ich aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit und mit Rücksicht auf mein Wohlbefinden auf eine Diskussion mit Ihnen verzichte. Ich wünsche Ihnen aber trotzdem einen ganz besonders schönen Tag.

  13. Herr Reichelt, wurden Sie aufgefordert zu moderieren? Danke, dass Sie mir eine Meinung zugestehen und mir mitteilen, wann und wo ich sie äußern darf. Wenn wir Sie nicht hätten!

  14. Als dann feststand, dass die Mehrheit der Anrufer etwas gegen den Islam in Deutschland hat, zeigte der MDR den zweiten Film, in dem der Reporter den Mann von der islamischen Gemeinde mit dem Resultat konfrontiert: „Was macht das mit Ihnen, wie nehmen Sie das auf?“, fragte er ihn. Und, lustigerweise: „Wie wollen Sie es schaffen, dass die Ablehnung sich abbaut?“ – als läge es ausschließlich an den Muslimen dort, den Hassas auf sie zu minimieren.

    Etwas gegen den Islam haben ist nicht gleichbedeutend mit Muslime hassen. Ich habe auch was gegen den Islam.
    Der Islam ist eine freiheits- und gleichheitsfeindliche Ideologie – jeder Demokrat sollte etwas gegen den Islam haben.

    Außerdem impliziert die Frage, wie es jemand schaffen will, die Ablehnung abzubauen nicht, dass es ausschließlich an ihm liegt.

  15. @Kritischer Kritiker
    Was soll jetzt das Alleinstellungsmerkmal des Islams sein? Ich sehe nichts, was einer Beschäftigung mit den Themen reaktionäre Geschlechterbilder oder autoritäre Regime entgegenstünde, wenn nicht darauf bestanden würde, diese Themen mit dem Thema „Islam“ zu verquicken.

  16. @ Anderer Max:
    Was nicht ganz rot ist, ist rötlich, was nicht ganz grün ist, ist grünlich; was ist wohl von einer Partei zu erwarten, die nicht ganz Christ ist?

    Ansonsten weiß ich jetzt nicht, was die Konsequenz aus Ihrem Beitrag wäre: Man darf nicht islamophob sein, weil/wenn man CDU wählt und/oder seine Kinder auf einen kirchlichen Kindergarten schickt, oder, wenn man schon islamophob ist, ist das ok, wenn man zugleich christentumophob ist? (Und konsequenterweise auch judentumophob?) Ich frag für einen Freund.

    Ansonsten, da mehr als 15.000 Anrufen von 8.000 Telefonanschlüssen ein Verhältnis von fast 2/1 ist, heißt das, das ein Großteil aller Anrufe entweder von unterschiedlichen Personen aus demselben Haushalt kamen (die bei _dem_ Ergebnis aber meistens einer Meinung waren), oder aber es gab sehr viele Personen, die mehrmals anriefen, um das Ergebnis zu manipulieren (z.B.: 5.000 riefen einmal an, 2.000 zweimal und 1.000 sechsmal). Das ist quasi das Gegenteil von repräsentativ.

  17. @14: Alle Ihre Kritik trifft auf alle Religionen zu.
    Eben darum weise ich immer auf’s Christentum hin: Erst mal vor der eigenen Haustür kehren.
    Whataboutismus ist, den Islam und seine schaurigen Ausprägungen immer wieder in den Fokus zu rücken, obwohl diese nicht schauriger sind, als die anderer Wüstenreligionen, deren Ausprägungen unser Leben aber (im Gegensatz zum Islam) massivst beeinflussen (Beispiele lieferte ich schon in #8).

  18. @ Sarah: Ich habe oben schon gesagt, das man nicht von einer Religion an sich sprechen kann, sondern immer nur von ihrer sozialen und historischen Ausformung. Ich habe als Beispiel das Emirat von Cordoba im Gegensatz zur Reconquista erwähnt. Vor diesem Hintergrund: Ja, heute ist die Hinrichtung von Leuten wegen des Abfalls vom Glauben ein islamisches Alleinstellungsmerkmal. Und die „Verquickung“ betreiben die Verantwortlichen schon selbst, indem sie ihre Politik aus dem Koran und den Hadithen herleiten.

    Auch ist die Rolle von Mädchen und Frauen in konservativ-islamischen Familien eine andere als in durchschnittlich-biodeutschen. Ich bin es leid, auf jede Kritik an diesen Zuständen immer: „Aber hier ist es auch ganz schlimm“ zu hören. Das wird dem Problem des islamistischen Frauenbildes und dem dadurch verursachten Leid nicht gerecht.

  19. User Unknown:

    „Etwas gegen den Islam haben ist nicht gleichbedeutend mit Muslime hassen. Ich habe auch was gegen den Islam.
    Der Islam ist eine freiheits- und gleichheitsfeindliche Ideologie – jeder Demokrat sollte etwas gegen den Islam haben. “

    Und wer gegen das Judentum ist, ist kein Antisemit?

    „Ja, heute ist die Hinrichtung von Leuten wegen des Abfalls vom Glauben ein islamisches Alleinstellungsmerkmal. “

    Außer z.B. in den von der LRA besetzten Gebieten.

    Und dann ist da natürlich noch der militante Buddhismus etwa in Myanmar und auf Sri Lanka …

    Dieses sogenannte „Alleinstellungsmerkmal“ existiert nicht, es ist die Folge ziemlich komplexer sozialer Prozesse, oder kurz: Sie verwechseln Ursache und Symptom, wobei Sie – wie praktisch alle selbsternannten Islamkritiker – eine vielzahl anderer Symptome ausblenden. Stellen Sie sich vor, Ihr Arzt würde so handeln … eine Fehldiagnose wäre selbstverständlich die Folge.

  20. Präventivwhataboutismus. Dinge in den Fokus rücken, die uns eigentlich nicht betreffen (bzw. die wir nicht ändern können), bevor über andere Dinge geredet wird, die uns betreffen (bzw. die wir ändern können), bei denen derjenige, der den Präventivwhataboutmus initiiert hat aber vermutet, nicht in positivem Licht zu erscheinen.
    Darum wird die Debatte um Todesstrafe im Islam, über Beschneidungen bei Juden, etc. so gerne geführt: Es betrifft uns (größtenteils) nicht, wir können (gesellscahftlich wie individuell) wenig bis nichts daran ändern – Daher ist jede Positionierung hierzu konsequenzfrei. Man findet das doof und kann das öffentlich sagen, man braucht nciht mal Argumente.
    Um das mal mit einem benachbarten Thema zu vergleichen, die Madonna-Geschichte: Gegen Krieg, Todesstrafe und Bescheidungen zu sein ist fucking easy.
    Probleme in anderen Gesellschaften zu erkennen und (möglichst bevor es hier „auch so schlimm wird“, um mal das Rechtspopulisten-Wording aufzugreifen) diese auf die eigenen Gesellschaft (in abgewandelter Form?!) zu übertragen zeugt m. E. eher von gesellschaftspolitischer Weitsicht.
    Eben darum ist der derzeitige Rechtspopulismus ja umso hohler:
    Er überträgt die Gefahren einer absolutischen Ideologie nicht auf die bei uns vorherrschende Ideologie.
    Ob unsere herrschende Ideologie derzeit in seinen Ausürägungen etwas milder ist, als eine andere, ist mir da ziemlich Laterne. Das Potential hat jede dieser Ideologien.

    @ 18:
    „Das wird dem Problem des islamistischen Frauenbildes und dem dadurch verursachten Leid nicht gerecht.“
    Isch hab zwanzig Kinda meine Frau ist schön, die Muddis steh’n am Herd und die Väter saufen Schnaps. Wenn ich so daran denke kann ich’s einklich kaum erwarten.

  21. #12: Keine Ahnung, wie Sie auf die Idee kommen, ich wolle mit Ihnen diskutieren, Herr Reichelt. Ausgerechnet mit Ihnen. Sagen Sie doch einfach ‚danke‘ dafür, dass ich Ihnen den Inhalt des Artikels erklären konnte.

  22. @ Stefan Pannor:

    es ist die Folge ziemlich komplexer sozialer Prozesse, oder kurz: Sie verwechseln Ursache und Symptom, wobei Sie – wie praktisch alle selbsternannten Islamkritiker – eine vielzahl anderer Symptome ausblenden.

    Deshalb habe ich auch mehrfach darauf hingewiesen, dass ich nicht vom Islam an sich rede, sondern von (weiten) Teilen des Islams in ihrer heutigen, konkreten Gestalt – welche ich als moderne politische Ideologie gekennzeichnet habe. Die Ursachen für die Entstehung dieser Ideologie sind tatsächlich vielfältig und hängen historisch mit dem Scheitern der Nationalstaatsbildung im arabischen Raum im Zuge der Dekolonialisierung zusammen.

    Aber mir scheint, es ist völlig egal, was man schreibt – man wird in die rechte Schublade gesteckt und gut ist.

  23. Präventivwhataboutismus ist gut – das merke ich mir.

    Z.B.:
    Wenn der Kommunismus eine Religion wäre, wären die Mauertoten wegen „Abfall vom Glauben“ erschossen worden.
    Und dass Faschisten Leute umbrächten, die nicht faschistisch genug waren, soll ja auch schon mal vorgekommen.
    Alles nur Einzelfälle, jaja.

    Wo waren wir? Achja, Splitter im eigenen Auge und so. Jesus und seine Pappenheimer.

  24. „Deshalb habe ich auch mehrfach darauf hingewiesen, dass ich nicht vom Islam an sich rede, sondern von (weiten) Teilen des Islams in ihrer heutigen, konkreten Gestalt – welche ich als moderne politische Ideologie gekennzeichnet habe.“

    Sie haben behauptet, nicht gekennzeichnet, und diese Behauptung ist empirisch falsch bzw. unbelegt.

    Und ja, wenn einer an einer widerlegten These festhält, die nichtmal den Mindestanspruch an eine These erfüllt, dann kann man das kaum noch Diskusssionsbeitrag nennen.

    Ansonsten: ich habe keine Ironie in Ihrer Verwenung des Begriffs „biodeutsch“ gefunden. Wer sich die Sprache der Rechten zu eigen macht, dem ist in der Regel auch deren Denken zu eigen.

  25. @ Mycroft: Nun ist aber gut! Den Vergleich zu modernen Ideologien habe ich selbst gezogen.

    Ich merke, ich kann mich nicht verständlich machen. Lebt wohl.

  26. Nachtrag: „Kann mich nicht verständlich machen“ meine ich auch so – nichts, was hier irgendjemand als meine vermeintliche Haltung paraphrasiert hat, kommt dem nahe, was ich eigentlich sagen. Ich muss das als gescheiterte Kommunikation verbuchen – was vermutlich einerseits an mir liegt, andererseits an den Schubladen, in die man unweigerlich gerät, wenn man dieses Thema anfasst.

  27. @ Stefan Pannor:

    Ansonsten: ich habe keine Ironie in Ihrer Verwenung des Begriffs „biodeutsch“ gefunden. Wer sich die Sprache der Rechten zu eigen macht, dem ist in der Regel auch deren Denken zu eigen.

    Es gibt echte Missverständnisse und es gibt boshafte, gewollte Missverständnisse. Dieses hier zählt eindeutig zu letzteren.

  28. Na das habt ihr ja wieder toll hinbekommen.
    Jemanden, der mit seinen bisherigen Kommentaren einer rechten Gesinnung völlig unverdächtig war, solange absichtlich misszuverstehen, bis der keine Lust mehr auf diesen Blog hat.
    Ihr könnt stolz auf euch sein!

  29. hmpf…
    Gehört „Bares für Rares“ zu Dumpfland?
    Wenn es nach dem ekligen Schnäuzer und dem ZDF(Neo) geht, schon.

    Alles rhetorisch, versteht sich…

  30. Eine Vorbemerkung: „Den“ Islam gibt es nicht, sondern Sunniten, Schiiten, Sufisten, Salafisten und vieles mehr. Aber ist der Koran in seiner wörtliche Auslegung ein Teil von Deutschland? Sure 4, Vers 34 beginnt mit dem Satz: „Die Männer stehen über den Frauen“. Das ist mit dem Grundgesetz, Artikel 3 (2) nicht vereinbar. Jede Diskussion darüber wird aber panisch vermieden. Auch alle anderen Themen in Sachen fehlender Gleichberechtigung, Frauen- und Mädchenrechte im Koran und Islam sind Tabu-Themen. Von daher ist es gar kein Wunder, dass sich Parteien wie die AfD dieser Themen annehmen. Das Pendant in Österreich, die FPÖ, nahm sich des Themas „Kopftuchverbot für kleine Mädchen“ an, mit viel Lob von Frauenorganisationen wie „Terre des Femmes“. Auch kleine muslimische Mädchen sollen den Wind in ihren Haaren spüren dürfen, so meinen es die Frauen. Ob ein Mädchen so etwas darf, wäre ein Thema für unsere vielen Talk-Sendungen. Aber es gab keine einzige Sendung zu diesem Thema. Übrigens auch nichts zu der Bitte um Verständnis für das Steinigen von Homosexuellen in der islamisch geprägten Brunei. Ist es rassistisch, wenn man es ablehnt?

  31. #31: „Sure 4, Vers 34 beginnt mit dem Satz: „Die Männer stehen über den Frauen“. Das ist mit dem Grundgesetz, Artikel 3 (2) nicht vereinbar. Jede Diskussion darüber wird aber panisch vermieden.“

    Wann haben Sie denn das letzte Mal über die Bibel diskutiert, genauer gesagt: über deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz? Ich frag nur mal so, wegen:

    „21 Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi. 22 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn. 23 Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist – er hat sie als seinen Leib gerettet. 24 Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen.“

    https://www.bibleserver.com/text/LUT/Epheser5

  32. @ Robert:
    Diese Sure wird auch anders übersetzt. https://de.wikipedia.org/wiki/Sure_4:34

    Offenbar ist das „Tabu“, darüber zu diskutieren, schon unter den Moslems selbst nicht so groß, warum sollte der Rest der Welt das anders haben?

    Die Bitte um Verständnis für das Steinigen von Homosexuellen in Brunei – das jetzt doch nicht eingeführt wurde – habe ich noch nie gehört. Vllt. geht’s da nicht nur mir so, und das war der Grund, warum es da so wenige Talk-Shows darüber gab.

  33. Das Thema in diesem Thread ist der Islam. Selbstverständlich lehne ich als Atheist alle Religionen ab.

  34. @Robert, #34:
    Das Thema ist eigentlich das Grundgesetz – darf der Staat „den“ Islam verbieten?
    Oder, etwas abgeschwächt, dürfen Sie und ich darüber abstimmen, wie man einen religiösen Text auszulegen hat, an den wir gar nicht glauben? Bzw., falls nicht, sollten wir darüber abstimmen dürfen?

  35. @ Mycroft: Bei Wikipedia steht zum Stichwort Sure 4, Vers 34 das Folgende: „Die Männer stehen über den Frauen (ar-riǧālu qauwāmūn ʿalā n-nisāʾ)“. Dort finden Sie auch die näheren Erläuterungen zum Schlagen von Frauen.

    Der Staat Brunei forderte „Toleranz, Respekt und Verständnis“ für das Steinigen von Homosexuellen:

    https://www.welt.de/vermischtes/article192287837/Brunei-fordert-Toleranz-und-Verstaendnis-fuer-Todesstrafe-fuer-Homosexuelle.html

    Das Steinigen von Homosexuellen wird dort inzwischen nicht mehr ausgeführt. Es bleibt aber bei der Todesstrafe für diese Menschen.

  36. #34: „Das Thema in diesem Thread ist der Islam.“

    Das Thema des zugehörigen Artikels ist eine fragwürdige Telefonumfrage des MDR. Warum denken Sie, dass Sie hier bestimmen können, dass das Thema des Kommentar-Threads der Islam zu sein hat?

    Zum Thema Grundgesetz und Unvereinbarkeit der Bibel (gab’s da eigentlich nach Ihrem Empfinden schon ausreichend Talk-Shows?) kommt sicher noch eine Antwort, oder?

  37. Was Brunei betrifft, ist das mein neuester Stand:
    https://www.tagesschau.de/ausland/brunei-todesstrafe-homosexuelle-103.html
    Also keine Todesstrafe für „diese Menschen“ (komische Formulierung übrigens), und hoffentlich bleibt das so. Dass die Situation in einem kleinen Land am anderen Ende der Welt keine hiesige Talkshow beschäftigt, wundert mich übrigens nicht.

    Was die Sure betrifft, so steht im selben Artikel auch diese Übersetzung:
    „Die Männer stehen für die Frauen ein (ar-riǧālu qauwāmūn ʿalā n-nisāʾ), …“ He for she.
    Wenn wir schon einen Wikipedia-Artikel so unterschiedlich interpretieren können, kann man das mit dem Koran auch.

  38. Falsch, denn dort steht folgendes: „Das Sultanat Brunei will nach internationalen Protesten darauf verzichten, die Todesstrafe gegen Homosexuelle zu vollstrecken.“ Also Todesstrafe für diese Menschen, die aber nicht vollstreckt wird. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

    Was die Sure 4, Vers 34, betrifft, suchen Sie sich doch einfach die Übersetzung heraus, die Ihnen zusagt. Aber vergessen Sie nicht, was in Ihrem Wikipedia-Artikel ohne eine Alternativübersetzung steht:

    „Und wenn ihr fürchtet, dass Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie (wa-ḍribū-hunna)!“

  39. #39: „Was die Sure 4, Vers 34, betrifft, suchen Sie sich doch einfach die Übersetzung heraus, die Ihnen zusagt. Aber vergessen Sie nicht, was in Ihrem Wikipedia-Artikel“

    Wie jetzt – der Wikipedia-Artikel gehört Mycroft? Steile These.

    „ohne eine Alternativübersetzung steht:“

    Vielleicht sollten Sie den Artikel unabhängig von den Besitzverhältnissen mal weniger selektiv lesen – dann könnten Ihnen auch die gleich drei (!) Alternativübersetzungen auffallen:

    „Um die Aufforderung zum Schlagen der Frauen zu entschärfen, wurden auch neue Übersetzungen für den Ausdruck wa-dribū-hunna vorgeschlagen. Einige gehen dahin, dies als einen „Klaps auf den Po“ zu interpretieren, andere verweisen darauf, dass das betreffende Verb daraba im Koran auch mehrfach in der Bedeutung „ein Beispiel prägen“ (z. B. Sure 16:76) vorkomme und entsprechend auch hier diese Bedeutung zugrunde gelegt werden könne.[10] Die iranisch-amerikanische Autorin Laleh Bakhtiar übersetzte den Ausdruck mit „then, go away from them“, meinte also, dass der Vers den Männern als letztes Mittel im Ehestreit nicht anempfehle, ihre Frauen zu schlagen, sondern sich von ihnen zu entfernen.“

    Irgendwie habe ich das Gefühl, Sie sind nicht ganz bei der Sache.

  40. Es ist sicherlich eine gute Möglichkeit, das „Schlagen der Frauen zu entschärfen“ (Zitat), indem man ganz einfach die Übersetzung aus dem Arabischen verändert. Aber nur für Apologeten wie Sie, leider nicht für die geschlagenen muslimischen Frauen, zumal sie beim Verprügeln gar nicht auf die Idee kommen, „Falsche Übersetzung“ zu rufen.

  41. @ User Unknown:

    „Der Islam ist eine freiheits- und gleichheitsfeindliche Ideologie – jeder Demokrat sollte etwas gegen den Islam haben.“

    Wie definieren Sie denn „den Islam“?

    Gehen Sie davon aus, dass es so etwas wie den „wahren“, mustergültigen Islam gibt, und sprechen sie über diesen? Die Annahme des „richtigen“ Islam macht aber nur Sinn, wenn man Moslem ist: Der „wahre“ Islam wäre der gottgefällige Islam.

    Wenn man den Moslem ist, kann man den Islam nur als „faktisch-historische“ Größe analyiseren: Islam wäre demnach einfach das, was diejenigen, die sich selbst als Anhänger dieser Religion sehen, darunter verstehen und daraus machen. Wenn Sie diesem Ansatz folgen, werden Sie allerdings schnell entdecken, dass es den einen Islam nicht gibt. Was es gibt sind zahlreiche Formen des Islam, die sich in wesentlichen Fragen sehr unterscheiden. Der in Albanien oder anderen säkularisierten Ländern vorherrschende Islam hat beispielsweise im Hinblick auf gesellschaftliche Fragen wenig mit dem saudischen Wahabismus zu tun.
    Dasselbe gilt übrigens auch für das Christentum: Die gesellschaftspolitischen Einstellungen des deutschen evangelischen Christentums haben wenig zu tun mit der Aganda der (christlichen) „Lord’s Resistance Army, die vom Vizegeneralsekretär für Humanitäre Angelegenheiten und Koordinator für Nothilfe der UNO Jan Egeland 2005 als die „wohl brutalste Rebellengruppe der Welt“ bezeichnet wurde. Ebenfalls hat der „rheinische Katholizismus“ von heute wenig mit der Spanischen Inquisition zu tun, jedenfalls was Fragen nach der persönlichen Gewissensfreiheit angeht.

    Mit einem hätten Sie natürlich recht: In großen Teilen der islamischen Welt gibt es weniger Freiheiten als in der heutigen (post)christlichen westlichen Welt (wobei es lange eher umgekehrt war). Das ist bedauerlich, und man kann fragen, warum das so ist. Um dazu aber eine überzeugende Antwort zu erhalten wird man viele Faktoren in Erwägung ziehen müssen, u.a. historische (früher eher überlegene Toleranz im Islam, dann europäische Aufklärung, Kolonialismus, nachkoloniale Geschichte usw.). Man kann ein Problem nicht beseitigen, indem man es angemessen analysiert. Aber man kann daraus lernen und besser reagieren.

    @ Anderer Max:

    „Ob unsere herrschende Ideologie derzeit in seinen Ausürägungen etwas milder ist, als eine andere, ist mir da ziemlich Laterne. Das Potential hat jede dieser Ideologien.“

    Na ja, die Ausprägungen in Deutschland sind wohl doch mehr als nur „etwas milder“ als in Saudi-Arabien Und was das Potential angeht: Das ist wohl ein rein potentielles Potential. Denn eine Religion existiert in einer Gesellschaft und nicht für sich. Wie sie sich ausformt, hängt wesentlich mit dieser Gesellschaft zusammen. Und die meisten europäischen Gesellschaften dürften so strukturiert sein, dass ein religiöser Absolutismus auf sehr lange Sicht äußerst unwahrscheinlich ist.

    Hier könnte man nun die Frage stellen, wieso es in der islamischen Welt derzeit anders ist. Und dabei müsste man gar nicht unterstellen, dass es an „dem Islam“ im Sinne eines transhistorischen monomorphen Phänomens liegt. Vielmehr könnte man historische und gesellschaftliche Faktoren und Prägungen analysieren, oder auch exogene Faktoren. (Zu den exogenen Faktoren zählen etwa die Unterstützung besonders radikaler islamische Kräfte durch den Westen wie in Saudi-Arabien; oder das Hinwegfegen säkularer Regime durch den Westen wie insbesondere in Persien (Regierung Mossadegh), was letztlich im iranischen Gottesstaat endete).

    @ Kritischer Kritiker:

    Ich kann nicht für andere sprechen, aber ich meine Ihre Position und Ihre durchaus vernünftige Differenzierung durchaus verstanden zu haben.

  42. #41: „Es ist sicherlich eine gute Möglichkeit, das „Schlagen der Frauen zu entschärfen“ (Zitat),“

    Das ist kein Zitat, sondern eine vorsätzliche Zitatverstümmelung. Das Zitat lautet:

    „Um die Aufforderung zum Schlagen der Frauen zu entschärfen, (…)“

    siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Sure_4:34

    Die „Aufforderung“ unterschlagen Sie, in der Hoffnung es merkt keiner. Aber das muss bei Ihnen einfach sein, denn:

    „indem man ganz einfach die Übersetzung aus dem Arabischen verändert.“

    Es gibt zwei Sorten Mensch, die sich im Besitz der einzig wahren wörtlichen [tm] Auslegung des Koran glauben, andere Interpretationen für Häresie halten und entsprechend aggressiv auftreten: Islamisten vom Schlage IS, Taliban et al und deren selbsternannte Gegner:

    „Aber nur für Apologeten wie Sie,“

    Auch wenn Sie das als Beleidigung meinen und damit den argumentativen Offenbarungseid leisten, bin ich gerne ein Apologet der freien Auslegung religiöser Texte. Fundamentalisten (s.o.) bringt das natürlich auf die Palme.

    „leider nicht für die geschlagenen muslimischen Frauen, zumal sie beim Verprügeln gar nicht auf die Idee kommen, „Falsche Übersetzung“ zu rufen.“

    Sie sind doch derjenige der das ruft und darauf besteht, dass einzig die fundamentalistische Lesart zu gelten habe. Das hilft nicht den Frauen, sondern den Schlägern.

    Aber die „geschlagenen muslimischen Frauen“ interessieren Sie ohnehin so wenig, wie geschlagene christliche Frauen (Ihre Weigerung, die Bibel im Lichte des Grundgesetzes zu betrachten spricht Bände) und geschlagene Frauen generell und genauso wenig wie Sie Homosexuelle interessieren, die Sie maximal-distanziert als „diese Menschen“ bezeichnen….

  43. @ Robert:

    Es sollte sicherlich kein Tabu sein, über einzelne Stellen des Koran zu diskutieren. Man sollte aber vielleicht auch – was nicht immer geschieht – so fair sein, darauf hinzuweisen, dass es für Religionen offenbar nicht entscheidend darauf ankommen muss, was wörtlich in ihren heiligen Texten steht. Viel wichtiger ist offenbar, wie die Religion an einem Ort oder einer Zeit mit den Texten umgeht.

    Beispielsweise fordert der Tanach (der in etwa dem christlichen Alten Testament besteht) die Todesstrafe für alles Mögliche, einschließlich Magie, Ehebruch und Homosexualität. Man mag argumentieren, dass solche Vorschriften im Christentum durch das Neue Testament aufgehoben wurden, was auch immer davon zu halten sein mag; aber das Judentum jedenfalls hat kein Neues Testament. Dennoch fordern selbst orthodoxe Juden nicht, dass etwa Ehebrecher gesteinigt werden. (Die entsprechenden Gebote im Koran gehen wohl auf das Judentum zurück.) Ähnlich werden auch im muslimisch geprägten Albanien keine solchen Hinrichtungen vollzogen. Es ist also nicht unbedingt der Wortlaut einzelner Schriftstellen, der entscheidend ist, sondern die aktuelle Konstitution religiöser Gemeinschaften.

    Sofern man auf einzelne Verse des Koran oder des Tanach hinweist (dass man dann auch letzteres tun sollte, sollte wohl selbstverständlich sein), sollte man diese also auch einordnen. Denn manche Leute werden sonst meinen, dass die jeweilige Religion gewissermaßen „ihrem Wesen nach“ und unabhängig von historischen Kontexten grausam sei und auch grausam sein müsse, was aber wie dargelegt eine sehr problematische bzw. empirisch falsche Aussage ist. (Dazu, dass es den „wahren Islam“ nur für einen überzeugten Muslim geben kann, siehe meinen letzten Beitrag, Antwort an „User Unknown“.)

    Ebenfalls kann man natürlich gerne über die Behandlung Homosexueller in Brunei sprechen. Man könnte in diesem Zusammenhang aber auch gerade darauf hinweisen, dass eine Religion wandelbar ist, und dass gesellschaftliche Umstände und exogene Einflüsse eine wesentliche Rolle spielen. Beispielsweise war die islamische Welt lange Zeit gegenüber Homosexuellen offenbar wesentlich toleranter als Europa:

    Nach Aussage des Islamwissenschaftlers Thomas Bauer ist der Islam mehr als tausend Jahre tolerant mit homosexuellen Menschen umgegangen. Bauer betont, dass sich in der arabisch-islamischen Kulturgeschichte zwischen 800 und 1800 „keine Spur von Homophobie“ feststellen lasse.[1] Aus der islamischen Literatur sind zahlreiche homoerotische Gedichte überliefert. Laut Bauer habe erst im 19. Jahrhundert der Westen im Zuge der Kolonialisierung den „Kampf gegen den unordentlichen Sex“ im Nahen Osten eingeführt. Vor dem Jahr 1979 sei in tausend Jahren kein Fall im islamischen Nahen Osten und in Nordafrika bekannt, in dem ein Mann aufgrund einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit einem anderen Mann strafrechtlich angeklagt worden sei.[1] Die Auffassung Bauers wird im Wesentlichen von Mounir Baatour geteilt, dem Vorsitzenden von Shams, der ersten tunesischen Organisation, die sich für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen einsetzt: „In Tunesien ist Homosexualität erst seit 1913 unter Strafe gestellt: Es waren die Franzosen, die den entsprechenden Paragraphen 230 einführten. Als sie Tunesien kolonisierten, brachten sie ihre Homophobie mit. Dann sind sie wieder abgezogen, doch die Homophobie blieb… Im Islam gibt es keinen einzigen authentischen religiösen Text, der Homosexualität unter eine konkrete Strafe stellt.“[2]

    https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_im_Islam

    Das macht heutige Islamophobie in der muslimischen Welt natürlich nicht besser; es zeigt aber, dass die Dinge etwas komplizierter sind, als es vielleicht den Anschein hat und unterstreicht, dass ein „essentialistisches“ Islam-Verständnis (Islam als zeit- und kulturübergreifende Entität) problematisch ist.

    Und was Talkshows angeht: Es gibt doch schon eine Fülle von Talkshows zum Islam; es muss doch auch nicht alles abgeklappert werden, das entweder mit Deutschland so wenig zu tun hat als viele andere Ereignisse oder ein Randthema ist, nur weil es den Islam betrifft?
    Zweitens: Ist die Diskussion des Islam in den üblichen Talkrunden nicht zum allergrößten Teil ohnehin durch erdrückende geistiger Schlichtheit und frappierende Unterkomplexität geprägt?

  44. Zitat Someonesdaughter:

    „Es gibt zwei Sorten Mensch, die sich im Besitz der einzig wahren wörtlichen [tm] Auslegung des Koran glauben, andere Interpretationen für Häresie halten und entsprechend aggressiv auftreten: Islamisten vom Schlage IS, Taliban et al und deren selbsternannte Gegner:“

    Wobei Letzteres aber wohl nur für besonders denkfaule Islam-Gegner zutreffen kann. Denn eine „wahre“ oder „gültige“ Auslegung des Koran im Gegensatz zu einer „ungültigen“ kann es ja nur geben, wenn der Koran und somit auch der Islam wahr sind. Die „wahre“ Lesart des Koran wäre dann die „gottgewollte“, durch welche die Menschen die volle Wahrheit des Koran erkennen, frei von Missverständnissen.
    Hält man den Koran hingegen nicht für Gottes wahres Wort, sondern für eine unwahre menschliche Erfindung (was auf entschiedene Islam-Gegner doch wohl zutreffen wird?), kann es auch keine „wahre“ bzw. normativ gültige Lesart geben.

    Es lassen sich aus der Perspektive eines Nicht-Muslim dann nur andere Fragen stellen wie etwa:
    – Welche Auslegung ist bei einer wörtlichen Leseweise besonders plausibel?
    – Welche Auslegung folgt am ehesten aus üblichen islamischen Auslegungs-Systemen?
    – Welche Auslegung hatte der historische Autor (bzw. die historischen Autoren) wohl im Sinne?
    – Wie werden die Stellen von den meisten muslimischen Gelehrten in der Praxis ausgelegt?
    – …

    Dabei muss die Frage, wie eine möglichst wörtliche Interpretation aussieht, wie gesagt für die religiöse Gemeinschaft und damit auch für den gesellschaftlichen Frieden nicht einmal entscheidend sein (siehe meinen letzten Beitrag).

    Es hat allerdings immer wieder den Anschein, dass tatsächlich manche radikale „Islam-Kritiker“ davon ausgehen, dass es eine wahre/gültige Koran-Auslegung und einen wahren/gültigen Islam gebe. Einer der Gründe, wieso ich der Auffassung bin, dass das komplexe Thema „Islam“ oftmals auf einem beklagenswerten Niveau behandelt wird.

  45. Was bis 1800 war, ist für die heutige Zeit nach meiner Meinung nicht so wichtig, weil es über 200 Jahre zurück liegt, oder? Vielleicht wissen Sie es noch nicht, dass es im islamischen Saudi-Arabien vor kurzem nicht nur 36 Todesurteile durch Kopfabhacken, sondern zusätzlich noch die Kreuzigung eines Verurteilten gab?

    Religionen sind selbstverständlich alle in der einen oder anderen Form grausam und ich bin als Atheist auf jeden Fall gegen alle Religionen, daher auch gegen die Religion des Islams. Religionskriege führten zu vielen hunderten Millionen Toten, wie beim 30jährigen Krieg ( 1618 – 1648) und beim Massaker in Magdeburg (1631).

    Sie sagen; „Viel wichtiger ist offenbar, wie die Religion an einem Ort oder einer Zeit mit den Texten umgeht“. Völlig richtig. Dazu gibt es auch ein interessantes Video mit afghanischen Schulfreunden des Mörders von Mia in Kandel.

    Die Schulkameraden sagen dort folgendes : „Frauen, die ihren Mann verlassen, müssen laut Koran gesteinigt oder getötet werden“. Auf diese Weise gehen sie dort offenbar mit den religiösen Texten um. Hier können Sie einen Ausschnitt aus dieser ARD-Sendung sehen:

    https://www.youtube.com/watch?v=sZxeDn8j1Nc

  46. @LLL:

    Wie definieren Sie denn „den Islam“?

    Als die Weltanschauung, die ein Großteil derer, die sich als solche bezeichnen, hier und heute teilen und sich dabei von denen unterscheiden, die sich nicht zum Islam bekennen.

    Und die Einstellung der Mehrheit derer, die sich zum Islam bekennen, ist so reaktionär, dass daneben oft die AfD blass wird.

    Wenn es in Europa keinen Gesellschaft gibt die an Saudi Arabien oder der Iran erinnert, dann liegt das m.E. weniger am kühlen Klima hier, als vielmehr daran, dass die, die dem Islam zugetan sind, hier eine Minderheit bilden und dass die Mehrheit ihre Vorstellungen ablehnt.

    Diese Weltanschauung weiterhin klar und deutlich abzulehnen ist insofern das Fundament, die demokratische, zivilisierte und liberale Gesellschaft zu verteidigen.

    In großen Teilen der islamischen Welt gibt es weniger Freiheiten als in der heutigen (post)christlichen westlichen Welt (wobei es lange eher umgekehrt war).

    Vom Selbstwiderspruch, dass es, wenn es nicht DAS Christentum gibt, es wohl auch keine christliche, westliche Welt geben kann, weil man das runteranalysiseren kann, bis man auf die Unterschiede zwischen Tante Ernas Christentum und Tante Emmas Christentum zu sprechen kommt, abgesehen:
    So halb haben Sie ja selbst gemerkt, dass an Ihrer Überlegung was nicht stimmt, und ein verschämtes (post-) vors Christliche gesetzt.
    Richtig daran ist, dass es die allerunchristlichsten Tendenzen waren, die den freiheitlichen unserer westlichen Welt zum jungen Durchbruch verholfen haben. Vor 100 Jahren schwörten die gesalbten Schäfchen Roms noch den Antimodernisteneid und verteufelten die Toleranz, während sich ihrer Nachfolger heute schon als die Erfinder und Hüter der Toleranz aufspielen.

    Lange umgekehrt kann es deswegen allenfalls gewesen sein, als die westliche Welt noch keine postchristliche war. Das ist dann vielleicht noch umgekehrt wenn man auf Himmelsrichtungen achtet, aber ideologisch sind sich Christentum und Islam natürlich näher, als beide der säkularen Gesellschaft.

    Man kann ein Problem nicht beseitigen, indem man es angemessen analysiert. Aber man kann daraus lernen und besser reagieren.

    Man kann ein Problem nicht beseitigen, in dem drum rum schwafelt, schon richtig, und das Problem war hier der Islam, oder?

    Als großer, islamischer Reformtheologe haben Sie grob skizziert, wie ein Islam theoretisch aussehen könnte und worauf er sich berufen müsste (sola scriptura) um sich in die Tradition des großen Propheten Mohammed zu stellen und weiterhin als Islam zu gelten. Wenn Sie ihre Gemeinde freiheitsliebender, individualistisch gestimmter Europamoslems in einer Größenordnung von einigen Zigmillionen um sich geschart haben, dann melden Sie sich doch einfach noch mal wieder, und ich teile Ihnen mit, ob ich meine Aussagen zum Islam dem neuen Sachverhalt anpasse.

    Bis es soweit ist lehne ich den Islam weiter als konformistische, autoritäre, irrationale, bäuerlich-kriegerische, rückständige und dumme Religion weiter ab, so wie ich auch dumpfdeutsche Bewegungen ablehne, obwohl man ganz unvoreingenommen und mit dem GG in der Hand sicher auch eine nette, deutsche, alternative Ideologie stricken könnte.

  47. @Robert, #39:
    Wenn meine Todesstrafe ausgesetzt wird, bleibe ich am Leben.
    Und in meinem Papierkoran zu hause steht an der Stelle „und straft sie.“ statt „und schlagt sie.“ Die allseits beliebte Sexstreiktaktik.

    Ansonsten geht es in Religionen darum, wie Menschen sich zu verhalten hätten, und im GG um das Verhalten des Staates.

  48. 28:

    „Es gibt echte Missverständnisse und es gibt boshafte, gewollte Missverständnisse. Dieses hier zählt eindeutig zu letzteren.“

    Nein, das haben Sie mißverstanden.

  49. @Kritischer Kritiker, #18
    Es freut mich zu hören, dass Ihnen immer “Aber hier ist es auch ganz schlimm“ geantwortet wird. Nicht weil Sie es leid sind, das zu hören und ich mich freuen würde, dass Sie sich ärgern, sondern weil das “auch“ bedeutet, dass man Ihrer Beschreibung der Zustände und Ihrer Einschätzung (“ganz schlimm“) zustimmt. (Anders wäre es wenn Ihnen geantwortet würde, das sei doch nicht schlimm, nur hier wäre es schlimm. Das sagt wohl kaum jemand. Dafür höre ich oft, dass es den Frauen “hier“ gut gänge im Gegensatz zu woanders, wo es echte Probleme gäbe.)  Wenn jetzt also Einigkeit darüber herrscht, dass die Zustände ganz schlimm sind, gehen die Meinungen wahrscheinlich erst im nächsten Schritt auseinander, nämlich bei der Suche nach der Ursache des Problems. Und da halte ich es nicht nur für zulässig, sondern dringend erforderlich, wenn Sie einen kausalen Zusammenhang Ursache -> Wirkung herstellen wollen, zu überprüfen, ob die Ursache auch ohne die Wirkung bzw. umgekehrt auftritt. Ich finde es unfair, wenn jemand diesen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestreitet, dass dann wieder einen Schritt zurück gegangen wird, um denjenigen erneut mit möglichst drastischen Beschreibungen des Problems zu konfrontieren. So nach dem Motto: “Wer das bestreitet, hat scheinbar noch nicht kapiert, wie schlimm das Problem wirklich ist!“ oder “Wer meine Erklärungen zur Ursache des Problems anzweifelt (und meine Forderungen zu dessen Lösung nicht mitträgt), ist mit Schuld, wenn diese Menschen weiter leiden müssen.“

    @Robert, #31
    Alle Mädchen sollten den Wind in ihren Haaren spüren dürfen aber es gibt nicht nur einen Weg, das zu erreichen. Und die Entscheidung für die Forderung nach einem Kopftuchverbot an Schulen und Kindergärten war auch innerhalb von Terre des Femmes umstritten.

  50. @ Robert:

    Ich stimme Ihnen zu, dass Saudi-Arabien eine brutale Diktatur ist. Man könnte dann aber auch mal kritisieren, dass diese seit vielen Jahrzehnten vom Westen massiv unterstützt wurde (während die Osmanen versucht hatten, die dort herrschende extreme wahabitische Sekte zu stürzen). Und man kann sich fragen, wieso zugleich etwa die Regierung Persiens unter dem liberalen Mossadegh (ein Bewunderer von Abraham Lincoln) gestürzt wurde, mit dem Ergebnis, dass dort heute ein Gottesstaat herrscht.
    Oder wieso radikale Islamisten in Afghanistan unterstützt und letztlich an die Macht gebracht wurden. Oder warum generell der eher säkulare arabische Nationalismus mit dem Kommunismus gleichgesetzt und bekämpft wurde, was wohl auch erheblich zur (Re)islamisierung der arabichen Welt beigetragen haben dürfte.

    Was die Religionskriege angeht, haben Sie zum Teil recht, aber bedenken Sie bitte, dass es oft zentral einfach auch um Macht und Geld ging. Es ist ja kein Zufall, dass der katholische Kardinal Richelieu, der faktische Herrscher Frsnkreichs, den protestantischen Schwedenkönig Gustav Adolf im Dreißigjährigen Krieg ganz entscheidend unterstütze, und nicht etwa die katholischen Habsburger.

    @ User Unknown:

    Sie definieren „Islam“ dann „als die Weltanschauung, die ein Großteil derer, die sich als solche bezeichnen, hier und heute teilen und sich dabei von denen unterscheiden, die sich nicht zum Islam bekennen“.

    Was ist dann mit dem Rest, der nicht dem „Großteil“ angehört, sich aber dennoch als muslimisch bezeichnen? Denken Sie an etwa an die Schiiten, die eindeutig in der Minderheit sind, aber dennoch allgemein als Muslime gelten. Nein, als Muslime müssen natürlich erst mal alle Leute gelten, die sich selbst als „Muslime“ betrachten (es sie denn vielleicht sie wären im Hinblick auf zentrale Fragen extrem atypisch und würden von den allermeisten anderen Muslimen als „Nicht-Mmuslime“ betrachtet).
    Dementsprechend kann „Islam“ auch nur ein Oberbegriff sein, der viele Strömungen erfasst, die einander ähneln, aber in wichtigen Punkten dennoch erheblich voneinander abweichen können. Deshalb ist es im Hinblick auf viele Fragen auch schwierig, generelle Aussagen über „den“ Islam zu machen.

    „Wenn es in Europa keinen Gesellschaft gibt die an Saudi Arabien oder der Iran erinnert, dann liegt das m.E. weniger am kühlen Klima hier, als vielmehr daran, dass die, die dem Islam zugetan sind, hier eine Minderheit bilden und dass die Mehrheit ihre Vorstellungen ablehnt.“

    Minderheiten lassen sich gewöhnlich von der Gesellschaft beeinflussen, von der sie leben. Vor noch nicht allzu langer Zeit galten osteuropäiche Juden als extrem rückständig; inzwischen hat sich das (auch durch den Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft) geändert.
    Und ganze Länder sind eingebunden in kulturelle Entwicklungen. Dass das in Europa liegende Albanien oder das postsowjetische Aserbaidschan religiös viel toleranter sind als etwa Saudi-Arabien, ist nämlich ebenfalls kaum dem Klima geschuldet. Religionen existieren nicht im luftleeren Raum, sondern immer in einer bestimmten Kultur.
    Was folgt für Sie daraus? Dass man Muslime in Deutschland oder Albanien mit denen in Saudi-Arabien über einen Kamm scheren sollte?

    „Vom Selbstwiderspruch, dass es, wenn es nicht DAS Christentum gibt, es wohl auch keine christliche, westliche Welt geben kann…“

    Kein Selbstwiderspruch: Was die Vorstellungen „westlicher“ Christen angeht gibt es eine weitgehende Homogenität im Hinblick auf politische Grundsatzfragen (wenn man vielleicht mal von ein paar Sektierern in den USA absieht). Global gesehen gibt es schon eher Differenzen, worauf ich auch hingewiesen habe (siehe meine Bemerkungen zur „Lord’s Resisntance Army“).

    Wenn man nun den Islam allgemein und überregional betrachtet (und Sie haben ja nicht nur von einer lokalen Variante gesprochen), dann gibt es erhebliche Unterschiede: Der saudische ist nicht etwa der tunesische oder der albanische Islam, und die meisten Muslime, die hier leben, denken anders als die saudischen Religionshüter.

    „…aber ideologisch sind sich Christentum und Islam natürlich näher, als beide der säkularen Gesellschaft.“

    Welches Christentum und welcher Islam? Das Christentum im Mittelalter mag dem Islam etwa saudischer Prägung näher sein als der säkularen Gesellschaft. Das Christentum, wie es etwa die EKD heute vertritt, hat gesellschaftspolitisch hingegen wenig mit Saudi-Arabien zu tun. Wollen Sie das ernsthaft abstreiten?

    Man hat das Gefühl, dass Sie so etwas wie einen kulturunabhängigen „eigentlichen“ oder „wahren Islam“ und ein kulturunabhängiges „eigentliches“ oder „wahres Christentum“ postulieren (die bei Ihnen beide als sehr negativ erscheinen), obwohl Sie Islam wie Christentum für falsch halten.

    „So halb haben Sie ja selbst gemerkt, dass an Ihrer Überlegung was nicht stimmt, und ein verschämtes (post-) vors Christliche gesetzt.“

    Nein, damit wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass die westliche Gesellschaft nicht einfach als“christlich“ klassifiziert werden kann.

    „Man kann ein Problem nicht beseitigen, in dem drum rum schwafelt, schon richtig, und das Problem war hier der Islam, oder?“

    Das Problem für mich ist eher: Wie geht man mit dem Islam um? Schert man alle Muslime über einen Kamm und verteufelt sie, weil ja „der“ Islam intolerant ist – auch wenn die Muslime in einem bestimmten Land tolerant sind? Oder ist man zur Differenzierung bereit und unterscheidet zwischen verschiedenen „Arten“des Islam und verschiedenen „Arten“ von Muslimen, wo Unterschiede sachlich höchst relevant sind?

    „Als großer, islamischer Reformtheologe…“

    Ach lassen Sie doch bitte diese Polemik; ich bleibe doch auch sachlich.

    „…haben Sie grob skizziert, wie ein Islam theoretisch aussehen könnte und worauf er sich berufen müsste (sola scriptura) um sich in die Tradition des großen Propheten Mohammed zu stellen und weiterhin als Islam zu gelten.“

    Was als (authentischer) „Islam zu gelten hat“, sollen die Muslime selbst entscheiden. Das ist keine gesellschaftspolitische Frage.
    Das gilt nicht nur für Muslime, sondern auch für Juden: Wenn die Juden heutzutage nicht mehr auf die Idee kommen, Ehebrecher zu steinigen, dann ist mir egal, wie gut oder schlecht das zur Thora und zum Vorbild von Mose passt. Das sollen die Juden selbst wissen, das ist zu respektieren. Das sind innerreligiöse Fragen.

    „Wenn Sie ihre Gemeinde freiheitsliebender, individualistisch gestimmter Europamoslems in einer Größenordnung von einigen Zigmillionen um sich geschart haben, dann melden Sie sich doch einfach noch mal wieder, und ich teile Ihnen mit, ob ich meine Aussagen zum Islam dem neuen Sachverhalt anpasse.“

    Siehe das schon erwähnte Buch von Douglas Saunders „Mythos Überfemdung“. Und für die Schnelle:

    Die meisten der vier Millionen Muslime in Deutschland sind ein Teil dieses Landes. Ihre Einstellungen und Sichtweisen orientieren sich stark an den Grundwerten der Bundesrepublik wie Demokratie und Pluralität. Umgekehrt stehen den Muslimen und ihrer Religion aber große Teile der nicht-muslimischen Bevölkerung ablehnend gegenüber.

    Die Studie belegt eine starke Verbundenheit der Muslime mit Staat und Gesellschaft. 90 Prozent der hochreligiösen Muslime halten die Demokratie für eine gute Regierungsform.

    Muslime in Deutschland zeigen sich mehrheitlich fromm und liberal zugleich. 63 Prozent der Muslime, die sich als ziemlich oder sehr religiös bezeichnen, überdenken regelmäßig ihre religiöse Einstellung. Einer Heirat unter homosexuellen Paaren stimmen rund 60 Prozent von ihnen zu.

    Die Verbundenheit der Muslime mit Deutschland und seinen gesellschaftlichen Werten trägt jedoch nicht dazu bei, dass sich negative Vorurteile gegenüber dem Islam abbauen. Im Gegenteil […]

    https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2015/januar/religionsmonitor/

    Sie schreiben:

    „Bis es soweit ist lehne ich den Islam weiter als konformistische, autoritäre, irrationale, bäuerlich-kriegerische, rückständige und dumme Religion weiter ab…“

    Na ja, wer sich offenbar nicht dafür interessiert, wie es empirisch um eine bestimmte Religion in einem bestimmten Land tatsächlich aussieht und (daher) ziemlich einseitige und verzerrte Vorstellungen in die Welt hinausposaunt, sollte vielleicht nicht so sehr vom hohen Ross herab von Irrationalismus reden.

    Wie schon gesagt gibt es den einen Islam im Sinne eines monomorphen Phänomens nicht, sondern verschiedene Strömungen mit teils erheblichen Unterschieden. Es ist daher auch unsinnig, unbesehen „den“ Islam ganz allgemein zu verteufeln. Vielmehr müsste es in einer rationalen Auseinandersetzung um konkrete Formen des Islam gehen – etwa um den Islam, dem die meisten hier lebenden Muslime anhängen. Denn der ist doch für uns der relevanteste. Und hier könnte dann etwa eine rationale, sachliche Beschäftigung mit der Empirie erfolgen.

    Die Frage ist allerdings, ob Ihr Wille zur Differenzierung und Ihr empirisches Interesse dazu ausreichen, oder ob Sie es vorziehen, alle Muslime in einen Sack zu packen und auf diesen einzudreschen.

  51. @ Sarah (#50)

    Bitte sehen Sie mir nach, dass ich auf Ihren Beitrag nicht mehr inhaltlich antworte – obwohl ich ihn schätze, weil er sachlich ist. Ich hatte in #25 und #26 angekündigt, dass ich mich aus der Debatte zurückziehe, und das tue ich auch. Mein Abo habe ich gekündigt.

    Ich habe den Eindruck, dass Diskussionsforen wie dieses ein strukturelles Problem aufweisen: Die Beiträge müssen oberflächlich bleiben, weil sie sonst zu lang und zu umständlich werden (und nicht gelesen werden). Wenn man sich aber (relativ) kurz fasst, steht das meiste, was man denkt, nicht im Beitrag, sondern bleibt im Kopf des Verfassers. Die Leerstellen werden dann von den Lesern notwendigerweise im Kopf ergänzt – und bei Themen wie dem Islam, über die seit Jahren gestritten wird, entstehen quasi automatisch Pappkameraden, gegen die in späteren Beiträgen anzudiskutieren fast hoffnungslos ist.

    Hier fand ich mich plötzlich in einem Boot mit Leuten, die ihre Haltung zum Islam aus Koranzitaten ableiten – was ich für einen völlig falschen Ansatz halte. Oder ich geriet in den Verdacht völkisch-rassistischen Denkens, weil für mich das Wort „biodeutsch“ offenbar ganz anders konnotiert ist als für Stefan Pannor.

    Ich habe auch nicht den Eindruck, dass ich so argumentiert habe, wie Sie es mir in #50 vorwerfen. Das mag (s.o.) daran liegen, dass ich dabei mehr und anderes im Kopf habe, als in den Beiträgen tatsächlich steht. Ich weiß ganz sicher, dass meine einzige „Forderung zur Lösung des Problems“ die Unterstützung liberaler muslimischer Gemeinden war (Seran Ates hatte ich als pars pro toto genannt). Ich weiß nicht, was Sie sich unter meinen „Lösungsvorschlägen“ vorgestellt haben – aber ich nehme an, dass es anders aussah.

    Also: Gescheiterte Kommunikation, Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu Hauf. Ich bin sicher, dass ich nicht der einzige bin, der diese Erfahrung hier und in anderen Online-Runden häufig macht – nicht nur bei diesem Thema, sondern bei allen möglichen, sofern sie ansatzweise kontrovers sind und man versucht, eine vielschichtige, „ambigue“ Haltung zu begründen. Viele scheinen damit gut klar zu kommen, ich tue es nicht.

  52. Zitat LLL:

    „Minderheiten lassen sich gewöhnlich von der Gesellschaft beeinflussen, von der sie leben.“

    Sollte natürlich heißen: „… in der sie leben…“

    Zitat Kritischer Kritiker:

    „Denn man sich aber (relativ) kurz fasst, steht das meiste, was man denkt, nicht im Beitrag, sondern bleibt im Kopf des Verfassers. Die Leerstellen werden dann von den Lesern notwendigerweise im Kopf ergänzt […]“

    Das ist in der Praxis sicher oft so, müsste aber eigentlich nicht sein. Man kann es meist auch ganz unterlassen, anderen Leuten alles Mögliche zu unterstellen, was diese gar nicht schreiben. Die Missverständnisse Ihrer Position etwa, die Sie hier beschrieben, habe ich selbst nie geteilt; vielmehr meine ich, Sie von Anfang an korrekt verstanden zu haben.

    Ich fände es schade, wenn Sie sich zurückziehen würden.

  53. @Kritischer Kritiker
    Die Meinungsvielfalt scheint mir hier ziemlich groß, im Vergleich zu vielen anderen Kommentarbereichen, deswegen lese ich sie auch öfters.
    Für umfangreiche Diskussionen fehlt hier allerdings wirklich der Platz. Kennen Sie einen geeigneteren Ort zum Diskutieren?
    Trotzdem denke ich, niemand hier wird es Ihnen vorwerfen, wenn Sie es sich anders überlegen und zurückkommen (weil es auch niemanden etwas angeht).

  54. @Kritischer Kritiker: Ich hoffe sooo sehr, dass Sie für die Abokündigung gewichtigere Gründe hatten als diesen Thread. Wäre zu schade, wenn einer meiner Lieblingskommentaristen hier sich in die Reihe der beleidigten Schneeflocken einreihen würden, die bei jedem missliebigen Artikel das Abo kündigen und sich bei jeder ungerechten Behandlung aus der Diskussion zurückziehen. Wenn die Klugen sich zurückziehen, kommentieren irgendwann nur noch die Dummen.

    (Disclaimer: Ich habe selber gar kein Abo, aber eher, weil ich zu selten dazu komme, hier was zu lesen, und es sich daher für mich nicht lohnen würde. Jedenfalls konnte ich mich bis jetzt nicht zu einem Abschluss entschließen.)

  55. Ach ja, zum Thema: Solche Zuschauer/-hörer/beteiligungen finde ich sowieso immer fürchterlich, das sind üblicherweise Momente tiefster Fremdscham. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Da melden sich hauptsächlich Leute zu Wort, bei denen das Verhältnis von Mitteilungsbedürfnis und Sachkenntnis völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Aber diese „Umfrage“ toppt wirklich alles. Warum sagt der MDR nicht gleich: „Liebe Islamhasser, bitte ruft doch mal bei uns an! Gern auch mehrfach!“?

    Um Selbstverständlichkeiten zu bekunden, macht sich nämlich niemand die Mühe, das Telefon in die Hand zu nehmen. Und dass der Islam zu Deutschland gehört, ist so eine Selbstverständlichkeit. Es lebt in diesem Land eine niedrige siebenstellige Zahl von Muslimen (wie viele tatsächlich ist schwer zu messen), es gilt Religionsfreiheit, also gehört der Islam zu Deutschland, punktausende. Ob irgendwelche MDR-Zuschauer das mögen oder nicht, ist vollkommen irrelevant. Oder, um es mit einem Plakat der PARTEI auszudrücken: Niemanden interessiert Ihre Meinung!

  56. @ Earendil:

    „…die bei jedem missliebigen Artikel das Abo kündigen und sich bei jeder ungerechten Behandlung aus der Diskussion zurückziehen…“

    Mit dem missliebigen Artikel haben Sie natürlich recht: Es gehört zur Meinungspluralität, dass man auch mal Artikeln, die man nicht so mag, begegnen. Das ist normal und sollte sicherlich kein Anlass für einen Rückzug sein. (Umso weniger, wenn man sich wie hier bei Übermedien sogar noch kritisch zu Texten äußern kann, die einem missfallen.)

    Was Kommentare angeht, so muss man m.E. schon konzedieren, dass es oftmals schon einer erheblichen Portion guten Willens, Geduld, und eines dicken Felles bedarf, wenn man in substantieller Weise an manch einer Diskussion teilnehmen möchte.
    Folgende Probleme mache ich als eher „grundlegende Probleme“ in vielen Debatten aus. (Nicht bezogen auf diese Diskussion, sondern allgemein auf Diskussionen im Internet und auch bei Übermedien; ohne Anspruch auf Vollständigkeit; sich überschneidend mit der Analyse von „Kritischer Kritiker“) Meine kleine Liste:

    – Einige Leute haben nicht verstanden, wie eine sinnvolle Kommentierung oder Diskussion überhaupt auch nur IM PRINZIP funktioniert. Auf einen ausführlichen, mit vielen inhaltlichen Argumenten bestückten Artikel antworten sie beispielsweise mit einem Bauchgefühl-Einzeiler (im Sinne von: „Der Autor bewirft uns mit seinen ideologischen Müll!“), oder mit einer durch nichts begründeten Unterstellung. Jedenfalls setzen sie sich nicht einmal im ANSATZ mit den sachlichen Argumenten des Artikels auseinanderzusetzen und bieten auch keinerlei eigene Argumente. Sie lassen die Welt wissen, dass sie einen Text „Scheiße“ finden, sagen aber nicht, was ihnen missfällt oder warum.

    – Eine Reihe von Leuten scheint den Unterschied zwischen Kritik in der Sache und persönlichen Angriffen nicht zu verstehen; diese Personen wissen oder begreifen nicht, dass man ein Sach-Argument nicht durch eine persönliche Diffamierung widerlegen kann, und dass eine solche Diffamierung in einer rationalen Debatte im Übrigen auch nichts verloren hat.

    – Manche Leute sind allgemein sehr schnell dabei, aggressiv und unfreundlich zu werden, selbst wenn sie sich zugleich auf Sachdiskussionen einlassen.

    – All das führt dann oft zu aggressiven, aber völlig fruchtlosen „Flame Wars“.

    – Manchen Menschen fehlt es an Textverständnis. Wenn ein Text eine gewisse (moderate) Komplexität erreicht hat, verstehen sie nicht mehr durchgängig, was in ihm steht (und sei es implizit und zwischen den Zeilen) und was nicht in ihm steht.

    – Andere Leute, die an sich in der Lage wären, einen Text zu verstehen, lassen sich sehr schnell durch durch den Bezug zu einem Thema triggern und interpretieren dann in den Text etwas Bestimmtes (meist etwas Übles) hinein.

    – Aus solchen Gründen hat man es oft mit Antworten zu tun, die nicht dem gelten, was man geschrieben hat, sondern dem, was man nicht geschrieben hat. Das kann das Diskutieren sehr mühselig machen.

    – Nicht wenigen Leuten mangelt es an der Fähigkeit, begrifflich-analytisch klar, stringent und kohärent zu argumentieren. Die Argumentation dieser Teilnehmer ist dann oft durch begriffliche Konfusion, Missverständnisse und logische Fehlschlüsse geprägt.

    – Und (nicht allein deswegen) fehlt bei manchen die Fähigkeit, sich in einer adäquaten, einigermaßen differenzierten Weise inhaltlich mit einem vielschichtigeren Thema auseinaderzusetzen.

    – Nicht wenigen (dieser) Leute scheint zudem die Bereitschaft zu fehlen, sich zumindest ein wenig mit einem Thema auseinanderzusetzen, bevor sie „starke“ Meinungen „lautstark“ (und teils in aggressivem Tonfall) verkünden. Selbst eine kurze Recherche ist da offenbar „zu viel verlangt“. Bestenfalls recherchieren sie in ihrer kleinen Filterblase.

    – Aus solchen Gründen sind manche Beiträge einfach extrem schwach, so dass man sich fragt, ob man ihnen etwas entgengesetzen soll, damit sie nicht unkommentiert bleiben, obwohl sich eine Auseinandersetzung sachlich eigentlich erübrigt. (Oft sind die entsprechenden Beiträge dafür aber besonders aggressiv gehalten.)

    – Manche Leute neigen auch dazu, Sachen in übertriebener Weise moralisch bzw. moralisierend oder politisch „aufzuladen“, wo es schlichtweg nicht angemessen ist. Das gibt solchen (gut gemeinten) Kommentaren mitunter einen unangenehmen missionarischen Unterton und „politisiert“ mache Debatten unnötig. Aus jeder (weitestgehend) apolitischen Mücke wird dann ein politischer Elefant mit Schnauzbart.

    – …

    Natürlich ist diese Liste jedenfalls zum Teil subjektiv und spiegelt meine eigene Wahrnehmung wieder. Und natürlich gibt es auch viele Leute, die im Allgemeinen absolut korrekt und vernünftig argumentieren. Und perfekt ist eh niemand: Wir alle diskutieren zumindest manchmal sicherlich in einer „suboptimal“.

    Aber in einigen Fällen kommen Probleme wie die oben genannten eben sehr stark zum Tragen und erschweren eine sinnvolle Debatte ungemein.

    (Ich bin übrigens der Auffassung, dass rationales Denken und Argumentieren erlernbar sind, aber eben auch gelernt bzw. gelehrt werden müssten.)

  57. Merke: Bei übermedien kommentiert man nicht, um seine Meinung kundzutun, sondern damit die anderen gefälligst rationales Denken und Argumentieren (nach meiner Definition) lernen, verdammt!
    Aber den meisten fehlt ja eh die Veranlagung, Texte zu verstehen … *rollingeyes*

  58. @ Anderer Max:

    Leider bieten Sie selbst hier Beispiele für das, was ich kritisiere:

    „Aber den meisten fehlt ja eh die Veranlagung, Texte zu verstehen … *rollingeyes*“

    Ich habe nirgendwo geschrieben, das den MEISTEN Leuten die „Veranlagung“ fehlen würde, Texte zu verstehen. Vielmehr hatte ich gesagt, dass es MANCHEN Leuten an „Textverständnis“ fehle. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied. Wenn Sie das nicht sehen, dann machen Sie es sich bitte an anderen Beispielen klar:

    ‚Manche Leute sammeln extrem teure antike Vasen; die meisten Leute sammeln extrem teure antike Vasen.‘
    ‚Manche Leute wählen die AfD; die meisten Leute wählen die AfD.‘
    ‚Manche Leute machen gerne Überstunden; die meisten Leute machen gerne Überstunden.‘

    Die erste Aussage stimmt in all diesen Fällen; die zweite ist nicht nur falsch, sondern teils auch nachgerade absurd.

    Wenn Sie nun so tun, als würde ich behaupten, dass die „meisten Leute“ (statt „manche Leute“) Probleme mit dem Verständnis von Texten haben, dann ist das nicht eine kleine Überspitzung, sondern eine grundlegende Verfälschung meiner Behauptung. Sie machen meine Aussage auf diese Weise sehr viel problematischer und angreifbarer, als sie im Original ist, und können sie daher auch viel leichter als lächerlich erscheinen lassen.

    (Das wäre auch noch ein Punkt, den ich in meinem letzten Beitrag hätte explizit nennen können:
    – Manche Leute verzerren die Texte anderer bis hin zur Karikatur und können sie dann mühelos kritisieren; aber das, was sie da so bequem kritisieren können, findet sich nicht im Original, sondern nur in ihrer Karikatur.)

    Ich behaupte nicht, dass die Mehrheit der Leute nicht fähig wäre, einen komplexeren Text zu verstehen; ich behaupte nicht einmal, dass es sich da um eine große Minderheit handeln würde. Aber dass die Aussage zumindest auf EINIGE Leute zutrifft, was sich dann in entsprechenden Kommentaren äußert, ist doch nicht ernsthaft zu bestreiten. Wieso darf man diese offenkundige Wahrheit dann Ihrer Meinung nach nicht aussprechen, ohne Ihre Kritik zu ernten?

    „Merke: Bei übermedien kommentiert man nicht, um seine Meinung kundzutun, sondern damit die anderen gefälligst rationales Denken und Argumentieren (nach meiner Definition) lernen, verdammt!“

    Ich führe äußerst selten größere Metadiskussionen über die Art des Diskutierens. Höchstens einmal bitte ich etwa im konkreten Fall der Diskussion um Sachlichkeit, wenn jemand unsachlich ist. Fast immer diskutiere ich vor allem auf der „Objekt-Ebene“. Ihr Spott ist insofern nichts als reine Polemik bar jeglicher Grundlage.

    Und was meine (impliziten) Wünsche in Bezug auf eine bessere Diskussionskultur mit „MEINER“ Definition von rationalem Denken und Argumentieren zu tun haben könnten, erschließt sich ebenfalls nicht: Alles, was ich (implizit) „einfordere“, besteht doch aus Banalitäten, die völlig unstrittig sein dürften.

    Es gibt sicherlich im Übrigen auch noch eine weitere Kategorie von Leuten: Personen, die einen Text zwar verstehen können, sich aber nicht die Mühe dazu machen. Hier und heute scheinen leider auch Sie unter diese Rubrik zu fallen.
    Insofern steht es Ihnen auch nicht gut an, wenn Sie meinen Versuch, auf ein etwas rationaleres Diskussionsverhalten hinzuarbeiten, mit Hohn beantworten. Ihr heutiger Beitrag hier weist eher auf die Notwendigkeit meiner Bemühungen hin.

  59. Vielleicht verstehen ja doch mehr Leute, was sie hier so lesen und kommentieren dann aber auf eine etwas provokante Art.
    Eventuell Möglich, dass das dann nicht richtig verstanden wird und erst mal der Unterschied zwischen „manchen“ und „meisten“ ausgearbeitet wird.
    Gerichtet an Menschen, die diesen Unterschied mit Sicherheit kennen, wenn man deren texte liest und versteht.

    Das nur nebenher, ohne jetzt eine ellenlange Textwand provoziert haben zu wollen von zwar vernünftigen Worten, die aber oft sehr ausufern und dann manchmal auch den Fokus verlieren. Da sind mir so manch andere „härtere“, aber dafür pointierte Texte meist lieber.

    Ich finde es Schade, dass Kritischer Kritiker hier nicht mehr mit diskutieren will.

  60. @ Micha:

    „Provokation“ ist ja schön und gut, oder man mag das so sehen – aber doch bitte in sinnvollen Grenzen.

    – Die These, dass MANCHE Leute Texte nicht richtig verstehen, und dass das eines von vielen Problemen mit Diskussionen ist, ist trivial, kaum ernsthaft zu bestreiten und sicherlich nicht besonders kritikwürdig.
    – Die These, dass die MEISTEN Leute Texte nicht verstehen, ist viel extremer, gewagter, fragwürdiger, und potentiell viel eher kritisierbar.

    Welchen (rationalen) Sinn macht er also, eine eigentlich unproblematische Aussage derart „provokant“ „wiederzugeben“, dass sie auf einmal als problematisch und kritikwürdig erscheint? Um sie dann in dieser neuen, problematischen Fassung zu kritisieren?
    Man kritisiert dann einen Strohmann – was für eine Diskussion lästig ist, im besten Falle.

    Ich hoffe, das war Ihnen jetzt weder zu lang noch defokussiert.

  61. @LLL
    „Ich hoffe, das war Ihnen jetzt weder zu lang noch defokussiert.“

    Alles gut.

    Mir geht es eher darum, dass man sich nicht immer so persönlich angegriffen fühlen sollte.

    Wenn ich hier mal etwas schreibe, was von wem auch immer dahin gedeutet wird, dass es so auch gerne aus rechten Ecken kommt, dann hinterfrage ich mich erst mal selbst, ob da was Wahres dran sein könnte.
    Wenn nicht, dann kann man drüber stehen.
    Wenn doch, dann mache ich mir Gedanken, ob ich da etwas ändern will oder eben nicht.
    Und wenn ich nicht reagieren will, dann entscheide ich mich, den Vorwurf zu ignorieren oder ihn entkräften zu wollen.

    Das war jetzt ein Beispiel dafür, wie ich mir erhofft hätte, das Kritischer Kritiker auf dem Vorwurf reagiert hätte, dass er das Wort „Biodeutscher“ verwendet hat.

    Ich meine, Verstanden zu haben, wie es Kritischer Kritiker es tatsächlich meinte. Dennoch fand ich den Einwurf von Stefan Pannor nicht schlimm und auch nicht unberechtigt.
    Nicht unbedingt nötig, aber auch nicht völlig falsch.

    In so fern, wie gesagt, ich würde Kritischer Kritiker gerne weiter hier lesen, ohne dass ich der Meinung bin, Stefan Pannor oder Anderer Max sollten was an ihrer Art zu schreiben groß ändern.
    Im Gegenteil, die lese ich hier auch sehr gerne.

  62. @59: Ich sag’s mal so: Nur weil sie eine Notwendigkeit erkennen heißt das ja nicht, dass jeder sie nachvollziehen können muss.

    Sie schreiben:
    „Manchen Menschen fehlt es an Textverständnis. Wenn ein Text eine gewisse (moderate) Komplexität erreicht hat, verstehen sie nicht mehr durchgängig, was in ihm steht (und sei es implizit und zwischen den Zeilen) und was nicht in ihm steht. “
    Das ist eine Zustandsbeschreibung. So, wie „Mansche Menschen kommen mit einer Behinderung zur Welt“.
    „Manche“ vs. „den meisten“ ist da ein selbstgeschaffener Quantitäts-Nebenkriegsschauplatz, auf dem Sie jetzt meinen, mich mit viel, viel , viel Worten niederringen zu können. Aber ich kämpfe da gar nicht! Den Feind bilden Sie sich ein!

  63. @ Anderer Max:

    „Ich sag’s mal so: Nur weil sie eine Notwendigkeit erkennen heißt das ja nicht, dass jeder sie nachvollziehen können muss.“

    Welche Notwendigkeit können Sie denn konkret nicht nachvollziehen? Sie haben bisher nicht ein einziges Beispiel genannt, wo meine Kritik (so wie ich sie im Original geäußert habe) Ihrer Auffasung nach unberechtigt wäre, oder wo die aus meiner Kritik ableitbaren Diskurs-Maximen Ihrer Meinung nach verfehlt wären.

    Sie hatten formuliert:

    „Aber den meisten fehlt ja eh die Veranlagung, Texte zu verstehen … *rollingeyes*“

    Damit „paraphrasieren“ Sie meine Aussage einfach grob falsch. Und nur WEGEN dieser falschen Paraphrasierung können Sie meinen Satz mit einem spöttischen oder genervten Augenrollen ironisieren. Hätten Sie (wahrheitsgemäß) geschrieben, dass es nach meiner Auffassung MANCHEN Leuten an der Fähigkeit mangele, komplexere Texte richtig zu verstehen, hätten Sie keinerlei Anlass zum „Augenrollen“ oder zur Kritik gehabt. Denn in dieser originalen Version ist meine Aussage so trivial wie unbestreitbar. Was „meine“ Aussage problematisch macht und Anlass zu Ihrer negativen bzw. spöttischen Reaktion gibt, haben Sie selbst erst in meinen Satz hineingelegt. Sie kritisieren mich effektiv also nicht für das, was ich sage, sondern für das, was Sie daraus machen.

    „‚Manche‘ vs. ‚den meisten‘ ist da ein selbstgeschaffener Quantitäts-Nebenkriegsschauplatz…“

    Nein, es ist ein wesentlicher Unterschied, ob jemand sagt, dass MANCHE Menschen Probleme haben, Texte zu verstehen, oder ob jemand sagt, dass die MEISTEN Menschen Probleme dieser Art haben. Beispielsweise kann die erste Version nicht ernsthaft kritisiert werden, die zweite aber schon viel eher: sie ist viel extremer, viel leichter zu bezweifeln, viel begründungsbedürftiger, und man mag sie sogar als anmaßend empfinden.
    (Falsche Quantifizierungen stellen im Übrigen wie schon dargelegt auch in anderen Zusammenhängen oftmals ein ernstes Problem dar; sie können aus einer höchst vernünftigen eine höchst absurde Aussage machen; vgl. # 59.)

    Abgesehen davon: Was wäre denn dann der „Hauptkriegsschauplatz“? Zumal ich doch auf alle Aussagen Ihres Beitrages (# 58) explizit eingegangen bin?

    Eine Aussage so zu verzerren, dass sie erst (oder vor allem) durch die Verzerrung effektiv kritisierbar ist, ist übrigens eine „Strategie“, derer sich gar nicht wenige Leute (unbewusst) bedienen: Man unterstellt dem anderen also beispielsweise Thesen, die wesentlich „krasser“ oder undifferenzierter sind als diejenigen, die er tatsächlich vertritt. Es handelt sich hier um ein klassisches Strohmann-Argument:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Strohmann-Argument

    Der Unterschied zur legitimen Überspitzung ist im Wesentlichen der: Die akzeptable Überspitzung macht das Kritikwürdige in der gegnerischen Position besser sichtbar. Die Verfremdung hingegen legt das Kritikwürdige (zu einem Gutteil) erst „von außen“ in die Position des Gegners hinein.

    Nicht wenige Diskussionen leiden unter einem Verhalten der letzteren Art, und wenn mehrere Seiten so verfahren, kann man die Debatte vergessen. Dann hat man nämlich ein einziges großes Sammelsurium von Unterstellungen und von „Aneinander-Vorbeireden“.

    Der erste Schritt für ein rationales Diskutieren sollte daher sein, dass man sich erst einmal überlegt, was der Diskussionspartner tatsächlich sagt, und dass man dann DIESE Position kritisiert (wenn man sie für kritikwürdig hält); und nicht eine andere. (Ich hoffe, das ist eine Maxime, die auch Sie akzeptieren.)

    „Aber ich kämpfe da gar nicht! Den Feind bilden Sie sich ein!“

    Ich betrachte Sie nicht als „Feind“ und würde auch nicht im metaphorischen Sinne behaupten wollen, dass Sie gegen mich „kämpfen“ würden (so wenig wie umgekehrt).
    Aber dass Sie eine völlig harmlose, nicht ernsthaft zu bestreitende Aussage von mir so verfremdet haben, dass sie auf einmal als problematisch und potentiell kritikwürdig erscheint, und dass Sie sie nur deswegen ironisieren konnten, bilde ich mir wohl kaum ein.

    Ich unterstelle Ihnen dabei auch keine böse Absicht und nehme das auch nicht persönlich. Aber wenn wir eh schon übers Diskutieren diskutieren (womit ich nicht angefangen habe), mag mein Hinweis erlaubt sein.

  64. @ Anderer Max:

    Ergänzung: Sie schreiben:

    „Das [dass manche Menschen Probleme mit dem Textverständnis haben] ist eine Zustandsbeschreibung. So, wie ‚Mansche Menschen kommen mit einer Behinderung zur Welt‘.“

    Genau. Und während der Satz, dass manche Menschen mit einer Behinderung zur Welt kommen, korrekt und vernünftig ist, ist der Satz, dass die meisten Menschen mit einer Behinderung zur Welt kommen, offensichtlich abwegig. Beide Sätze unterscheiden sich wesentlich in dem, was sie über den Zustand der Welt behaupten.

    Die Aussage, dass die meisten Menschen Probleme mit dem Verständnis komplexerer Artikel haben, ist zwar weniger abwegig als die These, dass die meisten Leute behindert zur Welt kommen würden; sie ist aber dennoch viel problematischer (und wesentlich anders) als die Aussage, dass manche Menschen Probleme mit dem Verständnis komplexerer Texte haben.

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