Gedenktag

Apropos Pressefreiheit, können wir mal über Pressevielfalt reden?

Am Freitag schmückte die Titelseiten vieler deutscher Regionalzeitungen dasselbe Motiv, teils in außergewöhnlich großer Aufmachung: ein Bild, das Norbert Bisky zum Thema Pressefreiheit gemalt hat. Zum vierten Mal hat der Bund Deutscher Zeitungsverleger BDZV einen Künstler gewonnen, anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit ein Werk zu schaffen und den Tageszeitungen zum Abdruck zur Verfügung zu stellen.

Dasselbe Bild auf vielen verschiedenen Zeitungen – das soll natürlich Aufmerksamkeit schaffen. Ein besonderer Effekt für einen besonderen Tag.

Ich bin mir nur nicht sicher, ob diese Logik überhaupt noch funktioniert. Viele Zeitungen sehen auch an jedem anderen Tag gleich aus. Aus Not, aus Verzweiflung oder im Sparwahn haben viele Blätter ihre Eigenständigkeit aufgegeben. Sie bekommen Inhalte zunehmend aus Zentralredaktionen ihrer Verlage geliefert, die nur noch eingepasst oder automatisch auf das Design der jeweiligen Zeitung umlackiert werden.

Ungewollt haben die deutschen Zeitungen so an diesem Tag nicht nur für die Pressefreiheit demonstriert, sondern auch für einen Wert, der damit eng verbunden ist: Pressevielfalt.

Ein BDZV-Interview als eigenes ausgeben

Viele Medien haben nicht nur das Bild von Bisky abgedruckt, sondern auch ein Interview, das der BDZV dazu verbreitet hat. Anja Pasquay, die Pressesprecherin des BDZV, hat es mit dem Maler geführt.

Einige Zeitungen geben es aber als eigenes Interview aus. In der „Berliner Morgenpost“ stellt die „Berliner Morgenpost“ die Fragen an Bisky; in der „Pforzheimer Zeitung“ ist es ein „PZ-Interview“; in der „Mitteldeutschen Zeitung“ heißt es: „Darüber sprach mit ihm für die MZ Anja Pasquay“.

Keine große Sache vielleicht, aber was hätte dagegen gesprochen, die richtige Quelle zu nennen und nicht den Eindruck einer eigenen Leistung zu erwecken, die es nicht gab? Ah, okay, ich merke gerade: Die Antwort steckt schon in der Frage. (Lustigerweise scheint bei der Umverpackerei in der Funke-Gruppe etwas schief gelaufen zu sein, so dass es auf den Seiten der „WAZ“ die „Braunschweiger Zeitung“ ist, die die Fragen stellt.)

Dasselbe dpa-Feature überall

Nicht nur das Kunstwerk findet sich auf oder in vielen Zeitungen – was ja Sinn der Sache war. Auch die Texte sind oft mehr oder weniger identisch. Viele Zeitungen brachten einfach den dpa-Bericht zum Thema, der weitgehend auf der Rangliste der Reporter ohne Grenzen (ROG) beruht.

Wenn also das „Schifferstadter Tagblatt“ stolz twittert (und vom BDZV retweetet wird), dass der Internationale Tag der Pressefreiheit „natürlich auch bei der kleinsten Tageszeitung Deutschlands ein Thema ist“, bedeutet das nicht, dass sich das „Schifferstadter Tagblatt“ tatsächlich eigene Gedanken dazu gemacht hat. Es konnte einfach das BDZV-Bild mit der dpa-Meldung und der dpa-Infografik kombinieren – fertig.

Schon klar: Dafür leisten sich die Zeitungen ja eine gemeinsame Agentur, damit sie nicht alle die Arbeit selbst machen müssen. Aber was sagt das aus darüber, wie wichtig die Presseunternehmen diesen Tag der Pressefreiheit nehmen, wenn so viele von ihnen sich nicht einmal die Mühe geben, sich eigene Gedanken zum Thema zu machen und eigene Inhalte zu produzieren, sondern einfach externe Standard-Inhalte übernehmen?

Die Omnipräsenz dieser dpa-Übersicht an diesem Tag wirkt so auch wie eine Mahnung vor der Verkargung der Presselandschaft, wenn unter verschiedenen Zeitungsnamen oft diesealben Inhalte stecken. Und jeder Fehler wird so natürlich auch vervielfacht. In dem dpa-Feature heißt es zum Beispiel zur Situation in Myanmar, dass Reporter ohne Grenzen „systematische Hetze“ in dem Land beklage.

Auf der Länderseite von ROG findet sich tatsächlich diese Formulierung, gleich unter der großen Überschrift „Hetze gegen Medienschaffende“. Doch es handelt sich um einen Übersichtsartikel zur neuen Rangliste insgesamt. Und die „systematische Hetze“ bezieht sich hier vor allem auf Länder, in denen sich Journalisten „bisher im weltweiten Vergleich eher sicher fühlen konnten“. Im Bezug auf Myanmar konkret benutzt ROG diese Formulierung nicht.

Ein kleiner Fehler, der nun aber überall steht, weil sich so viele Redaktionen von Regionalzeitungen nicht die Mühe machen (wollen oder können), einen eigenen Artikel zum Thema zu formulieren.

Grob montiert

Der Trend, eigene Inhalte durch Zulieferungen durch Zentralredaktionen zu ersetzen, soll angeblich nicht nur Kosten sparen, sondern auch die Inhalte verbessern: Die geringere Vielfalt, so die Logik, ist der Preis für eine höhere Qualität, die sich vor allem kleinere Titel sonst gar nicht leisten können.

Auch dafür gab es am Freitag ein anschauliches Gegenbeispiel. Der Politik-Chefreporter der Funke-Mediengruppe nahm die Diskussion um die Äußerungen von Juso-Chef Kevin Kühnert zum Anlass für die Frage: „Kommt jetzt die linke Republik?“ Die zentrale Spekulation darin: „Kann Habeck mit seinen Grünen die 20-Prozent-plus-Euphoriewelle dauerhaft reiten (und nicht wie so oft am Wahltag vom Brett fallen), könnte der Ex-Kinderbuchautor Kramp-Karrenbauer das Kanzleramt streitig machen. Dafür bräuchte er Partner“, und das könnten SPD und Linke sein.

Um das Thema angemessen zu bebildern, bot sich ein Gruppenbild von Robert Habeck, Andrea Nahles und einem Linken an, zum Beispiel dem Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch. Weil sich offenbar kein geeignetes Foto fand, bastelte sich die „Berliner Morgenpost“ kurzerhand aus drei Bildern eine Collage.

Ausriss: „Berliner Morgenpost“

Allerdings war entweder die Zeit knapp oder es fand sich gerade niemand, der mit Photoshop umgehen kann, jedenfalls sind die Konturen von Habeck aus dem Originalfoto so stümperhaft ausgeschnitten worden, dass es aussieht, als ob ein Grobmotoriker mit einer stumpfen Nagelschere hantiert hat:

Und weil es sich um einen Inhalt der Zentralredaktion handelt, findet sich diese traurige Montage in dieser Qualität nicht nur in der „Berliner Morgenpost“, sondern auch in diversen anderen Zeitungs-Umverpackungen aus dem Hause Funke.

Ausriss: „Harz Kurier“
Ausriss: „Ostthüringer Zeitung“
Ausriss: „Thüringer Allgemeine“
Ausriss: „Thüringische Landeszeitung“
Ausriss: „Braunschweiger Zeitung“
Ausriss: „Hamburger Abendblatt“
Ausriss: „Westfalenpost“
Ausriss: NRZ
Ausriss: WAZ

Die schrumpfende Pressevielfalt ist übrigens auch Thema in der aktuellen Nahaufnahme zur Pressefreiheit in Deutschland, die Reporter ohne Grenzen veröffentlicht hat. Darin heißt es:

Die schrumpfende Pressevielfalt in Deutschland bleibt eine latente Bedrohung. Wie schon in den Vorjahren häuften sich auch 2018 die Meldungen über Stellenabbau und Einsparungen in der deutschen Medienlandschaft. Gleichzeitig sind Zentralredaktionen großer Regionalverlage entstanden, die identische Inhalte an diverse Abnehmer liefern. Dadurch können Regionalzeitungen zwar ihre Kompetenzen bündeln und ihr Gewicht gegenüber politischen Gesprächspartnern stärken, Medienvielfalt und die Vielfalt veröffentlichter Meinungen nehmen jedoch ab.

Dieser Aspekt hat es in fast keine Zeitung geschafft.

36 Kommentare

  1. Das Verhaftungsfoto von Julian Assange wäre aktueller und auch relevanter gewesen als dieses merkwürdige Gemälde, um das Thema „Pressefreiheit“ zu illustrieren.

  2. Also ich finde, trotz „links-grün-versiffter“ Mehrheit in den News- und Redaktionsräumen wird das Meinungsspektrum in Deutschland mehr als ausreichend abgebildet.
    Das tägliche Geschnatter und Gegacker aus allen regionalen und politischen Richtungen ist kaum zu überhören.
    Da ist eine gewisse Verdichtung, um mal diesen seit neuestem in der Medienbranche kontaminierten Begriff zu benutzen, gar nicht so verkehrt.

  3. @2: Na, die linksgrüne „Dominanz“ wird ja auch immer nur behauptet. seit 4 Jahren dominiert die Migrationsfrage jedes andere Thema, und zwar nicht die humanistischen, zivilisatorischen Aspekte oder gar unsere rechtliche Verpflichtung nach Grundgesetz, sondern Abschiebung, Umverteilung und Angst.
    Ich behaupte, wir haben schon längst wieder eine konsevativ-rechte Mediendominanz, zumindest in Sachen Themanauswahl, nicht unedingt in Sachen Meinungsbeiträge.
    Siehe z. B. auch die ganze Kühnert-Geschichte und wie das verdreht wurde: https://www.volksverpetzer.de/schwer-verpetzt/kuhnert-bmw/
    Außerdem möchte ich noch die extremistischen Kleinstpublikationen, wie Compact Magazin und rechte Blogs wie PI erwähnen – Jede Menge alternative Wahrheiten für Menschen, denen selbst die Bildzeitung noch zu humanistisch ist.

  4. Oben ist zu lesen:

    „Gleichzeitig sind Zentralredaktionen großer Regionalverlage entstanden, die identische Inhalte an diverse Abnehmer liefern. Dadurch können Regionalzeitungen zwar ihre Kompetenzen bündeln und ihr Gewicht gegenüber politischen Gesprächspartnern stärken, Medienvielfalt und die Vielfalt veröffentlichter Meinungen nehmen jedoch ab.“

    Kompetenzen bündeln? Das kommt heraus, wenn gebündelt wird, aufgeschrieben in der Zossener Lokalredaktion der Märkischen Allgemeinen Zeitung, erschienen am 23. April, S. 15:

    „Große Suchaktion nach zwei Katzen“
    „Susanne Merz und Helmut Schorn aus Großbeeren haben ihre Manika wiedergefunden, Kater Schnitzel bleibt verschwunden“

    Das stand nicht etwa auf der dritten Lokalseite als Kurzmeldung, sondern war der Aufmacher auf der Lokalseite eins, vierspaltig mit vierspaltigem Foto. Auf Seite drei war kein Platz, denn die Seite zwei und drei waren mit Fotos und Kurztexten bepflastert, Thema Osterspaziergang.
    Wie ist die Zeitung doch interessant, wenn gebündelt wird.

  5. Ist es nicht egal, was in den Zeitungen steht, die aufgrund ihres Handelns in den letzten Jahren sowieso nicht mehr gelesen werden?

    Was mir die Regierung mitteilen möchte, lese ich immer auf der GMX-Startseite, wenn ich meine Mails abrufe.
    Ich kann mittlerweile voraussagen, welcher Art die Darstellungen zu den aktuellen Themen dort sind und in welcher Reihenfolge und Zusammenstellung diese erscheinen.

    Für die relevanten Sachverhalte bemühe ich nach dem Kündigen aller Presseprodukte in 2015 nur noch private Webseiten und Blogs mit hoher Reputation; hier von einem Schlaubergerle auch als Antagonisten zur Humanität und als „alternative Wahrheit“ geschmäht.

    Und ich bin bestens informiert.
    Da vertrödel ich doch keine Lebenszeit mehr mit dem Konsum vorgegebener Massenmeinung mehr. Nicht mal für lau.

  6. Demnächst: der Tag der inneren Pressefreiheit. Mit launigen Doppelseiten voller Redakteurs-Ankedoten: „Als der Verleger anrief, musste ich die Geschichte nochmal komplett umschreiben“, „Der Chemie-Unfall hat bei uns nie stattgefunden – danke, Marketing!“, „Koppelgeschäfte bestimmen inzwischen komplett die Redaktion“. Nein? Na, dann ist der Rest Makulatur. Denn ob ich mir das anzeigenaffine Umfeld aus dem Häkelclub oder der bunten Welt von dpa zusammenbastle, sagt ja quasi kaum was über mich aus.

    Klar, im Überregionalen ist das anders – aber auch nur tendenziell.

  7. #8, Jannis:

    „…nur noch private Webseiten und Blogs mit hoher Reputation“

    Nettes Eingeständnis.

    „Und ich bin bestens informiert.“

    Über das, was diese Privatpersonen als Expertise haben. Also höchstens Expertenwissen über ein sehr eingeschränktes Gebiet und darüberhinaus Informationen aus zweiter Hand oder noch indirekter. Oder Sie haben die Zeit, dutzende Seiten abzuklappern?

  8. #12

    Sie vergessen, daß solche Leute ungewöhnlich gut vernetzt sein können und dabei auch in hohem Maß an Informationen außerhalb der linken journalistischen Blase gelangen.
    Da läuft von Lesern international Gesammeltes so viel auf, daß die es mit dem Durchsehen und Auswerten oft nicht schaffen.
    Die müssen da gar nichts abklappern.

    Im Gegensatz zum Mainstream-Journalismus, der heute (zumindest gefühlt) zu 95% aus durchgereichten Argenturmeldungen oder „selbstangeeignetem“ Googlewissen besteht.

    Wer von denen recherchiert denn da wirklich noch?
    Und vor allem: ergebnisoffen?

    Ich z.B. habe in den letzten fünf Jahren keinen einzigen Beitrag in einem der großen Portale gelesen, der mich in der Form überrascht hätte, als das das Resumee des Berichtes anders ausgefallen wäre als das der Name des Mediums auf der Titelseite hätte erwarten lassen können.

    Relotius hat doch nur die Journalisten verwundert; nicht die Leser.
    Die „Vielfalt“ bestand doch nur in den unterschiedlichen Titelblättern.

  9. # 13
    Schon klar, Jannis, die Blogs „außerhalb der linken journalistischen Blase“ sind vielfältig, überraschend, ohne ’selbstangeeignetes Wissen‘ und sie informieren bestens mit zuverlässig und kritisch recherchierten Tatsachen…

  10. @13 Jannis

    Danke, dass Sie mich bestätigen:
    „…und darüberhinaus Informationen aus zweiter Hand oder noch indirekter.“

    Von Ihnen:
    „daß solche Leute ungewöhnlich gut vernetzt sein können…“

    Was Sie nicht erwähnt haben: … ohne Möglichkeit, die Informationen auch nur ansatzweise zu überprüfen.
    Und weil Sie die „Mainstream-Medien“ meiden, wissen Sie natürlich auch nicht von Rechercheprojekten wie z.B. den Panama Papers…

    Relotius? Ja, aber es IST rausgekommen!

  11. @15, ST

    Und Relotius war natürlich ein absoluter Einzelfall. Völlig undenkbar, dass es weitere bislang unentdeckte Relotierer in unserem Qualitätsjournalismus geben könnte, die genau so arbeiten. ;)

  12. Relotius ist nicht „rausgekommen“.

    Das Wort „Lügenpresse“ im aktuellen Kontext ist deutlich älter als das Bauernopfern des Spiegel.

    Sie haben es sich hinter dem Mond gemütlich gemacht, weswegen ich den Rest gar nicht erst kontere.
    Sie wollen das doch gar nicht wissen.

  13. @17, Jannis:
    „Das Wort „Lügenpresse“ im aktuellen Kontext ist deutlich älter als das Bauernopfern des Spiegel.“
    Stimmt. Haben schon die Nazis verwendet.

    Und natürlich gibt es irgendwo da draußen auch andere Betrüger. Und PR-Artikel und und und.
    Könnte ein Grund sein, warum diese Seite existiert, hm?

    Alles kein Grund, die eigenen „gut vernetzten“ Quellen zu hinterfragen. Weil Privatpersonen ja so viel ehrlicher sind…
    Und von da wo Sie her schreiben, sind wohl noch viel mehr Leute hinterm Mond… ;)

  14. MR RE, 14:

    Wer alternative Medien konsumiert, der tut das, weil er die etablierten Medien für „Links“ hält? Man sieht, da spricht der Kenner!

    Im Ernst: Haben Sie eigentlich die Berichterstattung vieler „alternativer“ Medien – insbesondere der linken – irgendwo mit denen des „Mainstream“ verglichen?

  15. #19, LLL
    Bitte nicht falsch verstehen – ich bezog mich spöttisch auf Jannis, der „die Mainstreampresse“ als ‚linke journalistische Blase‘ charakterisierte und es „die alternativen Medien“ seien, die dazu im Gegensatz ganz exzellent, vielfältig und mit super Infos versehen seien. Seine Worte, nicht meine.

    Trotzdem zu Ihrer Frage: Ja, ich habe alternative und Mainstream-Medien verglichen (obwohl ich nur spekulieren kann, ob Sie und ich darunter jeweils dieselben verstehen). Mein Eindruck: Es wird vor allem als alternativ verkauft, was sich ehrlicherweise rechts nennen sollte. Linke alternative Medien kenne ich auch, ist auch oft nicht so mein Ding. Aber das auch aus sprachästhetischen Gründen.

  16. @ MR RE:

    „Bitte nicht falsch verstehen – ich bezog mich spöttisch auf Jannis, der ‚die Mainstreampresse‘ als ‚linke journalistische Blase‘ charakterisierte…“

    Konnte ich nicht verifizieren. Sind Sie sicher?

    „Mein Eindruck: Es wird vor allem als alternativ verkauft, was sich ehrlicherweise rechts nennen sollte.“

    Das sehe ich – bezogen auf von mir konsumierte Medien – im Wesentlichen gerade anders herum. Betrachten Sie, um nur ein Beispiel zu nehmen, einmal die Venezuela-Berichterstattung der typischen etablierten Medien einerseits und von „alternativen Medien“ wie (unter anderen) „Media Lens“ andererseits.

    @ ST:

    „Stimmt. [Den Ausdruck „Lügenpresse“] Haben schon die Nazis verwendet.“

    Das Wort wurde, falls man der WIkipedia hier glauben darf, tatsächlich schon im 19. Jahrhundert, lange vor den Nazis, verwendet. (Für die Verwendung in der NS-Zeit gibt dieselbe Quelle außerdem nur vereinzelte Beispiele an.)

    Selbst wenn es von den Nazis erfunden worden wäre, wäre das aber doch wohl wenig relevant; denn dieses Wort ist eine absolut naheliegende Bezeichnung, sofern man behaupten möchte, dass die Presse lügt. Und der Ausdruck atmete per se auch nicht den nationalsozialistischen Ungeist (wie etwa im Fall von „Untermensch“).

    Damit möchte ich nicht sagen, dass das Wort von der „Lügenpresse“ angemessen oder berechtigt wäre; nur halte ich eine „Reductio ad Hitlerum“ in diesem Fall für nicht sonderlich sinnvoll:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Reductio_ad_Hitlerum

  17. Der Tag der Pressefreiheit, an dem viel Presse sich nicht die Freiheit (=Zeit + Rssourcen) nimmt, eigene Texte zu schreiben.

  18. @21, LLL

    Ohne saftigen Nazi-Vergleich kann doch längst gar keine richtige Diskussion mehr entstehen. Was glauben Sie, welches Jahr wir haben? 2014 vielleicht?

  19. @8, Jannis:
    Mal unabhängig von der Debatte darum, welche Qualitäts- und Transparenzstandards manche Blogs und privat betriebene Informations-Websites an ihre Berichterstattung anlegen:
    Ihr Behauptung, die Regierung kontrolliere und bestimme die Agenda und Berichterstattung der/aller großen Medien – gerade der privaten, wie bspw. die GMX-Berichterstattung, die Sie als Beispiel anbringen – ist und bleibt eine reine Behauptung. Und ich würde sagen, eine Falsch-Behauptung. Denn meines Wissens nach, gibt es dafür keinerlei stichhaltige Belege. Oder haben Sie welche?

  20. @ LLL:

    Mein Verweis auf die Nazis, die das Wort „Lügenpresse“ verwendet haben, sollte der Illustration dienen, dass die Presse nicht zwangsläufig lügt, sondern dass sie eben etwas schreibt, das bestimmten Personen nicht in den Kram passt, damals wie heute. Welche daraufhin die gesamte Branche diskreditieren.

  21. @ MR RE:

    „Ja, schrieb er. In Beitrag Nr. 13. Die Formulierungen sind recht eindeutig.“

    Vielleicht stehe ich auf der Leitung, aber dass Jannis dort die Auffassung vertritt, dass die etablierten Medien zu „links“ seien, kann zumindest ich seinem Beitrag nicht entnehmen. Woran machen Sie das denn fest?

    @ ST:

    OK. Wobei natürlich jedenfalls wichtige Teile der Presse mitunter tatsächlich mit Absicht lügen, wie etwa Herr Niggemeier bezogen auf das Lesistungsschutzrecht überzeugend dargelegt hat. In anderen Fällen mag man nicht von „Lügen“ sprechen, aber die Berichterstattung kann dennoch einseitig und desinformativ sein.

    @ Nimmermued:

    „Ihr Behauptung [die von Jannis], die Regierung kontrolliere und bestimme die Agenda und Berichterstattung der/aller großen Medien – gerade der privaten, wie bspw. die GMX-Berichterstattung, die Sie als Beispiel anbringen – ist und bleibt eine reine Behauptung.“

    Wobei das vermutlich so gar nicht gemeint ist und so jedenfalls von keinem ernsthaften Medienkritiker behauptet wird. Die These ist vielmehr, dass das Spektrum von Berichterstattung und Meinung oftmals die Haltungen der maßgeblichen politischen Kräfte (zu denen auch eine stark Opposition gehören kann) widerspiegelt. Informationen Perspektiven oder Meinungen, die nicht den Haltungen maßgeblicher politischer Kräfte entsprechen, kämen demnach auch in den Medien wenig vor. Dass es sich dabei um eine Faustregel handelt, die auch Ausnahmen zulässt, ist klar; aber je wichtiger das Thema, desto stärker scheint diese Faustregel tendenziell zu greifen.

    Im hier auf Übermedien sehr positiv rezensierten Buch „Mainstream“ legt Uwe Krüger diese These mit Rekurs auf die „Indexing-These“ dar; eine interessante Diskussion von Wirkmechanismen finden sich auch in deutsch- und mehr noch im englischsprachingen Wikipedia-Artikel zum Propagandamodell von Herman und Chomsky.

    Es geht jeweils darum, wie ein weitgehender Konsens der Medien entsteht, OHNE dass eine Verschwörung oder zentrale Steuerung stattfinden würde.

  22. @LLL: „…solche Leute ungewöhnlich gut vernetzt sein können und dabei auch in hohem Maß an Informationen außerhalb der linken journalistischen Blase gelangen.“ Die anderen, von ihm als Mainstream bezeichneten Journalisten, täten dies nicht, verbleiben ergo in ihrer linken Blase. Ist doch eindeutig.

  23. Der Befund, dass die Pressevielfalt in Deutschland kleiner wird, ist so allgemein nicht richtig.
    Richtig ist, dass bei den Mainstream-Medien immer weniger verlegerische Vielfalt existiert, und diese zusätzlich an Auflage verlieren.
    Daneben gibt es (glücklicherweise) aber eine wachsende Vielfalt von Medien, die sich von dem journalistischen Einheitsbrei unterscheiden meist als reine Internetzeitung oder Blog.

  24. @27, LLL:

    Ich finde es gut, dass Sie Jannis Kritik wohlmeinend interpretieren.
    Ihrer Darlegung der Medienkritik möchte ich auch gar nicht widersprechen.
    Allerdings liegt ein großer Unterschied zwischen dem, wie einerseits Sie Medienkritik üben – differenziert und auf verschiedene Zusammenhänge und Mechanismen hinweisend – und andererseits Jannis, der sagt: „Was mir die Regierung mitteilen möchte, lese ich immer auf der GMX-Startseite, wenn ich meine Mails abrufe.“
    Er stellt einen Zusammenhang zwischen Regierung und Medienberichterstattung dar, ganz pauschal. Das klingt erstmal ganz und gar nicht nach einer differenzierten Sicht auf die Hintergründe und Zusammenhänge von Medienberichterstattung, sondern nach: Regierung gibt Medienberichterstattung, Achtung, meinungsdiktaturähnliche Zustände.

    Sprache sollte genau sein, finde ich. Gerade, wenn es um Kritik geht.

  25. Presse Freiheit im Westen? Habe ich was verpasst? Exemplarisch für die westliche „Presse Freiheit“ spätestens seit Vietnam, gab es diese auch nur in eingeschränkter Form.

  26. @ MR RE:

    Einverstanden – irgendwie ist mir das trotz allem entgangen (s.u.).

    @ Nimmermued:

    Vielleicht haben Sie recht, und vielleicht ist das auch der Grund, wieso ich den Punkt von MR RE nicht verstanden habe:

    Ich bin es womöglich so gewohnt, Medienkritik zu konsumieren, die m.E. rational begründet und differenziert ist (und nebenbei auch eher „links“ ist), und die mir dennoch – oder gerade deswegen – kraftvoll erscheint, dass ich mir gar nicht recht vorstellen kann, dass und wieso manche Leute sich für eine „primitive“ Medienkritik interessieren und sich auf diese stützen sollten.

    (Wobei ich damit Jannis nichts Negatives unterstellen möchte; was er tatsächlich meint, müsste er selbst klären.)

    Ich kann auch nicht die Kritik nachvollziehen, dass die Medien „links“ berichten würden (mit unten erwähnter Einschränkung). Gerade in der Wirtschafts- und vielleicht noch mehr in der Außen- und Sicherheitspolitik werden überwiegend Positionen vertreten, die im klassischen Sinne als „rechts“ zu gelten haben. (Was die Wirtschaft angeht, so denke man etwa an die sehr wohlwollende mediale Begleitung etwa der Agenda 2010-Refoemen und der Fainanzmarkt-Deregulierung. Was die Außenpolitik angeht, so empfehle ich wie gesagt, beispielsweise einfach mal die Venezuela-Berichterstattung des Mainstream etwa mit der Berichterstattung von Media Lens, Consortium News oder dem Intercept zu vergleichen.)

    Tatsächlich „links“ ist der mediale Mainstream wohl in der Weise, die Uwe Krüger („Mainstream“) wie folgt darlegt:

    Kaum jemand wird behaupten, Deutschlands Leitmedien würden marxistische Axiome zugrunde legen, zur Überwindung des Kapitalismus aufrufen oder die Eigentumsverhältnisse grundlegend infrage stellen. Als im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung Wolfgang Storz und Hans-Jürgen Arlt die Kommentierung des Themas ‚Armut und Reichtum‘ in der Qualitätspresse des Jahres 2013 untersuchten, kamen sie zu dem Ergebnis:
    „Eine Auseinandersetzung mit der Macht privater Großvermögen, die ihre Interessen ohne Worte zur Geltung bringen können, findet nicht statt. Der riesige Reichtum in den Händen weniger wird entweder überhaupt nicht thematisiert oder selbst dann nicht genauer durchleuchtet, wenn er kritisch bewertet wird.“
    […] Dass der Mainstream im klassischen Sinne links wäre, kann in den Bereich der Legende verwiesen werden. […]
    Worin der mediale Mainstream tatsächlich rot-grün oder vielmehr grün ist, kann am ehesten mit „pluralistischem Relativismus“ umschrieben werden: Multikulturalität und Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz, Gleichstellung und Minderheitenschutz, Antidiskriminierung und Gender Mainstreaming – und gleichzeitig Ablehnung und Bekämpfung von allem, was in diesem Sinne nicht „politisch korrekt“ ist. […]
    Ein solcher postmoderner Medien-Mainstream kommt nun beinahe zwangsläufig in Konflikt mit den Teilen der Bevölkerung, die traditionellere Lebensentwürfe und eine kulturell homogene Heimat bevorzugen und die den angeblich „irren Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ – so der Untertitel eines Buches des deutschtürkischen Rechtspopulisten Akif Pirincci, das sich innerhalb weniger Wochen erstaunliche 200.000 mal verkauft hat – nicht nachvollziehen können. […]
    Dass Deutschlands Journalisten diese Sorgen [etwa im Hinblick auf eine angeblich drohende „Islamisierung Deutschlands“] offenbar nicht teilen, liegt wohl auch daran, dass sie in Sachen Bildungsstand, Parteineigung und Milieuzugehörigkeit keineswegs ein Spiegel der deutschen Bevölkerung sind.

    In diesem Sinne wird man tatsächlich sagen können, dass der Medienmainstream eher „links“ ist – jedenfalls in Relation zu erheblichen Teilen der Bevölkerung, die gesellschaftspolitisch wesentlich konservativer oder auch „rechtslastiger“ eingestellt sind. Was für die Gesellschaftspolitik gilt, gilt für die Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik aber wohl gerade nicht; diesbezüglich kommen „linke“ Positionen, die in erheblichen Teilen der Bevölkerung dominant sind, in den Medien wenig vor.

  27. @LLL: Freut mich, dass wir das klären konnten. Und sehr angenehm, das Wort „einverstanden“ in den Kommentardiskussionen lesen zu können – zu oft lassen sich solche Diskussionen nicht auflösen.

    Ich verstehe Ihre Position, dass es einerseits einen (wirtschafts-)politisch eher konservativen Mainstream gibt – nicht nur in den Medien – und wenig Zeitungen o.ä. von etablierten Sicht- und Handlungsweisen abweichen. Dass Staatsschulden etwas per se Negatives seien und ‚die schwarze Null‘ erstrebenswert, wäre ja auch so ein Beispiel (das aus Keynsianischer Sicht ja z.B. auch anders betrachtet werden sollte).

    Die Position, dass aber sozialpolitisch der Mainstream (auch hier wieder: nicht nur medial) eher progressiv-links einzuschätzen ist, ist auch nachvollziehbar. Und dass es in diesem Bereich zu Konflikten kommt zwischen medial vermitteltem Diskurs und denen, die diese Positionen ablehnen, ist logisch.
    Allerdings: Meines Wissens sind Positionen, die in diesem Politikfeld eher links lokalisiert sind, in der Gesamtbevölkerung weitgehend akzeptiert bzw. werden von einer großen Mehrheit unterstützt (Bekenntnis zur Vielfalt, Weltoffenheit, Minderheitenrechte etc.). Hier wäre der mediale Mainstream also nah am gesamtgesellschaftlichen Mainstream. Und wer sich darin nicht wiederfindet, findet in ZEIT und Welt und BILD selbst in den etablierten Medien noch genügend oft Positionen, die der eigenen entsprechen und diesen ‚progressiven Mainstream‘ für neumodischen Firlefanz halten.
    Gefährlich ist ein Medienkonsum, der sich auf rechts außerhalb des demokratischen Diskurses konzentriert.

  28. @ MR RE:

    „Freut mich, dass wir das klären konnten. Und sehr angenehm, das Wort ‚einverstanden‘ in den Kommentardiskussionen lesen zu können […]“.

    Ich bemühe mich, es mir und Dritten gegenüber zuzugeben, wenn der andere recht hat. ; )

    Zu Ihrer Kritik: Im Grundsätzlichen dürften die meisten Leute sich zu Weltoffenheit, Minderheitenrechten usw. bekennen. Trotzdem dürfte es Spannungen geben, wo es etwa ganz konkret um „Weltoffenheit“, „Multikulturalität“ usw. geht. Hier dürften Medien in ihrer großen Mehrheit (Ausnahmen gibt es natürlich) anders eingestellt sein als große Teile der Bevölkerung.

    In der Allgemeinbevölkerung dürfte beispielsweise viel mehr Verständnis für die Forderungen von Pegida herrschen (geherrscht haben) als in den Medien.
    Es sei mir erlaubt, mich erneut auf Krüger („Mainstream“) zu beziehen. Krüger stellt fest, dass viele der Demonstranten keine Neonazis, sondern „Rechte“ im Sinne von Konservativen waren, die sich „von einer sozialdemokratisierten und ergrünten CDU nicht mehr verstanden fühlten“. Er argumentiert, dass das offizielle Positionspapier der Pegida keinen offenen Rassismus enthielt sondern eher einer Haltung entsprach, wie sie früher auch von der Union vertreten wurde. Er merkt dann an, dass die Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsextremen in der Berichterstattung der Medien oft vernachlässigt wurde und führt aus, dass die großen Medien (einschließlich FAZ) in diesem Sinne sehr kritisch berichteten. Dagegen, so Krüger, seien Positionen wie die von Pegida von großen Teilen der Bevölkerung geteilt worden.

    … [U]nd Politikissenschaftler der Uni Dresden stellten fest: „Das bei Pegida-Demonstranten festgestellte Ausmaß an Islam- und Ausländerfeindlichkeit unterscheidet sich noch nicht einmal von der durchschnittlichen (hohen) Verbreitung dieser Einstellungsmuster in der Gesamtbevölkerung – im Osten wie im Westen.“ […] [M]it ihren „diffusen Ängsten“ waren die Demonstranten dann auch keineswegs allein. Während der Hochphase von Pegida zeigten in einer repräsentativen Umfrage drei Viertel der Deutschen Verständnis für die Anliegen der Demonstranten: 30 Prozent „voll und ganz“, 19 Prozent „eher ja“ und 26% „teils, teils“. […] Dass Deutschlands Journalisten diese Sorgen offenbar nicht teilen, liegt wohl auch daran, dass sie in Sachen Bildungsstand, Parteineigung und Milieuzugehörigkeit keineswegs ein Spiegel der deutschen Bevölkerung sind.

    Damit das nicht falsch rüberkommt: Krüger fordert nicht, dass nun auch Journalisten Pegida-Positionen übernehmen müssten und streitet auch nicht ab, dass der freundlichere Umgang mit Flüchtlingen als Fortschritt gegenüber früheren Zeiten betrachtet werden kann; aber es wird hier ganz neutral erkennbar, wieso sich Teile der Bevölkerung, die gesellschaftspolitisch eher „rechts“ ticken, sich vom Gros der etablierten Medien wenig repräsentiert fühlen. Wenn Medien den Ängsten solcher Leute nicht in einer konstruktiv-kritischen Weise gegenübertreten, sondern sie allzu sehr delegitimieren, dann hat man auch wenig Chance, bestimmte Leute (die nicht alle „rechtsextrem“ sind) mitzunehmen, und gesellschaftliche Konflikte werden so nicht entschärft.

    (Mein eigener Eindruck ist übrigens, dass viele Medien immer wieder oftmals analytich schwache und recht undifferenzierte Artikel etwa über den Islam schreiben, die geeignet sind, übertriebenen Ängsten Vorschub zu leisten, gleichzeitig aber die auch daraus resultierenden Angst und Abneigung gegenüber dem Islam dann als irrational und verwerflich darzustellen. Siehe etwa „Feindbild Moslem“ von Kay Sokolowsky.
    Das „beste“ Beispiel ist vielleicht dieses:
    https://bildblog.de/19414/macht-der-islam-jugendliche-gewalttaetig/
    Man beachte, dass viele Medien diese „Fake News“ bis heute nicht korrigiert haben, sondern die Texte entweder stillschweigend gelöscht oder immer noch auf ihrer Seite haben. Ein Vorgehen, das man als „unseriös“ bezeichnen würde, käme es von der AfD.)

  29. Eine Kleinigkeit nur, aber dennoch ändernswert: Die „kleinste Tageszeitung Deutschlands“ erscheint in Schifferstadt, heißt also aus naheliegenden Gründen „Schifferstadter Tagblatt“.

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