Doch nicht gekreuzigt
Jetzt hat es Helmut Markwort also auch noch mal aufgeschrieben. Aber diese Sache mit den „Fakten, Fakten, Fakten“, die war ja immer schon schwierig. In seinem „Focus“-„Tagebuch“ schreibt Markwort, der Herausgeber des „Focus“:
Leider stößt die Christenverfolgung in der islamischen Welt auf viel Sympathie. Der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn hat in seiner Osternachts-Ansprache darüber berichtet, dass Dschihadisten am Karfreitag im Jemen einen verschleppten Ordenspriester gekreuzigt hätten. Aus der islamischen Welt ist von Protesten nichts zu hören.
Nun, das mag in diesem Fall auch daran liegen, dass es diese Kreuzigung nicht gegeben hat. Obwohl man, bei einem Blick in die Presse, das Gegenteil annehmen könnte.
Es gibt viele dieser Meldungen – und Markwort ist nun der Letzte, der es noch mal schreibt.
Der Verweis, den er dabei macht, ist korrekt: Markwort zitiert den Wiener Erzbischof, der tatsächlich nahegelegt hatte, der Ordenspriester sei am Karfreitag gekreuzigt worden. Dass es aber schnell Zweifel an dieser Version gab und der Erzbischof seine Worte schon wenige Stunden später relativiert und gesagt hat, es gebe noch Hoffnung, das ist Markwort entgangen.
Der Ordenspriester, um den es geht, heißt Tom Uzhunnalil. Er wurde offenbar Anfang März von Terroristen im Jemen verschleppt, im Zuge eines Anschlags auf ein Mutter-Teresa-Heim in Aden, bei dem 16 Menschen, alles Christen, getötet wurden. Eine Gebetsgemeinschaft aus dem Umfeld der Schwestern hatte später auf ihrer Internetseite vermeldet, der entführte Priester sei gekreuzigt worden. Das griffen dann viele auf, auch der Wiener Erzbischof.
Die Kirche und auch die jemenitische sowie indische Regierung versuchten zwar eilig, diese Gerüchte zu zerstreuen. Aber so eine Falschmeldung hält sich wacker, vor allem wenn es um mutmaßliche Islamisten geht, die Christen jagen. Markwort dient die angebliche Kreuzigung als Beispiel und Beleg dafür, die „Christenverfolgung“ stoße „in der islamischen Welt auf viel Sympathie“. Ähnlich wird sie in rechten Foren als Beleg islamischer Gefahr gehandelt.
Dass Terroristen eine Anschlag auf ein christliches Seniorenheim im Jemen begangen, Menschen getötet und den Priester verschleppt haben – stimmt alles, und das ist schlimm genug. Eine Kreuzigung, auch noch am Karfreitag, hielten viele offenbar für sehr wahrscheinlich, geradezu logisch bei all der terroristischen Grausamkeit, die uns dieser Tage begegnet.
Aber der Priester lebt offenbar. Vor kurzem tauchte ein Video auf, in dem er um Hilfe bei seiner Befreiung bittet. Angeblich verlangen seine Entführer ein beträchtliches Lösegeld. Und, so ist nun zu lesen: Es gibt Hoffnung, dass er bald freikommt. Die indische Außenministerin Sushma Swaraj erklärte, Tom Uzhunnalil sei in Sicherheit. Die indische Regierung arbeite „intensiv auf die baldige Freilassung des Priesters hin“.
Interessant! Welche Gruppen sollten da wieder billig aufeinandergehetzt werden?
@1: Sozialisten gegen Imperialisten.
Ist. doch. klar.
Mal ganz unabhängig davon, dass Markwort hier eine Falschmeldung wiederkäut, finde ich auch seine darauf aufbauende Argumentation… nun, zumindest unlauter.
These Markwort: „In der islamischen Welt stößt Christenverfolgung (inkl. barbarischer Hinrichtung) auf viel Sympathie.“
Beleg: „Da haben sie den Christenpriester gekreuzigt, und die islamische Welt sacht gar nix dazu!“
Das ist die wohlbekannte Forderung, dass „die Muslime“ in der Pflicht stünden, sich gefälligst explizit von konkreten islamistischen Gewalt- und Terrorakten zu distanzieren, denn ansonsten müsste man dies als stillschweigende Zustimmung, nein, als „viel Sympathie“ deuten.
Dazu ein paar Punkte:
1. Gewalt und Terror im Namen des Islamismus geschehen leider weltweit nicht selten – soll der Zentralrat der Muslime jeden Tag eine Pressemitteilung rausgeben, dass die von ihm vertretenen Menschen auch die heutigen Greueltaten wieder nicht gutheißen? Und wie oft äußert sich „die christliche Welt“ denn zu dem, was Joseph Konys Lord’s Resistance Army so alles in Afrika im Namen des Herrn treibt?
2. In eine Nichtreaktion „viel Sympathie“ hineinzuinterpretieren, ist perfide.
3. Weiß Hr. Markwort überhaupt sicher, wenn die gesamte „islamische Welt“ sich zu irgendeinem Sachverhalt nicht geäußert hat? Angesichts seines lückenhaften Informationsstands zu der Kreuzigungsmeldung muss man eher annehmen, dass „Aus der islamischen Welt ist von Protesten nichts zu hören“ vielmehr bedeutet: „Ich, Helmut Markwort, hab von islamischen Protesten jedenfalls nix gehört, das reicht ja wohl als Beleg dafür, meine steile These als Fakt darzustellen. Fakten, Fakten, Fakten!“