Ulrich Greiner und der Kulturkampf

Rechts sein, aber sich nicht rechts nennen lassen wollen

Die Berliner Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) hat es gewagt, den „Zeit“-Autor Ulrich Greiner als Akteur eines „Kulturkampfes von rechts“ zu nennen. Das hat in den deutschen Feuilletons große Fassungslosigkeit ausgelöst, die als Empörung von Boulevardmedien und rechten Seiten aufgegriffen wurde. Doch um den Vorwurf so abwegig zu finden, wie er es nach Behauptung von Greiners Verteidigern ist, muss man das publizistische Werk Greiners großräumig ignorieren.


Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts

Mitte Februar wurde die „Handreichung“ der MBR mit dem Titel „Alles nur Theater? Zum Umgang mit dem Kulturkampf von rechts“ vorgestellt. In einem Punkt ist sie eindeutig falsch: Sie behauptete, „Zeit“-Autor Ulrich Greiner habe die Pegida-verteidigende „Erklärung 2018“ unterschrieben. Die MBR hat eine Unterlassungserklärung unterzeichnet. Gestern veröffentlichte sie eine überarbeitete Version der Broschüre – ganze ohne Erwähnung von Greiner.

Zu recht prangerten viele Medien, die über den Fall berichteten, den „peinlichen Fehler“ an. Darüber hinaus versuchten sie, Greiner vor einer Kritik zu schützen, die in der Broschüre geübt und mit einem Textbeispiel belegt wird: dass der „Zeit“-Autor mit bestimmten Rhetoriken und Äußerungen zum Feld eines Kulturkampfs von rechts gerechnet werden kann. Petra Kohse etwa vermutete in der „Frankfurter Rundschau“:

„Ohne die irrige Annahme, er sei per Unterschrift ins Pegidaversteherische Lager gewechselt, hätten die Autoren der Broschüre Greiners Kritik an dem Orwell-haften Umschreiben von Literatur vermutlich gar nicht herausgegriffen.“

Das funktioniert allerdings nur, wenn man etwa von Greiners Status ausgeht (als langjähriger Mitarbeiter der „Zeit“), statt seine Texte zu lesen. Es geht also auch darum, Ulrich Greiner gegen seine Verteidiger zu verteidigen. Denn es muss für einen gestandenen Publizisten vom Schlage Greiners, der 2016 einen großen Entwurf seines Denkens unter dem Titel „Vom Recht, rechts zu sein“ vorlegte, doch betrüblich sein, wenn ihm ausgerechnet seine Apologeten dieses Recht in Abrede stellen wollen. Leider erfordert das eine gewisse Ausführlichkeit.

Die Verteidigung des N-Worts

Die FAZ war das erste Blatt, das die MBR-Broschüre ins Visier nahm, und griff verbal gleich zur Bazooka („zensorisch“, „Gedankenpolizei“). Sie hat die fehlerhafte Behauptung mit der „Erklärung 2018“ entweder nicht bemerkt oder ihr keine Bedeutung zugemessen. Ihr genügte zur Empörung der Umstand, dass Greiner überhaupt im Zusammenhang mit dem Kulturkampf von rechts erwähnt wird, nämlich mit einem Text von 2013. Darin schrieb Greiner gegen die Entscheidung des Thienemann-Verlags an, in Absprache mit dem Autor das N-Wort aus Otfried Preußlers Kinderbuch „Die kleine Hexe“ zu entfernen.

Die FAZ zitierte die Behauptung aus Greiners Artikel, die Bedeutung des N-Worts habe sich gewandelt: „‚Heute ist es ein herabsetzender Begriff, der sich im respektvollen Umgang verbietet. In einem literarischen Text aber kann er erlaubt sein, zum Beispiel bei Rollenprosa.’“ Um selbst zu bescheiden: „Dagegen ist nichts zu sagen.“

Leider doch. Denn Greiners Darstellung ist falsch (ganz abgesehen davon, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs in Preußlers Kinderbuch nicht um Rollenprosa handelt). Das N-Wort war immer ein herabsetzender Begriff, es steht am Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung einer heterogenen Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals, zu dem sie das Wort zusammenklumpt und entmenscht. Und wo sollte auch mit einem Mal die „Herabsetzung“ herkommen, wenn nicht aus der Geschichte des Begriffs?

Das unschuldige Vergnügen des weißen Erwachsenen

In der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ setzen sich Christine Lemke-Matwey und Adam Soboczynski mit der MBR-Broschüre auseinander. Sie formulieren vorsichtiger als Greiner damals und sprechen von Begriffen, „die heute zweifelsfrei als rassistisch wahrgenommen werden“, auch wenn „zweifelsfrei“ natürlich den Vorteil hat, dass man es so genau auch nicht wissen muss.

Zugleich nennen sie Greiners Artikel „kritisch, aber differenziert“, was man als Charakterisierung etwas gewagt finden könnte. Denn Greiners Text (Mitarbeit: Catalina Schröder, Kilian Trotier) referiert zwar Biografie und Aussagen von Mekonnen Mesghena, der den Thienemann-Verlag auf den problematischen Begriff hingewiesen hatte, und zitiert drei Schulkinder, die sich alle gegen die Verwendung des N-Worts aussprechen. Die Meinung von Hauptautor Greiner zeigt sich davon unbeeindruckt: Die Gefahr, dass weißen deutschen Erwachsenen durch die Änderung rückwirkend die Erinnerung an „ein gewiss unschuldiges Vergnügen“ genommen werde (mit diesem Argument könnte man auch die Existenz des Weihnachtsmanns verteidigen), ist eindeutig höher zu werten als die Diffamierung von afrodeutschen Kindern, die vielleicht auch gern mit Preußlers Geschichte aufwachsen würden, ohne von ihr beleidigt zu werden. Und die Ablehnung der Schulkinder ist Greiner in einer drolligen Volte Beleg dafür, dass die Verwendung des N-Worts keinen Schaden anrichten kann – die Kinder wissen ja, dass es ein Schimpfwort ist. Also kann man’s ruhig hinschreiben.

Die unterentwickelte Kraft des Widerspruchs

Das mit dem „differenziert“ stellt sich noch aus einer ferneren Perspektive als problematisch heraus. Greiners Text eröffnete seinerzeit ein – auf der Titelseite angekündigtes – Dossier, dem noch zwei weitere Texte beigesellt waren. Von einer als liberal geltenden Wochenzeitung wie der „Zeit“, die berühmt ist für ihre „Pro & Contras“, hätte man an dieser Stelle ein differenziertes Für und Wider zu einem tatsächlich intellektuell herausfordernden Thema erwartet. Das hat man in dem Fall aber gelassen. Ein Text von Ijoma Mangold pflichtet Greiners Position in Sachen Kinderbuch bei (nicht ändern) und erklärt dann vor allem, warum das N-Wort im Alltag ein Problem ist (was Greiner in seinem Text auch nicht bestreitet). Und ein Beitrag von Axel Hacke beschreibt das Unverständnis, warum das Cover eines seiner Bücher rassistisch sein soll, was beim Wissensstand in Sachen Rassismus zu dem Greiners keine großen Unterschiede erkennen lässt.

Dass solche Unausgewogenheit kein Einzelfall und die Kraft des Widerspruchs bei gewissen Themen in der „Zeit“ eher unterentwickelt ist, zeigt die Ausgabe 36/2015. In der arbeiten sich gleich sechs Texte (die „Christ & Welt“-Beilage eingeschlossen) an der von „Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg forcierten Äußerung des CSU-Politikers Joachim Herrmann ab, Robert Blanco sei immer ein wunderbarer N-[Wort] gewesen. Und zwar alle in gleicher Richtung (ist kein Problem, das N-Wort zu gebrauchen), wenn auch in unterschiedlicher Ernsthaftigkeit.

Das fällt zum einen hinter Mangolds Text von 2013 zurück und macht zum anderen Greiners Satz aus dem Kinderbuch-Text („Heute ist es ein herabsetzender Begriff, der sich im respektvollen Umgang verbietet“) zu einem Lippenbekenntnis. Greiner selbst widmet auf Seite 1 die Mini-Kolumne „Prominent ignoriert“ dem Thema, in der es über Herrmann heißt: „Jetzt wird er deshalb als Rassist beschimpft. Wenn es so leicht wäre, Rassisten dingfest zu machen, wäre es mit dem Rassismus bald vorbei.“ Das kann natürlich keiner wollen. Deshalb folgt noch ein weiterer Satz, der sich allerdings ins Erratische verdünnisiert: „Seltsam: Rassist ist immer der andere.“

Der Gratis-Argumentverleih der „Politischen Korrektheit“

„Differenziert“ ist zum dritten eine prekäre Beschreibung von Greiners Kinderbuch-Text, weil der sich seine ganze Ablehnung vom Start weg beim Gratis-Argumentverleih der „Politischen Korrektheit“ borgt, statt umsichtig Positionen abzuwägen.

In den Artikel marschiert Greiner mit den alarmistischen Satz ein: „Artikel 5 des Grundgesetzes behauptet: ‚Eine Zensur findet nicht statt.’“ Um daran eine schwiemelig-bedrohliche Frage anzuschließen, wie sie die MBR-Broschüre als rhetorisches Besteck im Kulturkampf beschrieben hatte: „Was aber, wenn sie doch stattfindet?“ Zwar schreibt Greiner in einem anderen Text drei Jahre später, er sei „mit der Verfassung dieses Landes höchst einverstanden“. Es können einen angesichts der Artikel-5-Referenz im Kinderbuch-Artikel aber Zweifel befallen, ob Greiner das Grundgesetz wirklich gelesen beziehungsweise auch verstanden hat. Denn was dort „Zensur“ heißt, meint nicht, wie fälschlicherweise nahelegt wird, die Entscheidung eines privatwirtschaftlichen Verlags in Absprache mit seinem Autor.

Die Metarmorphose von „1984“

Greiners „Zensur“-Begriff, den der FAZ-Text zur Broschüre teilt, kommt aus einem anderen Zusammenhang. Er gehört zum Vokabular, das George Orwells Roman „1984“ zur Verfügung stellt – und mit dem sich als nie versiegende Top-Quelle für den „P.C.“-Diskurs seit Anfang der neunziger Jahre dank 1a-Brachialbegriffen („Gedankenpolizei“, „Neusprech“, „Zensur“) Stimmung in eigener Sache machen lässt. Dem geht eine erstaunliche Metamorphose voraus: Orwell hat mit „1984“ eine Totalitarismus-Dystopie geschrieben, deren Macht von oben ausgeht: der „Große Bruder“ trägt die Züge Stalins. Im „P.C.“-Diskurs wird diese Macht aber kurzerhand unterprivilegierten Gruppen (Homosexuelle, Frauen, People of Colour usw.) zugeschanzt.

Auf diese Weise bewirkt das Raunen in den „1984“-Begriffen die eigene Opferposition – was erklärt, warum sie so attraktiv sind für den „P.C.“-Diskurs, wo die selbst ernannten „Inkorrekten“ sich den Märtyrerstatus der unbequemen Minderheit gesichert haben (wenn auch, im konkreten Falle Greiners, zu den Bezügen und mit der Publizität eines vormaligen „Zeit“-Redakteurs). Orwells Roman ist für die Generation Greiner das, was Ballerspiele für Amokläufer sein sollen: ein Medium, dessen zu exzessiver Gebrauch die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen lässt.

Einen ganzen Absatz lang malt Greiner in seinem Kinderbuch-Artikel mit Sinn für szenischen Grusel das Schauerbild vom „1984“-Protagonisten Winston Smith an die Wand, der im „sogenannten Wahrheitsministerium“ die Geschichte verfälschen muss und seiner Freundin erklärt:

„Ist dir klar, dass die Vergangenheit tatsächlich ausgelöscht worden ist? Alle Dokumente sind entweder vernichtet oder gefälscht worden, jedes Buch hat man umgeschrieben, jedes Gemälde neu gemalt, jedes Denkmal, jede Straße und jedes Gebäude umbenannt, jedes Datum geändert. Die Historie hat aufgehört zu existieren.“

Das kann man schon etwas putzig finden angesichts der Tatsache, dass sich Greiner in seinem Text für die unverfälscht-recherchierbare Geschichte des Rassismus überhaupt nicht interessiert.

Der Pappkamerad „P.C.“

„P.C.“ ist eine der faszinierendsten Diskursformationen der Gegenwart. Es wäre eine spannende Frage, wie in den Texten von Greiner et al. argumentiert werden würde, wenn es diesen „Pappkameraden“ (Benedikt Erenz) als Gewährsmann nicht seit fast 30 Jahren gäbe. Im Anschluss an den „1984“-Absatz folgert Greiner im Kinderbuch-Text in dem ihm eigenen Sinne:

„Es ist nicht Orwells Großer Bruder, der interveniert, sondern der Kleine Bruder politische Korrektheit. Dessen rastlose Tätigkeit sollte man aber nicht unterschätzen. Er realisiert sich im Tun jener zahllosen, oftmals staatlich bestallten Tugendwächter, die in höherem Auftrag, sei es Feminismus, Antisemitismus oder Antirassismus, agieren und die mit ideologisch geschärftem Nachtsichtgerät dunkle Abweichungen vom Pfad der Gerechten unverzüglich aufdecken.“

Alles schön nebulös. Ja, man darf die rastlose Tätigkeit der „Politischen Korrektheit“ keinesfalls unterschätzen. Sie ist, kurz gesagt, eine Erfindung von rechts, die dazu dient, missliebige Positionen lächerlich zu machen und gesellschaftlich schwer artikulierbare Auffassungen (Rassismus, Misogynie, Homophobie, usw.) ins schicke heldenhafte Gewand einer aufrührerisch-querdenkerhaft klingenden Gegenposition zu stecken („inkorrekt“).

Das ist keine Verschwörung, kein Hexenwerk, sondern nur ein ziemlich cleverer rhetorischer Trick, der für rechte Diskurstrollereien symptomatisch ist. Dessen Wirksamkeit ist aber so stark, dass selbst die MBR-Broschüre schreibt, „P.C.“ sei in den sechziger Jahren durch marginalisierte Gruppen entstanden. Stimmt nicht. „P.C.“ kommt Anfang der neunziger Jahre als rechter Kampfbegriff zu uns und ist von Beginn an der Name der Abwertung. „Feminismus, Antisemitismus oder Antirassismus“ werden durch orwellhaftes Raunen bei Greiner zu einem „höherem Auftrag“ (was immer damit gemeint ist, wer immer den ausgibt), und, zack, gibt es sie nicht mehr. Beziehungsweise nur noch als Vorwände für dahinterstehende dunkle Interessen („Nachtsichtgerät“).

Was aus dieser Verwurschtelung resultiert, müsste selbst aus Sicht der bürgerlichen Mitte, die so viel auf ihre Äquidistanz zu „links“ und „rechts“ hält, unfair erscheinen. Greiner et al. können ohne Klage missliebige Positionen in die Nähe von Totalitarismus behaupten, aber wenn jemand ihre Texte liest, beim Wort nimmt und sie in die Zusammenhänge stellt, in die sie gehören, dann ist Schluss mit lustig.

Die fortwährende Abwertung von Kritik

Dabei kommt dem „P.C.“-Diskurs eine wichtige Scharnierfunktion im diskursiven Feld zu. Wenn heute konstatiert wird, dass sich die Grenzen des Sagbaren verschoben haben, dann ist das auch möglich, weil feministische oder antirassistische Kritik seit Jahren unter dem Label „Politische Korrektheit“ in ermüdender Regelmäßigkeit auf immer gleiche Art abgewertet wurden. Weil die argumentativ luftigen Ausflüge ins Fantasialand von Orwells Roman eine wirkliche Auseinandersetzung erschwert haben (Was lässt sich auf die Ansicht, es gebe eine „Gedankenpolizei“, ernsthaft erwidern?). Weil die gratis zu habende Selbstbezeichnung „inkorrekt“ die dahinterstehenden problematischen Einstellungen zur heldenhaften Pose umetikettiert. Weil diese „Inkorrektheit“ derart die Tür offen gehalten hat für Positionen wie Rassismus, die seit einiger Zeit nun wieder ungenierter artikuliert werden.

Nicht zuletzt hat der „P.C.“-Diskurs vorgeführt, wie man mit Begriffsverdrehungen in der Debatte am Argument des Gegners foulen kann. Ein eigentlich positiver Begriff wie „korrekt“, der gerade für Journalisten eine Selbstverständlichkeit sein sollte (korrekte Recherchen, korrekte Rechtschreibung), ist durch die Paarung mit „politisch“ zum Schimpfwort geworden, das zugleich so geräumig ist, das es für jedes Ressentiment herhalten kann. An solchen einfachen Fragen hätte sich für intellektuell redliche Positionen der Zweifel am „P.C.“-Diskurs entzünden können – wie auch an dem Umstand, dass man auf dem angeblich heldenhaften Eiland der „Inkorrektheit“ nicht nur auf andere Journalisten trifft (Henryk M. Broder, Matthias Matussek, Dieter E. Zimmer), sondern es sich mit rechtsextremen Hatern, der AfD und den Donald Trumps dieser Welt teilt.

Aus der Opferrolle anderen das Opfersein absprechen

Eine weitere Verdrehung geschieht auf der Opferposition. Die „Inkorrekten“ viktimisieren sich permanent selbst („Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“), um aus genau dieser Opferrolle heraus anderen Leuten das Recht abzusprechen, beleidigt, verletzt oder eben Opfer sein. Witzig, oder? Der Thienemann-Verlag erlebte, als seinerzeit die Neuauflage von „Die kleine Hexe“ ohne N-Wort bekannt wurde, übrigens einen Shitstorm. Aber hey, was sind schon massenhaft unflätige Mails gemessen am harten Los von Leuten wie Greiner, die ihre Überzeugungen vor selbstausgedachtem „ideologisch geschärftem Nachtsichtgerät“ in Sicherheit bringen müssen?

Was den „P.C.“-Diskurs weiterhin anschlussfähig macht an die Strategien, mit denen die AfD und ihre angeschlossenen Netzwerke heute wenig zimperlich politische Gegner einzuschüchtern versuchen: Er imprägniert gegen Kritik, indem auch hier die Tatsachen verdreht werden. Die „inkorrekte“ Meinung darf angeblich nicht mehr gesagt werden (obwohl sie seit fast 30 Jahren alle paar Wochen in den auflagestärksten Medien des Landes ausgeplaudert wird), aber im gleichen Atemzug spricht man Einwänden gegen die eigene Position die Berechtigung ab.

Disqualifiziert für die Debatten-WM

„Nur am Widerspruch schärft sich das Argument“, schreibt Greiner in einem Blogeintrag von 2014. Er meint damit aber offensichtlich nur das, was er selbst so vom Stapel lässt, wie der im Text folgende Satz demonstriert:

„Die zahlreichen Ismen, ob Feminismus, Antirassismus oder Antisexismus, dienen allzu oft nur dazu, sich in die Festung einer unanfechtbaren Moralität zurückzuziehen.“

Mit anderen Worten: Feministische, antirassistische und antisexistische Einwände haben sich leider schon mal nicht für die große Debatten-WM qualifiziert. Das ist diskursiv unlauter, zumal der Ausschluss ohne Angaben von Gründen erfolgt.

Aber das mit den Gründen ist Greiners Sache eh nicht, wenn es im Blogeintrag weiter oben heißt:

„Auch Martin Walser hatte einige Jahre mit Demonstranten zu kämpfen, die ihm Antisemitismus vorwarfen und seine Lesungen verhindern wollten. Die unberechtigte Kritik bezog sich auf Äußerungen Walsers in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises 1998. Noch heute muss er mit Störungen rechnen.“

„Die unberechtigte Kritik“ ist, um es freundlich zu sagen, eine arg verkürzte Darstellung einer der großen Feuilleton-Debatten der jüngeren bundesrepublikanischen Geschichte. Und falsch ist sie auch – um Antisemitismus ging es erst bei der Diskussion von Walsers Buch „Tod eines Kritikers“ (Suhrkamp, 2002).

Auf der Hundepfeife geblasen

Ulrich Greiner: Vom Recht, rechts zu sein

Ein zentraler Text im Werk Ulrich Greiners ist schließlich der bereits erwähnte, 2016 erschienene Selbstbesinnungsaufsatz „Vom Recht, rechts zu sein“ (das daraus entstandene Buch stellte Greiner übrigens 2018 in der neurechten „Bibliothek des Konservatismus“ vor). Greiner wandelt melancholisch durch seine politische Unbehaustheit und bläst auf der Hundepfeife ein Best-of der Schlagworte, um die sich bei Pegida etwas weniger vornehm geschart wird: „Abendland“, „Islamisierung“, „Multikulturalismus“, „Christentum“, „Strom von Immigranten“, „deutscher Selbsthass“, Ehe für alle (die natürlich unwürdig ist, so genannt zu werden).

Argumentiert wird wie häufiger nicht. Zur Ablehnung der Ehe für alle heißt es etwa:

„Die Generationenfolge sorgt dafür, dass jedes Kind seine Abstammung kennt und in der Kette der Fortpflanzung seinen erkennbaren Platz findet. Und sie sorgt, jedenfalls der Idee nach, für den Ausgleich von Geben und Nehmen: Was ich von meinen Eltern an emotionaler und materieller Zuwendung erfahren habe, gebe ich an meine Kinder weiter. Es stimmt, dass diese Idee schwach geworden ist, doch folgt daraus nicht, man dürfe sie dadurch weiter schwächen, dass man alle Lebensformen einander gleichstellt.“

Warum Gleichstellung vor dem Standesamt die Generationenfolge „schwächen“ soll (auch schwule Männer können Väter, lesbische Frauen Mütter werden), bleibt unverständlich. Und selbst wenn man das „schwächen“ auf das Institut der Ehe bezieht („dass der im Grundgesetz garantierte Schutz von Ehe und Familie für das aus ehrwürdiger Tradition stammende Modell heterosexueller Eltern und ihrer auf natürliche Weise gezeugten und geborenen Kinder gedacht ist“), wird die Sache nicht klarer: Die Tatsache, dass auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten können, spräche doch viel eher für eine Stärkung der Ehe, für die Popularität dieses Instituts, oder? Zumal heterosexuelle Paare weder ihre Ringe noch ihre Steuervorteile abgeben müssen, also überhaupt nichts verlieren (oder eben: in ihren Ehen geschwächt würden), wenn homosexuelle Paare auch heiraten dürfen.

Das Ressentiment Gassi führen

Mir ist schon klar, dass Greiner in diesem Text noch weniger an Auseinandersetzung interessiert ist als in den weiter oben zitierten. Es geht ihm um ein leicht weinerliches Selbstbekenntnis, in dem das Ressentiment Gassi geführt werden soll, wenn er von sich in der dritten Person spricht: „Der Konservative weiß, dass er mit dieser Ansicht zu einer Minderheit zählt.“ Was Kenner von Greiners Werk durchaus irritieren kann, beschied er 2014 in einem Blogeintrag doch noch: „Mutig wäre es, diskret zu sein. Ich sehe in dem Bekenntnisdrang einen Beweis dafür, dass die einst selbstverständliche Grenze zwischen Intimität und Öffentlichkeit nicht mehr existiert.“

Aber gut, kann man alles machen. Es wird dann lediglich schwierig, eine solche Selbstverortung gegen den Kulturkampf der AfD und ihrer Netzwerke abzugrenzen – was Greiners Apologeten (offenbar ohne Kenntnis seiner Texte) in ihrer Empörung über die MBR-Broschüre ja antreibt: Er hat Geschmack an Topoi von ganz rechts wie der „Islamisierung“ („Doch findet er die Warnung vor einer Islamisierung keineswegs absurd“) gefunden und haucht rechte Kampfbegriffe wie „Abendland“ idyllisch vor sich hin: „Auch der okzidentale Konservative sucht im Glauben seiner Väter Trost, denn er rechnet sich zu jenen, denen der Begriff Abendland noch etwas bedeutet“ – was genau außer Sakralbauten wird zwar nicht gesagt, aber es dürfte an dieser Stelle kaum überraschen, dass Greiner es mit Begriffsgeschichten nicht so hat.

Der Akt der Auflehnung

Im „Zeit“-Text zur MBR-Broschüre steht die kritisch gemeinte Feststellung: „AfD-Politiker treten stets als Anwälte einer um ihre Kultur betrogenen Nation auf.“ Und da wäre es dann schon interessant zu wissen, wie die Autoren Soboczynski und Lemke-Matwey den Auftritt Greiners in „Vom Recht, rechts zu sein“ bewerten würden, der auf der Klaviatur dieses Narrativs spielt: Greiner beklagt als „heimatloser“ Konservativer, „dass die maßgebliche geistige Tradition des Abendlandes infolge eines Mangels an Kenntnis und an Überlieferungslust in Vergessenheit gerät“. Er sieht „deutschen Selbsthass“, „bedauert, dass sich die Kirchen leeren“, und träumt davon, einen „Akt der Auflehnung“ zu leisten mit Vertretern eines „seriösen Konservativismus“.

Zu dem zählt für Greiner auch der im vergangenen Jahr verstorbene Ulrich Schacht, der die „Erklärung 2018“ tatsächlich unterschrieb und sich als Publizist der sogenannten Neuen Rechten einen Namen machte. Greiners einfühlsamer Nachruf erachtete das allerdings nicht für mitteilenswert, was auch ein bisschen schade ist für diesen nicht unbeträchtlichen Teil von Schachts Wirken, weil das so schlicht unterschlagen wird, und widersprüchlich dazu, wo Greiner doch angeblich so viel an der „Überlieferung“ liegt.

Das mit der „Auflehnung“ meint Greiner übrigens im raunenden Sinne Botho Straußens, nämlich „gegen die Totalherrschaft der Gegenwart, die dem Individuum jede Anwesenheit von geschichtlichem Gewordensein, von mythischer Zeit rauben und ausmerzen will“. Die Idee stammt aus seinem legendärem Text „Anschwellender Bocksgesang“ von 1993, in dem unter anderem moniert wird: „Daß ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, das verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich.“

Die Schnittmenge mit der AfD

Das Problem vieler Texte zur MBR-Broschüre ist, dass sie sich argumentativ, wenn überhaupt, nur oberflächlich mit der These auseinander setzen, Leute wie Greiner würden mit ihren Texten in den Medien der bürgerlichen Mitte einem Kulturkampf von rechts Vorschub leisten. Zwar wird im „Zeit“-Text beklagt, dass die Broschüre keinen Unterschied mache „zwischen konservativen, liberalkonservativen, rechtsextremen, rassistischen, Gendertheorie-skeptischen oder rechtspopulistischen Positionen“. In welchem Abteil dieses Zugs aus Adjektiven Greiner ihrer Ansicht nach sitzt, wollen die Kollegen aber nicht verraten.

Dabei müsste man eigentlich diskutieren, was es bedeutet, wenn sich Greiner in der „Zeit“ Kampfbegriffe zu eigen macht, die Pegida in die Welt ruft. Oder wenn er den Versuch, politische Positionen durch Begriffe wie „‚rechtsradikal‘, ‚reaktionär‘, ‚rechtspopulistisch‘ oder ‚rechts‘“ zu benennen, allein mit dem Hinweis abtut, es handele sich um ein Vokabular, „das zur moralischen Disqualifizierung offenbar genügt“. Das ist einerseits verlogen, weil Greiner in seinen Texten ja selbst permanent andere Ansichten disqualifiziert – und es verunklart andererseits die Auseinandersetzung. Warum sollte man menschenverachtende Rhetoriken, die reale Auswirkungen haben von der Verbreitung von Hass und Drohungen über Einschüchterungsversuche bis zu körperlicher Gewalt, nicht „moralisch disqualifizieren“?

Genau an solchen Stellen wird die Schnittmenge zwischen einem Vertreter der bürgerlichen Mitte und der AfD und ihren Verbindungen in den Rechtsextremismus sichtbar – es ist das alte „Das wird man ja noch sagen würde“ aus dem „P.C.“-Diskurs, das sich durch die Klage seiner vermeintlichen Zurücksetzung in der Debatte von vornherein immunisiert gegen die Kritik an dem, was gesagt wird. So werden Attacken auf die Grundwerte des gesellschaftlichen Miteinanders als bloße „Meinungen“ deklariert und die Grenzen des Sagbaren verschoben.

Ideologisch sind immer die anderen

Wie sehr die tendenziös-vernebelnden Selbstverteidigungsstrategien von AfD und Konsorten schon in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sind, führen die Greiner-apologetischen Texte zur MBR-Broschüre vor. Während in der Zeit vor dem „P.C.“-Diskurs auf die These der Broschüre vielleicht mit einem Essay inhaltlich reagiert worden wäre (wenn sich die „Zeit“ überhaupt herabgelassen hätte, eine solche Publikation der Auseinandersetzung für würdig zu befinden), behilft man sich heute mit von der AfD und ihrem Umfeld geprägten Abwertungsbegriffen wie „ideologisch“: Der „Zeit“-Text bezeichnet die Broschüre als „ideologische Kampfschrift“; „ideologisch verstiegen“ nennt sie die „taz“. Intellektuell macht das keinen Sinn (Greiners Texte sind ja auch „ideologisch“), aber diskursiv hat es Wirkung: Mit der einseitigen Verwendung von „ideologisch“ werden von rechts politische Gegner herabgewürdigt, wird über die eigene „Ideologie“ hinweggetäuscht, indem man sie exklusiv bei den anderen verortet. In gewisser Weise hat diese Rede von „(linken) Ideologen“ den „Gutmenschen“ aus dem „P.C.“-Diskurs als Feindbild abgelöst, was ebenfalls ein Zeichen für die Verschärfung des Tons ist.

Im Interview mit DLF Kultur übernimmt Lemke-Matwey unhinterfragt noch einen weiteren Spin der extremen Rechten, wenn sie sich fragt, ob der „Rechtsruck“, „gleich rechts von der Antifa“ beginne. Die „Antifa“ ist, anders als diese Bemerkung insinuiert, in Wahrheit ein heterogenes Ensemble von Engagement. Sie wurde ebenfalls erst durch die AfD und ihre Mitstreiter in das mediale Reden eingeführt. Es ist kein Wunder, dass sie die Antifa verunglimpfen und gegen kleine Vereine wie die Mobile Beratung oder Miteinander e.V. in Magdeburg kämpfen – von dort kommen Widerspruch und Expertise im Kampf gegen Rechtsextremismus, nicht zuletzt für Journalisten.

Während die AfD dauernd über ihre vermeintliche mediale Marginalisierung und angeblich fehlende „Meinungsfreiheit“ quengelt, versucht sie umgekehrt mit aller Kraft, die Leute mundtot zu machen, die ihr Wissen und Aktivität entgegenzusetzen haben. Oder missliebigen Journalismus an der Berichterstattung zu hindern. Für die sich quer durch fast alle Feuilletons ziehende Begeisterung, mit „Rechten reden“ zu wollen, ist dieser offensichtliche Widerspruch kein Problem.

Ein Fehler als Ventil zur Fundamentalempörung

In den Veröffentlichungen über die MBR-Broschüre zeigt sich eine diskursive Asymmetrie. Die falsche Angabe über die „Erklärung 2018“ wird nicht einfach beanstandet und klargestellt, sondern dient als Ventil zur Fundamentalempörung, die der grobschlächtige Boulevard mit seinen Mitteln gerne aufnimmt: „Hat Klaus Lederer eine Fake-Broschüre vorgestellt?“, fragt die „B.Z.“. So überdeckt die Erregung über den Fehler den eigentlichen Grund der MBR-Broschüre – die realen Probleme von Theatern mit Einschüchterungsversuchen durch die AfD und ihre Anhänger.

Dabei sind selbst Medien mit stolzen Dokumentationsabteilungen nicht vor Falschdarstellungen gefeit. Sogar in dem „Zeit“-Text zur MBR-Broschüre ist eine Behauptung korrigiert worden. Hieß es in der Printversion, Ulrich Khuon distanziere sich von der MBR-Broschüre, steht in der Onlineversion nur mehr, Khuon kritisiere die Handreichung. Denn Khuon hatte am Tag der „Zeit“-Veröffentlichung gegenüber dem Evangelischen Pressedienst gesagt: „Ich distanziere mich keinesfalls von der Broschüre.“

Lemke-Matwey meint das im DLF Kultur aber immer noch besser zu wissen: „Wenn Herr Khuon jetzt sagt, er distanziere sich nicht davon, dann ist das zumindest nur in Teilen richtig.“ Und weiter:

„Ich finde eigentlich die Debatte müsste sich eigentlich auch mal auf unsere Kritik richten, ich finde der Vorfall, der uns ja jetzt beschäftigt, ist noch mal ein ganz anderer, nämlich diese Art von Generalverdacht, der hier ausgesprochen wird, und im Grunde spielt man damit natürlich, und das ist das Fatale daran, den sogenannten Rechten, wo immer man sie jetzt verorten möchte, absolut in die Hände.“

Wie letzteres funktionieren soll, ist mir unverständlich, aber das könnte auch daran liegen, dass man bei Lemke-Matwey nur „sogenannten Rechten“ in die Hände spielt, also denen, die womöglich gar keine Rechten sind, und von denen man auch gar nicht so genau weiß, wo man sie eigentlich suchen soll. Im Falle der AfD und neurechten Medien lässt sich dagegen vermelden, dass dem Wunsch der „Zeit“-Redakteurin entsprochen wurde. Dort richtet sich die Debatte ausschließlich auf die „Kritik“ an der Broschüre.

166 Kommentare

  1. Das N-Wort war immer ein herabsetzender Begriff, es steht am Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung einer heterogenen Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals, zu dem sie das Wort zusammenklumpt und entmenscht.

    Ein Wort steht am Beginn einer Historie und ist derart gefährlich, dass seine Erwähnung selbst in Gänsefüßchen verhindert werden muss? Eine sprachmagische Vorstellung. Vgl. „Linguistic Turn“. Aber lassen wir das, ich weiß, dass man über dieses Thema hier nicht reden kann.

  2. „Das N-Wort“ steht doch nicht am Beginn der Geschichte der Versklavung Subsahara-Afrikas. Das ist ahistorischer, sprachpathetischer Blödsinn. Die Etymologie des Begriffs war und ist auch heute noch im Übrigen deutlich komplexer als „Zusammenklumpung“ und „Entmenschung“ (gemeint wohl: entmenschlicht. Ob es sinnvoll ist, ausgerechnet in einem solchen Kontext infantile Neologismen zu verwenden?).

  3. Starker Text, der einige Ziele und Wirkmechanismen des „Diskurses“ deutlich herausarbeitet. Ich werde mir den ein oder anderen Satz einprägen und künftig ausborgen, wenn mal wieder ein vermeintlich armes Opfer der Gedankenpolizei über unseren ach so totalitären Staat bzw. dessen Medienöffentlichkeit greint.

    Ohnehin sollten wir aufhören, uns – wie beschrieben – durch solche Verdrehungen in die Defensive drängen zu lassen. Warum nicht mal ein T-Shirt tragen, auf dem „links-grün versiffter Gutmensch“ steht? Ist das Gegenteil – rechts angehauchter Schlechtmensch? – so viel erstrebenswerter?

  4. tl;dr.

    Ein langer Text, weil einmal mehr die Zeit für einen kurzen fehlte? Ich mag Übermedien, aber oft kommt es mir vor, als ob weniger mehr wäre. Ist aber nur meine Meinung.

  5. „… einer heterogenen Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals, zu dem sie das Wort zusammenklumpt und entmenscht.“

    Komisch, hier liest man doch häufig von dem „alten, weißen Mann“.

  6. @Kritischer Kritiker
    Nö, kein Glaube an Sprachmagie, einfach nur Unlust, den Begriff selbst in kritischer Absicht und in Gänsefüßchen andauernd zu reproduzieren. Das kann jede halten, wie er es will, ich eben so.

  7. @John
    Das tut mir leid, ging in dem Fall aber nicht anders – dieser „P.C.“-Diskurs ist so ein Biest, dass man ein bisschen Platz braucht, um ihn zu erklären. Und dann wollte ich mir den Vorwurf einhandeln, ich würde Greiner nicht fundiert kritisieren – dabei hätte es noch so viele andere, für diesen Zusammenhang interessante Texte seines umfänglichen Werks gegeben, auf die ich leider verzichten musste zwecks Länge.

  8. @Vannay
    Danke. Und nein, ist es natürlicht. Ich würde dennoch von dem T-Shirt abraten so wie es nichts bringt, „politische Korrektheit“ zu affirmieren (was manche ja machen) – die Begriffe sind so runtergerockt, da ist mit Parodie einfach nichts zu holen. Zumal „politische Korrektheit“ ja selbst schon so lächerlich klingt, dass viele denken, das sein schon ironisch. Was wiederum den Erfolg des Begriffs erklärt.

  9. Der Artikel hat viele interessante Gedanken, aber bei der Stelle:
    „…die Diffamierung von afrodeutschen Kindern, die vielleicht auch gern mit Preußlers Geschichte aufwachsen würden, ohne von ihr beleidigt zu werden.“ frage ich mich, warum ausgerechnet afrodeutsche Kinder mit Preußlers Geschichte aufwachsen wollten. Schließlich haben die doch allen Grund, ihn für einen Rassisten zu halten.

    Dafür lobe ich insbesondere den Begriff „Pappkameraden“ statt „Strohmann“, letzteres ist eine Übersetzung aus dem englischen.

    Und, um auf das Ausgangsthema zurückzukommen, natürlich kann ein rechter Autor in einem „Mittemedium“ veröffentlicht werden. Die machen ja keine Gesinnungstests.

  10. zum Thema Länge:
    Als solche texte noch gedruckt werden mussten, gab es ja eine Notwendigkeit für eine Maximallänge. In einem Online-Format gibt es da sja aber eigentlich nicht. Warum also all die interessanten anderen Erkenntnisse weglassen? Ich würde mir wünschen, dass man die Vorteile gegenüber dem Print auch insoweit hier einmal ausnutzt. Wem ein Text zu lang ist, der braucht ihn ja nicht lesen oder nicht ganz lesen. Ich würde es aber stets bevorzugen, an den Erkenntnissen eines Autors in größtmöglichen Umfang teilhaben zu können.

  11. @Illen
    Da wär ich interessiert zu wissen, wie die Etymologie nichts mit der Abwertungsgeschichte zu tun haben kann

  12. @Aleph
    Genau, komisch – wenn Sie da jetzt noch einen Moment weiterdenken, dann wäre die Chance auf eine Erkenntnis groß.

  13. @13. Mycroft
    Warum nicht? Preußler war Kind seiner Zeit war, in der die Begriffe nicht problematisiert waren; und sein Einverständnis, den Begriff im Bewusstsein heutiger Diskussionen zu ändern, zeigt doch, dass es ihm nicht darum geht, ohne Not zu beleidigen. Und anders als „Pippi Langstrumpf“, dem ja ein koloniales Setting zu Grunde liegt, was die Lektüre aus heutiger Sicht auch mit dem „Südseekönig“ vielleicht nicht mehr so interessant macht, ist der Begriff ja auch nicht zentral für „Die kleine Hexe“

  14. Was Illen et alii meinen, ist wohl dies:

    Wenn Europäer Menschen aus Afrika zu Beginn der Kolonialzeit pauschal als „Afrikaner“ bezeichnet hätten – statt mit irgendwelchen Wörtern, die mit „N“ beginnen – hätten sie sie dennoch versklavt.

    Die Entmenschung war die Folge der Versklavung. Der Rassismus war die Folge der Entmenschung. Und die rassistischen Konnotationen besagter Wörter sind die Folge der Entmenschung. Aber letzteres hätte man auch mit „Afrikaner“, wenn man das damals verwendet hätte, oder jedem anderen Wort, egal, mit welcher Etymologie. Ergo hat die Abwertungsgeschichte mit der Etymologie nur sehr am Rande zu tun.

  15. @Dell, #17:
    Da Preußler seit 6 Jahren tot ist, beteiligt er sich nicht mehr an der heutigen Diskussion.
    Aber gut, Gegenfrage: kennen sie Afrodeutsche, die Preußler lesen wollen?

    Die schwedische Kolonialzeit war zur Entstehungszeit von „Pippi Langstrumpf“ eigentlich auch schon vorbei. Ich bin aber nicht der Ansicht, dass das „koloniale Setting“ Pippi Langstrumpf“ interessant macht, sondern, wenn überhaupt, der ironische Bruch desselben. Vergleichen Sie mal die mäßige Kompetenz und das schiere Glück von Vater Langstrumpf mit Robinson Crusoes geballten Fähigkeiten, der quasi seine ganze Zivilisation nachbaut.

  16. @18., 19. Mycroft
    Dann meinen Illen et alii aber leider was Falsches. So eine Versklavung muss man sich, zumal als gerade aufgeklärter Europäer, auch erst mal erklären und begründen, warum zum Beispiel die zu versklavenden Menschen nicht Kants kategorischer Imperativ fallen sollen. Und dafür hat die damalige Zeit extrem viel Aufwand betrieben, die Wissenschaft versuchte zu belegen, dass das schon okay ist, indem sie „Menschenrassen“ erfand und damit unter Menschen hierarchisiseren konnte, dass die N-Rasse eben tierähnlich sei. Da gabe es zwischen den Jahren ein ausführliches Feature im DLF zu (https://www.deutschlandfunk.de/rassendenken-teil-1-ueber-die-rassistischen-wurzeln-von.740.de.html?dram:article_id=436585), ganz abgesehen von der Literatur.
    Und ja, Preußler ist tot, aber zur Zeit der Debatte lebte er noch, der Verlag erklärte, dass die Neuauflage in Absprache mit Preußler (und den Erben) erfolgt sei – warum sollte man daran zweifeln.
    Und den Afrodeutschen, der seinen Kindern aus „Der kleinen Hexe“ vorliest, den Sie suchen, zitiert ja der Greiner-Text: „Als er seiner Tochter aus der Kleinen Hexe vorlas, stieß er auf das Kapitel, in dem sich die Kinder verkleiden.“
    Finde davon unabhängig es aber auch für weiße Kinder nicht erstrebenswert, solche Begriffe aus harmlosen Kinderbüchern vorgelesen zu kriegen. What for?
    Und was das koloniale Setting von „Pippi Langstrumpf“ angeht, siehe hier:
    https://www.sueddeutsche.de/panorama/pippi-langstrumpf-elsa-in-taka-tuka-land-1.4107152?reduced=true

  17. Wenn ich mich richtig erinnere, gehörte das nördliche Afrika zum Römischen Reich. Danach eroberten die Araber diese Region. Oberherren der Araber wurden später die türkischen Osmanen. Als das Osmanische Reich zerfiel, kolonisierten die europäischen Mächte nicht nur Nordafrika, sondern auch die südlichen Teile Afrikas.
    Der Sklavenhandel mit schwarzen Afrikanern wurde jahrhundertelang von den Arabern betrieben, wahrscheinlich auch schon im Römischen Reich und im Persischen Reich. Die Europäer betrieben ebenfalls Sklavenhandel, insbesondere in die Südstaaten Nordamerikas.
    Da möchte ich Mycroft zustimmen: Mit dem Wort, das hier nicht ausgeschrieben werden soll, hat das nichts zu tun. Magisches Denken hätte ich nicht bei fortschrittlichen Linken verortet, aber man lernt ja nie aus.

  18. „Die MBR hat eine Unterlassungserklärung unterzeichnet. Gestern veröffentlichte sie eine überarbeitete Version der Broschüre – ganze ohne Erwähnung von Greiner.“
    Der staatlich finanzierte Kampf gegen Rechts, hier durch die MBR, schießt gelegentlich über das Ziel hinaus und wirkt demagogisch.
    Da dahinter eine links-grüne Berliner Regierung mit einem Kultustaatssekretär der Linken steht, dessen Partei in Teilen selber ein Fall für den Verfassungsschutz ist, weiß man auch warum es dort keine staatlich geförderte „Mobile Beratung gegen Linksextremismus“ gibt.

  19. @21. Yong Meier
    Es ist kein magisches Denken, wie ich weiter oben ausgeführt habe. Warum müssen Sie mir das unterstellen? Sonst nix auf der Pfanne? Ihr geschichtlicher Exkurs ist ja auch eher unterkomplex: eine Aufzählung, die mit dem Schluss, den Sie ziehen nichts zu tun hat. Heiter weiter

  20. @Matthias Dell: Ich finde es gut, wenn der Autor direkt den Kommentatoren antwortet.
    Übrigens: In der Autorenzeile des Artikels fehlt ein „t“.
    Gibt es Rechthaberei auch bei Linken, Herr Dell?

  21. Die Verwendung von „N-Wort“ beruht auf sprachmagischem Denken, weil sie auf dem Irrtum basiert, durch die Bannung eines Wortes änderte sich irgendwas an realen Misständen. Das gilt auch für „Mensch mit Mobilitätseinschränkung“ statt Krüppel oder „Geflüchteter“ statt Flüchtling, hat im Falle von „N-Wort“ aber die zusätzliche Pointe, dass das ursprüngliche Wort bei jeder einzelnen Verwendung erkennbar bleibt wie der Elefant unter dem Bettlaken. Das macht die Sache auch noch infantil.

    Formulierungen wie „People of Colour“ sind nicht nur ungeheuer verquast, sie „verklumpen“ die darunter gefassten Subjekte genauso wie das verbotene Wort – und sie können durchaus die Form eines wohlmeinenden, „antirassistischen“ Rassismus annehmen, wenn sie implizieren sollen, dass Denzel Washington aufgrund seiner Hautfarbe mehr mit einem Coltanminen-Malocher aus dem Kongo zu tun habe als mit George Clooney.

    Ich finde, in dem Text geht einiges durcheinander: Das eine ist Kritik an einem Konservatismus, der bisweilen an der Grenze zum Völkischen schrammt. Etwas ganz anderes ist die Verteidigung einer postmodernen Strömung, die ihrerseits Kritik mit der Formulierung moralisch erhabener Sprachregelungen verwechselt – und sich dabei derart auf den alten, weißen Mann kapriziert, dass sie die Nähe eines vermeintlich fortschrittlichen Kulturrelativismus zum neurechten Ethnopluralismus gar nicht bemerkt.

    Zwei Lesetipps:

    1. „Die autoritäre Revolte“ von Volker Weiß. Ein kluges (und linkes) Buch über die „Neue Rechte“, dass am Schluss eine m.E. sehr gelungene Kritik der anti-universalistischen Linken enthält: https://www.klett-cotta.de/buch/Gesellschaft_/_Politik/Die_autoritaere_Revolte/79925

    2. Eine Kritik von Nico Hoppe an der postmodernen Begeisterung für den Blockbuster „Black Panther“ (erschienen in der NZZ, aber alles andere als neu-rechts, sondern im Geist der Kritischen Theorie verfasst): https://www.nzz.ch/feuilleton/oscars-scheinbar-progressiv-tatsaechlich-aber-regressiv-ld.1460623

    P.S.:

    Mit der einseitigen Verwendung von „ideologisch“ werden von rechts politische Gegner herabgewürdigt […].

    Echt jetzt, „herabgewürdigt“? Für eine banale, rhetorische Spiegelfechterei? Wer anderen – teils zurecht – Selbst-Viktimisierung vorwirft, sollte selbst nicht derart zimperlich sein, sondern darüber stehen.

  22. „Finde davon unabhängig es aber auch für weiße Kinder nicht erstrebenswert, solche Begriffe aus harmlosen Kinderbüchern vorgelesen zu kriegen. What for?“
    Habe ich behauptet, weißen Kindern sollten solch Begriffe vorgelesen werden? Nein, also was soll der Einwand? Ihr Punkt war, dass afrodeutsche Kinder gerne mit Preußler groß werden wollten, ohne dabei beleidigt zu werden. Was natürlich sein kein, aber dasselbe Ziel erreichen sie natürlich auch, indem sie einfach nichts mehr von Preußler lesen. Wer zwingt sie?
    “ warum sollte man daran zweifeln.“ Weil Papier geduldig ist. Er hat rassistische Wörter eingebracht, wen interessiert seine Wiedergutmachung?
    Das mit dem „kolonialen Setting“ habe ich auch nicht bestritten, ich bestreite, dass das der Grund sei, der „Pippi Langstrumpf“ „interessant“ (also „lesenswert“) macht(e), wie Sie behaupteten. Können Sie natürlich anders sehen, aber eine rothaarige Anarchistin mit übermenschlichen Kräften, unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten und einem generell eher oberflächlichen Verständnis der Wirklichkeit ist möglicherweise noch aus anderen Gründen „interessant“ als dem, dass sie in einem kolonialen Setting lebt. Keine Ahnung, ich fand Jim Knopf immer interessanter.

    Da der Kolonialismus im Allgemeinen und der Sklavenhandel insbesondere begonnen hatte, bevor Kant überhaupt geboren wurde, haben die sich meisten (alles anderen als aufgeklärten) Sklavenhändler wohl hauptsächlich deshalb keinen Kopf über den kategorischen Imperativ gemacht, weil sie nie davon hörten. Die Rechtfertigungsversuche kamen erst, als das ganze System schon auf Hochtouren lief.
    Mein Punkt hier ist jedenfalls, dass die Bezeichnung, die die damaligen Sklavenhändler für die Sklaven verwendeten, austauschbar war. Dass das N-Wort das N-Wort ist, ist von daher Zufall. Klar, aus Höflichkeit verzichte ich auf das Wort. Aber das ist bloße Höflichkeit und nichts weiter.

  23. Danke für die Analyse! Ich sehe das auch so: In Sonntagsreden sprechen alle immer über den „Rassismus in unserer Mitte“. Wenn aber der Versuch unternommen wird, das mal konkret zu thematisieren heißt es sofort „das ist linke Ideologie!“.

    Zur Begriffsdebatte: ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass antisemitische Begriffe in der Neuauflage von Kinderbüchern (und sonstigen Veröffentlichungen) nichts zu suchen haben (es sei denn, eine historische Person und ihre Sprache muss dargestellt werden). Warum können wir diesen Konsens nicht auch für rassistische Begriffe voraussetzen?

  24. Nachtrag @ Matthias Dell (sofern meine längere Antwort noch erscheint):

    Nö, kein Glaube an Sprachmagie, einfach nur Unlust, den Begriff selbst in kritischer Absicht und in Gänsefüßchen andauernd zu reproduzieren. Das kann jede halten, wie er es will, ich eben so.

    Nein, denn Kommentare, die es nicht mit Ihnen, sondern mit Ijoma Mangold halten – und das verbotene Wort in kritischer Absicht verwenden –, werden hier nicht veröffentlicht. Es steht mir also nicht frei, mich nicht an Ihrer Unlust zu beteiligen. (Dreifache Verneinung. Toll, wa?)

  25. @25. Yong Meier
    Rechthaberei oder Linke, Hauptsache: Argument. Und das fehlt mir irgendwie zwischen Ihrer Aufzählung und dem Schluss, den Sie ziehen. Für den transatlantischen Sklavenhandel war die Erfindung der N-Rasse wichtig, um sich vor der zeitgleich zu Hause aufschwingenden Aufklärung irgendwie rechtfertigen zu können, dass man Menschen hierarchisiert in einer Zeit, da gottgegebene und wie auch immer etablierte Hierarchien ins Wanken gerieten.
    Das mit „T“ stimmt – ich mahne es an!

  26. @26. Mycroft
    Ich habe nicht behauptet, dass Pippi Langstrumpf wegen des kolonialen Settings interessant sei, ich habe geschrieben, dass das ein Grund sein könnte, warum man auf das Buch keinen Bock haben könnte, selbst wenn das der Südseekönig regiert.
    Dass es Sklavenhandel vor 1700 gegeben hat, ist kein Argument gegen die Verbindung von Erfindung der N-Rasse (und Prägung des N-Worts) zur Zeit der Aufklärung in einer sich modernisierenden Welt (der Kapitalismus entsteht da ja auch). Von daher: kein Zufall. Ich werde jetzt allmählich müde, das zu erklären – dass das N-Wort eine Abwertung meint, die mit dieser Geschichte aufgeladen ist, verschwindet nicht dadurch, dass es zuvor auch Gewalt und Unterdrückung gegeben hat. Und selbst wenn es „austauschbar“ war, wie Sie schreiben – was nimmt das von der Abwertung, die in dem Wort steckt, dass es aus Ihrer Sicht dann zufällig geworden ist?
    Wenn Sie Höflichkeit so verstehen, wie Sie das beschreiben, ist das Ihre Sache.

  27. @Kritischer Kritiker
    Wenn das so ist, finde ich das gut. Ich hätte auch keine Lust, auf der Seite, die ich betreibe, Sachen zu veröffentlichen, die ich als unangemessen empfinde. Zumal ich nicht verstehe: Wenn Sie das Wort doch nur in kritischer Absicht verwenden wollen, warum liegt Ihnen so viel daran, es auszuschreiben zu müssen? Aber vielleicht sind meine Vorstellungen von „kritischer Absicht“ auch nur etwas altmodisch.

  28. @ Matthias Dell:

    Wenn Sie das Wort doch nur in kritischer Absicht verwenden wollen, warum liegt Ihnen so viel daran, es auszuschreiben zu müssen?

    U.a. weil ich es für infantil halte, sich hinter verschwurbelten Formeln zu verstecken, statt das problem auf den Punkt zu bringen. Ich hatte das erklärt, aber der betreffende Beitrag erscheint nicht (obwohl ich keine verbotenen Wörter verwendet habe).

    Dieses suggestive „warum liegt ihnen soviel daran“ empfinde ich als unverschämt. Es geht mir gar nicht um dieses konkrete Wort. Sie können sich gerne vorstellen, ich sei ein konservativer, alter Sack, der seine Ressentiments pflegen will. Das ist aber nicht der Fall: Es geht mir hier um das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit und um eine sehr selbstgerechte Strömung der Linken, die meint, anhand der Akzeptanz von Sprachtabus über richtig und falsch urteilen zu können.

    Damit ist es mir sehr ernst: Ich leide unter der Richtung, die die Linke nimmt, weil ich den Eindruck habe, dass sie sich von der Kritik der sozialen Verhältnisse verabschiedet und alles in Diskriminierung auf der einen, moralische Bekenntnisse auf der anderen Seite auflöst.

    P.S.: Sie haben einen Kommentar von Ijoma Mangold verlinkt, der das verbotene Wort in kritischer Absicht mindestens zehn Mal verwendet. Haben Sie den Kollegen auch schon gefragt, warum er das tut?

  29. @33. Kritischer Kritiker
    Ich habe mir, ehrlich gesagt, überhaupt nichts vorgestellt. Ich verstehe nur nicht, warum wir jetzt eine Debatte darüber führen sollen, ob man das Wort aus kritischer Absicht sagen kann. Sagen Sie mir, wozu? Ich krieg das einfach nicht zusammen, dass, wenn es um kritische Absicht geht, wir jetzt über Infantilität reden sollen; verschwurbelte ist die Bezeichnung, die ich verwende auch nicht – jede versteht, was damit gemeint ist. Deshalb meine Frage: Was soll dieses Gespräch bringen? Und ich verstehe auch nicht, was das mit diesem Absatz zu tun haben soll:

    „Ich leide unter der Richtung, die die Linke nimmt, weil ich den Eindruck habe, dass sie sich von der Kritik der sozialen Verhältnisse verabschiedet und alles in Diskriminierung auf der einen, moralische Bekenntnisse auf der anderen Seite auflöst.“

    Das einzige, was ich mir vorstellen kann: Wenn ich ein Wort eh nur in kritischer Absicht verwenden würde, und auf einer kleinen Insel in den Weiten des Internets, in der dieses Wort immerfort in kritischer Absicht verwenden werden kann, ist das nicht so – wieso wäre dann meine größtes Problem, dass ich das Wort hier nicht in kritischer Absicht verwenden kann, wo ich es doch ausschließlich in kritischer Absicht verwenden will?

  30. @33. Kritischer Kritiker
    Ich habe mir, ehrlich gesagt, überhaupt nichts vorgestellt. Ich verstehe nur nicht, warum wir jetzt eine Debatte darüber führen sollen, ob man das Wort aus kritischer Absicht sagen kann. Sagen Sie mir, wozu? Ich krieg das einfach nicht zusammen, dass, wenn es um kritische Absicht geht, wir jetzt über Infantilität reden sollen; verschwurbelte ist die Bezeichnung, die ich verwende auch nicht – jede versteht, was damit gemeint ist. Deshalb meine Frage: Was soll dieses Gespräch bringen? Und ich verstehe auch nicht, was das mit diesem Absatz zu tun haben soll:

    „Ich leide unter der Richtung, die die Linke nimmt, weil ich den Eindruck habe, dass sie sich von der Kritik der sozialen Verhältnisse verabschiedet und alles in Diskriminierung auf der einen, moralische Bekenntnisse auf der anderen Seite auflöst.“

    Das einzige, was ich mir vorstellen kann: Wenn ich ein Wort eh nur in kritischer Absicht verwenden würde, und auf einer kleinen Insel in den Weiten des Internets, in der dieses Wort immerfort in kritischer Absicht verwenden werden kann, ist das nicht so – wieso wäre dann meine größtes Problem, dass ich das Wort hier nicht in kritischer Absicht verwenden kann, wo ich es doch ausschließlich in kritischer Absicht verwenden will? Was ist dann meine kritische Absicht wert?

  31. „…ich habe geschrieben, dass das ein Grund sein könnte, warum man auf das Buch keinen Bock haben könnte, selbst wenn das der Südseekönig regiert.“ _Das_ haben Sie gemeint? Ok, dann bin ich zu doof, Ihre dritte Schicht Subtext zu verstehen. Ich hatte Sie so verstanden, wie ich das weiter oben geschrieben habe.

    „…dass das N-Wort eine Abwertung meint, die mit dieser Geschichte aufgeladen ist, verschwindet nicht dadurch, dass es zuvor auch Gewalt und Unterdrückung gegeben hat.“ Stimmt. Sie behaupteten aber, dass das am speziellen Wort mit N die _Ursache_ gelegen hätte, und da bin ich anderer Ansicht. Die ganze Rassentheorie hätte auch mit „Afrikaner“ statt mit dem N-Wort „funktioniert“. Also, sie funktioniert ja so oder so nicht. (Ich bin mir, ehrlich gesagt, auch nicht sicher, wie wichtig es dem Kolonialismus war, sich vor den aufgeklärten Kunden in Europa zu rechtfertigen. Insbesondere, wenn die allgemeine Industralisierung die Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa zunehmend verschlechterten, aber davon mal ganz ab.)

    Nebenbei ist es etwas nervig, wenn Sie mir und anderen regelmäßig Aussagen unterstellen, die nicht getroffen wurden, diese dann widerlegen, um sich dann noch indirekt zu beschweren, dass Sie „allmählich müde“ werden. Lassen Sie’s doch; niemand erwartet von Ihnen, Dingen zu widersprechen, die niemand hier behauptet oder impliziert hat.

    „Und selbst wenn es „austauschbar“ war, wie Sie schreiben – was nimmt das von der Abwertung, die in dem Wort steckt, dass es aus Ihrer Sicht dann zufällig geworden ist?“ Gar nichts. Es ist aber nicht zufällig „geworden“. Es ist zufällig gewesen, dass dieses Wort damals verwendet wurde und Abwertung heute in diesem Wort steckt, und nicht in einem anderen. VOR Sklaverei und Rassismus war es mehr oder weniger neutral, jetzt ist es das offenbar nicht mehr, sondern abwertend; die Höflichkeit schreibt vor, keine abwertenden (=beleidigenden) Wörter zu verwenden, also verwende ich es nicht mehr. Aus pädagogischen Gründen sehe ich es ein, dass solche Wörter nicht ausgerechnet in Büchern vorkommen sollten, die man kleinen Kindern vorliest, um deren Sprachschatz zu erweitern.
    Darüber hinaus hat das Wort keine Wirkmacht. Aber offenbar ist Ihnen mein Höflichkeitsansatz nicht gut genug.

  32. Irgendwie kommt mir das erste Zitat im Pappkamerad-Absatz etwas seltsam vor.

    [Er realisiert sich im Tun jener zahllosen, oftmals staatlich bestallten Tugendwächter, die in höherem Auftrag, sei es Feminismus, Antisemitismus oder Antirassismus, agieren und die mit ideologisch geschärftem Nachtsichtgerät dunkle Abweichungen vom Pfad der Gerechten unverzüglich aufdecken.]

    Die Tugendwächter auf dem Pfad der Gerechten sind Antisemiten?

  33. @33: Auf welchen Punkt denn? Sie haben verstanden, dass nicht das Wort selbst sondern die Konnotationen die Diskriminierung ausmachen. Das Wort selbst ist also austauschbar, geschenkt.
    Nun noch einen Schritt weiter gehen: Jeder Mensch konnotiert anders als der nächste. Wenn Sie also meinen, eine „eindeutige“ Aussage getroffen zu haben, ist das ein Irrtum, da Sie nicht wissen, was der Empfänger mit diesem Wort verbindet.
    Was also ist so schlimm daran, sich an den Konnotationen derjenigen zu orientieren, die sich persönlich diskriminiert fühlen, sprich, eben diese Wörter versuchen zu vermeiden?

    Und noch zur Richtung der „Linken“:
    Wie wollen Sie „soziale Verhältnisse kritisieren“ ohne eine Moral zu Grunde zu legen?
    Ich habe den Eindruck, in unserer Geasellscahft wird Opportunismus zunehmend wieder salonfähig – sozialer, humanistischer Idealismus eher ausgelacht. Nur mein Eindruck.

    Idealismus von rechts hingegehen ist natürlich Audruck einer zutiefst menschlichen Sorge um die eigene Identität … /s

  34. @ Matthias Dell (#37):

    Ich habe Ihnen geschrieben, dass es mir nicht um das Wort geht, sondern um die m.E. regressive Vorstellung über das Verhältnis von Welt und Sprache, die hinter solchen Sprachverschönerungs-Operationen steht. Ich habe in Nr. 26 versucht, einige Argumente zu nennen (und auf andere verlinkt), aber ich weiß, dass ich hier niemanden überzeugen kann. Auf weitere Varianten von „Aber warum wollen Sie denn unbedingt ein böses Wort sagen?“ habe ich keinen Nerv.

  35. #15 Matthias Dell

    Ihre Aussage im Text war nicht, dass das N-Wort etwas mit der Abwertungsgeschichte zu tun hat, sondern dass es am „Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung einer heterogenen Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals [steht], zu dem sie das Wort zusammenklumpt und entmenscht“.

    Ich halte diese Formulierung zum einen für kritikwürdig, weil das sprach- wie allgemeingeschichtlich grob falsch ist, denn das N-Wort als Bezeichnung dunkelhäutiger Menschen ist etwa 1500-2000 Jahre älter als die systematische Versklavung eben dieser Menschen (allgemeine Sklaverei „besiegter“ Völker etc ist natürlich viel älter, hat aber mit dem N-Wort nichts zu tun).

    Zum zweiten steht das Wort auch dann, wenn man den Teil mit „steht am Beginn“ weglässt, nicht derart für die Sklaverei, wie es Ihre Formulierung nahelegt. Ihr Satz liest sich, als sei das N-Wort geradezu die sprachgewordene Essenz aller Greuel, die dunkelhäutige Menschen je ertragen mussten. Die sprachlichte Realität war und ist aber viel komplexer und zeugt immer auch von neutralem oder positiv besetztem Gebrauch (schon der englische Wiki-Artikel dazu nennt einige Beispiele, zB den Wunsch von Teilen der afroamerikanischen Community, in Sozialumfragen wieder als negroes bezeichnet zu werden, Gallup 1969). Das soll umgekehrt selbstverständlich nicht heißen, dass das Wort unproblematisch ist. Das ist es nicht. Aber Ihre Formulierung legt eben eine Überhöhung nahe, die, wie in #1 bereits angemerkt, auf Sprachmagie hinausläuft.

  36. @42. Waldmensch
    ;) Sehr genaue Lektüre! Abgesehen davon, dass dieser Verschwörungskram – „Namen werden irritierenderweise nicht genannt“, schrieb Benedikt Erenz schon in den neunziger Jahren über den „P.C.“-Diskurs – eh schon keinen Sinn macht, schmeißt Greiner dann auch noch die Ismen zusammen, die so nicht zusammenpassen. Er meint natürlich, dass Leuten wie ihm „Antisemitismus“ vorgeworfen wird, kriegt das aber nicht formuliert. Aber solche Preziosen sind auch keine Überraschung, wenn man seine Texte gelesen hat.

  37. Es trägt auch keiner mehr Hitlerbärtchen, obwohl diese Art Bart viel älter als Hitler ist. Warum soll das N-Wort nicht durch Aufladung unbenutzbar werden, auch wenn es vielleicht deutlich älter ist…
    Nicht dass ich mit böser Absicht Hitler ins Spiel springen wollte… (Für den Namen Adolf gilt das ähnlich.)

  38. Bei der Behauptung das „N-Wort“ stünde „am Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung “ habe ich aufgehört zu lesen. Was mit Unsinn anfängt, verspricht, unsinnig zu bleiben.

  39. #48 Alex:

    „Warum soll das N-Wort nicht durch Aufladung unbenutzbar werden, auch wenn es vielleicht deutlich älter ist?“

    Das kann selbstverständlich passieren, und ist mit dem N-Wort ja auch in gewisser Weise, wenn auch nicht vollständig, passiert. Das war allerdings weder mein Punkt, noch die Aussage von Herrn Dell, die ich kritisiere. Da müssten Sie bitte noch einmal nachlesen.

  40. @Kritischer Kritiker:

    Sobald Sie einen Kommentar mit mehr als einem Link darin verfassen, landet der qua Script in der Moderation und muss manuell freigeschaltet werden. Das ist – im Gegensatz zum leidlichen N-Wort – in dem Fall alles.

  41. „Und noch zur Richtung der „Linken“:
    Wie wollen Sie „soziale Verhältnisse kritisieren“ ohne eine Moral zu Grunde zu legen?“

    Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben
    Und Sünd und Missetat vermeiden kann
    Zuerst müßt ihr uns schon zu fressen geben
    Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.
    Ihr, die ihr euren Wanst und unsere Bravheit liebt
    Das Eine wisset ein für allemal:
    Wie ihr es immer dreht und immer schiebt
    Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
    Erst muß es möglich sein, auch armen Leuten
    Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden

  42. @Struppi
    Wow, Sie sind ja ein literarisches Talent, Sie sollten Stücke schreiben.
    Ich meine, das hätte z.b. ein Bertolt Brecht nicht besser formulieren können.

  43. @Twex, #54
    Ach, das sind vllt. auch zwei N-Wörter, von denen hier geredet wird:
    Einmal von dem, das sich auf „Fliesenleger“ reimt, und einmal von dem, das sich auf „Trigger“ reimt.

    Könnte man sich aus dem Zusammenhang auch selber herleiten, aber ich bin ja hilfsbereit.

  44. Im Artikel schreibt Herr Dell:

    „Das N-Wort war immer ein herabsetzender Begriff, es steht am Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung einer heterogenen Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals, zu dem zu dem sie das Wort zusammenklumpt und entmenscht.“

    Ich halte diese Behauptung für falsch und darüber hinaus für ernsthaft problematisch.

    Zuerst einmal allgemein:
    Worte sind Signale bzw. Zeichen und besitzen somit keine „inhärente“ Bedeutung. Ihre Bedeutung kommt ihnen vielmehr per sprachlicher KONVENTION zu.
    Eine bestimmte „Bedeutung“ kann ein Wort daher immer nur in Relation zu einer Sprachgemeinschaft und ihren Sprechern haben. Die Sprachgemeinschaft ist es, die durch ihre (informelle) Übereinkunft dafür sorgt, dass eine „inhärent bedeutungslose“ Kette von Lauten oder aufgeschriebenen Figuren (Buchstaben) etwas Bestimmtes symbolisiert, und dass sie eventuell auch mit bestimmten wertenden Assoziationen behaftet ist.

    Was ein Wort innerhalb einer Sprachgemeinschaft nun genau bedeutet, wie es denotiert und konnotiert ist, ergibt sich folgerichtig aus dem allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis ebendieser Sprachgemeinschaft. Wenn wir wissen wollen, was ein bestimmtes Wort zu einer bestimmten Zeit etwa im südlichen Gotland bedeutet hat, und ob es eher positiv oder negativ konnotiert war oder neutral verwendet wurde, dann wollen wir wissen, wie die Leute, die damals in Südgotland gelebt haben, das Wort gebraucht und verstanden haben.

    Zu behaupten, dass ein Wort gewissermaßen „objektiv“ und unabhängig vom allgemeinen Sprachverständnis der relevanten Sprachgemeinschaft stets „herabsetzend“ gewesen wäre, und dass die Sprachgemeinschaft das gewissermaßen gar nicht gemerkt habe, wäre daher eine im hohen Maße unvernünftige These, die auf einer grundlegenden Verkennung der semiotischen Natur von sprachlichen Ausdrücken beruhen würde.

    (Herr Dell behauptet so etwas nun auch nicht explizit. Ist er aber nicht bereit, das zu behaupten, dann ist seine These, dass das N-Wort „immer ein herabsetzender Begriff“ gewesen sei, offenbar empirisch falsch, wie wir gleich sehen werden.)

    Auch dass ein Wort einen problematischen eytmologischen Ursprung oder eine problematische Genese bzw. Vorgeschichte hat, bedeutet nicht, dass es zu einem späteren Zeitpunkt „herabsetzend“ sein müsste. Die Bedeutung (Denotation und Konnotation) die ein Wort zu einem späteren Zeitpunkt X hat, ergibt sich aus dem zu jenem Zeitpunkt X herrschenden allgemeinen Sprachverständnis im Hinblick auf dieses Wort.
    Eine problematische Vorgeschichte kann es aber verständlich machen, dass die so bezeichnete Gruppe lieber anders adressiert werden möchte.

    Es ist zudem zu brachten, dass ein Wort, das eine Gruppe bezeichnet, die negativ betrachtet wird, deswegen noch lange nicht selbst negativ konnotiert sein muss. Das Wort selbst kann sachlich und neutral sein – die negativen Einstellungen hängen dann an der so bezeichneten Gruppe selbst.
    Frauen wurden beispielsweise lange ziemlich negativ betrachtet. Das hatte aber mit dem Wort „Frau“ nichts zu tun, und es dürfte wenige Feministinnen gegeben haben, die dieses Wort durch ein anderes hätten ersetzt sehen wollen. Für die ältere englische Bezeichnung „woman“ dürfte das Gesagte umso mehr gelten.
    Wären Worte, die gesellschaftlich positive resp. negative betrachtete Gruppen oder Dinge bezeichnen, nicht oftmals in sich selbst neutral, so wäre es nicht einmal möglich, dass man überhaupt kontrovers über solche Gruppen bzw. Dinge diskutiert. Die Sprache würde es verhindern, weil derjenige, der eine unkonventionelle Ansicht vertritt, sich auf einer rein logisch-sprachlichen Ebene selbst widersprechen müsste, wenn er seine Äußerungen tätigen wollte.

    Zum Glück funktioniert Sprache anders. Hätte man jemandem aus dem Mittelalter gesagt, dass die „women“ den „men“ NICHT unterlegen seien, so hätte der mittelalterliche Hörer vermutlich gestaunt – aber nicht, weil er den Eindruck gehabt hätte, dass der Sprecher, der so redet, die Regeln der Sprache verletzen oder der Sprache Gewalt antun würde. Sondern weil er geglaubt hätte, dass die Ansichten des Sprechers in der SACHE merkwürdig sind.

    Vor diesem Hintergrund wird klar, dass es eine empirische Frage ist, ob da „N-Wort“ stets herabsetzend war oder nicht. Sie ist gleichbedeutend mit der Frage, ob das N-Wort in den jeweiligen Sprachgemeinschaften stets als herabsetzend empfunden wurde oder nicht – wobei natürlich von besonderem Interesse ist, wie die Schwarzen selbst die Sprache verstanden und gewertet haben.

    Es scheint nun eindeutig der Fall zu sein, dass das N-Wort NICHT generell als herabsetzend empfunden wurde.
    Die englischsprachige Wikipedia legt das überzeugend für das englische „N-Wort“ dar, aber Ähnliches dürfte sicherlich auch für den deutschen Sprachgebrauch gelten. Da es sich um einen offiziellen Wikipedia-Artikel handelt, darf ich mir vielleicht die Mühe einer Wort-Zensur ersparen (sollte eine solche jedoch gewünscht sein, so beuge ich mich diesem Ansinnen gerne):

    From the 18th century to the late 1960s, negro (later capitalized) was considered to be the proper English-language term for people of black African origin. According to Oxford Dictionaries, use of the word „now seems out of date or even offensive in both British and US English“.[1]
    […]
    Negro superseded colored as the most polite word for African Americans at a time when black was considered more offensive.[7]
    […]
    The American Negro Academy was founded in 1897, to support liberal arts education. Marcus Garvey used the word in the names of black nationalist and pan-Africanist organizations such as the Universal Negro Improvement Association (founded 1914), the Negro World (1918), the Negro Factories Corporation (1919), and the Declaration of the Rights of the Negro Peoples of the World (1920). W. E. B. Du Bois and Dr. Carter G. Woodson used it in the titles of their non-fiction books, The Negro (1915) and The Mis-Education of the Negro (1933) respectively. „Negro“ was accepted as normal, both as exonym and endonym, until the late 1960s, after the later Civil Rights Movement. One well-known example is the identification by Martin Luther King, Jr. of his own race as „Negro“ in his famous „I Have a Dream“ speech of 1963.

    However, during the 1950s and 1960s, some black American leaders, notably Malcolm X, objected to the word Negro because they associated it with the long history of slavery, segregation, and discrimination that treated African Americans as second class citizens, or worse.
    […]
    The word Negro fell out of favor by the early 1970s. However, many older African Americans initially found the term black more offensive than Negro.
    The United States Census Bureau included Negro on the 2010 Census, alongside Black and African-American, because some older black Americans still self-identify with the term.[15][16][17] The U.S. Census now uses the grouping „Black, African-American, or Negro“. Negro is used in efforts to include older African Americans who more closely associate with the term.[18]

    Dass das N-Wort tatsächlich für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum die von den Schwarzen in den USA präferierte Selbstbezeichnung war, legt auch Gallup nahe:

    Over time, cultural norms change and some labels commonly used to describe a group fall out of favor. In the 1930s through 1971, Gallup typically used the term „Negro“ when asking questions about blacks. In fact, a 1969 Gallup poll of blacks found „Negro“ to be the most widely preferred term among blacks — at 38%, compared with 19% for „black“ and 10% for „Afro-American.“

    https://news.gallup.com/poll/163706/blacks-hispanics-no-preferences-group-labels.aspx

    Dennoch bezeichnete Gallup ab 1971 – also gerade mal zwei Jahre später – die Betreffenden als „Schwarzen“ und missachtete somit ihre mehrheitlichen Präferenzen. Dies und der Umstand, dass das N-Wort ganz allgemein schon bald geächtet wurde, hat offenbar damit zu tun, dass der Wille der „einfachen Schwarzen“ keine bedeutende Rolle spielte, und dass (auch) „gutmeinende Weiße“ lieber den Forderungen bestimmter prominenter schwarzer Aktivisten folgten.
    Der Sprachwandel, der hier dann im Lauf der Zeit stattfand, ist also wohl auch einem gewissen (moralischen) Druck „von oben“ zuzuschreiben – derart, dass diejenigen, die weiterhin dem vormals allgemein akzeptierten Sprachgebrauch mit seinen Bedeutungen gefolgt sind, sich zunehmend harscher Kritik bis hin zum Rassismus-Vorwurf ausgesetzt sahen.

    Jedenfalls kann also offenbar kein ernsthafter Zweifel bestehen, dass das N-Wort (jedenfalls in den USA, sicher aber auch in Deutschland) zumindest für einen nicht unbedeutenden Zeitraum die sachliche, neutrale – oder laut Wikipedia sogar höflichste – Bezeichnung für Schwarze war, und dass dies nicht nur dem Sprachverständnis der Weißen, sondern auch der Schwarzen selbst entsprach. Die Behauptung, dass das N-Wort „immer ein herabsetzender Begriff“ gewesen sei, ist also offenbar falsch.

    Besonders problematisch (da schwammig) finde ich Herrn Dells Formulierung, dass das N-Wort „am Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung einer heterogenen Gruppe von Personen“ gestanden habe.
    Was heißt hier „am Anfang stehen“? Heißt es, dass das Wort qua Wort irgendetwas mit diese blutigen Geschichte zu tun hat? Dass es für diese Geschichte irgendeine Bedeutung hat? Dass es mit dieser Geschichte in irgendeiner „bedeutungsvollen“ (anstatt rein oberflächlichen) Weise verbunden wäre?
    Das wird suggeriert, aber nicht ausgesprochen und schon gar nicht belegt.
    Ergibt die Aussage, dass das „N-Wort“ am Anfang einer schrecklichen Unterdrückung Schwarzer gestanden hat, mehr Sinn als eine Aussage derart, dass das Wort „woman“ (oder von mir aus einer seiner Vorläufer) am Anfang einer langen Geschichte gravierender Diskriminierungen gestanden hat?

    Ebenso problematisch ist die Formulierung, dass das N-Wort „eine […] heterogene […] Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals […] zusammenklumpt und entmenscht“.

    Hier wäre mehr Analyse und weniger Polemik willkommen. Denn wie soll das „N-Wort“ das alles „leisten“? Und was heißt „zusammenklumpen“? Bedeutet es, dass Schwarze durch das „N-Wort“ aufgrund ihrer Hautfarbe unter einen gemeinsamen Begriff gestellt werden?

    Daran, dass Menschen – auch im Hinblick auf mehr oder weniger äußerliche Sachverhalte – unter einen gemeinsamen Begriff gefasst werden, ist per se jedoch rein gar nichts problematisch, und es passiert auch ständig („Bartträger“, „Brünetten“, „Musikliebhaber“, „Frauen“ usw.). Ein solcher Begriff impliziert auch per se NICHT, dass das Merkmal, das die entsprechende Gruppe konstituiert, das einzig relevante Merkmal dieser Menschen wäre; und noch nicht einmal, dass dieses Merkmal überhaupt von grundlegender Bedeutung wäre. Und erst recht impliziert ein solcher Allgemein-Begriff nicht, dass die so Bezeichneten keine Menschen wären. (Ein derartiger Allgemeinbegriff „reduziert“ daher auch niemanden auf ein äußeres Merkmal.)

    Zudem fasst die Bezeichnung „Schwarze“ exakt dieselben heterogenen Menschen im Hinblick auf exakt dasselbe äußerliche Merkmal unter einem gemeinsamen Begriff zusammen, wie das N-Wort das tut (auch wenn letzteres heutzutage zusätzlich noch negativ konnotiert ist, im Gegensatz zu „Schwarze“). Wäre es bereits illegitim, Schwarze als Gruppe im Hinblick auf ein äußerliches Merkmal unter einen allgemeinen Begriff zu stellen, dann wäre – was DIESEN Aspekt betrifft – die Verwendung des Ausdrucks „Schwarze“ gerade so ächtenswert wie die des „N-Wortes“.

    Es bleibt noch, dass das N-Wort die Schwarzen „entmenscht“. Nun, das Wort wertet sie dem heutzutage (vermutlich?) dominanten Sprachgebrauch nach ab, und es wird von den meisten Schwarzen heutzutage vermutlich abgelehnt. Ob es Schwarze deswegen gleich allgemein „entmenscht“, unabhängig vom Sprecher und Kontext, sei dahingestellt, aber das mag man so sehen.
    Jedenfalls geht es Herrn Dell hier aber offenbar um die historische Perspektive: Er möchte augenscheinlich zeigen – das geht aus dem Kontext hervor -, dass das N-Wort die Schwarzen stets „entmenscht“ hat. Das ist aber entweder eine Wiederholung (bzw. Dramatisierung) der zu beweisenden Behauptung, nämlich dass das N-Wort „immer ein herabsetzender Begriff“ gewesen sei. Oder es ist eine Schlussfolgerung aus der irrationalen Prämisse, dass das N-Wort Schwarze bereits dadurch „entmenschen“ würde, dass es sie auf Basis einer gemeinsamen Äußerlichkeit unter einen gemeinsamen Begriff bringt.

    Damit ich nicht missverstanden werde: Natürlich bin ich dagegen, dass man das N-Wort heutzutage gebraucht (außer vielleicht bei jenen älteren Schwarzen in den USA, die sich mit ihm identifizieren und entsprechend benannt werden WOLLEN). Auch finde ich es nachvollziehbar, wenn man es in Büchern durch andere Bezeichnungen ersetzt, selbst wenn es seinerzeit höchstwahrscheinlich tatsächlich allgemein als eine sachliche und neutrale Benennung verstanden wurde – und somit auch war.

    Nur sollte man es bei dieser Art der Diskussion nach meiner Überzeugung unbedingt vermeiden, auf eine Weise zu argumentieren, die entweder auf groben Missverständnissen hinsichtlich der Bedeutungsebene von Sprache oder auf einer groben Verzerrung der historischen Wahrheit beruht.

    Man tut sich mit einer solchen Art von Argumentation auch „taktisch“ wohl keinen Gefallen. Selbst wenn viele Leute nicht sagen können, WAS genau bei einer solchen Argumentation faul ist, werden sie doch merken, DASS etwas faul ist.

    Anstatt höchst fragwürdige Argumente zu bemühen, sollte man einfach sagen, dass viele Schwarze das N-Wort heutzutage als abwertend empfinden, und dass man darauf Rücksicht nehmen sollte – insbesondere wenn man bedenkt, wie viel Diskriminierung Schwarze erfahren haben (und teils noch erfahren).

    Die Frage, wie es soweit kam, dass diese Änderung sprachlicher Bedeutung stattfand, obwohl sie offenbar gerade NICHT dem Mehrheitswillen der Schwarzen entsprach, darf man sich übrigens dennoch (selbst)kritisch stellen – nicht, um das N-Wort heutzutage wieder zu etablieren, sondern um für die Zukunft zu lernen.
    Denn wenn eine Änderung des Sprachgebrauchs nicht von der Sprachgemeinschaft als ganzer ausgeht, sondern mit moralischem Druck von einer kleinen Minderheit durchgesetzt wird, sollte man wohl wenigstens sicherstellen, dass vom Sprachwandel Betroffen diesen Wandel auch begrüßen. Außer natürlich man meint, dass die „einfachen Leute“ innerhalb der jeweiligen Gruppe nicht wissen, was sie wollen (sollten), und dass es daher Aufgabe ihrer (nicht repräsentativen) „Vertreter“ oder der Eliten der Mehrheitsgesellschaft ist, sie auf den „richtigen“ linguistischen Weg zu bringen.

  45. Zitat Matthias Dell:

    „So eine Versklavung muss man sich, zumal als gerade aufgeklärter Europäer, auch erst mal erklären und begründen, warum zum Beispiel die zu versklavenden Menschen nicht Kants kategorischer Imperativ fallen sollen.Und dafür hat die damalige Zeit extrem viel Aufwand betrieben, die Wissenschaft versuchte zu belegen, dass das schon okay ist, indem sie ‚Menschenrassen‘ erfand und damit unter Menschen hierarchisiseren konnte, dass die N-Rasse eben tierähnlich sei.“

    Das sind aber alles keine Sprachfragen bzw. Sprachprobleme, sondern Sachfragen bzw. Sachprobleme!
    Das Fatale ist hier nicht, dass man die Leute als „N…“ bezeichnet hat. Das Fatale ist, dass man die Leute, die man so bezeichnet hat, als minderwertige Rasse taxiert hat – völlig unabhängig von Worten.

    Wenn man statt von „N…“ von „Schwarzen“ gesprochen hätte, hätte das rein gar nichts geholfen. Das Problem war nicht, dass das WORT „N…“ qua Wort besonders negativ konnotiert gewesen wäre, sondern dass man negative Vorstellungen von den MENSCHEN hatte, die mit dem Wort bezeichnet wurden.

    Das Wort „Jude“ gilt allgemein als sachliches, neutrales Wort. Juden bezeichnen sich als „Juden“; Nazis haben „Juden“ als Juden bezeichnet; Leute, die Juden gegenüber eine neutrale Haltung hatten, benutzen das Wort. Die Nazis haben die Juden gehasst, aber das hatte nichts mit dem Wort „Jude“ zu tun. Deshalb hätte es auch nichts gebracht, wenn sie sich umbenannt hätten; das Negative assoziierten die Nazs mit den LEUTEN selbst, die durch das Wort bezeichnet werden.

    Wie schon vorher gesagt: Dass Frauen früher extrem diskriminiert wurden, hat nichts mit dem Wort „Frauen“ zu tun. Das Wort war nicht qua Wort negativ besetzt oder abwertend; abwertend waren die Vorstellungen, die man den MENSCHEN entgegenbrachte, die als „Frauen“ bezeichnet wurden. Deshalb hätte es auch hier überhaupt nichts gebracht, sich eine neue Bezeichnung auszudenken, und deswegen haben Frauenrechtlerinnen Derartiges meines Wissens auch nicht oder kaum gefordert.

    Die einst als „Zig…“ bezeichneten Personen haben sich in „Sinti und Roma“ umbenannt, mit der offiziellen Begründung, dass der Begriff „Zig…“ mit negativen Vorstellungen besetzt sei. Nach einer EU-Studie wird aber weit und breit kein Volk so negativ gesehen wir die Sinti und Roma. Der Grund ist offensichtlich: Die negativen Einstellungen haben auch hier nicht viel mit dem WORT „Zig…“ zu tun, sondern mit den Menschen selbst, die mit diesem Wort bezeichnet wurden. Die negativen Einstellungen kleben an den Menschen, nicht an einem austauschbaren Wort.

    Ähnlich hatte die Abwertung und Verfolgung Homosexueller nichts mit dem Wort „Hmosexuelle“ zu tun; das Wort war eine sachliche, neutrale Bezeichnung. Die Abwertung hing wieder an den Menschen selbst, die homosexuell waren.

    Ob ein Wort als Wort negativ konnotiert ist, oder ob das Wort als solches neutral und sachlich ist, aber der mit ihm bezeichnete „Gegenstand“ negativ gesehen wird, kann man in den meisten Fällen übrigens leicht entscheiden. Man bilde testweise einen Satz und frage sich, ob dieser Satz aus sprachlich-logischen (anstatt inhaltlichen) Gründen als merkwürdig erscheint.
    Einem Rechtsextremisten beispielsweise mag eine positive Aussage über Türken seltsam vorkommen – aber nicht aus sprachlogischen, sondern inhaltlichen Gründen. Der Rchtsextreme mag denjenigen, der sich positiv über Türken äußert, kritisieren; aber sicher nicht eines angeblich mangelhaften Sprachverständnisses wegen.
    Uns allen aber käme hingegen eine positive Aussage über Türken seltsam vor, wenn Türken zugleich mit einem sehr abwertenden Ausdruck bezeichnet würden – und zwar durchaus aus sprachlogischen Gründen. Wir würden uns dann fragen, der Sprecher womöglich des Deutschen nicht ganz mächtig ist – oder ob die Aussage ironisch ist sonst eine besondere Bewandtnis hat.

    Ein anderer Test wäre, ob zwei Leute mit unterschiedlichen Ansichten zu einer Sache ein bestimmtes Wort für die Bezeichnung der Sache gebrauchen können, ohne, dass damit bereits präjudiziert oder suggeriert würde, dass die eine Seite recht hat. (Eine Frauenrechtlerin und ein Frauenhasser könnten beispielsweise über „Frauen“ diskutieren, ohne dass bereits das WORT „Frauen“ durch eine bestimmte konnotative Wertung nahelegen würde, dass die eine oder andere Seite recht hat.)

    Was den Gebrauch des N-Wortes angeht, so müssen wir m.E. zwischen einem objekt- und einem metasprachlichen Gebrauch unterscheiden. Es mag gute Gründe geben, das Wort im Allgemeinen zu vermeiden – wenn man aber genau über dieses Wort selbst spricht, ist wohl zumindest nicht viel dagegen zu sagen, wenn es in Anführungszeichen ausgeschrieben wird. Soll aber jeder machen, wie er möchte.

  46. Ach, es ist ja auch zum Schmunzeln, irgendwie, ein bisschen, wenn man sich vorstellt, ich hätte in den Text irgendwo „alter, weißer, heterosexueller Mann“ reingeschrieben, wie dann die Uhr danach zu stellen gewesen wäre, dass jemand das als aber ganz schlimm diskrimierend findet (obwohl es alles sachliche, nicht negativ besetzte Vokabeln sind), aber stattdessen suchen wir jetzt nach dem Fitzel Bedeutungsebene, dem Härchen Etymologie, dem Hauch von metasprachlichen Zusatzkategorien, die das N-Wort irgendwie doch noch retten können als Name der Abwertung zur Ausbeutung, wir schwimmen raus zu ganz anderen Worten, die irgendwie auch abwertend gebraucht werden können, wir greifen zusammenhanglos Geschichtspartikel, um das N-Wort irgendwie doch nicht loslassen zu müssen, obwohl wir ja nicht falsch verstanden werden wollen und wissen, dass es schon ein Problem ist (wobei, die sagen das doch auch), aber obwohl wir das wissen und ja auch nicht falsch verstanden werden wollen, schreiben wir ellenlange Elaborate über das N-Wort und nicht etwa über die Argumente des Textes, weil wir dieses Wort einfach nicht verlieren dürfen an den Rassismus, nein, nein, nein, da muss doch irgendwo noch ein Notausgang in die Unschuld drinstecken, weil wenn wir das Wort nicht mehr hätten, dann stünden wir vor unserer problematischen Kolonialgeschichte und müssten in diesen Abgrund schauen und auf uns und was das mit uns zu tun hat, und das ist sehr, sehr hart, und deshalb derailen wir uns lieber munter durch ellenlange Elaborate, um ein Wort zu retten, von dem ja wissen, dass, aber es muss doch, auch wenn es doch, aber dann gibt es doch, obwohl es natürlich, und so weiter und so fort. Und auch das hier werden wir nicht unkommentiert stehen lassen, weil es stimmt ja nicht. Hach, wenn es nicht so traurig wäre – es ist schon auch eine große Komödie der Verrenkungen. Heiter weiter

  47. #58 Matthias Dell

    Nun, mit dieser Einlassung haben Sie jedenfalls beeindruckend dargelegt, wie es um Ihre argumentative Redlichkeit bestellt ist.

    Alle Kritiker Ihrer kindisch-pathetischen Überhöhung des N-Worts wollen nur das Wort nicht „verlieren“, weil es sie davor schützt, in den Abgrund unserer Kolonialgeschichte zu schauen? Ich bitte Sie.

  48. Betr.: … die Pegida-verteidigende „Erklärung 2018“ unterschrieben …

    Ich habe die Erklärung 2018 unterchrieben, in ihr ist von Pegida keine Rede.
    Weshalb steht eine solche Behauptung ausgerechnet in einem Artikel, der sich als medienkritisch versteht?

  49. @Matthias Dell

    Dass Sie ellenlangen Elaborate zur Etymologie und dem Sprachgebrauch des N-Worts nerven, kann ich ja irgendwie nachvollziehen. Aber wenn Sie sich schon die Mühe machen, auf Kommentare zu antworten, wäre es vielleicht doch überzeugender, auf die konkreten Punkte einzugehen. Es ging ja v.a. um Ihre Aussage, dass das N-Wort immer schon ein herabsetzender Begriff war und es am Beginn einer blutigen Historie stand. Da hätte mich wirklich interessiert, was Sie auf die Einwände von LLL (und weiter oben Illen #45) inhaltlich entgegnen. Schade.

    Stattdessen unterstellen Sie, es würde nach einem „Notausgang in die Unschuld“ für das N-Wort gesucht. Obwohl hier doch bislang niemand die Problematik des Begriffs geleugnet hat, oder auf der Benutzung des Begriffs beharrt (oder irre ich mich?). Und wenn Sie dann die Kritik an Ihrem Text mit potenziellen Reaktionen auf die Erwähnung des „alten, weißen, heterosexuellen Mannes“ in Zusammenhang bringen, dann wird Ihr eingebauter Derailing-Vorwurf nunmal deutlich zum Boomerang. Einen „Pappkameraden aufbauen“ nennt sich das wohl.

  50. „…wie dann die Uhr danach zu stellen gewesen wäre, dass jemand das als aber ganz schlimm diskrimierend findet (obwohl es alles sachliche, nicht negativ besetzte Vokabeln sind), …“
    Ja, das würde belegen, dass Abwertung eben nicht an einer bestimmten Vokabel hängt (Ihre These), sondern auch mit anderen Wörtern vermittelbar ist, indem sie bspw. in einem bestimmten Kontext verwendet werden (These von anderen hier).
    Also gut, dass Sie das nicht gemacht haben, das wäre ja ein ziemliches Eigentor gewesen.

  51. @ Mycroft:

    Ja, und wie Herr Dell erst einen ganzen Abschnitt über die rhetorische Figur des Pappkameraden schreibt, um sich dann selbst mit der Figur des geschichtsverdrängenden N-Wort-Freundes einen astreinen Pappkameraden herbei zu psychologisieren – das ist sogar ein Volltreffer von einem Eigentor.

  52. @RMPetersen
    Das müssen Sie Frau Kohse fragen, die Stelle ist als Zitat gekennzeichnet. Ich habe mich, ehrlich gesagt, auch gewundert, dass da nicht weiter ausgeholt wird angesichts der so differenzierten, ausführlichen und rhetorisch funkelnden „Erklärung“. Aber das war nicht Thema meines Textes, und der war eh schon sehr lang ;)

  53. @61. Hanno

    „Aber wenn Sie sich schon die Mühe machen, auf Kommentare zu antworten, wäre es vielleicht doch überzeugender, auf die konkreten Punkte einzugehen.“
    Und wenn es mir sinnlos erscheint, das in der Form dieser Kommentardiskussion diskutieren zu können angesichts des Ausmaßes von Verdrängung, was aus den Posts spricht, das mir aber, wenn ich das Erwähnung, als Unterstellung ausgelegt werden wird, während andere hier einfach behaupten können, etwas sei „kindisch-pathetisch“?
    Wir können uns aber gerne persönlich treffen und dann reden wir ausführlich.

  54. @63. Kritischer Kritiker
    Wo ist denn das N-Wort, bitte schön, ein Pappkamerad, das dem „P.C.“-Diskurs vergleichbar wäre?

  55. 62. Mycroft
    Was ist denn der Kontext, in dem sachliche Begriffe wie alt, weiß, heterosexuell abwertend sein sollen und nicht die Beschreibung einer Sprecherposition? Sind Sie sicher, dass Sie da nicht ein wenig überempfindlich sind?

  56. @Mathias Dell:
    Wenn Sie in einer Reportage eine Sprecherposition als sachlich und moralisch falsch abwerten, und in dem Kontext betonen, dass das eine Wham-Sprecherposition sei, dann impliziert das, dass Sie die Wham-Sprecherposition als sachlich und moralisch falsch abwerten, und by proxy Wham als solche.
    Nehmen Sie einen beliebigen anderen sachlichen Begriff, wie z.B. „Roma“ oder „katholisch“. Wenn ein Kollege oder eine Kollegin von Ihnen einen Zeitungsartikel über jemanden schreibt, der in diesem Artikel überhaupt nicht gut wegkommt, weil seine Aussagen als sachlich und moralisch falsch dargestellt werden, und die Kollegin oder der Kollege außerdem betont, dass das ein Rom und/oder Katholik sei (um die „Sprecherposition“ zu beschreiben), wäre das auch ein Kontext, in dem sachliche Begriffe abwertend verwendet werden. Natürlich würde sich Ihr Kollege oder ihre Kollegin auch auf dem Standpunkt stellen, dass der Rom oder Katholik etwas „überempfindlich“ sei.
    Aber das ist Ihnen natürlich selber klar. Zu Ihrem Glück habe ich Geduld mit Leuten, die sich dumm stellen.

  57. #67 Matthias Dell

    Jetzt wird es ja völlig grotesk. Wenn alter, weißer, heterosexueller Mann immer nur eine „Sprecherposition“ ist, dann ist das N-Wort auch immer nur die Beschreibung dunkelhäutiger Menschen. Um Gottes Willen. Da waren selbst die Scholastiker des Hochmittelalters weiter in ihren Versuchen, das feststehende Ergebnis logisch widerspruchsfrei zu begründen.

  58. @68. Mycroft
    Das ist mir nicht klar (ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nicht Sachen unterstellen würden), denn: wie verhält sich denn zum Beispiel Ihre vermeintliche Selbstverständlickeit zu dem Kommentar drunter (69. Illen), wo doch zwischen Ihnen eben noch Einigkeit über meine Eigentore herrschte?

  59. @69. Illen
    „Wenn alter, weißer, heterosexueller Mann immer nur eine „Sprecherposition“ ist“ – was ist es denn sonst? Haben Sie den Kommentar von 68. Mycroft gelesen, dem Sie eben noch beim Eigentor beipflichteten? Ich sehe da einen Widerspruch. Können Sie mir den erklären?

  60. @Mathias Dell:
    In manchen Punkten sind Illen und ich uns einig, in manchen nicht. Weder ich noch Illen müssen uns dafür rechtfertigen, unterschiedlicher Meinung zu sein.
    Ist Ihr Vorwurf jetzt, wir wären _keine_ Sockenpuppen? Sorry dafür.

    Um das jetzt abzukürzen: Wenn Sie von jemanden, den Sie ganz klar nicht leiden können, bestimmte Eigenschaften erwähnen, geht man als normaler Leser davon aus, dass diese relevant sind, und zwar relevant für Ihre Abneigung. Also, wenn Sie bspw. erwähnten, Greiner wäre Ostdeutscher, Schalkefan, Biertrinker und BMW-Fahrer, erzeugt das den Eindruck, Sie hätten etwas gegen diese Gruppen (es sei denn, Sie schreiben so etwas wie: „Obwohl er Schalkefan ist, ist er mir sehr unsympathisch.“ Random Beispiel).
    Für mich als Leser stellt sich die Frage, warum Sie diese Eigenschaften erwähnen würden, wenn Sie _nicht_ der Ansicht wären, diese Eigenschaften wären relevant, und zwar relevant für Ihre Abneigung, da Ihr Artikel ja Ihre Abneigung zum Thema hat. Und ja, manche biertrinkende Schalkefans aus Ostdeutschland, die einen BMW fahren, würden es nicht so toll finden, mit Greiner in einen Topf geworfen zu werden.

    Oder, angenommen, jemand zieht über eine lesbische Afrodeutsche Anfang 20 her. Es steht nirgends _explizit_, dass der Autor was gegen Frauen, Menschen Anfang 20, Homosexuelle und/oder Menschen mit afrikanischen Migrationshintergrund hätte, aber würden Sie den Autor pauschal von dergleichen Vorurteilen freisprechen? Technisch gesehen gibt er ja nur eine Sprecherposition wieder und benutzt dabei ausschließlich sachlich neutrale Wörter.

  61. @ Matthias Dell

    Wo ist denn das N-Wort, bitte schön, ein Pappkamerad, das dem „P.C.“-Diskurs vergleichbar wäre?

    Nicht das verbotene Wort ist ein Pappkamerad, sondern die von Ihnen ausgemalte Figur, die es „retten“ will, um eine Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte zu umgehen. Sie tun so, als hätten Sie damit mindestens drei der Mitdiskutanten charakterisiert – tatsächlich hat niemand etwas erwähnt, was Ihre Vermutung plausibel erscheinen lässt. Deshalb: Pappkamerad.

    (Ich finde das ganze hier übrigens schon deshalb verwirrend, weil „N-Wort“ zum einen für „N-Wort“ steht, zum anderen für das Wort, dass es ersetzen soll – bzw. eigentlich für zwei englische und ein deutsches Wort, die es allesamt ersetzen soll, obwohl alle drei höchst unterschiedliche Konnotationen haben, über die zu reden so völlig unmöglich wird. Es ist manchmal kaum zu erraten, was gemeint ist. Aber was ist schon Verständlichkeit gegen einen moralischen Distinktionsgewinn?)

  62. #71 Matthias Dell

    Zunächst: Ich habe zum Eigentor-Einwurf des Mitkommentators Mycroft nichts gesagt.

    Soweit Sie sagen, es gäbe einen Widerspruch in seinen Ausführungen in #68, kann ich Ihnen nicht zustimmen.

    Dort wird Ihnen schlicht ein Kontext beschrieben, in dem Ausdrücke über ihren sachlichen Kern hinaus abwertende Konnotationen enthalten können. Dass der Audruck vom „weißen, alten, heterosexuellen Mann“ (wham) in der sprachlichen Praxis auch abwertend gebraucht wird ist dabei eine derartige Selbstverständlichkeit, dass ich nicht darauf eingegangen war. Wham wird auf twitter tagtäglich duzendweise als Schimpfwort gebraucht. Allen hier ist klar, dass Sie das auch wissen. Die Geduld des Mitschreibers Mycroft, darauf überhaupt einzugehen, kann ich nur bewundern.

    Sie können gern anführen, diese kritisch-abwertende Konnotation sei gerechtfertigt, weil die Gruppe der wham problematische Privilegien besitze, für diverse (oder auch alle) Verfehlungen der westlichen Gesellschaften verantwortlich sei, usw. Aber als jemand, der die postmoderne Problematisierung des N-Worts derart verinnerlicht hat wie Sie, können Sie nicht behaupten, vom negativen Gebrauch des Ausdrucks wham noch nie gehört zu haben, der der exakt gleichen ideengeschichtlichen Ecke entstammt wie „N-Wort“.

    Es gibt allerdings in meinen Augen tatsächlich einen Widerspruch. Aber den eröffnen Sie selbst, wenn Sie schreiben, man solle Ihnen einen Kontext zeigen, „in dem sachliche Begriffe wie alt, weiß, heterosexuell abwertend sein sollen und nicht die Beschreibung einer Sprecherposition“ (#67). Denn der beschreibende, sachliche Kern des Ausdrucks „wham“ kann in keinem Kontext plötzlich fehlen, sowenig wie der beschreibende Kern des N-Worts (=Menschen dunkler Hautfarbe). Es geht vielmehr gerade darum, ob zusätzliche Konnotationen bestehen. Ihre Forderung „zeigen Sie mir einen Kontext, in dem der Ausdruck nicht die Beschreibung einer Sprecherposition ist“, ist nicht erfüllbar.

  63. @Matthias Dell, 65: Das Angebot, mich für eine persönliche Erläuterung zu treffen, ist ein netter Move, selbst wenn das nur rhetorisch gemeint war. Ich bin sicher, wir hätten ne gute Zeit. ;-)

    Aber das ist Ihnen ja sicher klar: Diskussionen an einen anderen Ort zu vertagen, das ist so eine Sache. Insbesondere weil davon Ihre Kritiker hier ja ausgeschlossen wären. Oder wäre LLL vielleicht ein Kandidat dafür? Auch wenn seine Kommentare recht lang sind, habe ich den Eindruck, dass er durchaus ein um Sachlichkeit bemühter Diskussionspartner sein könnte… :)

    Und was so Zuschreibungen wie „kindisch-pathetisch“ betrifft (keine Ahnung, von wem das jetzt kam), das sind sicher nicht unbedingt Einladungen, auf Einwände näher einzugehen. Aber da sollten Sie doch locker drüberstehen. Niemand zwingt Sie ja, hier zu kommentieren. Doch wenn Sie es tun (und ich finde es klasse, wenn Autoren sich diese Mühe machen), dann wäre eine inhaltliche Auseinandersetzung schon nicht so verkehrt.

  64. @ Matthias Dell, 58:

    Sie sprechen mich in Ihrem Kommentar nicht direkt an und werfen die Kritik verschiedener Leute alle auf einen Haufen, was eine unnötige Unklarheit darüber erzeugt, was genau Sie nun an wem kritisieren. Dennoch stellt Ihr Kommentar offensichtlich auch eine Antwort auf meine Beiträge dar. Diese Antwort finde ich offen gesagt ausgesprochen enttäuschend.
    Denn Sie gehen auf meine konkrete inhaltliche Kritik überhaupt nicht in der Sache ein. Stattdessen karikieren Sie meine Position und Argumentation und unterstellen mir Aussagen, die ich nie getätigt habe habe.

    Ich hatte im Wesentlichen folgende Positionen vertreten, was aus meinen Beiträgen auch völlig eindeutig hervorgeht:

    – Ich bin dagegen, das man das „N-Wort“ gebraucht. (Es sei denn vielleicht in einem Zusammenhang, in dem bestimmte Schwarze – etwa in den USA – WOLLEN, dass man das Wort für die gebraucht; oder vielleicht in einem metasprachlichen Zusammenhang, wenn man über genau dieses Wort spricht; s.u.)
    – Auch habe ich Verständnis dafür, dass man das N-Wort etwa in Kinderbüchern ersetzt – selbst wenn es zur Zeit der Abfassung dieser Bücher ein neutrales Wort war.
    – Dessen ungeachtet bin ich jedoch der Überzeugung, dass einige Ihrer Behauptungen und Argumente unhaltbar sind – etwa die Behauptung, dass das N-Wort „immer [!] ein herabsetzender Begriff“ gewesen sei. Wieso ich das so sehe, habe ich ausführlich dargelegt.
    – Sofern man die Bezeichnung einer diskriminierten Gruppe ändert, sollte man Rücksicht darauf nehmen, ob diese Gruppe das überhaupt will. Das hat man damals bei der Ächtung des N-Wortes offenbar nicht getan – was aber nichts daran ändert, dass das Wort heutzutage vermieden werden sollte.

    Dass ich dies tatsächlich so und nicht anders gesagt habe, kann jeder leicht nachprüfen.

    Auf meine Kritik an Ihren Positionen und Argumenten, die ich im Detail dargelegt habe, gehen Sie nun mit keinem Wort ein. Stattdessen schreiben Sie bezogen auf die Leute, die Sie hier kritisiert haben (ohne individuell zu differenzieren), dass „wir ellenlange Elaborate über das N-Wort und nicht etwa über die Argumente des Textes [schreiben würden], weil wir dieses Wort einfach nicht verlieren dürfen an den Rassismus, nein, nein, nein, da muss doch irgendwo noch ein Notausgang in die Unschuld drinstecken…“.

    Dass Sie mit diesem Satz (und mit Ihrer restlichen Beitrag) meine Position inhaltlich völlig irreführend darstellen, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.
    Und entgegen Ihrer anderslautenden Behauptung bin ich nachweislich detailliert auf einige Ihrer Argumente eingegangen. Tatsächlich bestehen meine ganzen Beiträge eigentlich aus kaum etwas anderem als einer sehr detaillierten Beschäftigung mit Ihren Argumenten. So habe ich etwa aufgezeigt, dass Ihre Argumentation in dem einen Fall entweder auf Missverständnissen bzgl. der Natur von Sprache oder alternativ auf einer Verkennung von historischen Tatsachen beruht; oder in einem anderen Fall auch auf dem Missverständnis derart, dass Menschen „entmenscht“ würden, wenn sie im Hinblick auf Äußerlichkeiten unter Allgemein-Begriffe gestellt werden.

    Nicht ich bin es, der sich weigert, auf Ihre Argumente einzugehen; Sie sind es, der sich weigert, auf meine (kritischen) Argumente einzugehen.
    Stattdessen zeigen Sie sich, nachdem Sie sie karikierend referiert haben, demonstrativ erheitert über (wohl auch) meine Beiträge, („Hach, wenn es nicht so traurig wäre – es ist schon auch eine große Komödie der Verrenkungen. Heiter weiter“).

    Sie schreiben:

    „…stattdessen suchen wir jetzt nach dem Fitzel Bedeutungsebene, dem Härchen Etymologie, dem Hauch von metasprachlichen Zusatzkategorien, die das N-Wort irgendwie doch noch retten können als Name der Abwertung zur Ausbeutung…“

    Wenn ich darauf aufmerksam mache, dass sich die Bedeutung (inkl. Konnotation) eines Wortes aus dem Sprachgebrauch der jeweiligen Sprachgemeinschaft ergibt (und ihm nicht etwa unabhängig vom Verständnis der Sprachgemeinschaft „inhäriert“), dann ist das kein „Fitzelchen“. Es ist vielmehr eine wesentliche Wahrheit über Sprache und die Bedeutung sprachlicher Ausrücke. Und zusammen mit der Tatsache, dass das N-Wort offenbar für erhebliche Zeit als sachliche Bezeichnung galt (auch bei den Schwarzen selbst), widerlegt dies Ihre Behauptung, dass das N-Wort immer schon herabsetzend gewesen sei. Das ist relevant, denn Ihre falsche Behauptung ist für Ihren Text nicht ganz unbedeutend.
    Dass Sie auf meine Argumentation in der Sache mit keinem Wort eingehen (sei es affirmativ oder kritisch), sondern es vorziehen, sie kleinzureden („Fitzelchen“), ist irritierend.

    Und was die metasprachliche Ebene angeht:

    Mein „Herz“ hängt ganz sicher nicht am N-Wort – auch nicht in einem metasprachlichen Zusammenhang.
    Es scheint mir nur zielich verkrampft, gekünstelt und ängstlich zu wirken, ein Wort nur anzudeuten, über welches man gerade eben diskutiert. Es erinnert mich an „den, dessen Namen nicht genannt werden darf“ bei Harry Potter. Oder an das Viktorianischen Zeitalter, wo man oft nur geschraubt und gestelzt über Sexuelles gesprochen und die Dinge nicht beim Namen genannt hat. Man redet über etwas (in diesem Fall über ein bestimmtes Wort), aber man darf nicht in normaler Weise benennen, worüber man redet, sondern es nur verschämt andeuten. Andere Wörter wie etwa „Endlösung“, „Untermensch“ usw. nennt man auch, wenn man sie thematisiert. Andere Probleme mit der Weigerung, das N-Wort zu nennen, wenn man über das N-Wort spricht, wurden von anderen genannt.
    Aber gut – man kann das gerne anders halten; dies hatte ich ja ausdrücklich schon gesagt.

    Wie man mir aus dieser meiner Haltung nun einen Strick derart drehen kann, dass ich das N-Wort irgendwie „retten“ wollte, ist mir nicht recht begreiflich.
    A propos „retten“: Hier bleiben Sie wieder im Unklaren, Ambigen. Was genau meinen Sie denn, wenn Sie behaupten, dass jemand das N-Wort „retten“ wolle?

    „Retten“ will ich das N-Wort nur in dem Sinne, dass ich Ihnen auf der Basis von Argumenten widerspreche, wenn Sie behaupten, dass das N-Wort auch in der Vergangenheit stets herabsetzend gewesen sei. Wenn Sie das als „retten“ bezeichnen wollen (was eine eigentümliche Wortwahl ist): Ja, dann will ich das N-Wort „retten“.
    Wenn Sie mit „retten“ aber meinen, dass ich dafür plädieren würde, dass das N-Wort auch heutzutage verwendet werden sollte oder auch heutzutage „unschuldig“ sei, dann will ich es NICHT retten. Das ergibt sich wie gesagt völlig eindeutig aus meinen Beiträgen.
    Im Übrigen meine ich, dass alle oder fast alle Personen, die Ihnen widersprochen haben, das ähnlich dargelegt haben.

    Es ist sehr viel leichter, den Leuten, die Sie kritisieren, zu unterstellen, dass sie das N-Wort (in irgendeinem nicht näher spezifizierten Sinne) „retten“ wollten, als sich mit der konkreten inhaltlichen Kritik dieser Leute auseinanderzusetzen. Gerade deshalb sollten Sie Letzteres und nicht Ersteres nicht tun.

    Sie schreiben:

    „Und auch das hier werden wir nicht unkommentiert stehen lassen, weil es stimmt ja nicht.“

    Ihr Sarkasmus ist hier nun wirklich fehl am Platze. Denn in der Tat stellen Sie die Positionen Ihrer Kritiker – jedenfalls meine Position – grob falsch dar. Das kann jeder sehen, der die Beiträge vergleicht.

    Auf die Frage, wieso Sie auf die Kritik nicht inhaltlich eingehen, schreiben Sie: „Und wenn es mir sinnlos erscheint, das in der Form dieser Kommentardiskussion diskutieren zu können angesichts des Ausmaßes von Verdrängung, was aus den Posts spricht…“

    Damit entziehen Sie sich natürlich jeder inhaltlichen Debatte. Anstatt etwas zu meiner Kritik zu sagen, wird mir „ad hominem“ etwas unterstellt – ohne weitere Darlegung oder Begründung. (Dass sich die Unterstellung auch auf mich bezieht, schließe ich daraus, dass Sie sich inhaltlich in keiner Weise mit meinen Beiträgen auseinandergesetzt haben.)
    Ich weise die Unterstellung, ich würde etwas verdrängen, zurück. Doch selbst WENN ich etwas verdrängen würde: Was würde das an der Gültigkeit meiner Kritik ändern? Was beispielsweise an der Richtigkeit meiner Belege dafür, dass das N-Wort historisch für Jahrzehnte durchaus allgemein als neutral empfunden wurde, auch von Schwarzen? Und dass es damit eben auch ein neutrales Wort war (weil die Bedeutung eines Wortes innerhalb einer Sprache sich aus dem Sprachgebrauch der Sprachgemeinschaft ergibt)? Und was würde es daran ändern, dass damit Ihre Behauptung, dass das N-Wort stets herabsetzend gewesen sein, falsifiziert ist?

    Sie behaupten in Ihrer Begründung für Ihre inhaltliche Diskussionsverweigerung auch, dass jemand eine Aussage von Ihnen als „kindisch-pathetisch“ apostrophiert habe. Sie beziehen sich wohl auf die Formulierung von Illen in # 2. Diese lautete allerdings etwas anders: Illen bezeichnete eine These von Ihnen als „ahistorische[n], sprachpathetische[n] Blödsinn“.

    Natürlich ist auch diese originäre Formulierung polemisch; dass gebe ich zu, auch wenn ich Illens Beiträge im Allgemeinen sehr schätze. Dass Illen das so geschrieben hat, KÖNNTE man von mir aus als Begründung gelten lassen, wenn Sie auf Illens inhaltliche Argumente nicht eingehen würden. Ich bin jedoch nicht Illen und habe zwar sehr kritisch geschrieben, aber sicherlich nicht übermäßig polemisch. Und dennoch gehen Sie auch auf MEINE Kritik nicht ein.

    Sie schreiben:

    „Wir können uns aber gerne persönlich treffen und dann reden wir ausführlich.“

    Das mag nett gemeint sein; es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass jemand sich diese Mühe macht. Zudem befinden sich Ihr Text und die Kritik daran hier; deshalb ist es naheliegend, die Sache auch hier zu diskutieren. Abgesehen davon, dass dann auch Dritte mitlesen und mitdebattieren können.

    Ich würde mich über ein faires und sachliches Diskussionsverhalten von Ihnen sehr freuen. Ein solches würde sich beispielsweise darin zeigen, dass Sie auf die realen Argumente gegen Ihre Position eingehen, statt die Behauptungen Ihrer „Kritiker“ zu entstellen und sich lustig über sie zu machen. Ich erhoffe mir ein solches Verhalten; erwarten tue ich es nicht mehr.

    @ alle:

    Ähnliche oder andere Kritik wurde auch schon von anderen geäußert – danke etwa an Hanno.

    Und eine Korrektur noch. Ich hatte in # 57 geschrieben:

    „Ob ein Wort als Wort negativ konnotiert ist, oder ob das Wort als solches neutral und sachlich ist, aber der mit ihm bezeichnete ‚Gegenstand‘ negativ gesehen wird, kann man in den meisten Fällen übrigens leicht entscheiden. Man bilde testweise einen Satz und frage sich, ob dieser Satz aus sprachlich-logischen (anstatt inhaltlichen) Gründen als merkwürdig erscheint.“

    Sollte natürlich heißen:

    „… Man bilde testweise einen POSITIVEN Satz…“

  65. Nachtrag:

    Im Kommentar 2 wurde auch von „infantile[n] Neologismen“ gesprochen, was aber wie gesagt sicherlich kein Argument dafür sein sollte, jedwede inhaltliche Auseinandersetzung mit den Beiträge anderer Autoren zu unterlassen.

    Es gibt, das sei noch allgemein bemerkt, keine Dichotomie mit nur folgenden zwei Positionen:
    – Das N-Wort ist abzulehnen, weil es schon immer rassistisch war.
    – Das N-Wort ist eigentlich ganz okay.

    Dass es auch weitere Positionen gibt, sollte man bereit sein, zur Kenntnis zu nehmen.

  66. @LLL
    Sie schreiben ewig lang nur über Wörter, Wörter, Wörter. Wo ist das Gefühl in Ihrem Text (außer wenn Sie sich nicht verstanden fühlen)? Wo sind die Menschen (außer wenn sie als Argument für eine angebliche Mehrheitsmeinung herhalten müssen)? Sie hangeln sich staubtrocken an der reinen Logik entlang und blenden jegliches Mifgefühl fast komplett aus. Das führt außer zu Harry Potter-Vergleichen auch dazu, dass Sie meinen, im Namen der „einfachen“ Menschen zu sprechen, deren Meinung von „Aktivisten“ angeblich nicht genug beachtet wurde.
    Matthias Dell hat mitfühlend und wütend versucht, wenigstens den Hauch einer Ahnung für das menschliche Leid, was mit diesem Wort in Verbindung steht, in seinen Text einfließen zu lassen.
    Sie wollen, dass er sich mit Ihrer Logik auseinandersetzt, er will, dass Sie sich in die Problematik einfühlen. Was sagt Ihnen Ihr Gefühl? Vielleicht, dass Sie Verständnis haben, wenn dieser Begriff als beleidigend empfunden wird aber wenn er sogar in Diskussionen über den Begriff selbst geächtet wird, endet Ihr Verständnis, weil Sie sich gern gegenüber Betroffenen in Ihrer Wortwahl einschränken aber eine erzwungene (weil Ihr Kommentar hier sonst nicht freigeschaltet werden würde) Einschränkung Ihrer Worte selbst in der „Metadiskussion“ als nicht von den Betroffenen ausgehend/ für Betroffene hilfreich empfinden? Sind Sie ein „einfacher“ Mensch, der hier gerade versucht, die Mehrheitsmeinung gegen einen „Aktivisten“ zu verteidigen? Das wäre völlig verständlich, nur werden Sie sich bewusst, dass Sie in Ihrem Namen für Ihre Sache sprechen und nicht im Namen von Menschen, von denen Sie durch einen Wikipedia-Artikel erfahren haben. Und als nächstes, versuchen Sie zu akzeptieren, dass es hier im Moment mal nicht um die Probleme von männlichen weißen Menschen gehen soll (obwohl Sie und andere Kommentatoren die Diskussion wieder mal erfolgreich in diese Richtung geführt haben).

  67. Matthias Dell ist auch so ein männlicher weißer Mensch. Er will anderen (männlichen) weißen Menschen vorschreiben, was sie zu fühlen haben, wenn sie ein bestimmtes Wort für einen männlichen schwarzen (was seine Hautfarbe betrifft) Menschen verwenden. Sie sollen sich schuldig fühlen für die Kolonialgeschichte der Europäer in Afrika, Asien, Australien und Amerika. Deshalb sollen sie das Wort, das lange gesprochen und sogar geschrieben wurde, nicht mehr verwenden. Wer es dennoch tut, sogar wer es nur tun möchte, ist rechts, wenn nicht gar rechtsextrem. Wenn der weiße (männliche) Mensch sich deswegen nichts rechts nennen lassen will, ist er nicht nur rechts, sondern auch noch uneinsichtig, sagt Matthias Dell, der sich links verortet und wohl gerne dort verorten lässt.
    Von den Milliarden (braunen bis) schwarzen Menschen in Afrika, den hunderten Millionen in Amerika und Südasien, kennt keiner Matthias Dell und dankt es ihm und niemand verflucht den unbekannten weißen Mann, der Angst vorm schwarzen Mann hat.
    Diese Diskussion ist eine Luxus-Veranstaltung unter wenigen weißen linken und rechten (alten) Männern (und noch weniger Frauen), die in deutscher Sprache geführt wird, einer Sprache, die nur wenige Promille der schwarzen Menschen sprechen.
    Linker weißer (also roter) Mann: „Du darfst das Wort nicht aussprechen oder schreiben, nicht einmal denken, sonst bist Du rechts.“
    Rechter weißer (also brauner) Mann: „Ich bin nicht rechts, aber ich lasse mir das Wort nicht von Linken verbieten.“

  68. #78 Sarah:

    Wenn Sie Gefühle zum entscheidenden Kriterium machen, dann haben Sie keine Verteidigung mehr gegen AfD-Anhänger, die sich fremd im eigenen Land „fühlen“. Sie können nicht denen gegenüber darauf bestehen, dass dieses Gefühl nicht das Entscheidende sein kann, und dann in anderem Kontext sachliche Auseinandersetzungen damit wegwischen, dass das Gefühl dabei auf der Strecke bliebe.

    Sie können auch nicht LLL vorwerfen, er spreche nur angeblich für eine Mehrheit, denn das trifft auf jeden Standpunkt hier zu, auch den von Herrn Dell. Niemand von uns weiß letztgültig, welche Mehrheiten für welchen Standpunkt bestehen. Die Indizien, zB durch Umfragen in der schwarzen Bevölkerung der USA, ergeben allerdings, dass das N-Wort, um das es hier geht, entgegen der Behauptung von Herrn Dell nicht immer und ausschließlich negativ konnotiert ist.

    Wissen Sie, niemand hier sagt, dass das Wort unproblematisch ist. Niemand hier will es im Alltag verwenden, schon gar nicht gegenüber dunkelhäutigen Menschen. Das gebietet bereits die grundlegende Höflichkeit im persönlichem Umgang mit anderen Menschen. Aber man darf es auch als empathischer Mensch problematisch finden, dass Herr Dell in seinem Text es nicht dabei belässt, auf die Ambivalenz des Wortes hinzuweisen, sondern es geradezu mythisch auflädt, und jedem, der ihm widerspricht, psychologische Verdrängungsmechanismen attestiert.

    Die Kritik an seiner Darstellung des N-Worts ist keine Frage der Empathie gegenüber dunkelhäutigen Menschen. Niemand hier bestreitet, dass das Wort sehr beleidigend sein kann. Das kann es. Aber es hat deshalb nicht automatisch derjenige Recht, der die schrecklichste, aufwühlenste, moralisch am stärksten aufgeladene Beschreibung des Themas liefert.

  69. #78:

    Den Vergleich und die anschließende Diskussion zum alten, weißen Mann hat übrigens Herr Dell selbst losgetreten (#58). Es ist auch nicht so, dass deshalb die ursprüngliche Debatte nicht mehr stattfände, ganz im Gegenteil. Ihre Aussage, hier wollten missgünstige Kommentatoren nur über weiße Männer reden, geht wirklich vollständig fehl.

  70. @ Sarah:

    Mir zumindest geht es hier nicht um die Probleme von „weißen, männlichen Menschen“ (sind „weiße, weibliche Menschen“ eigentlich vor Rassismus gefeit?). Mir liegt es auch fern, im Namen irgendeiner Mehrheit gegen einen „Aktivisten“ anzuschreiben. Mir geht es, wie gesagt, um die Vorstellung von Sprache, die sich in solchen Diskussionen ausdrückt, und die ich – anders als wahrscheinlich Sie – für ein allgemein-menschliches Ausdrucksmittel halte, nicht für ein sprechort- und also hautfarben- oder geschlechtsspezifisches (auch wenn das eine normative Vorstellung sein mag).

    Klar, dass [Verbotenes Wort] aus dem Sprachgebrauch gestrichen gehört, wenn damit Leute bezeichnet werden sollen. [Verbotenes Wort] aber derart zu tabuisieren, dass es nicht einmal in Texten über das Wort [Verbotenes Wort] erwähnt werden darf, ist sprachmagisches Denken. Ausdruck einer letztlich anti-aufklärerischen Haltung. Und bei aller Skepsis, die gegenüber der Aufklärung angesichts ihrer Geschichte angebracht sein mag – die aufgeklärte Vernunft ist die einzige Hoffnung, auf die Freunde einer friedlich geeinten Menschheit setzen können.

    Ich plädiere für einen Umgang, wie ihn der afro-deutsche Literaturkritiker Ijoma Mangold praktiziert (https://www.zeit.de/2013/04/Kinderbuch-Sprachgebrauch ). Mangold verwendet das Wort, um dessen Verwendung zu kritisieren – und ich weiß nicht, wo daran das Problem sein soll. „Judensau“ ist ein üble, antisemitische Beleidigung. Ich habe aber noch nie gehört, dass es als Wort in einem Satz wie „Die Nazis bezeichneten Walter Rathenau als ‚gottverdammte Judensau'“ problematisch sein soll. Aus gutem Grund: Es hat in diesem sprachlichen Kontext eine völlig andere Bedeutung.

    Übrigens: Dass man [Verbotenes Wort] auch mal mit Stolz aussprechen konnte, zeigt eindrucksvoll die „I-have-a-dream“-Rede von Martin Luther King. (Die verlinke ich hier nicht, weil dann der Beitrag wieder in die Moderationsschleife gerät, aber sie ist leicht zu finden – und für jede Freundin von Sprache und Rhetorik ein Schmaus!)

  71. Wenn ich den Ausgangsartikel richtig verstehe, geht es darin darum, dass Greiner sich falsch verstanden _fühlt_, wenn man ihn als rechts bezeichnet, aber seine Gefühle täuschen ihn, er ist ja rechts.

    Ein Argument mehr, sich nicht auf Gefühle zu verlassen.

  72. @ Illen:

    Danke, Sie bringen es gut auf den Punkt.

    @ Sarah:

    „Sie schreiben ewig lang nur über Wörter, Wörter, Wörter.“

    Das ergibt sich aus dem einfachen Umstand, dass ich einige von Herrn Dells Aussagen über „Wörter“ sowie die Begründung für diese Aussagen kritisiert habe.

    „Wo ist das Gefühl in Ihrem Text (außer wenn Sie sich nicht verstanden fühlen)?“

    Wenn ich kritisiere, dass jemand die Geschichte eines Wortes falsch darstellt, oder dass seine Argumente auf falschen sprachtheoretischen Annahmen beruhen: Wo genau soll ich da „Gefühle“ reinbringen?

    „Wo sind die Menschen (außer wenn sie als Argument für eine angebliche Mehrheitsmeinung herhalten müssen)?“

    Wo sollten die Menschen denn groß vorkommen, wenn ich Aussagen von Herrn Dell über ein Wort kritisiere? Oder darf man solche Aussagen nicht kritisieren, weil „Menschen“ da naturgemäß nicht viel vorkommen?
    Und das „angeblich“ ist überflüssig: Niemand bezweifelt doch wohl ernsthaft die Validität der Gallup-Umfrage, auf die ich mich bezogen habe.

    „Sie hangeln sich staubtrocken an der reinen Logik entlang…“

    Was einem analytischen Text wohl auch sehr gut ansteht.

    „…und blenden jegliches Mifgefühl fast komplett aus…“

    Inwiefern denn? Sollte ich, wenn ich darlege, dass Herr Dell in einem bestimmten Punkt fehlschlüssig argumentiert, ohne Zusammenhang empathische Interjektionen dazwischenschieben?

    „Das führt außer zu Harry Potter-Vergleichen…“

    Nein, DAS führt nicht zu Hary-Potter-Vergleich. Zum Harry-Potter -Vergleich führt es, wenn man ein Wort derart mystifiziert, tabuisiert und damit letztlich auch überhöht, dass man es selbst dort nicht aussprechen kann, wo es das Thema ist. „Lebensunwertes Leben“, „Rassenschande“, „Endlösung“, „Untermensch“ usw. darf (mit kritischer Bezugnahme) gesagt werden. „Kritischer Kritiker“ weist darauf hin, dass selbst die wahrhaft üble Beleidigung der „Judensau“, die die Nazis gegen Rathenau richteten, in angemessener Weise zitiert resp. kritisiert werden darf.
    Über das N-Wort jedoch soll man reden, ohne es nennen zu dürfen. Das betrachte ich wie „Kritischer Kritiker“ als „Sprachmagie“. Als käme das „Schlimme“ eines Wortes nicht aus seiner Bedeutung, also aus den mit ihm assoziierten Ideen, sondern als stecke das Übel in einer arbiträren Folge von Lauten resp. Buchstaben, die man nicht ausschreiben darf, was immer der Kontext sein mag!
    Trotzdem soll das jeder halten, wie er möchte; nur finde ich es ein wenig unfair, wenn man mir unterstellt, ich wolle das N-Wort „retten“ oder es „unschuldig“ aussehen lassen, nur weil ich seine Verwendung in einem strikt metasprachlichen Kontext nicht per se unzulässig finde.

    „…dass Sie meinen, im Namen der ‚einfachen‘ Menschen zu sprechen, deren Meinung von ‚Aktivisten‘ angeblich nicht genug beachtet wurde…“

    Habe ich nie behauptet. Ich habe einfach festgestellt, dass die „einfachen Leute“ damals mehrheitlich die Bezeichnung „Schwarze“ („blacks“) präferiert haben, dass man sich darum aber nicht gekümmert hat. Das sind einfache Tatsachen, auf die ich aufmerksam machen; damit maße ich mir nicht an, „für“ jemanden zu sprechen.

    „Matthias Dell hat mitfühlend und wütend versucht, wenigstens den Hauch einer Ahnung für das menschliche Leid, was mit diesem Wort in Verbindung steht, in seinen Text einfließen zu lassen.“

    Schön und gut; moralischer Impetus und Emotionalität haben aber noch nie eine rationale Analyse ersetzt. Und wenn Herr Dell falsch und fehlschlüssig argumentiert, dann argumentiert er falsch und fehlschlüssig, und das darf man dann auch kritisieren.
    Und Sie können mir gerne glauben, dass ich jede Art von Rassismus nachdrücklich ablehne und mein Mitgefühl den Opfern des Rassismus gilt – es ist mir jedoch zu doof, meine Kommentare, in denen es etwa um Sprachverständnis geht, mit salvatorischen Empathie-Klauseln zu füllen.

    „Sie wollen, dass er sich mit Ihrer Logik auseinandersetzt, er will, dass Sie sich in die Problematik einfühlen.“

    Ich weiß nicht, was Herr Dell will, da er sich ja jeglicher inhaltlicher Auseinandersetzung mit meinen Beiträgen verweigert. Ich hatte gehofft, dass er will, dass man sich sachlich mit seinem Text beschäftigt, wobei argumentativ begründete, sachliche Kritik hoffentlich willkommen ist. In diesem Punkt habe ich mich offenkundig geirrt.
    Ob Herr Dell allerdings möchte, dass ich mich in irgendetwas „einfühle“, wage ich eher zu bezweifeln. Bei einer Diskussion über Sachfragen erwartet man das gewöhnlich nicht. Dass der Diskussionspartner sich hingegen mit „Logik“ bzw. logischen Argumenten auseinandersetzt, darf man wohl schon erwarten.

    Wäre Herr Dell ein Schwarzer, der selbst Diskriminierung erlebt hat, dann würde ich meiner Kritik vorausschicken, dass ich seine Erfahrungen sehr bedauere und große Sympathie für sein grundsätzliches Anliegen hege, auch wenn ich einige seiner Thesen und Argumente für problematisch alte; so habe ich darauf verzichtet.

    „Was sagt Ihnen Ihr Gefühl? Vielleicht, dass Sie Verständnis haben, wenn dieser Begriff als beleidigend empfunden wird aber wenn er sogar in Diskussionen über den Begriff selbst geächtet wird, endet Ihr Verständnis…“

    Mein Verständnis endet da nicht. Ich halte es aber zumindest für legitim, dass man ein (auch schlimmes) Wort ausspricht, wenn man über dieses redet. Da scheint aber umgekehrt bei manchen das Verständnis zu enden. Insofern wird wohl eher umgekehrt ein Schuh draus.

    „Sind Sie ein ‚einfacher‘ Mensch, der hier gerade versucht, die Mehrheitsmeinung gegen einen ‚Aktivisten‘ zu verteidigen?“

    Nö. Ich versuche hier gar keine Mehrheitsmeinung gegen irgendjemanden zu verteidigen. Ich habe einfach darauf hingewiesen, dass man damals auf einige schwarzen Aktivisten und nicht auf die Mehrheit der Schwarzen gehört hat; das ist erst mal einfach eine simple Tatsache. Zudem finde ich diese Art von paternalistischer „Fürsorge“ gegenüber einer diskriminierte Minderheit, bei der man über deren Wünsche einfach hinweg geht, problematisch und habe vorgeschlagen, dass man für die Zukunft daraus lernt.

    „Es wäre völlig verständlich, nur werden Sie sich bewusst, dass Sie in Ihrem Namen für Ihre Sache sprechen und nicht im Namen von Menschen, von denen Sie durch einen Wikipedia-Artikel erfahren haben.“

    Nochmals: Wenn ich einfach eine historische Tatsache benenne und sie vielleicht noch kritisch bewerte, dann maße ich mir überhaupt nicht an, für irgendjemanden zu sprechen, außer für mich selbst. Sonst könnte ich solche simplen historischen Tatsachen ja überhaupt nicht mehr erwähnen, weil ich mich damit eo ipso und auch gegen meinen Willen zum „Sprecher“ von Weiß-Gott-was stilisieren müsste! Nehmen Sie meine Aussagen doch so, wie sie sind, und interpretieren Sie nicht etwas rein, was dort nicht steht, nicht einmal andeutungsweise.

    „Und als nächstes, versuchen Sie zu akzeptieren, dass es hier im Moment mal nicht um die Probleme von männlichen weißen Menschen gehen soll (obwohl Sie und andere Kommentatoren die Diskussion wieder mal erfolgreich in diese Richtung geführt haben).“

    Es geht (jedenfalls mir) hier um die Frage, ob Herr Dell recht hat, wenn er behauptet, dass das N-Wort schon immer „herabsetzend“ (offenbar im Sinne eines Rassismsus) gewesen sei; und ob seine Argumente für diese Position überzeugend sind oder nicht.
    Dass solche Fragen viel mit den Problemen alter weißer Männer zu tun haben, sehe ich nicht recht.
    Doch selbst wenn: Da sie durch den Original-Artikel aufgeworfen werden, dürfte ihre Diskussion in jedem Fall „on topic“ und selbstredend legitim sein. Unsachliche und unbegründete Unterstellungen hingegen, wie Sie sie mir hier gerade reindrücken, sind im Sinne einer guten Diskussionskultur ganz sicher nicht legitim.

    Und noch etwas: Dass seinerzeit der Wille der Mehrheit der Schwarzen im Hinblick auf ihre Selbstbezeichnung ignoriert wurde, hat sicher auch etwas mit Feigheit und Opportunismus zu tun. Weiße, die dem Willen der Mehrheit der Schwarzen statt dem einiger schwarzer Aktivisten gefolgt sind, hatten vermutlich mit weit mehr Kritik und Gegenwind zu rechnen als Weiße, die es umgekehrt gehalten haben.

    Es dürfte aber noch ein anderes Phänomen dahinterstehen: Nämlich dass gewisse stets gutmeinende, stets bemühte, stets anständige Leute in genau dem Moment, in denen man ihnen sagt, dass ein Wort „rassistisch“ sei, sofort entschieden gegen dieses Wort sind.
    Ob die Behauptung, dass das Wort rassistisch ist, auch nur einer oberflächlichen Prüfung standhält; und ob die betroffene Gruppe das „diskriminierende“ Wort überhaupt loswerden oder lieber behalten möchte: Solche simplen Fragen spielen dann offenbar keine Rolle mehr. Solche Fragen werden nicht einmal mehr gestellt. Man ist so Feuer und Flamme in seinem Kampf für das „Gute“, dass man sich nicht einmal mehr überlegt, ob das „Gute“ auch wirklich „gut“ ist.
    Vernünftige Überlegungen und der Respekt vor den genuinen Wünschen der Betroffenen werden durch einen teils penetranten, selbstgerechten, belehrenden Moralismus ersetzt. Es geht vielen solcher Leuten ganz offensichtlich nicht um eine diskriminierte Minderheit, sondern um sich selbst, und das Gefühl der eigenen moralischen Güte.

    Und hier scheint mir der Ausdruck „Gutmensch“ dann ausnahmsweise tatsächlich mal zu passen. (Ich mag ihn sonst nicht.)

    Heute sieht die Situation natürlich anders aus. Heute ist es (vermutlich) so, dass die meisten Schwarzen das N-Wort ablehnen (auch wenn ich keine Umfrage dazu kenne). Darauf aufmerksam zu machen, dass man das Wort daher vermeiden sollte, ist sicherlich NICHT zu beanstanden und per se auch KEIN Ausweis von Selbstgerechtigkeit. Ich selbst habe in privaten Gesprächen auch schon eine – allem Anschein nach eher arglose – Person darauf hingewiesen, dass das N-Wort heutzutage als diskriminierend gilt. Dies bitte zur Kenntnis nehmen, bevor man mich kritisiert.

    Weniger toll finde ich allerdings folgende Verhaltensweisen:

    – So zu tun, als sei das N-Wort schon immer rassistisch gewesen, auch wenn das offenbar unwahr ist.
    – Für diese Behauptung Argumente zu bemühen, die (etwa aus sprachlogischen Gründen) schlichtweg abwegig sind und auf der groben Verzerrung historischer Tatsachen beruhen.
    – Damit zusammenhängend: Abzustreiten, dass es einen Sprachwandel gab, durch den ein noch vor kurzem neutrales Wort geächtet wurde.
    – Auszublenden, dass dieser Sprachwandel weder dem Bestreben der Sprachgemeinschaft als ganzer noch dem Wunsch der Schwarzen folgte, sondern von Angehörigen der schwarzen und weißen Eliten durchgesetzt wurde. Und zwar auch mit moralischem Druck derart, dass diejenigen, die den „Sprachwandel von oben“ nicht mitmachen wollten, zunehmend in die Rassismus-Ecke gedrängt wurden.
    – Leute, die das N-Wort nur dort verwenden, wo man genau über dieses Wort spricht, schon deswegen an den Moralpranger zu stellen.

    Die Tatsache, dass die Ächtung des N-Wortes seinerzeit offenbar GEGEN den Willen der Mehrheit der Schwarzen erfolgte bzw. durchgesetzt wurde, ist allem Anschein nach kaum Anlass zur kritischen Reflexion. Auch hört man selten, dass man aus dieser Vergangenheit zu lernen und künftig die Wünsche der Betroffenen selbst zu berücksichtigen habe. (Soweit ich sehe, bin ich der einzige, der das explizit fordert, was mich aber nicht vor dem Vorwurf der „Empathielosigkeit“ schützt.)
    Das dürfte vielleicht darauf hindeuten, dass es einigen Leuten auch heute eher um die eigene „Anständigkeit“ als um die diskriminierten Menschen und deren Perspektive geht.

    Es wäre aber schon deswegen gut, aus der Vergangenheit zu lernen, weil ein Sprachwandel, der nicht dem Wunsch der Betroffenen entspringt, vermutlich oftmals eher Schaden als Nutzen bringt.
    Es gibt nach meinem Eindruck eine breitere Tendenz, Sachprobleme zu Sprachproblemen zu erklären, letztere durch propagierte Sprachnormen (die womöglich nur in einem bestimmten akademischen oder einem recht anderen überschaubaren Milieu Relevanz besitzen) zu „lösen“ und dann zu glauben, man habe damit etwas Substantielles erreicht – wo man in Wahrheit oft nur „Symbolpolitik“ betrieben hat.

    Wenn aber nicht Worte das Problem sind, sondern die Sache (vgl. # 57), dann führt ein Sprachwandel, der als „vorgeschrieben“ wahrgenommen wird, nicht nur potentiell zu Widerstand, sondern bindet auch Ressourcen, die man der Bekämpfung tatsächlicher Probleme zuwenden könnte.

    Vor solchen Entwicklungen mit „Logik“ zu warnen, ist vielleicht (dem Potential nach wenigstens!) weit hilfreicher als demonstrative Empathie in einem Text, in dem es eben nicht um das Schicksal von Menschen geht, sondern um die Kritik an Argumenten.

  73. @LLL
    Ich fand ihren letzten Kommentar vor allem zum Ende hin (wo Sie klar sagen worum es Ihnen geht) wesentlich leichter verständlich.
    Ich hatte absichtlich Ihre Wortwahl benutzt, um Ihnen zu verdeutlichen, warum ich meine, Sie übertragen Ihre Unzufriedenheit mit der heutigen Situation auf diese Diskussion hier (und die damaligen Verhältnisse) und argumentieren deswegen eben genau nicht rein logisch.
    Aktivisten wirken innerhalb der Gesellschaft und versuchen Menschen (egal ob ihrer Minderheit zugehörig oder nicht) zu überzeugen, dadurch steigt das Bewusstsein für dieses Problem/Anliegen, Menschen bilden sich eine Meinung dazu und beginnen sich zu positionieren (gehen Sie nicht davon aus, jedes Problem wäre offensichtlich, allen Menschen stünden alle Informationen zu diesem Problem zu Verfügung, alle Menschen hätten schon über dieses Problem nachgedacht und dazu eindeutig und unveränderlich Stellung bezogen). Ihrer Darstellung nach kam die Änderung der Bezeichnung für schwarze Menschen damals nur dadurch zu Stande, weil viele weiße Menschen (aktiv) aus Angst vor Repressionen der Forderung von Aktivisten nachkamen, obwohl sie wussten, dass dies nicht der Mehrheitsmeinung entsprach (Sie setzen voraus, dass diesen Menschen damals diese Informationen zur Verfügung standen und das sie nur durch Angst motiviert waren), während die Mehrheit der “einfachen“ schwarzen Menschen (passiv) bei ihrer Meinung blieb (außerdem gehen Sie davon aus, dass sie, wenn sie nicht für den Sprachwandel waren, dagegen gewesen sein müssen – der Schluss ist logisch unzulässig). Deswegen sage ich, Sie tun nur so als ob Sie sich für diese Menschen interessieren, sie bleiben in Ihrer rationalen Analyse passive Objekte unbeeinflusst vom Charme der “berühmten“ schwarzen Aktivisten, während die weißen Menschen Subjekte sind, die sich aktiv entscheiden konnten.
    Ihre Meinung zur heutigen gesellschaftlichen Situation, habe ich folgendermaßen verstanden: Sie finden, dass zu oft versucht wird, Probleme zu lösen, die Sie nicht für relevant halten, während zu wenig versucht wird, Probleme zu lösen, die Sie für relevant und dies geschieht auf eine Weise, die Sie nicht für zielführend halten. Und diese Probleme und Lösungsversuche nehmen darüber hinaus auch noch gewaltsamen (verdrängen, ächten, …) überproportional viel Aufmerksamkeit/Raum in den Medien in Anspruch. Ich sehe das ähnlich, nur darüber, wer zu viel Aufmerksamkeit bekommt, gehen unsere Meinungen wahrscheinlich auseinander.
    @Illen
    Ich hab nicht vom Gefühl als “entscheidenden Kriterium“ geschrieben. Letztendlich muss überprüft werden ob das Gefühl zu den Fakten passt. Seine Gefühle als Ausgangspunkt zu nehmen, war ein Tipp an LLL, weil er sich wunderte, dass er und Herr Dell auf unterschiedlichen Ebenen so kolossal an einander vorbei kommunizierten.
    Herr Dell hat keine Diskussion zum alten, weißen Mann losgetreten, sondern nur darauf hingewiesen, dass wir schon wieder bei dessen Lieblingsthema (jemand da oben versucht mir was vorzuschreiben) angekommen sind.
    @ Kritischer Kritiker
    “sind „weiße, weibliche Menschen“ eigentlich vor Rassismus gefeit?“ Ich kann nicht von mir sagen, dass ich mich niemals unabsichtlich rassistisch äußere. Ich kann auch nicht von mir behaupten, dass ich mich niemals unabsichtlich frauenfeindlich äußere oder frauenfeindliche Äußerungen absichtlich stillschweigend hinnehme. Ich denke, wir haben einfach ganz unterschiedliche Ansichten über das Ausmaß von Rassismus und Sexismus.

  74. Greiner, der rechts – aber eben nicht ganz rechts – sein will, wie der Artikel schön darstellt, feiert bei Matthias Matussek u.a mit vorbestraften Rechtsextremen wie Mario Müller von der sog. „Identitären Bewegung“. https://www.fr.de/politik/matthias-matussek-feiert-rechten-geburtstag-11842311.html

    Übrigens insofern sehr ironisch, als dass das Medienecho sich darüber echauffiert, dass die MBR gerade Greiner – einen angeblich lupenreinen Demokraten – mit Rechtsextremen wie – Mario Müller (der in der Broschüre an der einen oder anderen Stelle auch zitiert wird) in einen Topf werfe. Als ob Greiner seine Verteidiger strafen will, geht er mit Müller auf eine Party des Erstunterzeichners der „Erklärung 2018“. Kannst du dir nicht ausdenken, denn die besten Drehbücher schreibt die Realität.

  75. @ Sarah:

    Ich denke, wir haben einfach ganz unterschiedliche Ansichten über das Ausmaß von Rassismus und Sexismus.

    Ich habe an keiner Stelle geschrieben, dass man [Verbotenes Wort] ruhig sagen dürfe, weil Rassismus ein marginales Problem sei.

  76. @ Sarah:
    Wenn ich sehe, dass jemand eine mMn falsche Aussage tätigt, soll ich diese dann unwidersprochen stehen lassen, wenn
    a) diese Aussage Grundlage einer ganzen Argumentation ist, und
    b) ich der Ansicht bin, dass diese Argumentation zu wichtig ist, um fehlerhaft geführt zu werden?

    Die Aussage, um die es mir geht, ist die, dass die Abwertung im N-Wort am Anfang von Sklaverei und Rassismus gestanden hätte, und nicht am Ende. Das wurde weiter oben als Argument dargestellt, warum das N-Wort nicht nur sehr abwertend sei, sondern ursächlich für Rassismus und Sklaverei.

  77. Ach, ganz vergessen: „Herr Dell hat … nur darauf hingewiesen, dass wir schon wieder bei [des Whams] Lieblingsthema (jemand da oben versucht mir was vorzuschreiben) angekommen sind.“

    Alle Wham haben dasselbe „Lieblings“thema? Und nicht-Wham würde es nicht stören, wenn „jemand da oben“ ihr oder ihm etwas vorschreiben will? DAS soll die Aussage von Herrn Dell gewesen sein? Echt jetzt?

  78. @ Sarah:

    „Sie übertragen Ihre Unzufriedenheit mit der heutigen Situation auf diese Diskussion hier (und die damaligen Verhältnisse) und argumentieren deswegen eben genau nicht rein logisch.“

    Wenn Sie mir noch ein Beispiel geben könnten, woran Sie das festmachen?

    „Ihrer Darstellung nach kam die Änderung der Bezeichnung für schwarze Menschen damals nur dadurch zu Stande, weil viele weiße Menschen (aktiv) aus Angst vor Repressionen der Forderung von Aktivisten nachkamen…“

    Nein, ich behaupte nicht, dass es NUR so war (und habe das auch nicht geschrieben). Ich behaupte auch nicht, dass ALLE Leute, die sich den induzierten Sprachwandel gegen den Willen der meisten Schwarzen mitmachten, von diesem Wandel wussten (habe ich auch nicht geschrieben).

    Ich behaupte allerdings, dass es sicherlich genügend Leute gewusst haben müssen und aus Opportunismus oder moralischer Selbstgefälligkeit gehandelt haben.
    Oder wie erklären Sie sich, dass Gallup im Jahr 1969 herausgefunden hat, dass das N-Wort unter Schwarzen mit Abstand die beliebteste Bezeichnung war, etwa doppelt so beliebt war wie „Schwarze“; und dass Gallup dennoch zwei Jahre später das „N-Wort“ gestrichen und durch „Schwarze“ ersetzt hat?

    Und nicht nur Gallup, sondern auch Intellektuelle wie Journalisten müssen damals doch solche Umfrage-Ergebnisse gekannt haben. Und wenn sie es nicht gewusst hätten: Wieso haben sie sich dann nicht einfach informiert, wenn es ihnen tatsächlich um den Willen der Schwarzen und nicht um eine paternalistische linguistische „Fürsorge“ ging?

    Nirgendwo konnte ich eine auch nur ansatzweise aktuelle Umfrage dazu finden, wie Schwarze zum N-Wort stehen – weder im Deutschen noch im Englischen. Für das Deutsche mag das erklärbar sein, dass wir hier keine große schwarze Bevölkerungsgruppe haben – aber das gilt nicht für die USA.

    Nicht, dass ich allzu große Zweifel hätte, dass die meisten Schwarzen das Wort heutzutage ablehnen. Aber warum interessiert sich augenscheinlich kein Mensch für deren Wahrnehmung, für deren Perspektive? Wieso kommen bestenfalls vereinzelt Schwarze zu Wort, von denen man nur mutmaßen kann, inwieweit Sie die Schwarzen im Allgemeinen repräsentieren? Nach meinem Dafürhalten hat das eben auch (nicht: allein) mit einem gewissen „gutmeinenden Paternalismus“ und einer gewissen Selbstgerechtigkeit zu tun. Dass es vor allem wichtig ist, die richtige moralische Position einzunehmen, und weniger, sich zu erkundigen, was die Betroffenen selbst wollen.

    „(außerdem gehen Sie davon aus, dass sie, wenn sie nicht für den Sprachwandel waren, dagegen gewesen sein müssen – der Schluss ist logisch unzulässig)“

    Die Mehrheit der Schwarzen hat gesagt, dass sie die Bezeichnung mit dem „N-Wort“ präferiert. Nur halb so viele Leute wollten als „Schwarze“ bezeichnet werden. Wenn man die Leute dann dennoch nicht mit dem N-Wort bezeichnet, sondern dieses sogar verfemt und sie stattdessen mit dem wenig geschätzten Ausdruck „Schwarze“ adressiert, dann liegt doch wohl sehr nah, dass man hier gegen den Wunsch und die Präferenzen der Betroffenen handelt – oder nicht? Wenn Sie sagen, dass man Sie „Sarah“ und nicht „Sabine“ nennen soll, aber die Leute sie nicht nur als „Sabine“ bezeichnen, sondern es auch moralisch verfemen, dass Sie als „Sarah“ bezeichnet werden, dann wäre das vermutlich auch im Widerspruch zu iIem Willen.

    „Aktivisten wirken innerhalb der Gesellschaft und versuchen Menschen (egal ob ihrer Minderheit zugehörig oder nicht) zu überzeugen…“

    Wenn schwarze Aktivisten ZUERST die Schwarzen überzeugt hätten, das N-Wort abzulehnen, und wenn Weiße DANN das N-Wort abgelehnt hätten, dann würde ich ja gar nichts sagen.
    Nur: Das war eben offenbar nicht so. Damit wird auch folgende Behauptung gegenstandslos:

    „Deswegen sage ich, Sie tun nur so als ob Sie sich für diese Menschen interessieren, sie bleiben in Ihrer rationalen Analyse passive Objekte unbeeinflusst vom Charme der ‚berühmten‘ schwarzen Aktivisten, während die weißen Menschen Subjekte sind, die sich aktiv entscheiden konnten.“

    Es wäre übrigens nett, wenn Sie davon Abstand nehmen würden, mir etwas Unfreundliches zu unterstellen in dem nicht sonderlich gelungenen Versuch, mich „spiegeln“ zu wollen. Tue ich umgekehrt ja auch nicht. (Ich habe nicht Ihnen oder Herrn Dell oder sonst einer spezifischen Person moralische Selbstgerechtigkeit vorgeworfen, sondern einem Teil jener, die sich offenbar überhaupt nicht dafür interessiert haben, was die Schwarzen wollten.)

    „Ich sehe das ähnlich, nur darüber, wer zu viel Aufmerksamkeit bekommt, gehen unsere Meinungen wahrscheinlich auseinander.“

    Es geht mir weniger um das „wer“, sondern um das „wie“.

    Ein Beispiel: Vertreter der Sinti und Roma haben durchgesetzt, dass man nicht mehr von „Zigeu…“ spricht, sondern eben von „Sinti und Roma“. Die offizielle Begründung: Dass der Begriff „Zigeu…“ mit negativen Eigenschaften assoziiert würde.
    Nun gibt es mit der Umbenennung viele Probleme. Um nur eines anzudeuten:
    Nicht alle Volksgruppen, die man den „Zigeu…“ zurechnete, sind Sinti und Roma. Jenische und Fahrende sind es beispielsweise nicht. Es ist ein wenig so, als würde man den Begriff „Europäer“ durch „Deutsche und Franzosen“ ersetzen – ob die Italiener und Polen da begeistert wären?

    Vor allem aber hat die Umbenennung offenbar überhaupt nichts gebracht. Unter der Überschrift „Studie dokumentiert erhebliche Vorbehalte gegen Sinti und Roma“ schreibt die Süddeutsche im Jahr 2014:

    Europas größte Minderheit, die Bevölkerungsgruppe der Sinti und Roma, ist laut einer Studie des Bundes in Deutschland sehr unbeliebt. Die Verfasser warnen vor einer ‚fatalen Mischung‘, die der Diskriminierung den Boden bereitet. Deutsche lehnen einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge Sinti und Roma stärker ab als jede andere Bevölkerungsgruppe…Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Sinti und Roma von einem beträchtlichen Teil der deutschen Bevölkerung nicht als gleichberechtigte Mitbürgerinnen und Mitbürger wahrgenommen werden. Die Befunde seien dramatisch und der Handlungsbedarf von Politik und Gesellschaft erheblich, so die Verfasser.

    https://www.sueddeutsche.de/politik/minderheiten-studie-studie-dokumentiert-erhebliche-vorbehalte-gegen-sinti-und-roma-1.2114422

    Warum das so ist, liegt auf der Hand: Die Ablehnung gegen „Sinti und Roma“ hatte höchstwahrscheinlich so wenig mit dem Namen „Zigeu…“ zu tun wie die Diskriminierung von Frauen mit der Bezeichnung „Frauen“ oder die Diskriminierung von Juden mit dem Wort „Juden“. Sie galt und den bezeichneten Leuten, nicht der Bezeichnung (vgl. # 56).
    Das heißt nicht, dass ich es nicht respektieren würde, wenn eine Gruppe sich umbenennt (sofern es wirklich der Wille der Mehrheit ist). Ich bin nur der Meinung, dass Betroffene sehr gut beraten wären, sich so einen Schritt zu überlegen.

    Im schlimmsten Fall bringt eine solche Umbenennung nämlich nicht nur nichts, sondern lenkt die Aufmerksamkeit auch noch von den echten Problemen (der realen Ablehnung, der realen Diskriminierung) ab. Und er führt vielleicht auch noch zum Widerstand und Unverständnis von Leuten, die nicht verstehen, wieso ein Wort, das früher neutral war, nun plötzlich ein Tabu sein soll. Wenn die Begründung für den Sprachwandel (wie beim N-Wort) dann auch noch mit Argumenten von ausgesuchter Absurdität begründet wird, erhöht das den Widerstand vielleicht nicht.

    Ich gratuliere jedenfalls den Homosexuellen dazu, dass sie ihre Energien nicht darauf gerichtet haben, den Ausdruck „Homosexulle“ zu bekämpfen, sondern die reale Diskriminierung Homosexueller. (Dass die Bezeichnung „Ehe für alle“ vielleicht dabei geholfen hat, die Ehe für Homosexuelle zu öffnen, wäre ein Beispiel dafür, dass zumindest in einigen Fällen ein sanfter und weithin akzeptierter Sprachwandel zielführend sein kann – was ich auch nicht abstreite.)

    Auch ich finde es wichtig, sich für diskriminierte Minderheiten stark zu machen – nur bin ich der Auffassung, dass es in vielen Fällen weit sinnvoller ist, sich um Sach- als um Sprachfragen zu kümmern. Ich weiß nicht, ob Sie dies als „empathielos“ empfinden. Ich empfinde es als einen empathischen, aber zugleich reflektierten Ansatz.

  79. #85 Sarah:

    „Herr Dell hat keine Diskussion zum alten, weißen Mann losgetreten, sondern nur darauf hingewiesen, dass wir schon wieder bei dessen Lieblingsthema (jemand da oben versucht mir was vorzuschreiben) angekommen sind.“

    Das ist nicht richtig, Herr Dell hat in #58 explizit den alten weißen Mann als vergleichbaren sprachlichen Ausdruck heran gezogen.

    Ich will Ihnen daraus aber gar keinen Strick drehen. Dass Sie es überhaupt für angebracht halten, aus dem nichts damit anzukommen, hier wollten doch nur wieder weiße Männer über sich selbst reden, gegen so etwas ist dann jede Redlichkeit sowieso vergebens.

  80. Ich schrieb:

    „Ich behaupte auch nicht, dass ALLE Leute, die sich den induzierten Sprachwandel gegen den Willen der meisten Schwarzen mitmachten, von diesem Wandel wussten (habe ich auch nicht geschrieben).“

    Sollte natürlich heißen: „…von den Präferenzen der Mehrheit derSchwarzen wussten…“

  81. @Illen
    Danke, für die Erinnerung, dass ich gesagt hätte, hier wöllten doch nur wieder weiße Männer über sich selbst reden. Irgendwie ärgert es mich auch ein bisschen, dass ich ihnen dann auch noch Reibungsfläche geboten und damit das Drama hier verlängert habe.
    @LLL
    Ich weiß nicht, was ich dazu noch sagen soll oder wie ich Sie erreichen könnte. Aber ich fand es interessant, zu versuchen, Sie zu verstehen (#85, der Abschnitt, an dem Sie bis jetzt nichts auszusetzen hatten). Falls Sie sich wundern, warum ich immer noch annehme, dass wir hier nicht über das Thema reden, ich sehe nicht die geringste Chance, Sie auch nur von einer klitzekleinen Kleinigkeit zu überzeugen. Aber das könnte auch einfach nur daran liegen, das Sie mit allem Recht haben und ich mit allem Unrecht habe.

  82. @79. Yong Meier
    Wo, bitte schön, schreibe ich denn jemanden etwas vor? Ich sage nur, dass man für seine Positionierungen, Texte Verantwortung übernehmen muss. Davon handelt der ganze Text. Wenn Sie mir da ihre Projektionen unterschieben, ist das unfair

  83. @80. Illen
    Sie sind mir schon ein Idiot. Die Gefühle, die Sarah meint, sind doch nicht die irrationalen Äußerungen, die Sie hier meinen

  84. 82. Kritischer Kritiker
    „Klar, dass [Verbotenes Wort] aus dem Sprachgebrauch gestrichen gehört, wenn damit Leute bezeichnet werden sollen. [Verbotenes Wort] aber derart zu tabuisieren, dass es nicht einmal in Texten über das Wort [Verbotenes Wort] erwähnt werden darf, ist sprachmagisches Denken.“

    Da lauert ein Widerspruch: Das Wort wird dauernd ausgesprochen, obwohl, wie Sie im ersten Satz schreiben, es angeblich „klar“ ist, dass es gestrichen gehört.
    Und da ist eine Unterstellung: Ich habe nie was von „dürfen“ gesagt, ich habe, wie weiter oben gesagt, dass es meine freie Entscheidung ist und kein sprachmagisches Denken, dass ich die Umschreibung benutze, weil ich nicht ohne Not und selbst in kritischer Absicht das Wort reproduzieren möchte. Und mir diese Entscheidung nicht zuzugestehen bzw. sie als Sprachmagie zu veralbern – was wäre denn das? Ihre Darlegung blendet völlig aus, dass das Wort ausgeschrieben auch dann Abwertung produzieren kann, wenn es kritisch gemeint ist.

  85. #96 Matthias Dell:

    Jaja, zwischen rationalen und irrationalen Gefühlen muss man natürlich unterscheiden, und welche zu welcher Art gehören (AfD-Gefühle = irrational!), das entscheiden eben Sie. Natürlich anhand von rationalen Argumenten. Wie, der Kommentator LLL hat auch rationale Argumente? Na, aber da geht doch das Gefühl verloren. Was sagt Ihnen Ihr Gefühl!

    Sie sind im Übrigen natürlich nach wie vor eingeladen, noch inhaltlich auf die zahlreichen Punkte einzugehen, die sich angesammelt haben, wenn Sie doch schon mitkommentieren. Dass Sie mich dabei einen Idioten nennen, nehme ich gerne sportlich, ich bin ja auch nicht zimperlich mit Ihnen.

  86. #93 Sarah:

    Wenn Sie aus Ihrem Ärger mitnehmen, dass Sie in Zukunft etwas zurückhaltender damit sind, in Diskussionen mit dem Vorwurf hineinzuplatzen, es nähmen schon wieder weiße alte Männer zu viel Raum ein, dann haben wir alle etwas gewonnen.

    Verstehen Sie mich nicht falsch, ich schätze Sie und Ihre Beiträge auf übermedien. Aber an dem Punkt sind Sie in meinen Augen wirklich zu gedankenlos.

  87. Ich wiederhole meine Frage aus #43 noch einmal in kurz:
    Wodurch fühlen sich Menschen daran gehindert, auf diffamierende (im Auge des Betroffenen) Wortbedeutungen zu verzichten?

  88. @99. Illen
    Aber wie soll dieses Gespräch gelingen, wenn Sie Sachen behaupten/unterstellen können, die bei mir angezweifelt werden:
    „Dass der Audruck vom „weißen, alten, heterosexuellen Mann“ (wham) in der sprachlichen Praxis auch abwertend gebraucht wird ist dabei eine derartige Selbstverständlichkeit, dass ich nicht darauf eingegangen war. Wham wird auf twitter tagtäglich duzendweise als Schimpfwort gebraucht.“
    Das ist für sie so klar, dass man gar nicht drüber reden muss, aber beim N-Wort, das ich auch nicht mythisch auflade (das könnte man auch irgendwann verstehen), sollen wir stundenlang rumdiskutieren. Beim N-Wort gibt es Begriffsgeschichten (die aber angeblich nicht allein prägend sein sollen), beim „weißen alten Mann“ reicht ein nicht-erklärtes Selbstverständnis. Dabei ist der Begriff sachlich, er markiert nur eine Sprecherposition, die jahrelang nicht markiert wurde, weil sie selbstverständlich war, weil sie nie markiert werden musste. In der Empörung über die plötzliche Markierung, liegt das unrefkletierte Gefühl, das dann aber in dem Fall derer, die vom N-Wort gemeint sein sollen auseinandergesetzt werden soll als mit angeblichen Bedeutungsfitzeln (dass es, wie jmd hier allen Ernstes schrieb, Menschen gäbe, die ausdrücklich so genannt werden wollen). Das ist ein so krasses Missverhältnis, dass Ihre und andere andere Erklärungen einfach kaschieren – wie soll man da reden.
    „Allen hier ist klar, dass Sie das auch wissen.“
    Das kann „allen“ klar sein, aber allen kann unmöglich klar sein, dass das N-Wort problematisch ist, obwohl da doch auch allen klar ist, dass es problematisch ist – das ist doch absurd.
    „Niemand von uns weiß letztgültig, welche Mehrheiten für welchen Standpunkt bestehen. Die Indizien, zB durch Umfragen in der schwarzen Bevölkerung der USA, ergeben allerdings, dass das N-Wort, um das es hier geht, entgegen der Behauptung von Herrn Dell nicht immer und ausschließlich negativ konnotiert ist.“
    „Niemand weiß“ ist natürlich auch so eine Pirouette, natürlich weiß niemand etwas letztgültig, aber eigentlich müsste’s doch heißen, niemand will wissen, weil man das alles hören und nachlesen kann. Das stand ja auch woanders, dass, wenn ein Schwarzer hier nicht N-(Wort) genannt werden wollte, ihm trotzdem auseinandergesetzt werden würde, dass man das zwar verstehen kann, es aber trotzdem nicht ganz falsch ist. Aber allen ist klar, dass „weißer alter Mann“ abwertend gemeint ist, selbstverständlich. Noch mal: Wie soll man angesichts dieser Unfairness, Unverhältnismäßigkeit in dem, was als Argument zugelassen ist und was nicht, reden?

  89. @Dell:
    Der Punkt war, dass es beim Wham auf den Kontext ankommt, in dem das Wort verwendet wird. Ich möchte hinzufügen, dass es auch darauf ankommt, wer es verwendet. Wenn ich es verwende, ist es neutral oder ironisch gemeint, wenn es jemand verwendet, der Wham abwertet, ist es abwertend. Wenn jemand eine Metadebatte führt oder das Wort zitiert, kann das nicht ohne weiteres entschieden werden.

    @Anderer Max:
    Das hat nichts mit Gefühlen zu tun. Aus Höflichkeit jemanden nicht mit diffamierenden Wörtern zu bezeichnen, ist die eine Sache, in einer Metadiskussion das Wort nicht zu verwenden, ist eine andere Sache, ein Wort selbst dann nicht zu verwenden, wenn man jemand drittes zitiert, ist noch eine andere Sache. Argumente, die gegen die eine Sache sprechen, gelten nicht automatisch für die anderen beiden.
    Spätestens beim letzten nehme ich für mich in Anspruch, dass das Zitieren einer anderen Meinung nicht bedeutet, dass man sich automatisch diese Meinung zu eigen macht, und dass man demzufolge nicht zwangsläufig die Verantwortung dafür übernehmen muss. Mal abgesehen davon, dass ich Fälle nehmen könnte, wo das N-Wort dem Zusammenhang nach nicht abwertend gemeint ist, um die These zu belegen, dass das nicht schon zu Beginn der Kolonialzeit abwertend war…
    Jetzt behauptet Herr Dell: „… dass das Wort ausgeschrieben auch dann Abwertung produzieren kann, wenn es kritisch gemeint ist.“ Heißt für mich, dass die Intention der Person, die das Wort verwendet, zur Beurteilung ihres Verhaltens egal wäre.
    Dieser Ansicht bin ich generell nicht, die Intention einer Person ist für moralische Urteile über sie mMn ziemlich wichtig.
    Und weiterhin hieße das in der Konsequenz, dass jedes abwertende Wort Abwertung produzieren kann, wenn man es ausschreibt, nicht nur das N-Wort, und dass man daher dafür immer „die Verantwortung übernehmen“ sollte, was bei Politikern normalerweise „Rücktritt“ bedeutet.
    Ich hoffe, Ihre Frage beantwortet zu haben.

  90. @103. Mycroft
    „Ich möchte hinzufügen, dass es auch darauf ankommt, wer es verwendet. Wenn ich es verwende, ist es neutral oder ironisch gemeint, wenn es jemand verwendet, der Wham abwertet, ist es abwertend.“
    Aha. Fürs N-Wort gilt das aber alles nicht. Es ist so sinnlos, wenn die Regeln im Sprachverkehr so unterschiedlich ausgelegt werden. Wie soll man da reden?

  91. @ Matthias Dell (#89)

    Da lauert ein Widerspruch: Das Wort wird dauernd ausgesprochen, obwohl, wie Sie im ersten Satz schreiben, es angeblich „klar“ ist, dass es gestrichen gehört.

    Ich finde klar, dass es dort gestrichen gehört, wo Leute damit bezeichnet werden. Die Welt hört nicht auf mich. Wo ist da der Widerspruch?

    Ihre Darlegung blendet völlig aus, dass das Wort ausgeschrieben auch dann Abwertung produzieren kann, wenn es kritisch gemeint ist.

    Ein Wort, dass unabhängig vom Kontext seiner Verwendung – quasi als bloße Buchstabenfolge auf dem Papier – „Abwertung produziert“: Das ist exakt, was ich mit einer sprachmagischen Vorstellung meine (und ich albere keineswegs herum, sondern bin ganz ernst).

    Ich bitte Sie jetzt zum wiederholten Mal um eine Einordnung des von Ihnen verlinkten Artikels von Ijoma Mangold. Der hält sich nicht an ihre Vorstellungen und nennt das verbotene Wort acht Mal. Zeigen Sie mir doch bitte anhand dieses Veispiels, wie und wo genau es „Abwertung produziert“.

  92. „Aha. Fürs N-Wort gilt das aber alles nicht.“
    Dass das fürs N-Wort nicht gilt, ist _Ihre_ Behauptung, nicht meine. _Sie_ behaupten ja, dass das N-Wort immer abwertend ist und war, also mindestens seit Beginn der Kolonialzeit, egal in welchem Kontext, egal, wer es benutzt, egal, ob es kritisch verwendet wird und/oder ob Goebbels zitiert wird.
    Keinerlei Differenzierung beim N-Wort von Ihrer Seite. Und keinerlei Differenzierung gegenüber Leuten, die es mit welcher Intention auch immer doch benutzen; entweder ist Ihnen die Intention egal, oder Sie unterstellen anderen immer die schlechtmöglichste (was komisch bei jemanden wäre, der „dankbar“ ist, wenn ihm nichts unterstellt wird).
    Ich sehe das alles differenzierter, wie ich das bei „Wham“ dargelegt habe. Meine Auslegung dazu würde ich sinngemäß auf alle potentiell oder tatsächlich abwertenden Wörter anwenden.

    „Es ist so sinnlos, wenn die Regeln im Sprachverkehr so unterschiedlich ausgelegt werden.“
    Ich lege die Regeln nicht „unterschiedlich“ aus, ich lege sie anders aus als Sie. Jetzt werden Sie mir natürlich sagen, dass Ihre Auslegung die richtige sei, und ich mich Ihnen daher anpassen müsse, damit wir reden können, dann werde ich Ihnen sagen, dass ich das nicht so sehe.

    „Wie soll man da reden?“ Sie wollen ja nicht reden, Sie wollen Ihre Sicht der Dinge darstellen. Ok, haben Sie ja jetzt gemacht. Gemäß Ihrer strengen Auslegung der Regeln sollte man überhaupt gar nichts schreiben, was abwertend verstanden werden könnte, um Abwertung zu vermeiden. Das beinhaltet natürlich auch „Wham“, solange es mindestens einen Betroffenen gibt, der das abwertend versteht. D.h., nach _Ihrer_ Auslegung der Regeln, wie Sie sie beim N-Wort anwenden, haben Sie zu Recht darauf verzichtet. Nach _meiner_ Auslegung ist die Möglichkeit, das Wort zu verwenden, ohne jemanden abzuwerten, gegeben; wenn Sie es verwenden wollen, kommt es darauf an, WIE Sie es verwenden, in welchem Kontext, mit welcher Intention, etc., nicht OB Sie es verwenden.
    Weil ich die Dinge eben differenzierter sehe als Sie.

  93. @Illen
    Auf das “alt“ bestehe ich nicht, ich habe zuerst (#78) nur von männlichen weißen Menschen gesprochen. Das “alt“ kam da durch Sie und Zitate vorheriger Kommentare hinein.
    Merken Sie es eigentlich, wie Sie den Vorwurf, was ich gemacht haben soll, mit jeder Wiederholung ein kleines Stück weiter steigern? Und ich dachte, Sie wollten laut ihrem Kommentar #91 großzügiger Weise darauf verzichten, mir daraus einen Strick zu drehen (jemandem einen Strick drehen – gut, dass wir das mit der Sprachmagie geklärt haben)?
    Sie sagen, wenn ich mich in Zukunft zurückhalte, gewinnen alle etwas. Sind Sie sicher, dass auch wirklich alle gewinnen wollen? Vielleicht besprechen Sie mal mit LLL, wie man in solchen Fällen verfährt, bevor Sie dazu auffordern, sich zukünftig anders zu verhalten. Da Sie sich so in mich verbissen haben, frage ich mich, was gewesen wäre, wenn ich hier jemanden, sagen wir mal, “Idiot“ genannt hätte. Hätten Sie das sportlicher genommen oder ist dieses Privileg nur Männern vorbehalten?

  94. @103: Natürlich hat das was mit Gefühlen zu tun, vor Allem mit dem Nachempfinden von Gefühlen anderer (Emphatie).
    Das aufdröseln, wann genau Sie meinen, was sagen zu dürfen (was ist mit indirekter Rede? /s) ist m. E. nicht zielführend.
    Ich sag’s mal so: Wer das Wort vermeiden will, der schafft das auch!

  95. @108:
    Ich rede nicht von „dürfen“. Ich rede davon, dass es einen Unterschied ausmacht, in welchem Zusammenhang ein Wort verwendet wird. Bei „Hitler sagte, die Juden sind an allem schuld.“ impliziert der Indikativ im Nebensatz ein bisschen, dass ich das auch glaube; besser ist: „Hitler sagte, die Juden seien an allem schuld.“, oder: „Hitler sagte, die Juden wären an allem schuld.“, wenn ich betonen will, dass ich den Nebensatz _nicht_ glaube. Was das mit dem N-Wort zu tun hat? „Die Nazis nannten Jazz ‚N-Wort-Musik‘.“ Schnitt zu Hitler, der Enn-Wort-Musik, diesä schräckliche Änn-Wort-Musik!“ schreit.

    Natürlich, wer ein Wort nicht verwenden will, der lässt das einfach. Was ist mit Leuten, die z.B. aus beruflichen Gründen das Wort verwenden müssen, weil sie bspw. Schauspieler sind, die in einem Stück über die Südstaaten vorm Bürgerkrieg spielen?

  96. Ich erinnere mich daran, diese Diskussion schon einmal hier geführt zu haben.
    Kleinster gemeinsamer Nenner war damals, dass es sichtbare Unterschiede zwischen Individuen gibt, auf mehr konnte man sich nicht einigen.
    Ich will damit sagen: Bitte erwarte niemand, dass sich hier irgendwer einig wird, oder dass hier mehr als persönliche Empfindungen besprochen werden.

    Meine Meinung: Wer ein Wort benutzt, egal welches, will es benutzen. Alle Erklärungen, warum ein Wort verwendet wurde (oder verwendet werden darf), sind Erklärungen, warum man es verwenden will und besitzen daher keinerlei Allgemeingültigkeit.
    Wer ein Wort „aus Versehen“ verwendet, wird dank seiner Emphatie dazu verleitet sein, um Entschuldigung dafür zu bitten, z. B. weil er jemanden damit verletzt hat.

  97. @109: Der Schaupieler muss es mit sich selbst ausmachen, ob er die Rolle darstellen will, genauso wie Sie entscheiden müssen, ob Sie ein bestimmtes Wort aussprechen wollen, oder nicht.
    Da gibt’s kein „Verbot“ keine „Regel“ – Es ist eine individuelle Entscheidung.

    (Beim Schauspieler kommt hinzu, dass der Adressat / Leser / Zuschauer sehr wohl in der Lage ist, zwischen einer Rolle und dem Schauspieler zu unterscheiden, außer in so Ausnahmesituationen, wo sich der Schauspieler selbst spielt oder auch bei Brechts klassischem Theater.)

  98. Ich denke wir werden uns wohl einigen müssen, uns nicht zu verstehen. In meinen Augen sind Sie es, der jeden einzelnen Standpunkt, den Sie in #102 aufgreifen, nicht korrekt darstellt, ob jetzt unabsichtlich oder nicht. Ich versuche gern noch einmal darzustellen, warum ich das so sehe, aber im Übrigen würde ich dann sagen, wir müssen es eventuell dabei belassen, uns nicht zu verstehen.

    1. Der Begriff des wham sei sachlich, darauf weisen Sie hin, das hat aber auch niemand bestritten. Was bestritten wird, ist, dass wham nur sachlich ist (Ihre Formulierung u.a.: „er markiert nur eine Sprecherposition, die jahrelang nicht markiert wurde“). Das ist offensichtlich falsch, er wird tagtäglich auch abwertend verwendet.

    2. Bezüglich des Vergleichs wham und N-Wort schreiben Sie, bei wham unterstellten wir Kritiker eine klare Bedeutung, so dass man nicht darüber reden müsse, während man beim N-Wort ewig diskutieren und über Begriffsgeschichten reden solle.

    Da geht mit Verlaub aber alles durcheinander. Wir Kritiker sagen gerade, dass beide Ausdrücke sowohl sachliche, als auch negative Konnotationen haben (wobei die negativen des N-Worts deutlich deutlich stärker sind!), während Sie es sind, der darauf besteht, dass wham nur sachlich sei und das N-Wort nur, immer, und immer schon negativ.

    3. Zur Bedeutung des N-Worts schreiben Sie von „angeblichen Bedeutungsfitzeln; dass es, wie jmd hier allen Ernstes schrieb, Menschen gäbe, die ausdrücklich so genannt werden wollen.“

    Es scheint Ihnen dabei nicht klar zu sein, dass es das wirklich und tatsächlich gibt. Es gibt schwarze Menschen, für die das N-Wort eine gewünschte Selbstbezeichnung ist. Das haben o.g. Sozialumfragen mehrfach bestätigt. Das heißt nicht, dass irgendjemand hier deshalb das N-Wort verwenden will. Es bedeutet nur, dass Sie mit Ihrer Beschreibung des N-Worts als ausschließlichem Inbegriff aller europäischen Sklaverei-Greuel Unrecht haben. Das Wort ist eben deutlich komplexer. Mehr nicht!

    Alle Ihre Kritiker haben jetzt mehrfach betont, dass es nicht darum geht, das N-Wort im Alltag zu verwenden. Nehmen Sie das doch bitte zur Kenntnis. Es geht darum, dass Ihre Beschreibung des N-Worts sachlich unzutreffend sei [meine und LLLs Kritik] und dass die verklausulierte Bezeichnung als „N-Wort“ Sprachmagie sei, u.a. weil sich Menschen nicht plötzlich weniger verletzt fühlen, wenn sie das Wort kaschiert lesen statt ausgeschrieben [Kritischer Kritiker].

    Weil Ihre Darstellung des N-Worts aus den in #45 genannten Gründen mE sachlich grob unzutreffend ist, ist es selbstverständlich auch legitim, eine mythische Aufladung darin zu sehen, dass Sie das Wort geschichtlich überhöhen. Sie können nicht einfach sagen „das ist nicht so“. Wenn Sie das anders sehen, dann widerlegen Sie meine Kritik, oder nehmen wenigstens inhaltlich Stellung.

    4. Noch einmal ganz deutlich. Niemand hier will das N-Wort im Alltag verwenden. Niemand will ein Recht herbei fantasieren, schwarze Menschen mit dem N-Wort zu betiteln. Wenn Sie sich in Ihrem Artikelabsatz über das N-Wort damit begnügt hätten darauf hinzuweisen, dass es ein problematisches Wort ist, das eine komplizierte Geschichte hat, von dem man aber jedenfalls heute sagen könne, dass es zurecht als beleidigend verstanden wird, dann hätten Sie sich zwar für „N-Wort“ mit Kritischer Kritiker auseinandersetzen müssen, aber meine Kritik wäre Ihnen erspart geblieben.

    Aber das haben Sie nicht getan, sondern Sie haben geschrieben:
    “…Greiners Darstellung ist falsch […] Das N-Wort war immer ein herabsetzender Begriff, es steht am Beginn einer blutigen Historie von Ausbeutung, Versklavung und Ermordung einer heterogenen Gruppe von Personen allein aufgrund eines äußerlichen Merkmals, zu dem sie das Wort zusammenklumpt und entmenscht.“

    Und für diese sachlich grob falsche Darstellung ernten Sie jetzt Kritik, aus den von LLL und mir erschöpfend genannten Gründen.

    5. Zu Ihrem letzten Punkt schließlich noch einmal: Allen hier ist klar, dass wham abwertend gebraucht werden kann. Genauso ist allen klar, dass das N-Wort abwertend gebraucht werden kann. Ebenso ist allen klar, dass der Gebrauch des N-Worts gegenüber dunkelhäutigen Menschen weit weit schwerer wiegt als der Gebrauch von wham als Beleidigung. Etwas anderes hat hier niemand behauptet; soweit Sie das so verstanden haben lesen Sie bitte noch einmal nach. Möglicherweise meinen Sie das, weil Sie denken, jeder Einspruch gegen Ihre Behandlung des N-Worts müsse das doch sicher so meinen, aber das ist nicht der Fall. Diesbezüglich gibt es hier wirklich keine Unfairness oder Unverhältnismäßigkeit. Niemans stellt das N-Wort mit wham auf eine Stufe.

  99. Meines Erachtens muss man nicht automatisch „rechts“ sein um Änderungen oder Vermeidung von Worten abzulehnen.
    Dafür reicht auch die unter vielen Menschen verbreitete Ablehung von Veränderung völlig aus (Geben sie jemandem älteren Jahrgangs einen Computer mit neuem Betriebssystem und sie sie wissen was ich meine).

    Ich halte es sogar für naiv zu glauben, dass man Rassismus an hand von den benutzten Worten aufdecken kann. Es gibt sehr viele Arschlöcher auf der Welt die Wissen was gut ankommt und das Gegenteil davon gibt es auch zu hauf (siehe Hermann, CSU).

  100. #113 geht natürlich an Matthias Dell!

    #107 Sarah:

    Das „alt“ war nicht als Steigerung gedacht. Ich wollte Ihnen nicht das „alt“ noch extra vorwerfen. Ich bin aber ehrlich gesagt der Meinung, dass das für meinen Punkt keine Rolle spielt. Ob Sie nun in die Diskussion grätschen, und monieren, „weiße Männer“ nähmen zu viel Raum ein, oder „alte weiße Männer“ ist genau der gleiche sexistische Quatsch.

    Da Sie neben Herrn Dell nunmal eine (mehr oder weniger inhaltliche) Gegenposition einnehmen, ist es auch klar, dass ich mich mit Ihnen beschäftige. Wenn ich Ihnen quer durch übermedien hinterher rennen würde, wäre „verbeißen“ sicher eine berechtigte Diagnose, aber ich bitte Sie, das hier ist eine einzige Diskussion. Jetzt übertreiben Sie nicht :-)

  101. Natürlich sind Erklärungen, warum man ein Wort verwendet, Erklärungen, warum man ein Wort verwendet.

    Wenn jemand erklärt, dass sie oder er ein Wort aus nicht-rassistischen Gründen verwendet (weil es z.B. in einem Theaterstück über eine Zeit vorkommt, in der das Wort verwendet wurde, oder weil die betreffende Person ein Referat über die Nazi-Zeit oder die Rassentrennung oder Apartheit oderoderoder halten soll), dann kann es tatsächlich sein, dass diese Erklärung wahr ist und die Person tatsächlich keine Rassistin. Oder, wenn’s mal richtig kompliziert ist, sie ist doch rassistisch, die Verwendung des Wortes hatte trotzdem andere Gründe.

    Aber dann kommen Aussagen wie die, dass jede Verwendung des Wortes „Abwertung produzieren kann“, dass es also keine legitime, nicht-rassistische Verwendung des Wortes gebe, und dass daher alle diese Erklärungen Ausreden seien. Nein, das ist kein Verbot, das ist aber auch keine individuelle Entscheidung, das ist ein Pauschalurteil.

    Ich räume gerne ein, dass manche Erklärungen Ausreden von Rassisten sein können, aber selbst der Rassist muss nicht beweisen, kein Rassist zu sein, sondern der Ankläger muss beweisen, dass der Rassist Rassist ist. Was vllt. im Einzelfall nicht so ganz einfach ist, aber das hat ja auch niemand behauptet.

  102. Als jemand, der die Diskussion hier bislang passiv verfolgt hat, stünde es allen Beteiligten gut zu Gesicht, sich diese Seite (die Seite selbst ist off, FAQ sind noch einsehbar):

    http://www.derbraunemob. de/faq

    zu Gemüte zu führen und vielleicht eigene Meinungen noch einmal zu reflektieren, bevor man weiter kommentiert.

    Nicht zuletzt, um die Diskussion von dem Problemfeld zu befreien, dass (evtl) ausschließlich weiße Männer und Frauen ein Thema diskutieren, welches sie nicht direkt (aber selbstverständlich mittelbar) betrifft. Auch das „aber es gibt doch Schwarze, die das N-Wort nicht schlimm finden und/oder es für sich selbst verwenden“ – Argument wird aufgenommen.

  103. Was bestritten wird, ist, dass wham nur sachlich ist (Ihre Formulierung u.a.: „er markiert nur eine Sprecherposition, die jahrelang nicht markiert wurde“). Das ist offensichtlich falsch, er wird tagtäglich auch abwertend verwendet.

    Der Begriff der „Sprecherposition“ gehört zu der Vorstellungswelt, die ich hier kritisiere. Er abstrahiert vom Gehalt eines Arguments und reduziert es darauf, aus welcher Richtung es kommt. Das ist die Absage an die Aufklärung, die ich meine: Dass es auf das Argument nicht mehr ankommen soll, sondern auf „Betroffenheit“. Natürlich hat ein Schwarzer in Deutschland erfahrungsbedingt einen anderen Blick auf Rassismus als ein Weißer – aber daraus folgen keine verschiedenen Welten, keine unterschiedliche Wahrheit. Es gibt nur Perspektiven, die man in einem vernünftigen Diskurs zusammenbringen kann.

    Dass zu bestreiten, ist, glaube ich, der Kern des Problems: Dell und Sarah meinen, als weißer Mann befände ich mich in einer völlig anderen Wirklichkeit (obwohl ja auch Dell ein weißer Mann ist). Dass [Verbotenes Wort] allein aufgrund seiner Buchstabenfolge in geradezu jedem Kontext traumatisierend wirke, könne meiner einer schlicht nicht verstehen und müsse es einfach hinnehmen. Das bestreite ich, und ich halte die These für gefährlich, weil sie die Vernunft untergräbt.

    Meines Erachtens muss man nicht automatisch „rechts“ sein um Änderungen oder Vermeidung von Worten abzulehnen.

    Genau. Ich bin ein Linker, seit ich politisch denken kann. Mit 16 habe ich eine Gruppe namens J.a.g.u.a.r gegründet: „Jugendaktion gegen Unterdrückung, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus“. An meinen Grundsätzen hat sich seitdem wenig geändert. Ich rege mich nur über die moralische Überheblichkeit und theoretische Genügsamkeit einer linken Strömung auf, die Emanzipation mit der Befolgung von Sprachcodes verwechselt und die Idee einer freien und gleichen Menschheit zugunsten einer Unzahl von Identitätsansprüchen aufgibt. Das Civil-Rights-Movement der Sechzigerjahre war in dieser Hinsicht viel fortschrittlicher.

  104. @ILLEN
    Sie haben meine Aussage schon wieder noch ein bisschen weiter gedreht. Bei Ihnen muss ich scheinbar darauf achten, sofort zu widersprechen. Ich sagte, die Probleme von männlichen weißen Menschen nehmen in dieser Diskussion (um eine Bezeichnung für schwarze Menschen) zu viel Raum ein. Das ist ein Unterschied, dazu passt auch mein Vorschlag an genau einen Mann hier, die Perspektive zu wechseln.
    Wieso ist “weiße Männer“ sexistischer Quatsch und nicht rassistisch-sexistischer Quatsch?
    Margarete Stokowski: Warum es keinen Sexismus gegen Männer oder Rassismus gegen Weiße gibt

  105. @Sarah:
    Diskriminierung kann evt. nicht umgekehrt werden, wenn man vereinfacht annimmt, dass Machtgefälle immer und überall dieselbe Richtung haben. (Die Welt ist etwas komplizierter als das, aber fürs Argument.)
    Aber Vorurteile kann man auch gegenüber Leuten mit mehr Macht als man selbst haben, und Hass kann jederzeit erwidert werden.
    Ergo kann z.B. eine Frau (abwertende) Vorurteile gegenüber Männer haben und sie deshalb hassen.
    So zu tun, als wäre das nicht so, oder als wäre das moralisch etwas anderes, ist ein ziemlich billiger Trick.
    Niemand hält in übrigen nicht-männliche, nicht-hetero, nicht-weiße oder jugendliche Personen davon ab, sich an dieser Diskussion zu beteiligen. Ihre Beschwerde, dass besagte Personen sich nicht beteiligen, geht also an die falsche Adresse.

  106. @ Matthias Dell:

    „Ich habe nie was von ‚dürfen‘ gesagt, ich habe, wie weiter oben gesagt, dass es meine freie Entscheidung ist und kein sprachmagisches Denken, dass ich die Umschreibung benutze, weil ich nicht ohne Not und selbst in kritischer Absicht das Wort reproduzieren möchte. Und mir diese Entscheidung nicht zuzugestehen bzw. sie als Sprachmagie zu veralbern – was wäre denn das? Ihre Darlegung blendet völlig aus, dass das Wort ausgeschrieben auch dann Abwertung produzieren kann, wenn es kritisch gemeint ist.“

    Tatsächlich? Das hatte ich etwas anders verstanden. Sie hatten geschrieben:

    „…stattdessen suchen wir jetzt nach dem Fitzel Bedeutungsebene, dem Härchen Etymologie, dem Hauch von metasprachlichen Zusatzkategorien, die das N-Wort irgendwie doch noch retten können als Name der Abwertung zur Ausbeutung, wir schwimmen raus zu ganz anderen Worten, die irgendwie auch abwertend gebraucht werden können, wir greifen zusammenhanglos Geschichtspartikel, um das N-Wort irgendwie doch nicht loslassen zu müsse…weil wir dieses Wort einfach nicht verlieren dürfen an den Rassismus, nein, nein, nein, da muss doch irgendwo noch ein Notausgang in die Unschuld drinstecken, weil wenn wir das Wort nicht mehr hätten, dann stünden wir vor unserer problematischen Kolonialgeschichte und müssten in diesen Abgrund schauen und auf uns und was das mit uns zu tun hat…“

    Das klingt doch eher so, als würden Sie Leuten, die das N-Wort auch nur in einem strikt metasprachlichen Kontext verwenden, unterstellen, sie wollten das N-Wort in einem ziemlich fragwürdigen Sinne „retten“. Tatsächlich klingt das doch sogar so, als würden Sie insinuieren, dass solche Leute PRIMÄR das N-Wort „retten“ wollten, und zwar um den Kolonialismus verdrängen zu können, und dass sie sich dann SEKUNDÄR zu diesem Behuf irgendwelche konstruierten Argumente (wie etwa den „Hauch von metasprachlichen Zusatzkategorien“) quasi aus den Finger saugen.

    (Was ein angeblicher Versuch, das N-Wort zu „retten“ mit dem Wunsch, die Kolonialgeschichte verdrängen zu wollen, zu tun haben könnte, erschließt sich zumindest mir nicht. Ich bin außerdem der Letzte, der ein Problem damit hat, die „problematische Kolonialgeschichte“ des Westens einschließlich Deutschlands zu thematisieren und auch moralisch anzuprangern. Deswegen darf ich aber trotzdem die sprachtheoretischen und sprachhistorischen Prämissen einiger Ihrer Behauptungen bezüglich des N-Worts kritisieren, oder nicht?)

    „Ihre Darlegung blendet völlig aus, dass das Wort ausgeschrieben auch dann Abwertung produzieren kann, wenn es kritisch gemeint ist.“

    KANN. Das kommt auf den Kontext an. Sowie bei „lebensunwertes Leben“, „Untermensch“ usw. auch.

    Vor allem aber bezeichnet der Ausdruck „N-Wort“ genau dasselbe wie das ausgeschriebene Wort „N…r“, wenn letzteres in Anführungszeichen gesetzt und metasprachlich verwendet wird.
    Die Sätze „Das ‚N-Wort‘ sollte vermieden werden“ und „Das Wort ‚N[ausgeschrieben]‘ sollte vermieden werden“, sind bedeutungsgleich.
    Denn die Bedeutung des Subjekts ist in beiden Fällen das (objektsprachliche) Wort *N….r* (und nicht etwa die mit diesem Wort bezeichneten Leute).

    Nun zu behaupten, dass der potentiell abwertende Charakter des Wortes, der auch in einem metasprachlichen Kontext gegeben sein mag, davon abhängt, ob das Wort in Anführungszeichen gesetzt und ausgeschrieben oder aber durch „N-Wort“ ersetzt wird, wäre wohl ein wenig viel behauptet.

    Der einzige ernsthafte Grund, das N-Wort anzudeuten statt es auszuschreiben, könnte darin bestehen, dass erstgenannte Variante einigen Lesern angenehmer und „schonender“ anmutet als die zweite, die ihnen vielleicht verhasster ist.
    Das mag in gewissen Fällen tatsächlich ein Argument von Gewicht sein, vor allem, wenn die Leser tatsächlich Schwarze sind, die das so empfinden.
    Das Argument ist aber ähnlicher Art wie das Argument dafür, dass wir gewisse „derbe“ Ausdrücke oftmals nur andeuten und nicht ausschreiben. Es ist eine Frage der Sprachästhetik, keine der Sprachbedeutung oder Sprachlogik.

    So zu tun, als läge darüber hinaus in der im Grunde ja völlig arbiträren „ausgeschriebenen“ Folge der Laute bzw. Buchstaben eines bestimmten Wortes irgendein besonderes Übel, dürfte wohl tatsächlich eine etwas problematische Vorstellung von Sprache zum Ausdruck bringen.

    „…dass es, wie jmd hier allen Ernstes schrieb, Menschen gäbe, die ausdrücklich so genannt werden wollen…“

    Ja, das war ich.
    Genau genommen habe ich darauf hingewiesen, dass es laut Wikipedia Schwarze in den USA gibt, die als „N…“ bezeichnet werden wollen. (Die Wikipedia belegt diese Behauptung auch.)
    Zum einen geschah das im Zusammenhang mit meiner Kritik an Ihrer These, dass das N-Wort schon immer herabsetzend gewesen sei. Der Kontext war, dass das N-Wort nicht nur im allgemeinen (US-amerikanischen) Sprachverständnis als sachlich und neutral (bzw. offenbar sogar höflich) galt, sondern auch die von den Schwarzen präferierte Selbst-Bezeichnung war. In diesem Zusammenhang habe ich die Information, dass einige Schwarze heute noch als „N…“bezeichnet werden wollen (so wie zahlreiche andere Informationen) genannt.

    Der zweite Zusammenhang war, dass ich gesagt habe, dass ich eine Verwendung des N-Wortes gegenüber Schwarzen, die sich nach wie vor mit diesem Wort identifizieren und so genannt werden WOLLEN, „vielleicht“ für legitim halte. Es war der einzige Fall, von dem ich erklärt habe, dass ich die objektsprachliche Verwendung des N-Wortes für diskutabel halte.

    Was daran nun so schlimm ist, dass Sie ein „allen Ernstes“ hinzufügen müssen, erschließt sich mir nicht.

    „Das stand ja auch woanders, dass, wenn ein Schwarzer hier nicht N-(Wort) genannt werden wollte, ihm trotzdem auseinandergesetzt werden würde, dass man das zwar verstehen kann, es aber trotzdem nicht ganz falsch ist.“

    Ich weiß nicht, ob das auf mich abzielt, vermute es aber. Sie beziehen sich wohl auf diese meine Äußerung:

    „Wäre Herr Dell ein Schwarzer, der selbst Diskriminierung erlebt hat, dann würde ich meiner Kritik vorausschicken, dass ich seine Erfahrungen sehr bedauere und große Sympathie für sein grundsätzliches Anliegen hege, auch wenn ich einige seiner Thesen und Argumente für problematisch [h]alte; so habe ich darauf verzichtet.“

    Wenn ein Schwarzer nicht mit dem „N-Wort“ genannt werden will, dann ist das selbstredend zu respektieren. Wie gesagt bin ich GENERELL gegen den Gebrauch des Wortes – mit den gerade genannten (potentiellen) sehr engen Ausnahmen.
    Wenn ein Schwarzer in einem an die Öffentlichkeit adressierten Text sachlich falsche Behauptungen (etwa auch bezüglich des N-Wortes) aufstellt, dann würde ich das natürlich ebenfalls kritisieren. Wenn er etwa wie Sie behaupten würde, dass das N-Wort stets schon herabsetzend war, dann würde ich ebenfalls auf der Grundlage von Argumenten darauf hinweisen, dass das offenbar nicht stimmt – auch wenn das N-Wort jetzt als herabsetzend gilt und daher vermieden werden sollte.
    Nur würde ich dann die von Sarah geforderte „Empathie“ deutlicher zeigen und etwa betonen, dass ich das grundsätzliche emanzipatorische Anliegen des Autors sehr schätze und respektiere, dass ich seine negativen Erfahrungen sehr bedauere usw., auch wenn ich einige seiner Auffassungen für problematisch halte.
    Diese meine Position so zu „paraphrasieren“, wie Sie das in dem weiter oben zitierten Satz tun (falls meine Vermutung stimmt und Sie ich auf mich beziehen), wäre ziemlich unfair und irreführend.

    Es fällt generell auf, dass Sie es vollständig unterlassen, sich inhaltlich mit meiner relativ detailliert ausgeführten Kritik an verschiedenen Ihrer Positionen auseinaderzusetzen. Außer man bezeichnet es als „auseinandersetzen“, wenn Sie einige meiner Positionen in grob sinnentstellender und ironisierender Weise kurz streifen.
    Sie können natürlich eingehen, worauf Sie wollen. Aber mit einer besonderen Unhöflichkeit oder Polemik meinerseits können Sie Ihre Diskursverweigerung wohl kaum begründen.

    Sie können natürlich sagen, dass meine Beiträge kein einziges rationales Argument enthielten, mit dem sich eine Auseinandersetzung lohnen würde.
    Jeder kann sich indes mühelos überzeugen, dass das nicht der Fall ist. Meine Beiträge sind voll von schlüssigen Argumenten (etwa dem Verweis auf historische Fakten oder auf einfache sprachtheoretische Überlegungen wie die, dass ein Wort keine „intrinsische“ Bedeutung besitzt, sondern dass die Bedeutung eines Wortes konstitutiv vom Sprachverständnis und Sprachgebrauch einer Sprachgemeinschaft abhängt).

    Ich glaube, dass Sie sich ausgesprochen schwer tun würden, meine Kritik überzeugend zu widerlegen, wenn Sie dies in sachlicher, ernsthafter Weise versuchen würden. Und ich glaube, dass Sie das wissen und es genau deswegen auch unterlassen. Und dass Sie es deswegen vorziehen, die eine oder andere ironische Bemerkung zu einer entstellten Version einzelner Äußerungen von mir fallen lassen.

    Sie werden das vermutlich abstreiten (und mir vielleicht auch noch mit auf den Weg geben, dass ich mich wohl gehörig selbst überschätze und ähnliches). Aber es kann sich ja jeder sein eigenes Bild machen darüber, ob meine Beiträge ernsthafte, diskussionswürdige Kritik enthalten oder nicht, und ob Sie meine Kritik mutmaßlich ignorieren, weil diese so schwach ist, oder weil sie eben doch ziemlich stark ist. (Damit stelle ich selbstredend nicht infrage, dass auch andere Leute viele gute Argumente äußern.)

    @ alle:

    Dass Deniz Yücel dem Streichen des N-Wortes aus Kinderbüchern kritisch gegenübersteht, heißt wohl nicht unbedingt, dass er ein „Rechter“ wäre.

    http://www.taz.de/!5068913/

    Eine Streichung des Wortes würde ich persönlich befürworten, falls dies dem Wunsch der Mehrheit der Schwarzen entspricht. Abgesehen davon ist eine gewisse Anpassung an einen veränderten Sprachgebrauch ja auch etwas Normales; man ersetzt in entsprechenden (Kinder)büchern sicherlich auch „Weib“ durch „Frau“. Und vermutlich empfinden viele Schwarze das N-Wort als beleidigender als die meisten Frauen das „Weib“ (auch wenn ich wie gesagt keine Umfrage kenne).

    Die Streichung des „Weibes“ aus moderneren Textausgaben dürfte allerdings wohl kaum damit begründet werden, dass der Ausdruck „Weib“ sozusagen „objektiv“ (und entgegen dem Konsens der Sprachgemeinschaft) schon immer herabsetzend gewesen sei. Man würde eine „Verwerflichkeit“ dieses Wortes wohl auch kaum damit begründen, dass es am Anfang einer Geschichte exzessiver Diskriminierungen gestanden habe, oder damit, dass es die heterogene Gruppe der Frauen auf Grundlage eines äußeren Merkmals „zusammenklumpen“ und „entmenschen“ würde.

    Vielmehr würde man vermutlich darauf hinweisen, dass „Weib“ früher durchaus als sachlicher, wertfreier Begriff für Frauen diente (ungeachtet der Tatsache, dass Frauen vielfach diskriminiert wurden), dass sich die Bedeutung des Wortes „Weib“ aber gewandelt habe, da es inzwischen in den meisten Kontexten negativ konnotiert ist.

    Ich frage mich, was eigentlich dagegen spricht, in einer vergleichbar ehrlichen, rationalen und schlichten Weise dafür zu argumentieren, dass das „N-Wort“ durch andere geeignete Wörter ersetzt werden sollte.

    Wieso wird stattdessen irgendein Wort mit wechselhafter und teils positiver Geschichte derart verfemt, dass man meinen könnte, es sei der zu Buchstaben geronnene Rassismus schlechthin – und genau dies auch schon immer gewesen?
    Wieso wird jede historische Differenzierung, die auf einen sprachlichen Bedeutungswandel hinweist, delegitimiert, jedenfalls als suspekt dargestellt?

    Wieso wird eine mit Ideen verknüpfte willkürliche Folge von Lauten – etwas anderes ist ein Wort im Prinzip ja nicht – so sehr überhöht und mit Bedeutung aufgeladen, dass es bereits als kritikwürdig gelten soll, das Wort zu nennen, wenn man just über es spricht?
    Ein Wort, das zudem „nur“ eine negative Konnotation hat, aber keine negative oder gar zutiefst menschenverachtende Denotation, wie das etwa bei „lebensunwertes Leben“, „Untermensch“ und „Rassenschande“ gegeben ist?

    Und wieso werden wir das eine um das andere mal mit Argumenten traktiert, die teils von einer solchen Irrationalität sind, dass wir kaum glauben wollen, dass sie ernst gemeint sein können?

    Und wieso hat man sich seinerzeit nicht um den Willen der Schwarzen gekümmert? Wieso hat es einen nicht interessiert, dass sie mit dem N-Wort (und nicht als „Schwarze“) adressiert werden wollte?
    Und wieso findet man (jedenfalls bei mäßiger Recherche) keine Ergebnisse dazu, was die Schwarzen später (etwa in den 80er, 90er Jahren) wollten? Wieso hat deren Wille in der öffentlichen Debatte, wie man die Schwarzen benennen soll, vermutlich insgesamt keine große Rolle gespielt?

    Wieso wird ein solcher allem Anschein nach auch gegen den Willen der Betroffenen durchgesetzter Sprachwandel, der den Schwarzen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überhaupt nichts Gutes gebracht hat, sondern höchstwahrscheinlich eher von echten Problemen ablenkt und Unwillen und Konflikte nach sich zieht, kaum je kritisch reflektiert? (Auch wenn der Sprachwandel heute eine Tatsache ist, die wir akzeptieren sollten, könnte doch ein kritischer Blick in die Vergangenheit lehrreich sein.)

    Und wieso werden solche kritischen Fragen selten gestellt?

  107. #118 Sarah:

    Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Sie die postmoderne Erzählung vom nicht möglichen Rassismus gegen Weiße und dem nicht möglichen Sexismus gegen Männer Ernst nehmen. Die Begriffsverengung (um nicht zu sagen Entleerung) die notwendig ist, um das anzunehmen, ist doch offensichtlich. Dazu noch ein Link von Margarete Stokowski, der wahrscheinlich bildungsfreisten, eindimensionalsten Frau, die jemals irgendwo eine Kolumne schreiben durfte; quasi die Personifizierung sämtlicher Klischees über nachteilige Folgen von Frauenquoten. Ich nehme das mal als geglückten Versuch Ihrerseits, mich etwas zu piesacken.

    Während ich Ihre Interpretationen bzgl. „alt“ und „verbeißen“ nach wie vor als überdreht betrachte haben Sie bzgl. der „Probleme weißer Männer“ Recht. Sie haben damit inhaltlich mE nicht Recht, denn es wird nach wie vor über das N-Wort geredet (es war von Anfang an eine Metadiskussion über Wortbedeutungen und keine über Probleme von Bevölkerungsgruppen). Die Verkürzung nehme ich aber zurück.

  108. #117 Kritischer Kritiker

    Der Begriff der „Sprecherposition“ gehört zu der Vorstellungswelt, die ich hier kritisiere. Er abstrahiert vom Gehalt eines Arguments und reduziert es darauf, aus welcher Richtung es kommt.

    Inhaltlich stimme ich Ihnen voll zu. Es ist schon eine seltsame Annahme, jemand könne nur durch persönliche Betroffenheit gültige Einsichten in einen Sachverhalt erlangen. Das ist so offensichtlich unrichtig, dass man sich wirklich fragt, wie ein vernünftiger Mensch so etwas annehmen kann. Dass das gerade auch sehr gern „weiße“ Aktivisten/Journalisten behaupten, nur um sich anschließend über die Bedeutung des N-Worts für Schwarze auszubreiten, ist dann auch nur noch eine weitere ironische Umdrehung in diesen längst freidrehenden ideologischen Ecken.

    Ich habe den Begriff „Sprecherposition“ im Gespräch mit Herrn Dell übernommen, weil es auch als Beschreibugn eines sachlichen Wortkerns nicht gänzlich falsch ist bzw. es den eigentlichen Punkt mehr ins Zentrum rückt (dass jedes Wort neben seiner Denotation auch negative Konnotationen haben kann, eine Einsicht, der sich Herr Dell aus mir unbegreiflichen Gründen anscheinend verweigert).

  109. #120 LLL:

    Dass Deniz Yücel dem Streichen des N-Wortes aus Kinderbüchern kritisch gegenübersteht, heißt wohl nicht unbedingt, dass er ein „Rechter“ wäre.

    Dass Herr Dell den Widerspruch seiner Position zu offensichtlich nicht rechten Veröffentlichungen, die ihm genauso offensichtlich widersprechen, nicht adressiert, finde ich auch bemerkenswert. Siehe auch den von Kritischer Kritiker verlinkten Ijoma Mangold (einem tatsächlichen Afrodeutschen). Gerade wenn man vertritt, dass „Sprecherpositionen“ eine gültige Analysekategorie ist, müsste Herr Dell als Weißer jetzt eigentlich seinen Standpunkt aufgeben. Er wird ja wohl kaum einem Schwarzen erklären wollen, wie der das N-Wort zu verstehen habe.

    Aber das ist nur ein weiterer Widerspruch in einer zutieft widersprüchlichen Denkschule.

  110. @Illen: „negro“ bedeutet ja auch nur „schwarz“, ist also auch rein deskriptiv, wie „wham“, oder wie?

  111. @ Sarah:

    „Ich sagte, die Probleme von männlichen weißen Menschen nehmen in dieser Diskussion (um eine Bezeichnung für schwarze Menschen) zu viel Raum ein.“

    Ganz ernst gemeinte Frage: Was hat es beispielsweise mit den Problemen alter weißer Männer zu tun, wenn Herr Dell sagt, dass das N-Wort stets abwertend gewesen sei?
    Oder was hat es mit den Problemen alter weißer Männer zu tun, wenn jemand kritisiert, dass Herr Dell da nicht richtig liegt und das N-Wort zeitweise als ganz normales Wort galt, und zwar auch bei den Schwarzen selbst (auch wenn das N-Wort heute negativ konnotiert und zu vermeiden ist)?
    Oder darf Herr Dell bestimmte Behauptungen aufstellen, aber andere dürfen seine Behauptungen auch mit absolut sachlichen Argumenten nicht infragestellen, weil sie sich sonst den Problemen alter weißer Männer widmen?

    Und was hat eine „Sprach-Diskussion“, wie wir sie hier führen, mit (fehlender) „Empathie“ zu tun? Es geht doch nicht darum, ob man auf Schwarze Rücksicht nehmen soll, was ja unbestritten ist, sondern vor allem um sprachtheoretische und sprachhistorische Fragen. Um Fragen, die vor allem durch Herrn Dells Artikel selbst aufs Tablett gebracht wurden und insofern absolut „on topic“ sind.

    Es wäre an Ihnen, erstens zu zeigen, wieso beispielsweise der Hinweis, dass die Geschichte des N-Wortes wechselhafter ist, als Herr Dell das suggeriert, etwas Wesentliches mit den Problemen alter weißer Männer zu tun haben soll.
    Doch selbst WENN Ihnen das gelingen sollte, bliebe immer noch darzulegen, wieso ein Hinweis auf die Wortgeschichte des N-Wortes in einer Diskussion zu einem Text, in dem es u.a. um die Wortgeschichte des N-Wortes geht, unangemessen sein sollte.

    Zum Artikel von Stokowski. Sie schreibt:

    Natürlich steht und fällt diese These [dass Männer und Weiße nicht als Männer bzw. Weiße diskriminiert werde können] mit der Frage, wie man Diskriminierung definiert. Wenn man jede persönliche Ablehnung oder auch nur Benennung von gesellschaftlichen Gruppen als Diskriminierung sieht, okay. Dann können auch Weiße und Männer diskriminiert werden. Wenn man aber Diskriminierung als einen Mechanismus versteht, der unterdrückte Gruppen oder Minderheiten von gesellschaftlicher Teilhabe und Gleichberechtigung fernhält, dann ist das eine Erfahrung, die Weiße und Männer als solche in dieser Welt nicht machen können. Es kann Vorurteile gegen sie geben, es kann Gewalt, Mobbing, unfaires Verhalten geben, oder Witze über sie, aber keine Diskriminierung.

    Das ist ein falsches Dilemma. Man kann Diskriminierung nämlich einfach beispielsweise auch als eine ungerechte Benachteiligung einer Person aufgrund bestimmter Eigenschaften definieren. Das ist eine naheliegende und gebräuchliche Definition. Und nach ihr können natürlich auch beispielsweise Männer diskriminiert werden – so könnte es etwa eine Diskriminierung in diesem Sinne darstellen, wenn Väter im Fall einer Trennung weit weniger Rechte in Bezug auf das Kind haben (und mehr noch: hatten) als Mütter. Oder wenn der Exhibitionismus von Männern de jure härter bestraft wird als der von Frauen.
    Wie Illen habe auch ich den Eindruck, dass Stokowski durch eine Engführung einer Definition bestimmte (potentielle) Formen der Diskriminierung schlichtweg „wegdefiniert“.

    Was zudem oftmals auch vergessen wird: Irgendein bildungsferner männlicher Hilfsarbeiter ist nicht unbedingt privilegiert, sondern höchstens das abstrakte „Kollektiv“ seiner Gruppe. Ich glaube, es war Thomas Fischer, der sinngemäß einmal in etwa formulierte, dass ein „biodeutscher“ männlicher Geringverdiener aus der Unterschicht (auch interessenmäßig) weit mehr mit einer für wenig Bezahlung Frau mit Migrationshintergrund gemein hat als mit einem weißen deutschen männlichen Multimillionär.
    Das ist natürlich auch nur EINE Perspektive unter mehreren, das gebe ich sofort zu. Es ist aber bemerkenswert, wie diese eigentlich bedeutsame Perspektive inzwischen kaum noch Beachtung findet, auch nicht unter „Linken“.

    Siehe dazu auch „Das Ende des progressiven Neoliberalismus und der Niedergang der Linken“ von der feminitischen Philosophie-Professorin Nancy Fraser – der Artikel bietet auch einen Teil der Erklärung für Trumps Aufstieg.:
    http://norberthaering.de/de/27-german/news/1075-fraser

    Aber das ist ja eigentlich alles „off topic“. Die Frage, ob Männer diskriminiert werden können oder nicht, hat nicht direkt mit der Frage zu tun, ob Herr Dells hier kritisierten Thesen wahr oder unwahr sind.

  112. Wie schon bei einer anderen Diskussion (Thema Mathe) festgestellt:
    Welche Erkenntnisse kann ein Thema liefern, das nur auf dem Papier existiert?
    Klar sind Mathemathiken mit 1+1=3 denkbar, aber die haben in unserem beoachtbaren Universum keine Relevanz.
    Ebeso sind männerfeindliche Systeme denkbar, aber irrelevant, da unser System inhärent Frauen, nicht Männer, diskriminiert.
    Muss ich das jetzt belegen oder reicht da z. B. das Buzzword „Gender-Pay-Gap“ oder „Frauenbeauftragte“?

    Also, warum lassen sich Rechte so ungern als rechts bezeichnen?
    Meine Vermutung: „Rechts“ ist gesellschaftlich negativ konnotiert und es soll nicht auffallen, dass man eine rechte Position vertritt.
    Daher auch so viele Worte und keine Aussage. Daher auch das zwanghafte Ablenken auf „1+1=3“. Daher auch Euphemismen, wie „Ethnopluralismus“. Daher auch „political correctness“ als Kampfbegriff. Man ist lieber Opfer einer herrschenden PC-Kaste, statt Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen (und eventuell Kritik dafür zu ernten).
    Mir deucht, Einige sind von ihrer Freiheit überfordert.

  113. Was Frau Stokowski betrifft, wenn Frauen weniger verdienen als Männer, ist das die Schuld von Männern, weil es natürlich im Interesse von Männern liegt, mehr Geld zu verdienen. Wenn Männer öfter Arbeitsunfälle haben und bei diesen Unfällen häufiger sterben als Frauen, ist das aber nicht die Schuld von Frauen, die natürlich ein Interesse daran haben, nicht zu sterben, sondern auch die Schuld von Männern, weil nur Männer die Macht haben, Frauen von gefährlichen Berufen abzuhalten.

    Man könnte das so formulieren:
    „Man ist lieber Opfer einer herrschenden Kaste, statt Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen (und eventuell Kritik dafür zu ernten).“ Die herrschende Kaste nach Frau Stokowski sind Männer, und wenn man sie damit konfrontiert, dass Frauen in vielen Bereichen deutlich besser wegkommen als Männer, kommt nur „Das Patriarchat schadet eben auch Männern.“ Warum die patriarchaische Weltverschwörung das tun sollte, weiß sie selber nicht. Also Frau Stokowski jetzt, nicht die patriarchaische Weltverschwörung.

  114. @ Anderer Max und @ alle:

    „@Illen: ’negro‘ bedeutet ja auch nur ’schwarz, ist also auch rein deskriptiv, wie wham‘, oder wie?“

    Etymologisch gesehen hat wohl keines dieser Wörter wesentliche Vor- oder Nachteile gegenüber dem anderen. Vielleicht könnte man sie – in einem gewissen Sinne jedenfalls – sogar als Varietäten eines einzigen Wortes betrachten.
    Aber die Bedeutung (einschließlich Konnotation) eines Wortes hat ja nicht unbedingt viel mit Etymologie oder auch der historischen Verwendung eines Wortes zu tun.

    Dass heute das „N-Wort“ negativ konnotiert ist, und nicht das Wort „Schwarze“, ist letztlich allein das Ergebnis kontingenter historischer Faktoren. Es könnte auch gerade umgekehrt sein, worauf etwa der Umstand hindeutet, dass das N-Wort früher unter Schwarzen beliebt war und (laut Wikipedia) „Farbige“ als höflichstes Wort abgelöst hatte. Und es ist nicht mal ausgeschlossen, dass das N-Wort in ein paar Jahrzehnten wieder salonfähig und sogar erneut die präferierte (Selbst)bezeichnung von Schwarzen sein wird. Das wäre weder begrüßenswert noch schlimm, sofern eine solche Wandlung ohne Druck und in Übereinstimmung mit den Wünschen der Schwarzen zustandekommt. Sprache wandelt sich eben.

    Es gilt natürlich auch ganz allgemein, dass die Konnotation von Wörtern relativ willkürlich ist und sich ändern und entwickeln kann. Einem Wort, verstanden als Lautfolge, kommt überhaupt keine „intrinsische“ Konnotation (oder auch Denotation) zu, sondern eine Bedeutung wird ihm von rationalen Subjekten gewissermaßen von außen „zugesprochen“ oder „beigelegt“. Per (informeller) Konvention einigt man sich, dass man eine bestimmte Lautfolge als Zeichen für dies oder jenes verwenden will. Man hätte sich auch ganz anders einigen können: Statt dass das Wort „Tisch“ ein bestimmtes Möbelstück bezeichnet, könnte es auch bestimmtes Gewässer bezeichnen. Die Frage, was die Laut- bzw. Buchstabenfolge „Tisch“ unabhängig von sprachlichen Konventionen „eigentlich“ und „in sich selbst“ bedeutet, ist daher schlichtweg sinnlos. In derselben Weise wird einem Wort auch sein „Beiklang“, seine Konnotation, durch die jeweilige Sprachgemeinschaft erst „gegeben“.

    Deswegen ist die Auffassung, dass ein Wort zeitlos und unabhängig vom jeweiligen historischen Sprachgebrauch etwas (Übles) bedeute, und dass die Sprachgemeinschaft und selbst ein Martin Luther King das nur nicht „gemerkt“ hätten, in etwa so sinnvoll wie die Behauptung, dass eine rote Ampel „eigentlich“ bedeuten würde, dass man zulaufen soll, und dass die Leute (und auch die Verkehrsbehörden) diese „wahre“ Behauptung der roten Ampel einfach „verkennen“ würden. Denn auch eine rote Ampel bedeutet „in sich“ überhaupt nichts; ihre Bedeutung kommt allein daher, dass man ihr per Konvention eine Bedeutung „zuerkennt“ und sie so in einem Akt normativer Setzung zu einem Zeichen für etwas MACHT.

    Das soll kein Argument sein, um das N-Wort im heutigen Sprachgebrauch zu legitimieren; auch wenn eine Konnotation mit einer gewissen Willkür vergeben wird und nicht irgendwelchen Lautfolgen „inhäriert“, existiert sie ja doch. Nur hat man bei machen Leuten eben das Gefühl, dass das N-Wort in ihren Augen eine „genuine“, subjekt-unabhängige, „obkjektive“ Bedeutung hat, die zutiefst negativ ist. Das erklärt vielleicht auch eine gewisse Undifferenziertheit und Verbissenheit auch im Streben nach einer möglichst vollständigen „Damnatio memoriae“ eines Wortes, das früher neutral oder positiv konnotiert war.

    Wie Leute mit einem gewissen Bildungs- und Reflexionsniveau allerdings derart krassen Missverständnissen im Hinblick darauf, wie Sprache und Bedeutung zusammenhängen, erliegen können, ist mir – bei allem Respekt – schleierhaft. Ich vermute, dass sie so sehr bestrebt sind, für die gute Sache zu kämpfen, dass sie es unterlassen, ihre eigenen Argumente zu prüfen.

    Ich glaube aber nicht, dass diese Art von gutem Wille goutiert wird. Ich denke eher, dass viele Leute spüren, dass mit solchen Argumenten was nicht stimmt, auch wenn sie nicht sagen können was genau. Das Gegenteil von „gut“ ist allzu oft „gut gemeint“.

  115. „Nur hat man bei machen Leuten eben das Gefühl, dass das N-Wort in ihren Augen eine „genuine“, subjekt-unabhängige, „obkjektive“ Bedeutung hat, die zutiefst negativ ist“

    Auch hier wieder: Ist doch egal. Ihr ganzes Argument basiert darauf anderen zu unterstellen, sie wollten nicht verstehen, dass die negative Wortbedeutung nicht inhärent ist.

    Mein Standpunkt ist ein anderer, nämlich der eines aufgeklärten Menschen, der sowohl Praxisrelevanz, als auch Eigenverantwortung (zu mindest für die eigene Sprache) durchaus einordnen kann und anderen Menschen („Leute mit einem gewissen Bildungs- und Reflexionsniveau“) die gleichen Fähigkeiten unterstellt:
    Was hindert mich daran, auf einen Begriff, den viele betroffene Menschen als diskrimierend empfinden, zu verzichten? Was ist das Agument, nicht darauf zu verzichten, wenn ich darum gebeten werde?

    Und dann sind wir auch ruckzuck wieder beim Titelthema:
    Ich will mich nichts rechts nennen lassen, will aber auch nicht auf das Wort verzichten. Beides geht halt nicht, zumindest nicht ohne Widerspruch.

    Das ist dieses Standardmantra: „Wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ Ja, natürlich, aber dann bitte mit entsprechendem Gegenwind rechnen!

    Analog noch mal: Hat hier schon mal jemand einen Linken rumnörgeln sehen, dass er links genannt wurde?

  116. Oh, das geht unter Umständen widerspruchsfrei. Bzw., es geht vllt. nie ohne Widerspruch, aber der Widerspruch erfolgt manchmal zu unrecht.

    Ein Beispiel wäre z.B. ein Schauspieler, der einen Nazi spielt. Natürlich darf der Schauspieler in seiner Rolle verfassungsfeindliche Symbole verwenden, ohne deshalb „rechts“ genannt zu werden. Ergo darf er auch das N-Wort in seiner Rolle verwenden, ohne deshalb „rechts“ genannt zu werden.
    Und was die Kunst darf, darf die Wissenschaft auch. Natürlich ist das Wort nicht „unschuldig“, aber ebenso natürlich gibt es Situationen, wo man „schuldige“ Wörter verwenden kann, ohne sich selbst schuldig zu machen.

    Mir ist klar, dass Greiner sehr wahrscheinlich keine Rolle spielt, wenn er für eine Zeitung schreibt, und ob seine Artikel als Wissenschaft gelten, sollen andere beurteilen als ich, und die Argumentation, warum Greiner als „rechts“ eingestuft werden kann, wäre auch ohne N-Wort schlüssig, insofern kann man Greiner gerne als rechts einstufen, aber das gilt jetzt für Greiner und nicht als Blankoargument.

    „Analog noch mal: Hat hier schon mal jemand einen Linken rumnörgeln sehen, dass er links genannt wurde?“ Nein, aber diese Linke versuchen auch nicht, die „bürgerliche Mitte“ zu unterwandern. Rechte hingegen versuchen dass und sind entsprechend unzufrieden, wenn sie dabei erwischt werden. (Oder Linke sind entschieden besser darin, die bürgerliche Mitte zu unterwandern, und werden daher nie erwischt.)

  117. @Illen
    Erstaunlich frauenfeindliches ad hominem für jemanden der meint “weiße Männer“ ist sexistischer Quatsch. Diskriminieren und dabei selbst beim geringsten Anlass “Diskriminierung“ rufen. Es ist genau diese Aneignung der Diskriminierung, die ich so schlimm finde, da sie tatsächlich Diskriminierten die Möglichkeit nimmt, über die erfahrene Diskriminierung zu sprechen und die Machtstrukturen dahinter sichtbar zu machen. Plötzlich ist jeder Opfer aber “weiße Männer“ schreien am lautesten, weil sie es können, weil sie die Möglichkeiten/den Raum dazu haben und ihnen auch noch aufmerksamer zugehört wird. Jetzt wären ich wieder am Ausgangspunkt meiner Kommentare angekommen, der Aufforderung sich stattdessen der tatsächlich realen Machtstrukturen bewusst zu werden. Das N-Wort hätte dafür als Ausgangspunkt genommen werden können. Und ich meine, darüber wollte Herr Dell gern mit den Kommentoren hier sprechen, nachdem er seine Wortwahl begründet und auf weiterführende Informationen (den Link zum Deutschlandfunk) aufmerksam gemacht hat.
    @mycroft
    Sie haben eben keine Ahnung vom Sexismus. Und ich meine es genau so: Sie haben nicht mal eine Ahnung davon, wie Frauen strukturell diskriminiert werden und wie Männer davon profitieren. Das ist auch nicht schlimm. Schade ist nur, dass Sie meinen, es zu wissen (nämlich, dass es nicht so ist). Dagegen würde jene Offenheit helfen, die Frau Stokowski in dem Artikel vorbildlich demonstriert. Sie beginnt ihren Artikel mit der Aufzählung von Gewalt, unter der Männer zu leiden haben und beschreibt empathisch die alternative Betrachtungsweise von Diskriminierung.
    @LLL
    Ich weiß nicht, warum Herr Fischer es für notwendig hält, einzelne Diskriminierungsformen (Sexismus, Rassismus, Klassismus) in eine Reihenfolge bringen zu wollen. Das läuft für mich auch wieder auf das beliebte, fast alle sind Opfer von irgendwas, so ist halt das Leben, da kann man nix machen hinaus. Diskriminierung ist nicht gleichbedeutend damit, dass es einem schlecht geht, sondern eine künstliche Einschränkung der Freiheit, die nicht existieren müsste, wenn unsere Gesellschaft anders strukturiert wäre.

  118. @Sarah:
    Ich habe nicht das Gefühl (sic), dass sich Frau Stokowski in mich hineinversetzt. „Klar werden auch Männer gemobbt, brutal geschlagen und unfair behandelt – diskriminiert aber werden sie nicht.“ Klar, wenn man „Diskriminierung“ auf „strukturelle Diskriminierung“ beschränkt.
    Heißt doch nur, dass es nicht so schlimm ist, Einzelpersonen zu mobben, brutal zu schlagen und unfair zu behandeln, solange man nicht die Macht hat, die gesamte Gruppe, zu der die Einzelpersonen gehören, strukturell zu benachteiligen.
    Der Gag ist natürlich, dass das Individuum, dass ein anderes Individuum mobbt, brutal schlägt oder unfair behandelt, so gut wie nie genug Macht hat, um die ganze Gruppe des Opfers strukturell zu benachteiligen. Demnach kann ein Individuum praktisch nie diskriminieren, aber per Gruppenschuld an der Diskriminierung durch die Gruppe mitschuld sein.
    Eigentlich bin ich an der Stelle schon raus – für mich kann es neben struktureller Diskriminierung, also die Situation, dass eine Gruppe eine andere benachteiligt, auch individuelle Diskriminierung geben, also die Situation, dass ein Individuum ein anderes Individuum benachteiligt. Und das wäre nach Stokowskis Ansatz nicht möglich, weil sie zu sehr in Gruppen denkt.

  119. Ich denke ich hab’s geschnallt: Bei dieser Art der Verwendung des Wortes „Diskrimierung“ ist in Wirklichkeit gemeint (und macht erst durch diese Bedeutung die Argumentation ansatzweise nachvollziehbar) „gesamtgesellschaftliche, strukturelle, historisch relevante und deshalb jederzeit drohende Diskriminierung“.
    Also nicht etwas, das tatsächlich zwischen Menschen passiert. Sondern was (tatsächlich: viel zu oft) passiert ist, gesellschaftlich oder gar global weiter passiert (ob nun seltener oder öfter), also grundsätzlich jederzeit passieren könnte und was deshalb sich als Einordnungsfaktor anbietet: Patriarchale, weiß-geprägt rassistische Diskriminierung von Menschen von woanders und Frauen im Allgemeinen und Speziellen.
    Unter der Prämisse ist logisch, dass keines der sachlichen Argumente von insbesondere LLL und Illen aufgegriffen wird; sie entbehren einer ernst zu nehmenden Lebenswirklichkeit (in ihrer Rolle als weiße Männer). Unlogisch wird das erst, wenn aber Dell’s Argumente ernst genommen werden, und seien sie noch so off-topic. Und wenn Sarah ihre eigene und Dell’s Einschätzungen zu N-Wörtern ernster nimmt als die von einem Deutschen mit Afrikanischen Wurzeln und dunkler Hautfarbe oder von Befragten in USA = Betroffenen. – Genau diese offensichtlichen Widersprüche partout zu ignorieren und sich aber auf vermeintlich miese Gründe dafür, derlei zu thematisieren, zu stürzen: Darin liegt ein Hauptgrund für Aufregungen vieler Art, 88% des in diesem Thread hier Geschriebenen und dafür, dass wir jeder* hübsch in seiner echo chamber bleibt – die einen aufgestülpt (weil so ja keinerlei tatsächliche Diskussion entstehen kann, wenn ein Standpunkt gezielt am anderen Standpunkt vorbei-argumentiert – eben weil stattdessen Unterstelltes, wie charakterliche Defizite oder sonstig nicht-Geschriebenes, angeprangert wird), die anderen durch ihre Art der erbarmungslosen (und zwar nicht nur den Mitdiskutanten gegenüber; sondern auch dem Thema, das doch eigentlich wichtig genug sein sollte: Reduzierung von Rassismus und Sexismus) Thema-Vermeidung. Dies ohne je verzichten zu wollen auf Zurechtweiserei** / Wissen was für Andere gefälligst richtig zu sein hat / Verballhornung eines jeden sachlichen Diskurs durch Verballhornung von „Gegnern“, die eigentlich ernsthaft interessiert sachlich argumentieren – und eigentlich auf der selben Seite stehen: Dem
    * Mensch

    ** viel Glück übrigens, Sarah und Herr Dell, untereinander auszudiskutieren, falls Sie doch einmal in einem Punkt unterschiedlicher Meinung sind! Wieso? Das verstehen Sie jetzt nicht, aber dann: Einer von Ihnen wird nicht mehr ernst genommen werden dürfen und fliegt aus der Gruppe bzw. anerkannten Lebenswirklichkeit / entbehrt korrekter Sicht / ist Tabu. Das ist eben das Einzige, worauf Ihre Argumentationsweise hinaus läuft, wenn man es genau betrachtet. Auch deshalb nachvollziehbar, dass Sie dies vermeiden. – Bin schon gespannt, welche geradezu bösartige Intention mich disqualifizieren wird, Ihrer Ansicht nach.

    Trotzdem und wegen all dem (ich möchte Ihnen ja keineswegs unterstellen, dass Sie es nicht gut meinen, und Herr Dell auch nicht; ich meine sowieso eher genau das, was ich schreibe, und nicht, was Sie gfs. stattdessen denken, dass ich meine; z.B. weil es sich irgendwie so – fies – anfühlt.. Wenn ich falsch liege, fühlt sich das z.B. immer an wie ein Schlag in den Magen. Das Gefühl liegt dann aber nicht daran, dass jemand Anderes was „falsch“ gemacht hat; höchstens Unerwünschtes – nämlich mich zu erwischen / bloß zu stellen / darauf aufmerksam zu machen. Ich habe mich übrigens inzwischen einigermaßen daran gewöhnt, genau DAS richtig gut zu finden; ich bin richtiggehend geil auf vernichtende – sachliche – Kritik!), Ihnen Allen herzlich:
    Alles Gute!

  120. „Lebenswirklichkeit/en)“
    habe ich von ernstzunehmenden (und für entsprechende Vorträge und Seminare äußerst gut bezahlten sowie staatlich geförderten und sogar prämierten) Feministinnen als Begriff gelernt, in diesem Thread wohl zumindest sinnverwandt mit „Sprecherposition“ (den Anfang, als dieser Begriff wohl aufkam in der Diskussion, habe ich überlesen; wie manches, aber unglaublich vieles – leider und beschämender- sowie langweiligerweise auch nicht):
    Es stellt – zumindest im Hinblick auf bestimmte Themenkomplexe – die einen Menschen über die anderen Menschen; optimalerweise weisungsbefugt, zumindest indirekt (durch Entzug von Podium etc. bei Missfallen).

    Eigentlich doch genau das, was wir an Rassismus und Sexismus so schlecht finden – als Mittel der Wahl sowie Weisheit letzter Schluss?
    Ich bezweifele die Logik einer solchen Sichtweise und prangere sie an. Vor allem, um daran vorbei irgendwann auf die eigentlichen Wirkzusammenhänge stoßen zu können und daran zu arbeiten anzufangen:
    Z.B., dass Geschlecht oder Herkunft überhaupt als „(Un)Wert in sich“, als Grund dafür, andere Menschen grundsätzlich besser oder schlechter zu behandeln, verstanden wird; das ist es nicht. Indes ist es eine fadenscheinige Begründung – die sich tragischerweise die meisten Feministen und „anti-rassistischen“ Aktivist*Innen zu 100% ZU EIGEN machen! Hammer, oder? Rein die Inbrunst der Überzeugung, dass man selbst aber ja „richtig“ ist und „für das Gute“ kämpft – und alle, die das nicht verstehen (übrigens inklusive und Frauen und Schwarzen, die es noch nicht gecheckt haben!?!) eben nicht, und allein deshalb etwas bis durch und durch schlecht sind und falsch liegen – macht für sie den entscheidenden Unterschied aus. Nur entscheidet der EBEN NICHT darüber, ob sie sich den vormals unterdrückenden Narrativ zu eigen machen und einfach umkehren – oder ob sie tatsächlich existierende menschliche und gesellschaftliche Mechanismen untersuchen und in eine bessere Richtung lenken wollen, so dass aus Unterdrückten und Unterdrückern irgendwann das werden kann, was was wir eigentlich ALLE sind:
    Menschen, die das Beste wollen, also in Frieden und möglichst fair miteinander leben und umgehen können wollen!

  121. @ Anderer Max:

    „Auch hier wieder: Ist doch egal. Ihr ganzes Argument basiert darauf anderen zu unterstellen, sie wollten nicht verstehen, dass die negative Wortbedeutung nicht inhärent ist.“

    Eine Unterstellung ist das wohl kaum. Wäre man sich bewusst, dass das N-Wort dann und nur dann „stets herabsetzend“ gewesen ist, wenn es durch die Sprachgemeinschaft auch stets als herabsetzend empfunden wurde, dann würde man einfach empirisch prüfen, ob es historisch stets als herabsetzend wahrgenommen wurde oder nicht. Man würde eine solche historische Prüfung für entscheidend halten.
    Und wenn man feststellt, dass das N-Wort im allgemeinen (Sprach-)Bewusstsein eben NICHT immer negativ konnotiert war (was ganz leicht zu recherchieren ist), dann würde man schließen, dass das N-Wort eben NICHT immer herabsetzend war.

    Genau so verfährt aber – beispielsweise – Herr Dell eben NICHT, wenn er darlegen möchte, dass das N-Wort stets herabsetzend gewesen sei. Auf die Frage, ob das N-Wort gemäß dem allgemeinen Sprachverständnis historisch stets negativ konnotiert war oder nicht, geht er noch nicht einmal ein. Vielmehr versucht er mit sehr problematischen Argumenten anderer Art, auf die etwa Illen und ich (ich in meinen ersten beiden Kommentaren) detailliert kritisch eingegangen sind, zu beweisen, dass das N-Wort stets herabsetzend gewesen sei.
    Ein solches Vorgehen macht nur dann Sinn, wenn man meint, dass es eine (negative) Bedeutung des N-Wortes geben kann bzw. sogar gibt, die NICHT allein dadurch existiert, dass sie diesem Wort von der Sprachgemeinschaft „von außen“ zuerkannt wird.

    Ich erinnere mich auch an Texte, in denen explizit behauptet wurde, dass man früher eben nicht „erkannt“ habe, wie diskriminierend und rassistisch das N-Wort schon immer gewesen sei. Das macht nur Sinn, wenn man meint, dass ein Wort eine von der Sprachgemeinschaft und ihrem Empfinden unabhängige, inhärente, „objektive“ Konnotation besitzen kann, welche von einer Sprachgemeinschaft womöglich „verkannt“ werden kann.

    „Und dann sind wir auch ruckzuck wieder beim Titelthema:
    Ich will mich nichts rechts nennen lassen, will aber auch nicht auf das Wort verzichten. Beides geht halt nicht, zumindest nicht ohne Widerspruch.“

    Aber hier wollen wir doch fast alle auf das N-Wort verzichten! Außer vielleicht in einem metasprachlichen Zusammenhang oder bei Zitationen – aber dass ein Verzicht in solchen Situationen keinen großen Sinn macht (es sei denn vielleicht einen sprachästhetischen), wurde ja ebenfalls dargelegt. So wenig, wie es bedeutungstheoretisch viel Sinn machen würde, „Untermensch“ durch „das U-Wort“ zu ersetzen. Die Diskussion ist doch schon viel weiter und differenzierter als ein völlig pauschales „will auf das Wort verzichten oder nicht“.

    „Ich will mich nichts rechts nennen lassen, will aber auch nicht auf das Wort verzichten.“

    Meinen Sie, dass das in dieser allgemeinen Form wirklich als hinreichende Bedingung gelten kann? Dass also beispielsweise Deniz Yücel automatisch ein „Rechter“ ist?

    @ Sarah:

    „Ich weiß nicht, warum Herr Fischer es für notwendig hält, einzelne Diskriminierungsformen (Sexismus, Rassismus, Klassismus) in eine Reihenfolge bringen zu wollen.“

    Hat er das gemacht? Wüsste ich nicht.

    „Das läuft für mich auch wieder auf das beliebte, fast alle sind Opfer von irgendwas, so ist halt das Leben, da kann man nix machen hinaus.“

    Das ist allerdings wirklich NUR Ihre Interpretation. Denn gesagt hat er es nicht, und es folgt auch nicht aus dem, was er gesagt hat.
    Vielleicht wollte Herr Fischer einfach nur darauf aufmerksam machen, das es wichtige Opfergruppen gibt, die allzu wenig beachtet werden? So habe ich ihn jedenfalls verstanden.

    „Diskriminierung ist nicht gleichbedeutend damit, dass es einem schlecht geht, sondern eine künstliche Einschränkung der Freiheit, die nicht existieren müsste, wenn unsere Gesellschaft anders strukturiert wäre.“

    Das bestreitet niemand. Und Diskriminierung in diesem Sinne IST ein Problem. Es gibt aber auch andere Probleme, die auch wichtig sind, die aber immer mehr aus dem „linken“ Diskurs verschwinden.
    Die Perspektive verschiebt sich immer mehr: Ein armer alter weißer Mann wird nicht mehr primär als jemand wahrgenommen, dem es schlecht geht, sondern als Angehöriger einer privilegierten, reichen, mächtigen Klasse – auch wenn er selbst und viele andere alte weiße Männer sehr wenige Privilegien, sehr wenig Reichtum und sehr wenig Macht besitzen. Dass diese Person alt, weiß und männlich ist, scheint als viel wesentlicher zu gelten als beispielsweise die Tatsache, dass sie kaum Geld und soziale Sicherheit hat.

    Und wenn es viele Frauen gibt, denen es schlecht geht, stört das niemanden allzu sehr, falls nur der Anteil von Frauen, denen es gut geht, so hoch ist/wäre wie Anteil an Männern, denen es gut geht. Geht es einer Frau schlecht, ohne dass das auf irgendeine Diskriminierung zurückzuführen sein sollte, dann gilt, was Sie geschrieben haben: „…so ist halt das Leben…“.

    Oder wie Häring es ausdrückt:

    Statt auf Fairness und gute Lebensbedingungen für alle zu drängen, schwenkten die sich progressiv wähnenden um auf „Frauen-Empowerment“ und „den Kampf gegen Diskriminierung“. In unguter Nähe zur FDP-Ideologie, nur in progressiver Anmutung, ging es darum, dass auch Frauen und Minderheiten das bekommen sollten, was sie verdienten. Große Einkommens- und Wohlstandsunterschiede wurden erträglich, wenn aus jeder traditionell diskriminierten Gruppe ein adäquater Anteil daran teilhaben durfte. Die Unterklasse und die untere Mittelschicht gelten dabei natürlich nicht als diskriminierte Gruppe. Das wäre ja altbackene Klassenpolitik statt moderner Identitätspolitik.

    http://norberthaering.de/de/27-german/news/1075-fraser

    Wohlgemerkt vertritt Häring NICHT die Auffassung, dass Diskriminierung aufgrund von Rasse und Geschlecht tolerabel wären; er vertritt aber die Auffassung, dass es nicht genügt, sich um solche Probleme zu kümmern, wenn man etwa Rechtspopulisten stoppen will. („Das bedeutet nicht, Rassismus und Chauvinismus zu tolerieren, sondern es bedeutet, diesem aktiv den Nährboden zu entziehen.“)

    Man muss ja nicht dichotomisch denken: Dadurch, dass man sagt, dass ein bestimmtes Thema wichtig ist und vernachlässigt wird, impliziert man noch lange nicht, dass es das EINZIGE wichtige Thema wäre. Es kann sogar sein, dass bestimmte Themen indirekt zusammenhängen, und dass ein Fortschritt hier einem Fortschritt dort zugutekommt.

  122. @ Max:

    Noch allgemeiner:

    Es ist eine wohl kaum bestreitbare und leicht zu recherchierende Tatsache, dass das N-Wort zeitweise durchaus als sachliche Bezeichnung galt (man denke nur an die „I-have-a-dream“-Rede von M.L. King und die übrigen Belege der englischsprachigen Wikipedia).
    Deshalb ist jeder, der behauptet, das N-Wort sei schon immer herabsetzend gewesen, GEZWUNGEN, diesem Wort eine Bedeutung zuzuschreiben, die nicht durch Sprachgebrauch und Sprachverständnis der Sprachgemeinschaft konstituiert und determiniert wird, sondern dem Wort „eigenständig“ zukommt bzw. ihm inhäriert.

  123. @mycroft
    Ich finde auch, dass dieses Gruppendenken aufhören sollte, ich hoffe, dass irgendwann alle Menschen gleichwertig sind. Bis jetzt ist es aber in der Realität noch nicht so weit. Dieses Gruppendenken ist eine Folge der Realität und leider immer noch nötig, um sie zu beschreiben.
    @Jens
    Ich kann es verstehen, wenn man sich nicht in die dreißigtausendste Diskussion um das N-Wort verwickeln lassen möchte.
    Mir war es auch ziemlich peinlich, dass Herr Dell kurz für mich Partei ergriffen hat, denn eigentlich bin ich der Meinung, ich komme sehr gut allein klar.
    Ich denke, jegliche Moralpredigten haben zum Ziel etwas in einem anderen Menschen zu verändern, praktisch der Versuch einer entgültige Lösung für ein immer wiederkehrendes Problem. “Wenn du nur anders (nicht so schlecht) wärst, müssten wir uns nicht immer wieder über dich ärgern.“ Es ist normal, dass Erwachsene diese Art des Umgangs sofort zurückweisen. Bei Kindern nennt man das Erziehung (ich bin gegen Erziehung, auch antiautoritäre). Es ist aber auch klar, dass ich ein Mittel brauche um eine Person davon abhalten zu können, meine persönlichen Grenzen zu übertreten. (Nur in der jeweiligen Situation, nicht vorbeugend für die Zukunft, also ohne Moralpredigten.) Gibt es eine Möglichkeit, wie ich das machen könnte, ohne dass Sie es gleichzeitig als Abwertung Ihrer Person/schmerzhaft empfinden würden (ohne Stich im Bauch)?
    @LLL
    Feministinnen wird immer vorgeworfen, dass sie den armen alten Mann nicht mitdenken. (Obwohl ich finde, dass arme Menschen schon mitgedacht werden.) Ich finde, dass die “weißen Männer“, die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegen gebracht wird, nicht nutzen um solche Missstände anzuprangern. Es gibt keine Solidarität mit den Schwachen. Außer irgendeine Minderheit meldet sich zu Wort, dann werden sie gern vorgeschoben.

  124. @ Sarah:

    „Ich finde, dass die ‚weißen Männer‘, die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegen gebracht wird, nicht nutzen um solche Missstände anzuprangern. Es gibt keine Solidarität mit den Schwachen. Außer irgendeine Minderheit meldet sich zu Wort, dann werden sie gern vorgeschoben.“

    Weil die „(alten) weißen Männer“ genauso wenig eine homogene Gruppe sind wie etwa „Frauen“. Es interessiert viele (alte) weiße Männer gerade so wenig, wenn es anderen weiße Männern schlecht geht, wie es vielen Frauen egal ist, wenn es anderen Frauen schlecht geht.

    „Alte weiße Männer“ als eine Gruppe zusammenzufassen, ist nur eine Kategorisierung von unzähligen, die man auf die Gesellschaft anwenden kann.
    Dass sie besonders relevant wäre – relevanter als viele andere, die möglich wärem – wäre noch zu beweisen. Gerade in Deutschland, wo fast alle Leute weiß sind, dürfte das Abstraktum der „alten weißen Männer“ eh nur in einigen Spezialfällen ein interessante Größe sein.

    Und doch hört man ziemlich viel von ihnen. Immer wieder liest man auch, dass dies und jenes eine typische Sicht- der Verhaltensweise „alter weißer Männer“ sei, was wohl gleichbedeutend damit ist, dass die entsprechende Sicht- oder Verhaltensweise außerhalb des Raums sinnvoller Kommunikation steht. Wie oft hingegen hört und liest man etwa die vorwurfsvolle Feststellung, dass dies eine Sichtweise „Armer“ oder „Reicher“ sei?

  125. @Sarah: Oh, Danke der Nachfrage jede Art Bezugs ist mir recht (Stich im Bauch war nur zur Verdeutlichung des Prinzips erwähnt, nicht auf mein Befinden innerhalb dieser Situation bezogen).

    Genau, dieses Prinzip (dass sich Andere ändern sollen, weil mir etwas nicht passt – anstatt erstmal zu schauen, was ich selbst ändern kann; schließlich ist es ja auch erstmal mein eigenes Gefühl) – führt dazu, dass geradezu „natürlich“ eben nur rauskommt, dass man diese Anderen (meist eben auch noch: den Großteil aller Menschen!) für unzurechnungsfähig dumm oder fies hält, dafür Gründe sucht und zwar nur dumme Gründe findet, diese aber unabdingbar benötigt, und daher allen Ernstes ins Felde führt / in die Diskussion einbringt. Zu welchem Zweck? Um letztendlich „Gründe“ zu haben dafür und anderen aufweisen zu können, dass man selbst richtig und gut, Andere falsch und schlecht sind. Ein Problem ohne vorstellbare Lösung, es sei denn, alle diese Anderen würden schlagartig verschwinden oder so..
    Deshalb ziehe ich es vor, insbesondere diese „Anderen“ (in diesem Fall vielleicht Sie, jedenfalls Herrn Dell; andersrum wäre das für Sie ich + LLL + Illen) erstmal grundsätzlich für ebenso mit guten Gründen ausgestattet und am Allerbesten interessiert zu erachten und entsprechend zu behandeln. Auch, weil alles Andere keinen Sinn machen würden, kurz- bis langfristig; schließlich werden wir auf längere nur eine einzige Welt haben und müssen die teilen, wollen wir nicht ewigem Hass verharren oder alle anderen umbringen. Richtig?

    Es ging Ihnen aber um ein Mittel, Andere (etwa mich? Bittesehr gern Hinweise, falls ich derlei getan haben sollte – sorry, in that case!) vom Übertreten Ihrer Grenzen abzuhalten. Mir würde erstmal einfallen: ein Hinweis. Wo Ihre Grenzen sind und dass / inwiefern die übertreten wurden. „Normale“ Menschen (die wir letztendlich letztendlich alle sind; oder eben keiner von uns ist) würden dann entsprechend damit umgehen. Ich halte mich für einen normal(funktionierenden, sozial-interagierenden, sogar besonders emphatischen und ziemlich konzentriert an Entwicklung sowie Wohl aller Beteiligter intessiert)en Menschen. Also, let‘s go!
    Oder hatte ich Sie falsch verstanden / was meinen Sie?

    PS / Moralpredigten: Keiner liebt die. Und das hat nen Grund: Die nerven. Eben WEIL die verändern wollen/sollen, was aber doch erstmal n’guten Grund hat, so zu sein, wie es ist. Überzeugung ist schon ein bisschen anders. Dennoch macht es aus meiner Sicht eher Sinn, etwas zu offerieren. Die eigenen guten Gründe vielleicht in Abgleich mit der jeweiligen Situation des Anderen zu erläutern. Und WENN dann ausgerechnet dies eine Facette der „Wahrheit“ ist, mit der der- oder diejenige umgehen kann und mag, was gebraucht wird und verarbeitbar ist – dann sei es gern so, freut mich sehr, dass meine Worte Sinn für wen machen.
    Wenn aber nicht: Wieinallerwelt sollte ich denn je jemanden überzeugen, dass es aber trotzdem die Wahrheit und somit für ihn oder sie auch noch bindend ist, das eigene Handeln in Zukunft bestimmend sein soll? Obwohl doch eben trotz der Offerte entschieden wurde, dass dem- oder derljenigen dies aber grad nicht passt / er oder sie es nicht glaubt oder nicht für wichtig hält.. Dann soll ausgerechnet ich (oder werauchimmer meint, eine Moralpredigt halten zu dürfen) entscheiden, dass das falsch ist? Die eigene Sicht, die Gründe und die Darstellung dieser – dass all das völlig zureichend und überzeugend genug sind, dass der-/diejenige sich gefälligst danach zu richten hat? Deshalb macht für mich sowas keinen Sinn; es erscheint mir nicht schlüssig / unlogisch.

    Ich rechne aber auch nicht mit einer Moralpredigt, sondern mit konstruktivem, Ihre Sicht erhellendem Feedback – Danke im Voraus und bis dahin weiter herzlich:
    Alles Gute!

    PPS / Schwache: Keine Solidarität – außer Minderheiten pochen auf ihre ihnen vorenthaltenen Rechte, und werden (ausnahmsweise) gehört, eben weil sie Minderheiten sind, und aus welchem Grunde auch immer gerade positive Aufmerksamkeit von Medien und Politik wert erachtet werden.
    Dies verschiebt, genau betrachtet, nur die Missstände – (glücklicherweise) zum Vorteil der jeweiligen Minderheit, (unabdingbar) zum Nachteil der anderen schlecht Behandelten, und (leider) eben nicht zum Vorteil der Gesamtheit, der Gesellschaft, und unter’m Strich nichtmal zum Vorteil einzelner Gruppen und/oder Minderheiten. Denn an deren aktueller Unterstützung durch Medien/Politik=Gesellschaft kann sich jederzeit etwas ändern.
    An den zugrunde liegenden Strukturen und den immanenten Mechanismen wird aber null geändert. Also wird auch null daran geändert, dass am Ende unzählige Menschen missachtet und ihnen ihre Rechte vorenthalten werden. Etwas, das (absehbar) diese Folgen hat: Wofür genau ist das erstrebenswert?

    Ich glaube, (auch) Sie wollen Fairness und Gleichheit. (wir übrigens auch, was ich hier so lese und über mich selbst weiß!) – Aber kann der erste Schritt, Ungleichheit zu verlagern und dadurch zu manifestieren (nämlich den Grundmechanismus zu übernehmen) je in die richtige Richtung führen?
    Weil ich glaube, nein: all das hier.. und durchaus nicht nur, aber auch insbesondere an Sie gerichtet, Sarah, Danke für Aufmerksamkeit und:

    Guts Nächtle!

  126. #132 Sarah:

    Eine einzelne konkrete Frau, die sich durch ihre Kolumne öffentlich exponiert und ihre dort geäußerten Gedanken zur öffentlichen Debatte stellt, wegen dieser Äußerungen als frei von jeglicher Bildung zu bezeichnen, ist nicht „frauenfeindlich“. Was für ein – Verzeihung – völlig unredlicher Vorwurf. Sie kämen doch auch nicht auf die Idee, Herrn Dell als „männerfeindlich“ zu bezeichnen, bloß weil er mich einen Idioten nennt.

    Es hat sich hier auch niemand über Diskriminierung beklagt. Über negative Konnotationen von Wörtern zu reden ist keine Diskriminierungsklage. Insbesondere hat niemand den Gebrauch des N-Worts mit dem Gebrach der wham-Phrase inhaltlich auf eine Stufe gestellt oder sich über den Gebrauch „beklagt“. Die Feststellung, dass eine Phrase (auch) negativ gebraucht wird, ist keine Klage, und lenkt erst recht nicht ab von schlimmen Erfahrungen Dritter. Eine Diskussion ist keine Torte, bei der es nur 16 Stück Empathie zu verteilen gibt!

    Ich denke wir müssen uns darauf einigen, diese Diskussion hier gänzlich unterschiedlich zu beurteilen.

  127. #134 Jens:

    Ich denke ich hab’s geschnallt: Bei dieser Art der Verwendung des Wortes „Diskrimierung“ ist in Wirklichkeit gemeint … „gesamtgesellschaftliche, strukturelle, historisch relevante und deshalb jederzeit drohende Diskriminierung“.

    Ja in etwa, genau. Die postmodern-intersektionelle Definition von Diskriminierung, die Mitkommentatorin Sarah verwendet, sagt, dass Diskriminierung ein abstrakt-strukturelles Phänomen der Machtausübung sei, und deshalb nur von mächtigeren gegen weniger mächtige Gruppen ausgeübt werden könne. Und da im Intersektionalismus weiße, heterosexuelle Männer die mit Abstand mächtigste „Gruppe“ seien, könne es per definitionem keine Diskriminierung gegen sie geben. q.e.d.

    Diese Sichtweise scheitert schon deshalb, weil „weiße, heterosexuelle Männer“ zwar eine Gruppe im schlicht beschreibenden Sinn sind, aber keine Gruppe im soziologisch-analytischen Sinn. Denn in der realen Welt da draußen verhalten sich nicht alle weißen heterosexuellen Männer wie eine einzige Gruppe, und können deshalb auch keine Macht haben, die aus genau dieser Gruppenzugehörigkeit fließen müsste. Das heißt natürlich nicht, um den berufsmäßigen Falschverstehern gleich vorzubeugen, dass Merkmale wie „weiß“ oder „männlich“ für individuelle Personen nie Vorteile haben können. Diese Vorteile übertragen sich aber nicht magisch qua Gruppenzugehörigkeit auf alle anderen Personen, die die gleichen Merkmale besitzen.

    Aber Sie haben natürlich Recht, an solch grundlegenden Verständnisunterschieden scheitern (auch hier) viele Diskussionen.

  128. @Andrer Max tolles Beispiel!

    Es gibt bei Wikipedia eine Liste die alle Sci-Fi Autoren aplhabetisch UNABHÄNGIG ihrer Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe etc. listet.

    Jetzt möchte jemand eine Liste NUR für Frauen erstellen. Das ist mMn der genau der falsche Weg und eine Löschung wegen Redundanz auch sicher nicht diskriminierend. Wie kann man auf die Idee kommen Gruppendenken zu überwinden wenn man alles in Gruppen unterteilen möchte. Verstehe ich nicht.

  129. @Sarah:
    Es ist nicht das Problem, dass Frau Stokowski _über_ Gruppen nachdenkt und schreibt. Das Problem ist, dass sie
    – fast nur in Gruppen denkt
    – Beziehungen zwischen Gruppen stark vereinfacht
    – Gruppen stark vereinfacht
    – moralische Urteile von der Gruppenzugehörigkeit abhängig macht

    Weiterhin passt sie die Definition von „Diskriminierung“ an ihre Argumentation an. Im Grund steht da: „Ich kann Männer nicht diskriminieren, weil Diskriminierung voraussetzt, dass meine Gruppe (Frauen) als Ganzes Männer als Ganzes diskriminieren, dies ist aber nicht möglich, weil Männer ja Frauen diskriminieren. Und weil Sexismus per ihrer definitionem nur dann vorliegt, wenn jemand per Geschlecht diskriminiert wird, kann ich keine Sexistin sein.“ Brilliant.
    Heißt in der logischen Konsequenz, selbst, wenn sie Männer hasst, verachtet, mobbt, schlägt oder unfair behandelt, ist das weder Diskriminierung noch Sexismus.
    Ich merke so rein gar nichts von Empathie für andere Menschen als denen, die ihrer Gruppe angehören, und Empathie mit der eigenen Gruppe kann ja jeder.

    @Anderer Max:
    Ja, jetzt gibt es doch eine Liste deutschsprachiger SF-Autorinnen. Wo ist das Problem?
    Warum es keine Liste deutschsprachiger männlicher SF-Autoren, oder eine Liste deutschsprachiger SF-Autoren und -Autorinnen gibt, oder eine allgemeine Liste deutschsprachiger Schriftstellerinnen (ist SF irgendwie relevanter als Krimis und/oder Kinderbücher?), weiß mal wieder nur der Gilb. Ein klarer Beweis für das unheilvolle Wirken der patriarchatischen Weltverschwörung.

  130. @Illen
    “Das heißt natürlich nicht, um den berufsmäßigen Falschverstehern gleich vorzubeugen, dass Merkmale wie „weiß“ oder „männlich“ für individuelle Personen nie Vorteile haben können.“
    Wenn Sie akzeptieren, dass eine individuelle Person Vorteile haben kann und wenn Sie außerdem akzeptieren, dass diese Vorteile eine direkte Folge der Merkmale “weiß“ oder “männlich“ sind, dann müssen sie logisch zwingend (nicht ich zwinge Sie dazu, sondern die Logik) auch akzeptieren, dass jede andere Person mit diesen Merkmalen, diese Vorteile auch haben kann. Vielleicht meinen Sie allerdings, dass dies nur sehr selten vorkommt.
    Achtung Zitat: „Versuche nicht zu beweisen, wenn das zu Beweisende offensichtlicher ist als der Beweis.“ PASCAL
    Wie kann man in dieser Welt leben ohne zu sehen, dass das tagtäglich milliardenfach vorkommt?
    Ansonsten, ja, ich glaube auch, wir beurteilen vieles unterschiedlich.
    @Mycroft
    “Und weil Sexismus per ihrer definitionem nur dann vorliegt, wenn jemand per Geschlecht diskriminiert wird, kann ich keine Sexistin sein.“ Brilliant.“
    Frau Stokowski kann nach dieser Definition trotzdem eine Sexistin sein, wenn sie Frauen sexistisch diskriminiert. Wieso ist es Ihnen wichtig, ob eine Person mit diesem Begriff bezeichnet werden kann? Fänden Sie es unfair, wenn eine Person Sie so bezeichnen dürfte, Sie sie aber im Gegenzug nicht?
    @Jens
    “Es ging Ihnen aber um ein Mittel, Andere (etwa mich? Bittesehr gern Hinweise, falls ich derlei getan haben sollte – sorry, in that case!) vom Übertreten Ihrer Grenzen abzuhalten.“
    Nein, das haben Sie nicht getan. Ich fand die Erwähnung der Bauchschmerzen interessant. Scheinbar erfolgte in Ihrem Leben der Hinweis auf einen Fehler so oft in Verbindung mit einem unangenehmen Ereignis (Strafe), was dazu führte, dass der Hinweis allein nun bei Ihnen diese körperliche Schmerzreaktion auslöst. Ich hatte deswegen weiter gefragt, weil ich es schon im persönlichen Gespräch schwierig finde, ein Problem so anzusprechen, dass deutlich wird, dass ich nur an einer Kommunikation über Lösungsmöglichkeiten und nicht an einer Bestrafung (durch verbale Abwertung o.ä.) interessiert bin. Die meisten Menschen scheinen das ähnlich wie Sie (und ich auch) verinnerlicht zu haben, sodass sie es “gleich persönlich nehmen“ (was ich verständlich finde).
    So scheint es mir auch “in den Medien“ schwierig zu sein, für Menschen, die versuchen, über Missstände zu kommunizieren, sie zu analysieren und Lösungswege zu suchen, ohne das bestimmte Gruppen es “persönlich nehmen“. Wohingegen es leicht ist, eine Stimmung zu schaffen, die suggeriert, es könnte versucht werden aus einer imaginierten Machtpositon (moralische Überlegenheit) heraus, bestimmte Gruppen zu bestrafen (Zwang ihre Kommunikation anzupassen, …).

  131. #147 Sarah:

    All Ihre vorzüglich vorgetragene Logik hilft Ihnen leider nicht weiter, wenn Sie den entscheidenden Schritt nicht verstehen (oder falsch darstellen). Dass jede andere Person mit gleichen Merkmalen Vorteile auch haben kann, ist richtig.

    Aber die Aussage des Intersektionalismus et al. ist ja nicht, dass der Vorteil vorliegen kann, sondern dass er qua Gruppenzugehörigkeit immer vorliegt, unabhängig von sonstigen Umständen.

    Diese Ansicht folgt gerade nicht logisch aus meinen Vorannahmen, und sie ist auch soziologisch nicht haltbar (#143). Im derzeitigen en-vogue-Feminismus hat man sich nur daran gewöhnt, das so zu sehen. Es ist ja auch eine schön schlichte Denkfigur, die zudem wohlig mit eigenem Narzissmus resonieren kann, wenn vorhanden. Win-win!

  132. Wikipedia und „Diskrimierung“

    Ein hervorragendes Beispiel für Folgendes: 1. Wikipedia wird willkürbeherrscht (und das ist sehr gefährlich!), 2. Diskriminierung kann auch weiße Männer treffen (ohne rassistisch oder sexistisch zu sein), 3. Gruppen-Dümpel und Opfer der eigenen Identität zuschreiben, hält vom Wesentlichen ab:
    Unser aller Arbeit für Fairness / akzeptablen Umgang miteinander.

    1. Bei Wikipedia herrschen Willkür und heilloses Ausnutzen von Macht. Vielfach anonym. Oft sich über gesunden Menschenverstand, Regeln und akzeptable Umgangsformen grenzenlos hinweg setzend. Vor Ideologie triefend. Unterdrückung aller Andersdenkender. „Diskriminierung“ nicht nur, aber selbstverständlich auch von Frauen, weil sie ne Frau sind, genau wie Anderer, weil sie anders denken.
    Unkontrollierter Missbrauch!
    Wenn wir bedenken, dass dies doch ein Ort für möglichst alle Informationen ist, die relevant sein könnten, schadet dies uns Allen. Denn: Was in der Wikipedia, stimmt – unsere ganze Gesellschaft verlässt sich darauf!

    2. Tatsächlich stimmt aber nur das, was diese sehr wenigen maßgeblichen Wikipedia-Autoren persönlich, politisch oder moralisch nicht interessiert; dies wird von Fachleuten mit viel Arbeit zusammen getragen und ergänzt, so wie man es sich eigentlich insgesamt vorstellt.. Alles Andere wissen diese Wenigen besser => Abweichendes wird umgeschrieben, nieder geschrien, blockiert, gelöscht, auch Autoren an sich werden sehr schnell gelöscht. Selbst gestandene Buchautoren, Journalisten, Künstler und Wissenschaftler werden gnadenlos abgewatscht, sobald den Admins die eigene Meinung zum Thema wichtig ist; die meisten, von denen ich diesbezüglich Konkretes gehört hab, sind männlich und weiß – und deren Meinung, ja sogar ihr komplettes Wissen zu bestimmten Themen wird diskriminiert. Zwar nicht, WEIL sie weiß und männlich sind, aber nichtsdestotrotz.
    Das Problem ist dort nicht (nur) Sexismus oder Rassismus. Sondern dass wenige willkürlich Macht ausnutzen können, und dies auch ungehemmt tun! MMn etwas, das großen Schaden anrichtet, gesamt-gesellschaftlich und viel zu oft persönlich-existentiell – und geändert gehört, weil unfair, unrichtig und unaufrichtig!

    3. Nun sind nun wohl auch die meisten Wikipedia-Admins & Co. in Deutschland tatsächlich .. weiß und männlich. Die o.g. Problematik auf Rasse und Geschlecht zu reduzieren, ist aber irreführend und hier deshalb meiner Ansicht nach hoch-destruktiv! (abgesehen davon, dass es sich den patriarchalen Narrativ zu eigen macht; mir persönlich ist eine solche Einteilung / Ausgrenzung viel zu rassistisch und sexistisch – Kategorien in denen ich nur in Spezialfällen überhaupt denken kann und will!)

    Denn auf diese Art kämpfen dort Feministinnen allein gegen rassistische Männer – anstatt dass
    wir = ALLE
    gemeinsam
    gegen selbstherrliche Willkürherrschaft
    einiger Weniger
    über unser gemeinsames Wissen
    kämpfen!?!

    PS: Sucht mal bei Youtube nach Wikihausen; über Wikipedia-Admin-Machenschaften und -Harrassing, zuletzt ein gewonnener Prozess gegen einen Wikipedia-Admin, usw. Wirklich haarsträubend!

  133. #147 Sarah:

    Noch einmal etwas klarer: wie oft merkmalsbedingte Vorteile in unserer Welt vorkommen, ist eine empirische Frage. Sie ist nicht dadurch beantwortet, dass ich die Vorteile magisch auf eine rein deskriptive, soziologisch nicht wirksame Gruppe ausdehne. Letzteres ist es, was ich am Intersektionalismus kritisiere.

    Wenn Sie dann das empirische Fass aufmachen und behaupten, täglich milliardenfache Vorteile für weiße heterosexuelle Männer als Gruppe zu erblicken, dann kann ich Sie nur auf die laufenden Debatten hinweisen, in denen das differenziert anders gesehen wird (Stichworte zB Selbstmord-, Obdachtlosen-, Gewaltopferrate, Lebenserwartung und Gesundheit, Tod im Beruf, Einkommen fließt empirisch netto von Männern zu Frauen, um nur ein paar zu nennen). Das ist alles kontrovers, ja, und sprengt hier den Rahmen, aber jedenfalls können Sie nicht behaupten, das käme milliardenfach vor und wäre völlig offensichtlich.

  134. @Sarah:
    „Frau Stokowski kann nach dieser Definition trotzdem eine Sexistin sein, wenn sie Frauen sexistisch diskriminiert.“ Das würde bedeuten, dass ein Geschlecht sich selbst sexistisch diskriminieren kann. Dann könnten aber auch Männer Männer sexistisch diskriminieren, also könnten Männer Opfer von Sexismus werden. Das genau bestreitet Stokowski aber, also glaube ich nicht, dass sie glaubt, nach ihrer Definition sexistisch sein zu können. (Aber, wenn Sie dazu genauere Infos haben, lasse ich mich eines besseren belehren.)
    „Wieso ist es Ihnen wichtig, ob eine Person mit diesem Begriff bezeichnet werden kann? Fänden Sie es unfair, wenn eine Person Sie so bezeichnen dürfte, Sie sie aber im Gegenzug nicht?“ Wenn ich darüber reden will, ob eine Person bspw. sexistisch sei, dann finde ich es wichtig, das zu sagen. Wenn die Person die Diskussion dadurch vermeiden will, indem sie die Definition von „sexistisch“ einfach so formuliert, dass sie selbst nicht sexistisch sein kann, finde ich ihr erkenntnisleitendes Interesse etwas fragwürdig und ihr Vorgehen insgesamt unredlich. Fänden Sie es fair, oder finden Sie es fair, wenn es vorkommt, wenn man Sie als etwas negatives bezeichnet, aber Ihnen im gleichen Zug abspricht, andere so bezeichnen zu können?

    @Anderer Max:
    Ja, ungleicher Lohn für ungleiche Arbeit in unterschiedlichen Berufen mit unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen mit unterschiedlichen Tarifverträgen (oder gar keinen) in unterschiedlichen Branchen widerspricht nicht dem Prinzip: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.“ Dafür sterben Männer häufiger bei der Arbeit. Und wenn jetzt jemand denkt, der GPG wäre eine Art Gefahrenzulage; leider nein.

    Achso, ich habe nichts gegen weibliche SF-Autoren, mit einigen von denen bin ich per Du. Dass eine ziemlich spezialisierte Liste eine Relevanzdiskussion nach sich zieht, diese allerdings übersteht, ist aber trotzdem kein guter Beleg für Frauendiskriminierung.

  135. #147 @liebe Sarah – bzgl. Ihrer Aussage über Vorteile für weiße Männer und logische Zwänge:
    Sorry, aber der Ansatz wie Ihr Schluss daraus sind m.V. hanebüchen. Sie werden wohl nicht leugnen können, dass es Situationen gibt, in denen es auch in unserer Gesellschaft ein Vorteil ist, (exotisch-aussehende) Frau zu sein (abwegiges Extrembeispiel: in ner Hetero-Bar auf der Suche nach einem Mann zwecks OneNight-Stand; anderes Beispiel: wenn und wo unfaire Frauenquoten ausgeglichen werden). Eben. Es lässt keinen grundsätzlichen Rückschluss auf tatsächliche Diskriminierung oder Profitnahme einer Gruppe schließen, wenn Einzelne aus ihrer Gruppenzugehörigkeit Vorteile ziehen kann*. Nichtmal darauf, ob eine andere Person nun denselben Vorteil aus derselben Situation ziehen könnte; logisch eben nicht schlüssig. – Dem Pascal-Zitat schließe ich mich da gerne an; Sarkasmus und andere Überheblichkeit hilft nur ganz ganz selten, glaube ich, meine Gute!
    * im Gegenteil: ich glaube, man kann das Beste daraus machen wollen, egal welchen Gruppen man zuzurechnen sein könnte oder sich selbst zurechnet = die Vorteile erkennen und nutzen, die Nachteile umschiffen oder anpacken. THAT’s what we got a brain a Lernfähigkeit and a Menschlichkeit for.

    Überhaupt schielt es mir deutlich zu einseitig auf die Nachteile des Frau-Seins, wenn das Opfersein von Diskrimierung festgestellt wird. Es gibt auch Vorteile von gesellschaftlicher Ungleichbehandlung (womit ich das Eine nicht gegen das Andere ausspielen möchte; dennoch bleibt BEIDES existent. Übrigens: eine Form von für mich sehr irritierender und schmerzlicher Diskriminierung ist für mich persönlich, auch wenn’s ja nichts mit mir als Person zu tun hat, dass ich auf bestimmten Demos nicht für Frauenrechte eintreten darf, weil mich mein Geschlecht disqualifiziert. Nachvollziehbar, ja vielleicht, aber irritierend und wie erwähnt durchaus schmerzhaft, in ethischer Hinsicht. Divide and conquer – von Männern für sich selbst ausgedacht, von Frauen zu eigen gemacht, aber: für was und wen isses gut?).

    In echt gibt’s nur miese Behandlung unter Ausnutzung von Macht, die dann fadenscheinig begründet wird: Weil’s Frauen, MigrantInnen oder Juden sind, weil’s AfD-Wähler, Schalke-Fans, Friedensforscher oder Kommunisten sind, weil’s Homosexuelle, Verwirrte, Dumme oder Gefährder sind – alles ist gut genug, um all eben diese gegeneinander ausspielen, gegeneinander aufbringen, dabei schlecht behandeln und ausbeuten zu können. Und abzulenken. Eben davon:
    Dass immer wieder dieselben wenigen Menschen ihre (in jeweiligen Bereichen oder global) schier unermessliche Macht ruchlos ausnutzen, um letztendlich UNS ALLE (mal mehr, mal weniger) schlecht behandeln und ausnutzen zu können.

    Lass uns da doch einfach nicht mehr mitmachen:
    Ich stehe an Ihrer Seite, wenn Sie schlecht behandelt werden, und lache mit Ihnen Dreckskerle aus, die meinen es wär ein guter Grund dafür, dass Sie eine Frau sind. Aber nicht trotz dass ich ein Mann bin. Sondern weil ich ein Mensch bin und Sie auch! Und im Umgang miteinander muss man sich benehmen, wenn’s um Macht geht, muss es fair zugehen unter Menschen – dafür trete ich gern und unumstößlich ein.
    Was ich nicht verstehe, ist: Warum genau das (nicht nur, aber auch Ihnen) so viel weniger wichtig ist, als dass Sie Opfer von nun ausgerechnet genau den Kategorien (nur eben umgedreht: Frauen von Männern, Homosexuellen von Heten, Juden von allen anderen, alle anderen von Weißen) sein müssen, die sich Willkürherrscher mal als dummdreiste Begründung für Misshandlungen aller Art eingefallen war – was u.a. deshalb weiter funktioniert, weil es nicht aufgebrochen, sondern nur unbedingt umgedreht, irgendwie ausgeglichen werden soll. Fairer Umgang mittels rassistsichen, sexistischen und sonstwie ausgrenzenden Markern.. keine Ahnung wie das Aussicht auf Erfolg haben kann. Aber ich weiß: Bis dahin gibt’s nichts als Angst und Aufregung bis hin zu Hass – weil es für Jede/n eine Riesenübermacht von potenziellen TäterInnen gibt = Probleme, für die auf diese Art niemals eine Lösung auch nur vorstellbar ist! (Hammer,oder?)

    Ich so: Nöö, lieber nich. Gibt wirklich Besseres als „positiven“ Rassismus, Sexismus oder sonstig unaufgeklärten Wahn.. und sei’s noch so gut gemeint oder „begründet“: Das Prinzip funktioniert einfach nicht, und es macht auch kein bisschen Spaß doer sonstwie Freude.

    PS: Genau gesagt haben Sie noch nie (niemals im Leben!) erlebt, was Sie nicht verstehen können, dass es nicht jeder schon erlebt hat – „dass das tagtäglich milliardenfach vorkommt“. Sie gehen davon aus. Ich auch. Sie erleben es vielleicht täglich, meist mehrfach. Aus meiner Sicht ganz sicher öfter, als wenn Sie andere Kriterien / Kategorien / Unterschiede zwischen Menschen oder gar Gemeinsamkeiten für wichtiger erachteten als die Rasse und Geschlecht, und dass Sie entsprechend mindestens 2faches Opfer sind. – Ansatz und Schluss sind aus meiner Sicht bedenklich und destruktiv, s.o., wenn auch nachvollziehbar und verständlich. Aber das bringt eben nicht weiter, sondern manifestiert Ungerechtigkeiten und v.a. den zugrundeliegenden Mechanismus: WIR (wieauchimmer die Identität grad definiert wird) GEGEN die ANDEREN (jeweils der Großteil, nämlich die, die entweder Identität oder Priorität nicht teilen; z.B. Hausfrauen, die das Patriarchat unterstützen, sind für den Feminismus verloren bzw. erst noch zu gewinnen – also dafür, potenziell gegen den eigenen Geliebten aufzubegehren und zu kämpfen! – oder Farbige, die sich Weißen unterordnen, anstatt gegen den immanenten Rassismus anzutreten) mittels haarsträubender Begründungen.
    Erst in anderem Umgang miteinander – einfach: von Mensch zu Menschen, Menschen mit Menschen, menschlich für Menschen, gegenseitig unterstützend und profitieren – kommen wir aus dem Dreck (s.o.) raus.

  136. #147-II: Hui, klingt für mich wie eine ganz andere Person als die, die vorher unter Sarah ganz andere Dinge geschrieben hatte – da sieht man mal, wie sehr man aneinander völlig vorbei redet.

    Genau, sobald man Konstellationen umdreht, merkt man, wenn was voll unfair oder unschlüssig begründet ist (z.B. durch Gruppenzugehörigkeit). Vorher (also wenn man es nur einseitig / eindimensional / sehen kann / will, oder gar anderen dann diese Sichtweise aufzwingen mag. Unschuldige in Syrien fühlen sich eben anders an – im „Kampf gegen Terror“ oder sonstwas Fieses –, als wenn Syrien Deutschland mit ähnlich fadenscheinigen Begründungen kaputt bombte. Das sieht man aber nicht, wenn man Abweichendes von der eigenen, arg und vorsätzlich verengten Sicht abtut als von miesen Intentionen oder Dummheit geleitet, so wohlmeinend dies in vielen Fällen auch ist..) nicht.

    Auch deshalb macht ein Kampf gegeneinander grundsätzlich wenig Sinn, glaube ich; miteinander für Besseres – da macht Kampf und Arbeit aber plötzlich jede Menge Sinn. Universell. Und, jetzt mal im Ernst, das macht doch auch viel mehr: Spaß!

  137. [übrigens halte ein Foto wie dies hier – mit dieser Headline und in diesem Kontext: Wäsche waschen, Küche – für sexistisch: http://news-de.saturn.de/u/gm.php?prm=lbZ6Udidqz_298794518_2502820_54332

    Dennoch ist es nicht wegen des Sexismusses verwerflich aus meiner Sicht, sondern wegen der saudummen Begründungen – dass Frauen jeder Generation, Männer aber eben geradezu aufdringlich nicht an die Wäsche / in die Küche gehören –, Menschen unfair, in diesem Fall rollenklischeebehaftet*, jedenfalls allein aufgrund ihres Geschlechts und ansonsten grundlos grundsätzlich unterschiedlich zu behandeln.
    * vorwärtsgewandte, siehe Super-Mädchen / nächste Generation für die Waschmaschine von morgen, Rückwärtsgewandtheit – eben so, als wenn es heutzutage so klar getrennt wäre und auch so bleiben sollte.

    Oder, interpretiere ich da was rein/über?]

  138. @ Illen:

    „Das heißt natürlich nicht, um den berufsmäßigen Falschverstehern gleich vorzubeugen, dass Merkmale wie ‚weiß‘ oder ‚männlich‘ für individuelle Personen nie Vorteile haben können. Diese Vorteile übertragen sich aber nicht magisch qua Gruppenzugehörigkeit auf alle anderen Personen, die die gleichen Merkmale besitzen.“

    Das ist völlig richtig. Und ich glaube auch, dass manche Männer (oder auch Frauen) aus der „Unterschicht“ sich nicht deswegen schwer tun, der Diskriminierung bestimmter Minderheiten sensibel gegenüberzustehen, weil sie das ganze Leben das Gefühl hatten, privilegiert zu sein, und weil sie ihre Umwelt daher nur aus einer „Privilegien-Perspektive“ heraus wahrnehmen könnten. Sondern im Gegenteil, weil sie sich unterprivilegiert und vernachlässigt fühlen, und zwar auch dann, wenn das nicht das Ergebnis spezifischer Diskriminierungen (etwa auf Grundlage von Hautfarbe und Geschlecht) ist.

    @ Mycroft:

    Ihre Kritik an Frau Stokowski scheint mir den Nagel auf den Kopf zu treffen. Zumindest ist das mein Eindruck – denn ich muss fairerweise zugeben, dass ich relativ wenig von ihr lese und mir daher vielleicht die Grundlage für eine eindeutigere Meinung fehlt.

    @ Anderer Max:

    „Na sehense, für 2 Männer ist das schon mal kein Problem.
    Dann ist ja Alles geklärt!“

    Na ja, aber es kommt doch weniger darauf an, wer die Leute sind, für die es kein Problem ist, sondern wie gut deren Argumente sind, mit denen sie begründen, dass es für sie kein Problem ist. Sonst kommen wir bei Ad-hominem-Argumenten an (s.u.).

    Und dass Frauen zumindest in manchen Bereichen diskriminiert werden, hat ja niemand hier bestritten. Das heißt aber nicht, dass man jeden einzelnen konkreten Fall einer angeblichen Diskriminierung für plausibel halten müsste.

    @ alle:

    Ich hab den Eindruck, dass hier einige Argumentationsmuster Ad-hominem-Argumenten nahekommen könnten. Also Fehlschlüssen, bei denen aus persönlichen Eigenschaften einer Person in unzulässiger Weise gefolgert wird, dass ihre Positionen oder Argumente falsch bzw. ungültig sind, oder dass man sie einfach zur Seite wischen könne:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Argumentum_ad_hominem

    Bei einer rationalen Diskussion sollte es primär stets um Argumente gehen, und man sollte die Argumente der Gegenseite sachlich analysieren, anstatt dem Diskussionspartner einfach etwas Unfreundliches zu unterstellen (und dann vielleicht auch noch zu meinen, dass seine Kritik damit „erledigt“ sei).

    Wenn beispielsweise ein alter weißer Mann argumentiert, dass das N-Wort heute herabsetzend sei, es aber nicht immer war, dann KÖNNTE seine Argumentation etwas damit zu tun haben, dass der Betreffende ein alter weißer Mann ist. Es KÖNNTE beispielsweise damit zu tun haben, dass er zu unsensibel gegenüber Schwarzen ist und daher vernünftige Argumente übersieht oder fehlschlüssig argumentiert.
    Es könnte aber genauso gut sein, dass die Folgerungen der entsprechenden Person nichts damit zu tun haben, dass sie alt, weiß und männlich ist. Ihre Schlüsse könnten auch ganz einfach das Ergebnis sachlicher Überlegungen sein. Ohne weitere Analyse einfach zu behaupten, dass der andere so argumentiert, wie er argumentiert, weil er ein alter weißer Mann ist, ist nichts als eine Unterstellung, wie sie in einer fairen und rationalen Debatte nichts zu suchen hat.

    Und erst recht kann man natürlich die Argumente seines Gegenüber nicht INHALTLICH entkräften, indem man darauf hinweist, dass der andere ein alter weißer Mann ist. Auch (alte) weiße Männer können stichhaltige Argumente vorbringen – sogar in Debatten, in denen es um das N-Wort geht. Allein daraus, dass ein Argument aus der Feder oder dem Mund eines (alten) weißen Mannes stammt, folgt nicht logisch zwingend, dass das entsprechende Argument ungültig sein müsste.
    Daher sind die entsprechenden Argumente – sofern sie nicht offensichtlich unplausibel sind – nach Möglichkeit inhaltlich zu prüfen und zu widerlegen.

    WENN man das gründlich getan hat und zum Ergebnis kommt, dass die Argumente des anderen nicht nur schlecht sind, sondern auch noch eine besondere Unsensibilität offenbaren, DANN kann man immer noch laut mutmaßen, dass das Gegenüber so argumentiert, wie es argumentiert, weil es ein alter weißer Mann ist. (Wobei hier noch die Frage bliebe, ob (alte) weiße Männer gegenüber Schwarzen wesentlich unsensibler sind als etwa (alte) weiße Frauen.)

    Es sollte jedoch auch dann bedacht werden, dass die These, dass der andere nur argumentiert, wie er argumentiert, weil er ein alter weißer Mann ist, in vielen Fällen nur eine Mutmaßung darstellt, von der man nicht wirklich weiß, ob sie wahr ist; auch sollte man bedenken, dass die Äußerung einer solchen Mutmaßung mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nur für böses Blut sorgen wird. Selten wird sie zur „Einsicht“ beim anderen oder zur Versachlichung der Diskussion führen. Ziemlich regelmäßig wird sie eher zu verärgerte Reaktionen und endlose und fruchtlose Nebendiskussionen nach sich ziehen.

    Ich möchte damit nicht sagen, dass es IMMER unzulässig sei, auf den „alten weißen Mann“ hinzuweisen; es mag Fälle geben, in denen das vertretbar ist, sofern man sich bewusst bleibt, dass der alte weiße Mann eine Abstraktion mit erheblichen Limitationen ist. Jedoch meine ich, dass man mit solchen rhetorischen Figuren vorsichtig und sparsam umgehen sollte. Derzeit scheint es mir, dass sie etwas inflationär gebraucht werden.

    Wird einem Weißen, der eine „unerwünschte“ These vertritt und argumentativ begründet, ohne weitere Analyse oder Auseinandersetzung entgegengehalten, dass seine Meinung einfach der Ausdruck von „white privilege“ sei oder darauf zurückgehe, dass er ein alter weißer Mann sei, dann ist das kein Argument, sondern ein Totschlag-Argument.

  139. Um meine Haltung zu präzisieren:

    Es gibt natürlich Fälle, wo es wirklich offensichtlich ist, dass jemand eine Meinung beispielsweise nur vertreten kann, weil er nicht betroffen ist und es ihm an Empathie fehlt. Und wo seine Argumente so schlecht sind, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen überflüssig ist. Und da kann es zulässig sein, dem anderen einfach zu sagen, dass er wohl kaum so denken würde, wie er denkt, wenn er betroffen wäre, usw.

    Nur meine ich, dass man sehr vorsichtig damit sein sollte, zu behaupten, dass so ein Fall vorliegt. Denn sonst macht man es sich nicht nur sehr einfach, sondern nimmt dem anderen zugleich die Möglichkeit, sich sachlich verteidigen zu können. Denn wie soll der andere beweisen, dass er nicht auf fehlender Sensibilität, sondern auf Grundlage vernünftiger Erwägungen zu seiner Meinung kommt?

  140. @ LLL: Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Selbst WENN ein Argument aus rassistischen / sexistischen Überlegungen heraus entwickelt und vorgetragen wird, ist es DESHALB noch nicht falsch! Dies „erspart“ nur die Mühe, es zu prüfen; nachvollziehbar, denn mit Rassisten / Sexisten zu diskutieren ist kein Honigschlecken.. Aber: Dass auch verwerfliche Charaktere und gar zur Stützung verwerflicher Thesen etwas sagen, heißt noch nicht, dass dies, was sie dann sagen, dann falsch ist. (DASS sie es sagen, mag verwerflich erscheinen; es geht aber ja nicht um deren Charakter, sondern um die Sache. Und für die ist all das völlig unerheblich. Nur, ob sie stimmt, ist wesentlich. Dann: Fakt. Sonst: Fake. Wenn man DAS weiß, kann man ja immer noch draufhauen.. aber doch nicht ANSTATT es zu prüfen!?! Hups, im Weiteren haben Sie fast das Gleiche geschrieben..)
    Genau genommen ist es umso bemerkens- und überlegenswerter, wenn krude Standpunkte durch Wahrheiten untermauert werden (auch wenn natürlich dieselben Wahrheiten auch völlig andere Standpunkten untermauern könnte.. sic!). Denn dann muss ja – ausschließlich – etwas Anderes – ! –, dennoch natürlich Wesentliches gegen eben diesen Standpunkt sprechen. Und DORT sollte folgerichtig dann die Angriffsfläche liegen; auch und besonders gegenüber Rassisten und Sexisten. Aber doch nicht im Negieren von (möglichen) Wahrheiten, nur weil sie vom Falschen kommen, oder falsche Ideologien stützen können (intellektuell absurd ist sowas sogar, oder nicht?)!
    Und dann, wenn das eigene Weltbild, die eigene Lebenswirklichkeit partout nicht mit dieser neuen Facette von Wahrheit in Einklang zu bringen ist – ergibt sich automatisch die Chance und Notwendigkeit, Sicht oder Denken der Wirklichkeit anzunähern! (ich sag’s besser nochmal dazu: KEINESWEGS können wir je weiter kommen, wenn wir Fakten umschiffen; warum auch immer wir das im Einzelfall auch tun!)

    #158: Ein super trefflicher Kommentar und entsprechend zielführende (er kann es nie – und ich glaube ja, es gibt bei diesen Konstellationen keine „Lösung“, nur Negieren; das Eine oder das Andere, bei der einen oder der anderen Person. Dem könnte man sich am besten schnell stellen und Alternativen ausprobieren, wenn man es zur Kenntnis nimmt.) Frage.

    Aber wie gesagt: Dann geht es ja längst schon nicht mehr um die Sache, um die es geht. Sondern um den Charakter von Mitdiskutanten, Schlüsse daraus auf deren Beweggründe und nachfolgend eine – zwangsläufig, weil die Sache an sich, also das Argument aus den Vorüberlegungen heraus gar nicht mehr geprüft wird! – vorverurteilende Werteinschätzung der Information. Falsche Quelle oder oft bestätigter Grund für Ablehnung (vorsätzliche „Verletzung“, völlige Missachtung, disrespect; jeweils „offensichtlich“) = Info ist Fake, man dismissed sie. „Seriöse“ Quelle oder unzweifelhaft „gute“ Intention, also der eigenen Sicht genügend weit genügend = Info ist News, man geht mit ihr weiter um oder macht sie gar Teil des eigenen Weltbildes und verbreitet sie.
    Kein Wunder eigentlich, dass so selbst der haarsträubendste Unfug bedenkenlos geschluckt und wieder rausgewütet wird, und oft schon einen halben, aber entscheidenden Gedanken weiter zu denken nicht mehr notwendig ist, viel zu oft.

    Danke, ist mir eine Freude!

  141. @ Jens:

    Danke für de freundlichen Kommentar.

    „Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Selbst WENN ein Argument aus rassistischen / sexistischen Überlegungen heraus entwickelt und vorgetragen wird, ist es DESHALB noch nicht falsch!“

    Ja, das wollte ich dadurch zum Ausdruck bringen, dass ich zuerst argumentiert habe, dass die Meinung eines alten weißen Mannes nicht notwendig darauf zurückgehen muss, dass er ein alter weißer Mann ist, und dann getrennt (!) davon argumentiert habe, dass ein Argument nicht zwingend falsch sei muss, nur weil es von einem alten weißen Mann geäußert wird. Hätte ich aber klarer und expliziter formulieren können.

    Die psychologischen oder ähnlichen Motive, aus denen heraus jemand etwas behauptet, und die Gültigkeit der Behauptung sind an und für sich erst mal zwei Paar Stiefel (auch wenn es in der Praxis natürlich oft Beziehungen gibt).
    Wenn Herr A Herrn B deshalb kritisiert, weil Herr B mit Herrn As Frau fremdgegangen ist, dann kann die Kritik von Herrn A an Herrn B dennoch sachlich stichhaltig sein.

    Da ist ja der berühmte Unterschied zwischen Geltung („Richtigkeit“) und Genese (Genese hier verstanden als der kontingente, historische, psychologische Prozess der Entstehung von Überzeugungen oder Argumenten).

    Entsprechend auch der „genetische Fehlschluss“, bei dem aus dem Ursprung eines Argumentes ohne hinreichende Grundlage auf eine vorhandene oder nicht vorhandene Geltung geschlossen wird. (Ein Spezialfall wäre das „argumentum ad hominem“, siehe # 157).

    Aus solchen Gründen ist es ja auch bedauerlich, wieviele Debatte daran kranken, dass weniger auf die Argumente des anderen eingegangen wird, als dass man die Person des anderen – oft noch auf Grundlage von Unterstellungen – angreift. Ein Großteil solcher Wortwechsel geht von vornherein an der Sache vorbei und führt nur zu persönlichen Kleinkriegen ohne Erkenntniswert. Schade.

  142. Ich schreib:

    „Wenn Herr A Herrn B deshalb kritisiert, weil Herr B mit Herrn As Frau fremdgegangen ist, dann kann die Kritik von Herrn A an Herrn B dennoch sachlich stichhaltig sein.“

    Diser mein Satz ist vielleicht etwas missverständlich. Ich dachte natürlich an eine Kritik in einer Sachdebatte. Nehmen wir etwa an, A und B wären Wissenschaftler desselben Fachgebietes, etwa der Physik. B betrügt A mit dessen Frau. Darauf schaut sich A die wissenschaftlichen Arbeiten von B an und findet dort einen erheblichen Fehler. Diesen kritisiert er mit überzeugenden Argumenten. Dabei geht es ihm aber nicht darum, die Wissenschaft voranzubringen, sondern B eins auszuwischen. Dann ändert das nichts daran, dass die Kritik von A in der Sache stichhaltig ist. B kann As Kritik an seinen wissenschaftlichen Arbeiten nicht damit entkräften, dass er darauf hinweist, dass A ihn vermutlich nur kritisiert, um sich zu rächen – selbst wenn er mit dieser Vermutung richtig liegt.

  143. @Jens
    Die Seite “pinkstinks” beschäftigt sich ausführlich mit sexistischer Werbung.
    #159 Ihre Überlegungen basieren auf der Annahme, es gäbe eine Wahrheit, die völlig unabhängig von bestimmten anderen Annahmen/Voraussetzungen existiert und die es nun zu finden gilt. Damit eine Diskussion möglich wird, müssen aber die Grundannahmen der Diskussionspartner übereinstimmen.
    Meistens stimmen die Grundannahmen weitgehend überein (sonst könnten wir nicht kommunizieren). Wenn sich eine Diskussion ewig im Kreis dreht (oder der Diskussionspartner sich immer mehr aufregt), kann es helfen, die Grundannahmen zu überprüfen. Was dann noch eine Rolle spielt ist, dass viele Annahmen unbewusst sind und das die Bewusstwerdung mancher Annahmen durch einen Selbstschutzmechanismus blockiert ist (Verdrängung).
    Als ich schrieb, dass es sich hier wieder mal nur die Probleme von “weißen Männern“ dreht, bin ich von der Annahme ausgegangen, dass jeder, (so wie ich) der Meinung ist, dass damit nur soziale Gruppen bezeichnet werden sollten, nicht einzelne Personen. (Wozu auch, wie ich vorher schrieb, denke ich, es gibt keine Möglichkeit den Charakter anderer Menschen zu ändern, dennoch ist es möglich die eigenen persönlichen Grenzen zu verteidigen.) Die Sprecherposition ist da wohl irgendwo dazwischen. Illen meinte, ich hätte gesagt, hier redeten weiße Männer über sich selbst. Ich meinte, ich hätte gesagt, hier reden Menschen über Probleme “weißer Männer”. So dachte jeder, das seine Wahrheit “die Wahrheit” sei.
    @ LLL, da ich das in einem Kommentar an Sie geschrieben habe, tut mir Leid, dass es da zu Missverständnissen gekommen ist.

  144. @ Sarah:

    Als ich schrieb, dass es sich hier wieder mal nur die Probleme von “weißen Männern“ dreht, bin ich von der Annahme ausgegangen, dass jeder, (so wie ich) der Meinung ist, dass damit nur soziale Gruppen bezeichnet werden sollten, nicht einzelne Personen.

    Das ist der traurige Witz an der Sache – und der Umstand, der mich bei dieser Debatte irre macht: „Weiße Männer“ sind keine soziale Gruppe. Jeff Bezos ist genauso ein „weißer Mann“ wie der Hartzer aus Marzahn. Was haben die beiden miteinander zu tun? Genauso wenig sind „People of Colour“ eine soziale Gruppe. Was hat Oprah Winfrey mit einer Bäuerin aus Simbabwe zu tun? Oder, um es kleiner zu machen, was hat Ijoma Mangold mit einem Flüchtling zu tun, der im Heim lebt und auf Asyl wartet?

    Und nun vergleichen wir Oprah Winfrey mit dem Hartzer aus Marzahn. Der identitätslinken PoMo-Denke zufolge gilt: Oprah ist doppelt diskriminiert, weil schwarz und weiblich. Der Hartzer ist doppelt privilegiert, weil weiß und männlich. Ergibt das Sinn?

    Was ich damit sagen will: Man kann auf einem antirassistisch gemeinten, aber anhand „rassischer“ Kriterien gebauten Weltbild keine konsistente Gesellschaftskritik aufbauen. Diskriminierung ist ein Faktum, aber eher Symptom als Ursache sozialer Verwerfungen. Diese Verwerfungen sind zu analysieren – und darum drückt sich eben, wer feststellt: „Weiß“ schlecht, „Colour“ gut.

  145. #163 Kritischer Kritiker:

    Die Feststellung, dass „weiße Männer“ keine soziologische Gruppe sind, kann man mE gar nicht deutlich genug formulieren (vgl. meinen Versuch in #143).

    Man kann nur inständig hoffen, dass sich die Linke von diesen Denkschulen wieder verabschiedet und zu einer wirksamen Gesellschaftskritik zurückfindet, die die Benachteiligten dieser Welt nicht in lauter rein deskriptive Kleinstgruppen aufteilt und gegeneinandersetzt. Aber davon sind wir wohl noch einige Jahre entfernt.

  146. >Man kann nur inständig hoffen, dass sich die Linke von diesen Denkschulen wieder verabschiedet und zu einer wirksamen Gesellschaftskritik zurückfindet, die die Benachteiligten dieser Welt nicht in lauter rein deskriptive Kleinstgruppen aufteilt und gegeneinandersetzt.

    Warum etwas von etwas lassen, was nicht bloß verkehrt und immanent widersprüchlich ist, sondern auch strategisch/taktisch nur Nachteile bietet?
    Es ist ja nicht so, als ob jene, die für eine solche Ausrichtung verantwortlich sind (ich rede jetzt von der Partei „Die Linke“) keine Wahlanalysen lesen könnten; aber in der Welt knapp über 5% reicht’s für das persönliche Fortkommen und das Klientel kommt aus der eigenen Prenzelhainer Hipsterblase.

  147. @ Sarah:

    „@ LLL, da ich das in einem Kommentar an Sie geschrieben habe, tut mir Leid, dass es da zu Missverständnissen gekommen ist.“

    Kein Problem. Missverständnisse lassen sich ja zum Glück (manchmal) klären.

    Generell würde ich fragen, wieviel Sinn die Anrufung des “alten weißen Mannes” überhaupt macht. Ich denke, der „alte weiße Mann“ mag als rhetorisches Mittel dienen, wenn es etwa darum geht, einen älteren weißen Mann aus (wenigstens) der Mittelschicht, dem es an der Sensibilität für diskriminierte Minderheiten fehlt, darauf aufmerksam zu machen, dass seine Einstellung auch mit seinem eigenen begrenzten Erfahrungshorizont zu tun haben mag.

    Im vorliegenden Fall mag ein solcher Hinweis vielleicht vertretbar sein, wenn es um den im Artikel kritisierten Herr Greiner geht, da dieser womöglich eine fehlende Sensibilität gegenüber Minderheiten an den Tag legen mag. (Ich möchte mir dazu kein definitives Urteil erlauben, da ich zu wenig von Greiner im Original gelesen habe. Der Zeit-Artikel von 2013, den ich von ihm gelesen habe, erscheint mir als deutlich rationaler und auch als differenzierter als die Darstellung durch Herrn Dell.)

    Zumindest aber die allermeisten Leute, die Herrn Dells Artikel kritisiert haben, haben in der Hauptsache einfach nur darauf hingewiesen, dass bestimmte Thesen und Argumente von Herrn Dell problematisch sind, insbesondere aus sprachtheoretiscen und historischen Gesichtspunkten. Eine solche Kritik, bei der es einfach um „deskriptive“ Tatsachenfragen geht, scheint mir wenig mit einer (fehlenden) Sensibilität gegenüber Minderheiten zu tun haben. Ob es eine historische Tatsache ist, dass das N-Wort – entgegen Herrn Dells Darstellung – einmal als sachlich galt (nicht: heute gilt), ist einfach eine Sachfrage. Erst bei der „normativen“ Frage, wie man heute mit dem N-Wort umgehen sollte, können sich Sensibilität oder ein Mangel an dieser offenbaren.

    Darüber hinaus ist es natürlich tatsächlich der Fall, dass weiße Männer als bestimmten diskriminierenden Erfahrungen nicht oder seltener ausgesetzt sind als andere Gruppen. (Wobei nicht nur sehr junge, sondern auch ältere Menschen durchaus diskriminiert werden können, ob weiß und männlich oder nicht.)

    Ob es jenseits dessen viel Sinn macht, den “alten weißen Mann” als entscheidende analytische Kategorie zu behandeln und beispielsweise von den “Problemen des alten weißen Mannes” zu sprechen, erscheint mir indes als fragwürdig:

    – Alte weiße Männer sind eine sehr heterogene Gruppe. Die Probleme eines alten weißen Mannes aus dem bildungsfernen Prekariat können völlig anders aussehen als die eines alten weißen Linksntellektuellen aus der gehobenen Mittelschicht. Und was für die Probleme gilt, dürfte oft auch für die Wahrnehmung der Welt gelten.

    – Es existieren andere Kategorien, die oftmals viel wesentlicher sein dürften als etwa das Geschlecht: Der erfolgreiche männliche Anwalt etwa dürfte (im Schnitt) in vielerlei Hinsicht mehr gemein haben mit der Ärztin mit gutgehender Praxis als mit einem (alten) weißen Mann aus dem bildungsfernen Prekariat, und zwar sowohl im Hinblick auf Lebenserfahrungen wie die gesellschaftliche Problemwahrnehmung.

    – Es ist generell fraglich, ob alte weiße Männer sich in ihrer Perspektive auch als Gruppe grundlegend etwa von alten weiße Frauen unterscheiden. Zwar haben beispielsweise 50% der Männer und nur 40% der Frauen Trump gewählt. Das ist einerseits eine deutliche und in diesem Fall sogar wahlentscheidende Differenz. Gleichzeitig heißt das aber, dass für 10 Männer, die Trump gewählt haben, immer noch 8 Frauen Trump gewählt haben. Die Gemeinsamkeit scheint hier größer zu sein als der Unterschied. Frauen haben nur 1/5 seltener Traump gewählt als Männer.

    Soll nicht heißen, dass Geschlecht oder Hautfarbe keine relevanten Faktoren wären. Es sind aber nur einige von vielen Faktoren, und ihre Erklärungskraft ist offensichtlich begrenzt. Es scheint jedenfalls nicht gerechtfertigt zu sein, anzunehmen, dass sich auf der einen Seite die alten weißen Männer und auf der anderen Seite der Rest der Gesellschaft befinden würde. Vielmehr haben wir es oft mit heterogenen Gruppen zu tun, die einander großteils überlappen, wenn auch nicht vollständig decken.

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