Bildung, Pflege, Wohnen: Die blinden Flecke der Sommerinterviews
Was wollten die Moderatoren wissen? Über welche Themen wurde am meisten gesprochen – und über welche am wenigsten? 15 Sommerinterviews mit Bundespolitikerinnen und Bundespolitikern haben ARD und ZDF in den vergangenen Wochen ausgestrahlt: Merkel, Nahles, Lindner – das gesamte Berliner Spitzenpersonal stellte sich den Fragen; der Tradition folgend: meist unter freiem Himmel, machmal (im ZDF) auch im jeweiligen Heimatort.
Wir wollten wissen, welche Themen dominierten, welche unterrepräsentiert waren. Deshalb haben wir alle Interviews ausgewertet. Alle Interviews meint: alle mit Vertretern der Parteien oder der Regierung, insgesamt 14 Stück. Das Interview mit Frank-Walter Steinmeier haben wir ausgelassen, da es im Interview mit dem Bundespräsidenten weniger um Sachthemen ging.
Welches Thema ganz vorne lag und welche Themen die Sender vernachlässigten, obwohl sie die Bürgerinnen und Bürger in der politischen Auseinandersetzung vermissen: Boris Rosenkranz erklärt es hier im Video.
Fragen und Antworten zur Asyl- und Flüchtlingspolitik nahmen den meisten Raum ein. In jedem Interview wurde darüber gesprochen, teilweise ausführlich, bis auf eins: das ZDF-Interview von Thomas Walde mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Alexander Gauland. Walde stellte ausschließlich Fragen zu: Rente, Klimawandel, Digitalisierung und Wohnen – und zur Zukunft der AfD.
In zwei ZDF-Sommerinterviews dominierte das Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik stark: mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innen- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU), was nicht überrascht, da Merkel und Seehofer die beiden zentralen Figuren des Unionsstreits zu diesem Thema waren.
Nahezu alle Themen, die – etwa laut ARD-Deutschlandtrend vom 5.7.2018 – die Bürger interessieren, waren eher unterrepräsentiert: Rente, Pflege, Wohnen und Bildung. Über Wohnen wurde in vier der 14 Interviews geredet, über Rente in fünf. Das Thema Pflege wurde nur kurz im ARD-Interview mit Jörg Meuthen (AfD) angesprochen – aber in keinem anderen Interview. Auch zum Thema Bildung haben wir in keinem Interview eine Frage gehört.
Tja, Herr Rosenkranz, Ihr eigener Mikrokosmos spricht eine andere Sprache.
Da müsste man doch meinen, dass die massive Vermeidung von Schwerpunkten, die Bürger nach diversen Umfragen interessieren, ein klassisches Thema der Medienkritik sein sollte, dass wirklich beachtenswert ist. Insbesondere dann, wenn der ÖR dieses Vermeidungsverhalten an den Tag legt.
Nur kommentiert hier niemand zu diesem Befund, währen ihr Artikel zur verdorbenen Debatte über die Vorfälle in Chemnitz bereits 100 Kommentare nach sich gezogen hat.