Berichten über Transsexualität

Wieso man tote Namen nicht verwenden sollte

Eigentlich wollte Linus Giese nie sichtbar sein, und nie so bekannt, aber nun ist er es doch – um aufzuklären. Linus Giese ist ein trans* Mann, und er dokumentiert seine Transition unter anderem auf Twitter, postet Fotos, etwa von einem Binder, den er trägt, damit die Brust flacher wirkt. „Für mich ist das nicht nur ein Kleidungsstück“, schreibt er, „sondern überlebensnotwendig.“

Der 32-jährige Buchhändler aus Berlin hat mehr als 6.000 Follower, viele unterstützen und respektieren ihn, aber es gibt auch viele, die ein Problem mit Linus Giese haben. Er wird heftig beleidigt, mit Hass überschüttet. Auch das macht ihn und seine Geschichte für Medien interessant. Sie wollen über ihn berichten. Über sein Leben. Und über die Ablehnung, die ihm oft begegnet. Seine Sichtbarkeit nutzt Giese im Gegenzug, „damit die Menschen der Generation nach mir nicht so lange brauchen, bis sie das Leben führen können, das sich für sie richtig anfühlt“, sagte er unlängst in einem Interview.

https://twitter.com/buzzaldrinsblog/status/979475232405803008

Kürzlich interessierte sich auch die „taz“ für Giese. Eine Reporterin meldete sich, um über ihn für die Rubrik „Hausbesuch“ zu schreiben. Vier Stunden hätten sie miteinander geredet, erzählt Giese, der den „taz“-Text anschließend sogar zu lesen bekam, vor der Veröffentlichung, was ungewöhnlich ist. Die „taz“ wollte wohl auf Nummer Sicher gehen – und doch passierten ihr noch Fehler: Im Twitter- und Facebook-Teaser sowie in Bildunterschriften der „taz“ stand auch jener Name, den Linus Giese bei der Geburt zugewiesen bekam.

Deadnames – tote Namen, die verletzen

Viele trans* Menschen sprechen von Deadnames, toten Namen. Wie sie zur Geburt genannt wurden, erinnert an das als falsch empfundene Geschlecht und weckt damit negative Erinnerungen. Ihn zu hören, zu lesen, verletzt Linus Giese immer wieder neu: „Es hat sich furchtbar angefühlt, diesen Post zu sehen“, sagt er. „Ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein!“ Aber es passiert häufig, gerade erst wieder, als die Whistleblowerin Chelsea Manning auf der Republica in Berlin zu Gast war. In vielen Artikeln dazu steht auch immer noch jener Vorname, den sie früher trug. Linus Giese regt das auf.

„Die Person existiert unter diesem Namen einfach nicht mehr“, erklärt Caroline Ausserer von der Bundesvereinigung Trans*. Werde der alte Name immer wieder erwähnt, könne das bewirken, dass die aktuelle Identität weniger ernst genommen und damit abgeschwächt wird. Außerdem kann es Leser*innen dazu animieren, trans* Menschen, die ihnen begegnen, nach ihren Geburtsnamen zu fragen. „Wieso aber sollte sich jemand das Recht nehmen, danach zu fragen, was im Personalausweis steht?“, wundert sich Linus Giese. Das mache bei cis-Menschen ja auch niemand.

Viele Medien aber müssen den als falsch empfundenen Namen offenbar immer unbedingt hinschreiben, meist gleich in der Überschrift oder im ersten Absatz, wie neulich das junge „Zeit“-Online-Magazin „Zett“:

„Deadnaming“ im jungen Online-Magazin „Zett“ Screenshot: Zett

Dass Steffis Frau Dana früher Daniel hieß – aus Sicht von trans* Menschen völlig irrelevant. Auch ein Text bei „Bento“, dem jungen Ressort von „Spiegel Online“, erzählt zunächst, dass Maya seit fast zwei Jahren mit ihrer Freundin Emma zusammen sei, und dass sie sich damals vor einem Club kennen lernten: „Nur, dass Emma damals noch Lukas hieß.“ Und andere schreiben es gleich in die Überschrift, die „Schwäbische“ oder „Bild“ etwa.

Viele trans* Menschen verletzt es, mit dem alten, falschen Namen konfrontiert zu werden. Für Medien, die über trans* Menschen berichten, ist es oft eine Gratwanderung. Dana Diezemann, zum Beispiel, die Frau aus der „Zett“-Geschichte, stört sich nicht so sehr daran, dass ihr alter Name dort auftaucht, denn: „Für alle anderen war ich ein er, war Daniel, auch wenn ich mich nicht so gefühlt habe“, sagt sie. In der Geschichte gehe es eben um ihre Vergangenheit. „Ich kann mein altes Leben ja nicht verteufeln.“

Aber auch sie schmerzt es, wenn heute jemand das falsche Pronomen nutzt. Für Menschen, die nie in dieser Situation waren, ist das vielleicht schwierig zu verstehen, aber: „Niemand kann sich vorstellen, welchen Aufwand, Stress und Mühen trans* Menschen durchmachen müssen“, sagt Dana. „Das ist alles zunichte gemacht in nur einem Wort: Er.“ Deshalb wäre es nicht schlecht, wenn Medien in Artikel über Transsexualität erklären, weshalb sie den Geburtsnamen im Einzelfall verwenden, statt ihn selbstverständlich zu nutzen.

Aber die Nennung des Geburtsnamens ist nur ein Problem. Viele Medien reproduzieren ein weiteres Bild über trans* Menschen, das falsch ist und für viele Betroffene verletzend: Dass das Geschlecht einfach nach Lust und Laune gewechselt oder, wie es auch häufig heißt: umgewandelt werden kann. Oder dass es sogar eine eigene Entscheidung sei. Das war auch im Teaser über Linus Giese der Fall. „Der Buchhändler und Blogger weiß, was es bedeutet, das Geschlecht zu wechseln“, schrieb die „taz“ auf Twitter.

Auch damit ist die linke Tageszeitung nicht allein: Der Deutschlandfunk schreibt, der „Wechsel vom Mann zur Frau oder von der Frau zum Mann“ bedürfe einer lebenslangen Hormonbehandlung und einer Operation. Und der „Schwarzwälder Bote“ meint zu wissen, was es genau sei, das Christin Löhner von anderen Frauen unterscheide: „dass sie sich bewusst dafür entschieden hat, ein Leben als Frau zu führen“, immerhin sei sie „als Mann geboren“.

Auf die Spitze treibt es „Neues Deutschland“, das in der Überschrift von „Verwandlung, die nicht nur Freiheit bedeutet“ spricht, was sich eher nach okkulter Magie anhört, und dann den Protagonisten zu einer Frau macht, obwohl er im selben Satz widerspricht: „Henry, der früher eine Frau war, erlebte es anders: ‚Ich wusste von klein auf, dass ich ein Junge bin. (…)'“

Und das Ramschportal „Tag24“ kann oder will sich gar nicht entscheiden:

So zu titeln, verspricht wahrscheinlich Reichweite, und Formulierungen wie „Aus Gerhard wird Sarah“ natürich verführerisch: Sie sind knapp, interessant, führen sofort ins Thema. Viele ahnen vermutlich nicht einmal, dass das ein Problem sein könnte und Betroffene häufig schmerzt, das so zu lesen oder zu hören. Ein Umdenken wäre gut: „Am Besten, Sie streichen den Begriff Geschlechtsumwandlung einfach aus Ihrem Wortschatz“, rät auch der Verein TransInterQueer in einem Leitfaden für Journalist*innen.

Korrekt müsste es demnach lauten: „Ein „trans* Mensch gleicht körperliche Merkmale an seine Geschlechtsidentität an, zum Beispiel mittels Hormonen oder geschlechtsangleichenden Operationen, macht also (so weit wie gewollt und möglich) nach außen sichtbar, was bislang noch nicht im angestrebten Umfang sichtbar gewesen ist; daher ‚angleichen‘, nicht ‚umwandeln'“, erklärt die Broschüre. Auch das Transgender Network Switzerland und Transgender Europe haben ähnliche Leitfäden.

Nachdem sich Linus Giese über die Twitter-Formulierungen der „taz“ beklagt hat, hat die Zeitung den Post gelöscht und im Hausblog sowie in der Zeitung eine Entschuldigung gebracht: „Wir haben bei der Veröffentlichung Formulierungen verwendet, die unachtsam waren und einer angemessenen Darstellung von trans* Menschen nicht gerecht werden“, heißt es dort, und dass es „nicht unsere Absicht“ gewesen sei, „jemanden damit zu verletzen.“

Es geht darum, aufzuklären und zu sensibilisieren

Linus Giese ist auch nicht sauer auf die Journalistin oder die Redaktion. „Aber ich bin auf jeden Fall vorsichtiger im Umgang mit Medien geworden“, sagt er, und dass er versuche, seine Rechte einzufordern und „klarer zu machen, wie über mich geschrieben werden soll.“ Bei der „taz“ habe er „einfach darauf vertraut, dass man sich auskennt.“ Ist immerhin die „taz“. Dass auch sie Fehler machte, zeigt, wie schwierig es für Journalist*innen heute noch ist, über dieses Thema zu schreiben.

Medienschaffende seien hier in der Verantwortung, sagt Caroline Ausserer von der Bundesvereinigung Trans*: Häufig würden trans* Menschen stereotyp dargestellt, Medien erzählten Vorher/Nachher-Geschichten, „Leidenswege“ und fokussierten sich dabei gerne auf Geschlechtsteile, so wie etwa der Beitrag des Deutschlandfunks. Das ist nicht gut. Offensichtlich sind manche Journalist*innen aber bereits vorsichtiger geworden.

Neulich erst hat Linus Giese mit der Journalistin eines konservativen Blatts gesprochen. „Ich soll den Beitrag unbedingt vorher lesen“, sagt Giese. Die Journalistin habe Angst, „sonst auf Twitter auseinandergenommen zu werden.“ Dabei geht es ja nicht darum, Medien zu beschimpfen, weil sie beim Thema Transgender noch Fehler machen, sondern aufzuklären und damit auch Leser*innen und Zuschauer*innen dafür zu sensibilisieren.

(Offenlegung: Ich bin regelmäßiger Autor für „Zett“ und auch für die „taz“.)

30 Kommentare

  1. Im Fall von Chelsea Manning verstehe ich die erwähnung teilweise noch, im Kontext, dass die Nachrichten über sie berichteten, als sie als Mann bekannt war, und es bei die Transition selbstverständlich und unkommentiert behandelnden Artikeln zeitweise zu Verwirrung führte, wo denn der Herr Manning hin war.

    Das war aber ein zeitweises phänomen. Ich glaube nicht, dass es heute noch nötig ist, weil alle informierten Leute bescheid wissen und die uninformierten sich nicht an Mannings alten Namen erinnern werden.

  2. Es gibt bei transsexuellen Personen sicherlich viele Abstufungen, Schicksale, Kämpfe etc., aber das „ursprüngliche“, bei der Geburt offensichtliche Geschlecht gehört doch zur Geschichte dieser Leute dazu. Mir ist schon klar, dass der „Wandel“ mit heftigen inneren Kämpfen verbunden ist. Aber dazu sollte man doch stehen. Oder zumindest seinen Mitmenschen zugestehen, dass sie diesen Wandel beobachten und als eine Geschichte mit vor- und nachher begreifen. Ein Erwähnungsverbot des davor, ist doch nun auch etwas merkwürdig.

    Und: die * helfen wirklich nicht. Nicht bei der Lesbarkeit von Texten, noch in der Sache selbst.

    Und ja: man sollte sich der Presse in persönlichen Dingen nicht ausliefern. Prinzipiell.

    Ansonsten: alles Gute und viel Glück, Spaß usw. im Leben!

  3. @MATBU
    Ich halte es für mindestens schwierig über den Nutzen / die Sinnhaftigkeit von etwas zu schreiben, von dem man selbst nicht direkt betroffen ist (ich habe jetzt augehend von Ihrem Kommentar mal unterstellt, dass Sie nicht trans* sind). Warum sollten „wir“ es besser wissen als Trans*Menschen, um die es ja schließlich geht? Das gilt eigentlich für alle Bereiche: Weiße können schlecht beurteilen wie diskriminierend die Verwendung des Wortes „Neger“ ist und Männer sind nicht in der Position zu entscheiden was „noch geht“ und was für Frauen ein sexueller Übergriff ist / als sexistisch empfunden wird (beispielsweise im Zusammenhang mit den zahlreichen #Metoo-Debatten zeigt sich eindrucksvoll, dass sie es dennoch gerne tun).
    Wie Sie sehen, störe ich mich an dem * nicht, im Gegenteil, ich ziehe es definitiv anderen Schreibweisen vor: Leser*innen finde ich viel schöner als Leser/innen oder Leser und Leserinnen. Auch hier kann man den Nutzen vermutlich besser bewerten, wenn man sich in der gängigen dichotomen Geschlechterunterteilung Mann / Frau nicht widerfindet, wobei ich es auch – ohne dies zu können – in Hinsicht auf die Lesbarkeit den anderen gängigen Alternativen vorziehe.

  4. LeserInnen lese ich als Abkürzung für Leserinnen und Leser.
    Privat sage ich Leserschaft.

    Hierzu fällt mir der Spruch ein: „Man wird nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht.“ Gilt für Männer natürlich genauso. Jetzt kann man sich aber natürlich denken, wenn man drei Sekunden investiert, dass für Menschen, bei denen dieses „gemacht werden“ deutlich komplizierter ist als für den überwiegenden Teil der restlichen Gesellschaft, dieses Thema ein einziger großer wunder Punkt ist.

    Andrerseits kann ich auch Redaktionen verstehen: Die Geschichte von einem Liebespaar, das zusammenbleibt, auch wenn die eine Paarhälfte ihr körperliches Geschlecht zwischenzeitlich ändert, ist so romantisch, dass die Versuchung, das ganze in die Überschrift zu stopfen, überwältigend sein muss. Bitte nicht sarkastisch verstehen, hier ist der Charakter nämlich offenbar _wirklich_ wichtiger als das Äußere.

    Wer Sarkasmus sucht, bitte: Danas Frau heißt Steffi? Wirklich, oder haben die einfach nicht gefragt?

  5. @LU:

    Wie Sie im Artikel lesen können, gibt es sehr wohl trans*-Menschen, die die Erwähnung des früheren Geschlechtes/Namens nicht stört. Hier gilt also dasselbe, wie bei der N-wort-Geschichte. Wer soll entscheiden, ob der alte Name genannt werden darf oder nicht? Die Mehrheit? Jeder für sich selbst? Die Menschheit an sich?
    Die Frage ist mMn nicht einfach zu beantworten.
    Und ich finde den * auch nicht sinnvoll — aber da kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein. Aber auch hier ist natürlich die Frage, wer entscheiden soll, welche Art der Ansprache sich durchsetzen soll. Da gibt es ja schon einige Varianten, die von unterschiedlichen Parteien favorisiert werden…

  6. @LU
    Und ich wiederum finde „Leser“ viel schöner als alle anderen Varianten, da es einfach ist und sprachlich alle lebendigen Geschlechter grammatikalisch bereits einschließt. Obwohl (!) grammatikalisch männlich.

    Dem Argument, dass nur betroffene urteilen dürfen, möchte ich nicht folgen. Das bedeutet nämlich gleich doppelt, dass einzelne bestimmen, wie der Rest sich zu verhalten hat.
    Zum einen: die Zugehörigkeit zur betroffenen Gruppe ist hier subjektiv definiert und schwer von außen zu verifizieren. Muss es ja auch eigentlich nicht sein, wenn nicht Ansprüche und Erwartungen an andere erhoben werden würden.
    Zum anderen: Die tatsächliche, und nicht nur unterstellte Absicht der Mehrheit gegenüber der Gruppe spielt ja schon eine entschiedene Rolle. Will sagen: es kommt nicht zu sehr auf die Befindlichkeit der Gruppe an (sorry, dass ist allein ihr Problem), sondern, ob der Rest ihr wirklich realistisch was antun etc. möchte. Und das sollte dann schon konkret benannt und sanktioniert werden.

    Kurz: man kann sein Leid nicht selbst definieren, sondern es muss in Relation zum Rest der Gemeinschaft „erkundet“ werden.

  7. @5 ICHBINICH:

    Ganz, ganz einfach: Solange man nicht weiß, ob es den anderen stört oder nicht, die Begriffe / Benennungen / Bezeichnungen / Zuordnungen gar nie verwenden. Und nur, weil manche Menschen etwas hartgesottener als andere sind, heißt es nicht, dass man sie trotzdem noch so bezeichnen sollte, wenn es höflichere Formen gibt. Die gibt es. Also: nie verwenden! Punkt.

  8. @patrick:
    Welche Benennungen denn? Den ehemaligen Namen? Oder ein trans* ohne Sternchen? Woher soll ich als cis-Mensch — was heißt das eigentlich? Und was, wenn ich das auch als Beleidigung empfinde? — das denn wissen? Wie gesagt fehlt hier einfach die Instanz, die so etwas festlegen kann. Und so ehrenhaft trans*-Aktivisten sind — ob sie die Mehrheit der trans*-Menschen verkörpern weiß ich trotzdem nicht. Genauso gut kann es ja sein, dass trans*-Menschen, die damit kein problem haben, in der Mehrzahl sind.
    Und sorry, aber wenn ich über trans*-Menschen sprechen/schreiben möchte, brauche ich nunmal eine Bezeichnung dafür. Da hilft ihr „Zuordnungen gar nie verwenden“ einfach überhaupt nicht weiter.

  9. @8 ICHBINICH:

    In den meisten Fällen ist das Geschlecht eh nicht wichtig. Trans- und Cis- sind wissenschaftliche Bezeichnungen und damit okay, wenn tatsächlich neutral an das Thema herangegangen wird. Deswegen fühlt sich davon aber auch keiner beleidigt. Es geht darum, ob man auf das frühere Geschlecht hinweisen muss, darf, soll. Und da gilt: Nie. Da man nie weiß, ob es den anderen nun verletzt oder nicht.
    Ich bezog mich dabei auf ihre Aussage: „gibt es sehr wohl trans*-Menschen, die die Erwähnung des früheren Geschlechtes/Namens nicht stört.“
    Nicht stören heißt nicht unbedingt mögen. Deswegen: Nie.
    Die Instanz, nach der sie fragen, die Ihrer Meinung nach fehlt, nennt sich „Höflichkeit“ bzw „Anstand“. Ebenso wie bei Bezeichnungen von Menschen nicht-europäischer Hautfarbe. Wer also leichtfertig frühere Namen oder Geschlechter unbedingt benennen muss, sagt viel über seine eigene Erziehung aus.

  10. Sehr interessanter Artikel, vielen Dank! Dass viele trans* Menschen die Verwendung von „Deadnames“ derart als Belastung empfinden, war mir nicht bewusst (wie auch der Begriff „Deadnames“).

    „Sensibilisieren statt beschimpfen“ finde ich definitiv die richtige Herangehensweise. Dies ist nun mal ein Bereich, in dem (zumindest hierzulande) gerade erst Bewusstsein geschaffen wird. Da tun sich sicher viele schwer, so sehr sie sich auch bemühen, nichts falsch zu machen. (Wobei die erwähnten Leitfäden/Broschüren der diversen Vereine natürlich schon genutzt werden sollten, und sicher eine große Hilfe darstellen.)
    Für dieses Prinzip („sensibilisieren statt beschimpfen“) wirkt mir der Artikel allerdings teils doch etwas zu angriffig, gerade wo anscheinend ein ehrliches Bemühen attestiert wird.

    Aber allgemein ein sehr guter Artikel, nochmals danke!

    Bei Chelsea Manning würde ich die Sache aber ebenfalls anders sehen. Als jemand, der unter anderem Namen weltberühmt geworden ist, ist die Erwähnung des alten Namens ja doch relevant, und wäre auch in allen anderen Kontexten (sprich: Gründen für eine Namensänderung) selbstverständlich.
    Dass mittlerweile „alle informierten Leute bescheid wissen“, würde ich nicht so gelten lassen, nachdem Zeitungen beispielsweise auch immer „Angela Merkel (CDU)“ schreiben.

    Kurz: man kann sein Leid nicht selbst definieren

    Dieser Satz erscheint mir einigermaßen absurd. Sie meinen ernsthaft, Menschen müssten andere Leute (die Mehrheit) entscheiden lassen, was Ihnen Leid verursacht? Das erscheint mir in keinster Weise haltbar.
    Disputabel wäre, ob das Leid einiger weniger das Verhalten der Mehrheit diktieren können sollte. Meiner Meinung nach: ja, speziell wenn es die Mehrheit nichts kostet. Das firmiert für mich einfach unter „grundlegende Höflichkeit“. Aber jedenfalls: dass das Leid an sich da ist, steht meiner Meinung nach nicht zur Diskussion.

  11. @patrick:

    „Nicht stören heißt nicht unbedingt mögen. Deswegen: Nie.“
    Das bedeutet aber ja automatisch auch, dass man nie eine Lebens/Leidensgeschichte eines trans*-Menschen erzählen darf. Meinen Sie das tatsächlich damit? (als Zusatz weil man im Internet oft missverstanden wird: das meine ich tatsächlich als ernstgemeinte Frage)
    Ich — als Außenstehender — bin immer davon ausgegangen, dass solche Geschichten anderen Betroffenen Mut machen, auch solch einen Schritt zu vollziehen. Und zusätzlich der Mehrheitsgesellschaft zu erklären, wie schwer es solche Menschen in der Gesellschaft haben und damit um Verständnis zu werben. Nicht zuletzt bei den Eltern von trans*-Kindern.
    Das ist ja mMn genau die Abwägung zwischen Einzel- und Informationsinteresse der Mehrheit. Und damit auch der Grund warum ich mich bei solchen Forderungen immer etwas schwer tue. Ich will ja weiß Gott nicht mit Absicht Menschen beleidigen — aber irgendwie muß man da auch als Gesellschaft eine Lösung finden.

    Bzw. Wie Thomas Seidl es treffenderweise ausdrückt: „Disputabel wäre, ob das Leid einiger weniger das Verhalten der Mehrheit diktieren können sollte.“ Ich bin da bei dem vorbehaltlosem „ja“ nicht dabei. Und das vor allem wie gesagt aus den Gründen :
    1. Wer in der Minderheit soll entscheiden, was OK ist und was nicht?
    2. Welche Minderheiten sollen darauf ein Recht haben? Denn in irgendeiner Weise ist jeder von uns in irgendeiner Minderheit (auch wenn sich natürlich das Maß der „Unterdrückung“ dieser stark unterscheidet).

    Wie auch immer man es dreht und wendet: am Ende muss nämlich die Mehrheitsgesellschaft auch zu der Veränderung bereit sein. Sonst wird das sowieso nichts. Und da hilft es mMn nicht einfach bei allen Themen zu sagen: „Und da gilt: Nie. Da man nie weiß, ob es den anderen nun verletzt oder nicht.“ Eine Welt, in der niemand durch Worte verletzt wird ist nämlich nicht möglich.

  12. @patrick Seidl

    „Meiner Meinung nach: ja, speziell wenn es die Mehrheit nichts kostet.“
    Das ist aber der Fehlschluss. Denn es kostet immer etwas. Man muss seine Sprache stetig überprüfen und verändern. Man muss außerdem die Regeln der Rechtschreibung, die man gelernt hat teilweise verändern etc. Sicher kann man sagen, dass das ein geringer Preis ist. Für „die Intelligenz“ mag das auch so sein. Aber für ältere Leute — vielleicht auch noch aus den nicht so gehobenen Schichten — erfordert das nunmal ein großes Maß an Überwindung bzw. Anstrengung. Und das sollte man bei der Debatte auch im Blick behalten! Denn das ist ja der ursächliche Grund für die Weigerung verschiedener Personen.

  13. Sorry, habe den Artikel nicht zu Ende gelesen. Denke aber, dass ich das Anliegen bereits nach der Hälfte verstanden habe. Was mir dann vielleicht entging ist das Verständnis warum jemand zu seiner Person überhaupt ein Interview unter seinem Namen gibt, wenn ein zeitlicher Anteil davon nicht namentlich Gegenstand der Berichterstattung sein soll…

  14. @11: ICHBINICH

    Nein, das meine ich nicht, denn in solchen Fällen geht es ja um den jeweiligen Einzelfall und die Betroffenen wissen ob der Berichterstattung. Trotzdem müssen Redakteure und Journalisten auch hier sehr viel sorgfältiger und mit Bedacht an die Berichterstattung herangehen und nicht einfach nur annehmen, dass sie nun die Geschichte haben und damit ohne Rücksicht auf die Betroffenen machen können, was sie möchten. Gerade weil jeder zehnte Transmensch u. a. aus solchen Gründen suizidgefährdet ist (ich habe die Zahl vor Jahren mal irgendwo gelesen, habe dafür aber leider gerade keine passende Quelle, aber selbst wenn die Zahl nur halb so hoch wäre, wäre das schon schlimm genug.)

    Wie sollen sich z. B. Transmenschen als Vorbild für aber für die Berichterstattung öffnen, wenn sie fürchten müssen, darunter noch mehr leiden zu müssen, dazu dann noch öffentlich? Die Journalisten machen das ja vermutlich nicht aus Absicht, aber gerade wenn man sich mit solch persönlichen Schicksalen nicht auskennt, ist eben besondere Vorsicht geboten… wie für jeden, der von einer Begegnung mit Transmenschen überfordert ist (was ich auch durchaus für eine menschliche Reaktion halte).

    Nur sollte man eben seine eigene Unsicherheit nicht auf Kosten der vermutlich Schwächeren überspielen. Der Preis einer sich (sowieso ständig) ändernden Sprache ist jedenfalls viel zu gering um eine Minderheitsdiskriminierung zu rechtfertigen.

    Zwischen der Möglichkeit, einen Menschen also möglicherweise psychologisch zu verletzen oder meine Wortwahl vorher zweimal zu bedenken, gibt es für mich nur eine Wahl.

  15. Von der Logik her könnte man einfach den alten Namen abkürzen. Oder – ganz schlau – man schreibt einfach eine Zeile, dass die betreffende Transperson, wie viele andere, diesen alten Namen nicht mehr hören oder lesen möchten, weil sie zu viele schlechte Erinnerungen damit verbinden und der neue Name ja eben das neue, oder vielmehr das RICHTIGE Leben ermöglichen soll.

    Dass ich als Leser einer Zeitung die neue Identität eines mir ansonsten völlig unbekannten Menschen weniger stark wahrnehme, weil ich auch den alten Namen dieses mir völlig unbekannten Menschen lese, halte ich für eher abwegig.
    (Andere Menschen fragen mich als cis-Person auch gelegentlich danach, was in meinem Pass oder Perso steht. Aber das ist ja keine Entschuldigung.)

  16. Kurze Anregung an das Übermedien-Team wegen der konkreten Ratgeber-Bedeutung des Themas: Mögen Sie diesen Artikel vielleicht von der Bezahlschranke befreien? Ich merke die normalerweise nicht, weil ich in der Regel eingeloggt bleibe. Deshalb hab ich zugegebenermaßen keine Ahnung, wie Sie das sonst handhaben. Aber das hier wäre sicher wichtig in der weiten Verbreitung.

  17. Zwei Fragen, die mir beim Lesen aufgekommen sind.

    1. wofuer steht „cis“? C# als Programmiersprache kenne ich, wuerde aber nicht als C#-Mensch bezeichnet werden wollen.
    2. was ist die bedeutung des * bei „Trans*menschen“. Bei Leser*Innen kann ich noch verstehen, wenn Leute den * interpretieren als „schliesst auch nicht- bineaere geschlechter ein“. In diesem Artikel ging es aber explizit um transsexuelle menschen, was soll da der * mit einschliessen? Und wie spricht man den * in Trans*-irgendwas aus?

  18. @ Ulfi:
    Latein „cis“ als Vorsilbe für „diesseitig“, „vor“ ist das Gegenteil von latein „trans“ als Vorsilbe für „anderseitig“, „hinter“. Kommt vor allem in Fachsprachen vor, z.B. sprechen Chemiker von einer cis-trans-Isomerie, wenn sich zwei Moleküle nur dadurch unterscheiden, dass zwei Molekülteile bezogen auf eine Ebene auf derselben oder der gegenüberliegenden Seite liegen.
    Von der Logik her ist „cissexuell“ also das Gegenteil von „transsexuell“.

    Hat nichts mit dem Ton zu tun.

  19. @Mycroft

    Sind homosexuelle dann eigentlich auch cis-Menschen? Weil trans nur bedeutet, dass mit dem falschen Geschlecht geboren wurde?

  20. Gerade schon selber gegoogelt (hätte ich auch vorher dran denken können…).
    Falls sich noch einer fragt: Ja, das ist offenbar so.
    Wieder was gelernt…

  21. Ich ziehe mal die Analogie zur Änderung des Familiennamens. Kann relevant sein, wenn man unter dem Namen bekannt war oder die Herkunft oder die Beziehung zum/zur Ex relevant sind. Wenn der Punkt nicht relevant ist, kann es auch verletzend sein.

  22. @ichbinich: cis/trans/* und homo/hetero/* haben wenig miteinander zu tun.

    Homosexuelle können cis, trans oder anderes sein, denn cis bezieht sich auf das eigene Geschlecht und homosexuell auf das Geschlecht der anderen Personen, die man liebt.

  23. Das Sternchen hinter trans kann für -sexuell(e/er), -ident(eler), -gender, -vestit(in) etc stehen. Auch trans ist nicht gleich trans.

  24. Mit der Definition im Kasten:

    Ein cis-Mann oder cis-Frau sind Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde.

    kann ich nichts anfangen. Ich glaube nicht, dass Geschlecht etwas ist, das einem bei der Geburt zugewiesen wird.

    Außerdem klingt es ein wenig so, als würde einem willkürlich etwas übergestülpt, und angepasste Feiglinge akzeptieren das, was ihnen zugewiesen wird, und werden jetzt Cis- genannt.

  25. @25. Doch, das Geschlecht wird bei der Geburt anhand der äußeren Genitalien zugewiesen. Nur müssen diese nicht mit dem im Gehirn verankerten Geschlecht übereinstimmen. Und dass das der Fall ist, dazu gibt es bereits mehr als 400 wissenschaftliche Studien, primär aus dem Bereich Neurologie.

    Und nein, Cis-Menschen sind keine Feiglinge, sondern haben einfach das Glück, dass ihre Genitalen mit dem im Gehirn verankerten Geschlecht übereinstimmen.

  26. Lieber Fabian, liebe Alle,

    zunächst einmal möchte ich danken für diesen tollen Artikel, in dem sogar mein Name genannt wird. :-) …Grundsätzlich ist das absolut richtig, was hier geschrieben steht. Trotzdem muss man aber auch wieder differenzieren: Es gibt Trans*Personen, die es nicht im Geringsten stört, wenn der Deadname genannt wird. Im Falle des Schwarzwälder Botens hatte ich das sogar ausdrücklich erlaubt, da ich dort sogar gefragt wurde.

    Richtig wäre: Immer zu fragen, wie es der Schwarzwälder Bote bei mir gemacht hat.

    Liebe Grüße
    Christin Löhner

  27. @MARKO SCHULZ
    Jetzt bin ich komplett raus. Auf was bezieht sich denn der * hinter cis/trans? Da kann es doch nicht so drittes geben? Entweder ich identifiziere mich mit meinem Geschlecht der Geburt oder nicht. Was anderes geht doch garnicht, oder? Oder soll die Antwort von Patrick das erklären? Tut sie nämlich für mich überhaupt nicht.
    Bei hetero/Homo kann ich den Stern ja noch verstehen (bisexuell, asexuell,…), aber bei cis/trans?

    Und mal als beispiel: wenn man als Mann geboren wurde, sich aber als Frau fühlt und die primären Sexualpartner Frauen sind — dann ist man trans und homosexuell. Oder?

  28. @ichbinich Ihre Wortwahl „Geschlecht der Geburt“ und „als Mann geboren“ wirkt auch mich, als ob sie den Betroffenen nicht wirklich zuhören.

    Und, ja, es gibt da halt mehr als „identifiziert sich als männlich/weiblich“ und auch mehr als „ist biologisch eindeutig männlich weiblich“. Falls sie mehr dazu wissen wollen, so lesen sie mal Informationen zu Intersexualität, Drittes Geschlecht, Two-Spirit.

    Und dass das, was sie „Geschlecht der Geburt“ nennen, nicht stets so eindeutig ist wie sie implizieren, wurde mittlerweile in Deutschland sogar juristisch anerkannt: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Drittes_Geschlecht&oldid=177468763#Beispiele_f%C3%BCr_den_rechtlichen_Umgang_mit_einem_dritten_Geschlechtsmerkmal

  29. Die Wortwahl „als falsch empfundene Geschlecht“ negiert die Tatsache, dass das Geschlecht tatsächlich falsch ist. Solche Sätze erkennen das wahre Geschlecht der Personen leider nicht an.

    Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint.

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