Der Autor
Lutz Hagen ist Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Er forscht unter anderem zu den Schwerpunkten Nachrichtenwesen, insbesondere Produktion, Medienökonomie und Online-Kommunikation.
Woran erkenne ich „Fake-News“? Welchen Quellen kann ich trauen? Wie kommen die Nachrichten in meinen News-Feed? Alles Fragen, die dieser Tage hochaktuell sind – aber stehen sie in Schulen und Universitäten zur Debatte?
Nachrichtenkompetenz wird immer wichtiger, je leichter die digitale Öffentlichkeit für alle zugänglich ist, als Quelle und als Bühne. Nachrichtenkompetenz meint die Fähigkeit, das Funktionieren der Nachrichtenmedien und ihre journalistische Inhalte zu verstehen, kritisch zu beurteilen, effektiv zu nutzen und Nachrichten auch selbst formulieren zu können. Das Konzept bildet somit einen Teil von Medienkompetenz, die immer wichtiger wird – gilt doch die Fähigkeit, Medien versiert für die eigene Orientierung und zur Unterhaltung zu nutzen als Schlüsselqualifikation in der Mediengesellschaft.
Dabei wird aber nur sehr selten der spezielle Aspekt der Nachrichtenkompetenz behandelt, was als problematisch gelten kann angesichts eines eher schwach ausgeprägten Vertrauens großer Teile der Bevölkerung in Nachrichtenmedien und angesichts des falschen Etiketts „Lügenpresse“, das eine laute Minderheit den deutschen Medien anhängt. Bekannt sind außerdem Defizite gerade von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Laienkommunikation etwa durch Blogs von Journalismus zu unterscheiden, und die abnehmende Reichweite seriöser Nachrichtenmedien, gerade in den jungen Kohorten.
Lutz Hagen ist Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Dresden. Er forscht unter anderem zu den Schwerpunkten Nachrichtenwesen, insbesondere Produktion, Medienökonomie und Online-Kommunikation.
Das führt direkt zu der Frage, welche Rolle die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in der Schule spielt. Als zentraler Bildungsinstanz obliegt es in erster Linie der Schule, die Grundlagen für einen kompetenten Umgang mit Nachrichten zu legen und dadurch ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen zu fördern. Doch welche Vorgaben gibt es in dieser Hinsicht? In welchem Ausmaß ist die Förderung der Nachrichtenkompetenz bereits in der bundesdeutschen Schulbildung verankert Diese Fragen habe ich zusammen mit Anja Obermüller und Rebecca Renatus in einer Studie für die Stiftervereinigung der Presse beantwortet.
Die Studie untersucht die Voraussetzungen für eine medien- und nachrichtenkompetente Ausbildung in der Schule auf verschiedenen Stufen: So wurden Vorgaben durch die Kultusministerkonferenz, Lehrpläne der Bundesländer und Unterrichtsmaterialien in Schulbüchern mittels einer Inhaltsanalyse untersucht. Die medienpädagogischen Einstellungen und Kompetenzen künftiger Lehrkräfte haben wir in einer Befragung erhoben.
Auf keiner Stufe des deutschen Schulsystems wird Nachrichtenkompetenz angemessen berücksichtigt, das zeigt die Studie. Die Vorgaben der Kultusministerkonferenz gehen auf das Konzept kaum ein. Weniger als die Hälfte der Lehrpläne thematisieren Nachrichtenkompetenz, wobei es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländer gibt.
Nur in gut der Hälfte aller untersuchten Lehrbücher finden sich überhaupt kurze Ausführungen zur Nachrichtenkompetenz. Darin geht es aber kaum um die öffentliche Aufgabe der Medien für die Demokratie und um das Nachrichtensystem. Auch kommen moderne, digitale Wege der Nachrichtenvermittlung – etwa Soziale Netzwerke und Blogs – nur kaum vor.
In Studiengängen, die Lehrer ausbilden, spielt Nachrichtenkompetenz keine Rolle. Auch Medienkompetenz im Allgemeinen kommt dort sehr kurz und Pressemedien werden fast gänzlich ignoriert. Zwar halten Lehramtsstudierende Nachrichtenkompetenz für wichtig, faktisch fehlt sie ihnen aber in vielem und wird auch im Studium nicht vermittelt.
Im Detail sehen die Methoden und Befunde der Studie auf den einzelnen Stufen der Studie wie folgt aus:
Wie die Auswertung von Dokumenten der Kultusministerministerkonferenz zeigt, ist die Förderung von Medienkompetenzen in den gemeinsamen Bildungsvorgaben durch die Länder schon relativ umfassend verankert und wird neuerdings sogar stark betont. Nachrichtenkompetenz spielt dabei nahezu keine Rolle. Nur zum Schulfach Deutsch werden vereinzelte, sehr allgemeine Vorgaben gemacht. In den Dokumenten zur Medienbildung finden sich erstaunlicherweise keinerlei Vorgaben zur Vermittlung von Fähigkeiten im Umgang mit journalistischen Medien – abgesehen von einer explizit zum Ausdruck gebrachten Wertschätzung für Nachrichten. Mit den „grundlegenden digitalen Kompetenzen“, die im neuestes KMK-Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt“ eingefordert werden, sind daher wohl eher technische Aspekte der Computerbedienung gemeint.
Durchschnittlich spielt nur in vier von zehn Lehrplänen Nachrichtenkompetenz eine Rolle. Dabei zeigen sich im Vergleich zwischen den Ländern starke Unterschiede: Während im einen Extremfall (Baden-Württemberg) nur zwei von zehn Lehrplänen auf Nachrichtenkompetenz eingingen, waren es im anderen Fall (Brandenburg) sechs von zehn.
Alle 207 Dokumente mit Unterrichtsvorgaben für die Klassen fünf bis zehn an Gymnasien und Realschulen aus allen deutschen Bundesländern wurden inhaltsanalytisch untersucht. In Lehrplänen aus den neuen Bundesländern kommt Nachrichtenkompetenz etwas häufiger vor. Ansonsten lassen sich die Unterschiede im föderalen System weder durch die politische Couleur der Landesregierungen noch durch die Größe der Bundesländer systematisch erklären. Auch die Vermutung, dass der Stellenwert der Nachrichtenkompetenz mit der Aktualität der Lehrpläne zunimmt, lässt sich nicht bestätigen.
Unterrichtsvorgaben mit Nachrichtenbezug thematisieren Nachrichten und Journalismus in erster Linie auf inhaltlicher Ebene: als Arbeit mit Texten. Im Fokus steht hierbei der Umgang mit konkreten journalistischen Angeboten wie beispielsweise Zeitungsartikeln. Immerhin die Hälfte der relevanten Unterrichtsvorgaben nimmt Bezug auf Nachrichtenmedien im Allgemeinen, zum Beispiel (Schüler-)Zeitungen. Nur ein Drittel der Lehrplanvorgaben mit Nachrichtenbezug thematisieren das Mediensystem, seine Rolle für die Meinungsbildung oder die öffentliche Aufgabe der Medien.
Auffällig ist zudem, dass Nachrichtenkunde deutlich häufiger thematisiert wird als Fähigkeiten zur kritischen Auseinandersetzung mit Informationsangeboten und zum Erkennen von Nachrichten. Dabei haben doch Letztere im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über „Fake-News“ stark an Relevanz gewonnen. Generell werden Nachrichten im Kontext von Online-Medien kaum thematisiert – Facebook oder andere soziale Netzwerke kommen nur in jedem 30. Lehrplan vor. Auch daran zeigt sich, dass die Lehrpläne dem aktuellen Nachrichtennutzungsverhalten von Jugendlichen nicht gerecht werden.
Immerhin jedes zweite Schulbuch thematisiert den Umgang mit Nachrichten und journalistischen Angeboten. Allerdings werden durchschnittlich nur rund fünf Seiten darauf verwendet. Die deutlichen Unterschiede zwischen den Bundesländern, die bei der Lehrplananalyse festzustellen sind, finden sich bei den Schulbüchern nicht wieder.
Insgesamt 339 Schulbücher wurden für die Studie untersucht, die in den drei Bundesländern Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen in den Klassenstufen fünf bis zehn in den Schulfächern Deutsch, Ethik, Gemeinschafts- beziehungsweise Sozialkunde und Geschichte eingesetzt werden.
Deutsch und Gemeinschaftskunde sind die Fächer, für die sich in den Lehrbüchern mit Abstand die meisten Texte zur Nachrichtenkompetenz finden. Die inhaltlichen Schwerpunkte werden ähnlich wie in den Lehrplänen gesetzt: Auch in den Schulbüchern dominiert die Lehre von Inhalten und Stilformen des Journalismus. Das Nachrichtensystem und seine öffentliche Aufgabe spielen dagegen nur in jedem dritten Text zur Nachrichtenkompetenz eine Rolle. Nicht einmal jedes zehnte Lehrbuch geht auf Soziale Netzwerke oder Blogs im Kontext von Nachrichtenkompetenz ein.
Nachrichtenkompetenz spielt in den Studiendokumenten praktische keine Rolle und selbst allgemeine Medienkompetenz kommt selten vor.
Insgesamt wurden 208 Studiendokumente aus den drei Bundesländern Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen analysiert. Die Stichprobe umfasst alle relevanten Studiendokumente: Studienordnungen, Prüfungsordnungen und Modulbeschreibungen. Pro Land wurden die beiden für die Lehrerausbildung wichtigsten Universitäten ausgewählt, von denen alle Studiendokumente a) der Fächer Deutsch, Ethik, Gemeinschaftskunde und Geschichte b) für die beiden Schulformen Gymnasium und Realschule c) der Studiengänge Bachelor, Master und Staatsexamen ausgewertet wurden.
Lediglich fünf der untersuchten Studiendokumente nehmen Bezug zu Nachrichtenmedien und benennen Kenntnisse oder Reflexionsvermögen als Qualifikationsziel für angehende Lehrkräfte (jeweils mit Bezug zu Zeitungen). Davon gehören vier zum Fach Geschichte. In knapp der Hälfte aller Dokumente spielt immerhin das Thema Medien eine Rolle.
Dabei werden Medien fast immer auf einer ganz allgemeiner Ebene angesprochen, die Studiendokumente benennen sie ohne weitere Konkretisierung als Gegenstand der Lehre. Medienkompetenz sowie Medienbildung (inklusive Medienpädagogik, Medienerziehung) sind als Begrifflichkeiten bislang kaum in den Dokumenten zum Lehramtsstudium verankert.
Die befragten Studierenden halten Nachrichtenkompetenz zwar für wichtig, faktisch fehlt sie ihnen und wird auch im Studium nicht vermittelt; dies gilt in etwas abgeschwächter Form auch für allgemeine Medienkompetenz.
Diesen Befund bringen Fragen nach einschlägigem Wissen über Journalismus und Nachrichtenwesen zum Vorschein: So konnte zum Beispiel weniger als die Hälfte der Befragten die redaktionelle Linie von überregionalen Qualitätszeitungen auf einer politischen Skala korrekt einstufen; und nur ein Drittel wusste, dass Journalisten in Deutschland keine Lizenz brauchen, um ihren Beruf auszuüben. Immerhin mehr als vier von zehn Befragten sind der Meinung, dass ein Pressebericht über einen Bundesministerium vor der Veröffentlichung vom Ministerium genehmigt werden muss.
Insgesamt wurden 83 Lehramtsstudenten der Fächer Deutsch, Ethik, Gemeinschaftskunde und Geschichte befragt, darunter die große Mehrheit an der Technischen Universität Dresden. Ihr Studium musste soweit fortgeschritten sein, dass sie mindestens im siebten Semester eines Staatsexamens-Studiengangs oder im zweiten Semester eines Masterstudiengangs waren. Die Stichprobe deckt die große Mehrheit der Studierenden an der TU Dresden ab, die diese Kriterien erfüllen und kann im Hinblick auf diese Gruppe als repräsentativ gelten.
Ergänzend wurden aktuelle Projekte der Landesmedienanstalten in den drei Bundesländern Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen sowie bundeslandübergreifende Projekte analysiert, um zu prüfen, inwiefern die wichtigsten außerschulischen Angebote zur Medienbildung auf Nachrichtenkompetenz eingehen. Was die allgemeine Medienkompetenz angeht, erweisen sich die Projekte der Landesmedienanstalten als gute Ergänzung zum Schulunterricht, da sie stark auf das Internet und auf soziale Medien fokussieren. Doch dabei geht es nie speziell um Nachrichtenkompetenz, sondern stets um andere Aspekte der Medienkompetenz.
Die Befunde zeigen, dass die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in den Vorgaben der Bildungspolitik deutlicher und mit höherem Stellenwert formuliert und im Rahmen der Medienkompetenz zum zentralen Thema gemacht werden muss. Auf Bundesebene sind hier konkretere Vorgaben der Kultusministerkonferenz zu fordern, auf Landesebene stärkere und einheitlichere Vorgaben in den Lehrplänen.
Nachrichtenkompetenz und Medienkompetenz müssen endlich als verpflichtende Teile der Lehramtsausbildung etabliert werden. Dazu sollte an den Schulen ein Fach „Medien- und Nachrichtenkompetenz“ eingeführt werden.
Weitere wissenschaftliche Untersuchungen sind dringend geboten. Das betrifft vor allem Befragungen von Lehrern und von Schülern. Erkenntnisse zum Umfang und zu den Qualitäten der Vermittlung von Nachrichtenkompetenz im Schulalltag liegen nicht vor. Das Gleiche gilt für Befunde über die Kompetenzen von Schülern im Umgang mit Nachrichten.
Die Seriösität einer Quelle zu prüfen, der Vergleich einer Information mit anderen Informationen, das Lesen eines Textes, bei dem Textanalyse von Interpretation bewusst unterschieden werden kann, eine trainierbare mentale Einstellung, keine Bewertung vorwegzunehmen, wenn sich Gelesenes mit meinen Ansichten deckt oder ihnen widerspricht, das alles sind Kernkompetenzen. Werden diese erfolgreich vermittelt, sind sie vom Anwender in verschiedene Bereiche übertragbar. Verfügt der Anwender über Kernkompetenzen, ist er ebenso in der Lage selbstständig Spezifikationen zu recherchieren.
Wer z. B. in Deutsch beigebracht bekommt, wie man lyrische Texte erst analysiert, bevor man sie interpretiert, muss das auch auf Prosa oder Berichterstattung übertragen können, wenn es tatsächlich verstanden wurde. Wer in Geschichte lernt, mit historischen Quellen umzugehen, wird das auch mit modernen Quellen können. Ziel einer modernen Bildung ist nicht nur die Wissensvermittlung sondern vor allem die Entwicklung der Fähigkeiten, sich selbst Wissen effizient zu beschaffen. Die dafür nötigen Tools müssen nicht zwingend durch besondere Ausweitung des Themas „Nachrichtenkompetenz“ mitgegeben werden.
Die Wissenslücken der befragten Studenten weisen meiner Auffassung nach auf viel grundsätzlichere Probleme hin, wonach an anderen elementaren Stellen des Unterrichts bestimmte Basics schon nicht funktionieren.
Ob das an Lehrplänen, Methodik oder Motivation der Lernenden liegt, bleibt unklar, zumal hier sicherlich auch kein einzelner der genannten Bereiche allein ausgemacht werden kann.
Dennoch kann ich mir deswegen nicht vorstellen, dass eine Ausweitung der Stoffe zum Thema „Nachrichtenkompetenz“ dem Problem abhelfen würde.
Das mag einerseits beruhigend sein, das über Nepper, Schlepper und Bauernnfänger aufgeklärt wird. Andererseits liegt mit Lehrermangen und Unterrichtsausfall der Hase an anderer Stelle ganz gewaltig im Pfeffer.
Wenn ich an meine Schulzeit am Gymnasium zurückdenke, war ich ich damals der Meinung, unsere Kurse waren mit 25-30 Perosnen schon recht gross.
Befreundete Lehere erzählen mir Klassengrössen bewegen sich inzwischen im Schnitt zwischen 35 und 45 Schülern.
Wenn man sich manche Teile der Studenten von heute mit einem Wortschatz von „Dragan und Aldär“ anschaut, stellt man sich schon die Frage, wo die smarten Leute bei uns auf der Hochschule geblieben sind, die in Richtung Forschung abgebogen sind.
Der Fachkräftemangel wird in der Tat zu einer immer grösseren Bedrohung, da die Gewinnmaximierung durch Arbeitnehmeüberlassung und Co zu einer personellen Wegwerfgesellschaft führt und sich die Leistungserbringer sich dann natürlich auch dementsprechend Verhalten.
Natürlich auch nicht schön, aber wer will es ihnen verdenken?