Markus Bozzetti (51) kümmert sich beim WDR seit 1997 um den Ton. Als Toningenieur war er unter anderem für Bundesliga- und Länderspiel-Übertragungen zuständig. Bei der Europameisterschaft 2016 verantwortete er als einer von zwei Produktionsingenieuren die Sendeabwicklung in Köln. Seit zweieinhalb Jahren sitzt Bozzetti nicht mehr selbst am Mischpult. Inzwischen ist er Aufsichtsingenieur und damit technischer Leiter von Fernsehproduktionen.
Pardon, der Pickel an der Wange – muss das sein?
In dieser Reihe fragen wir andere, was wir uns fragen. In der ersten Folge geht es um diese Mikrofone, die jetzt auch Moderatoren im Fernsehen gerne tragen. Im Gesicht. Wie Musical-Darsteller. Wieso ist das so? Wir haben mit einem gesprochen, der es wissen muss: Markus Bozzetti, seit 20 Jahren als Toningenieur beim Westdeutschen Rundfunk. Er findet die Pickel-Mikrofone ganz gut.
Herr Bozzetti, jahrzehntelang hat man versucht, Mikrofone unsichtbar zu machen. Und jetzt haben im Fernsehen plötzlich alle einen hautfarbenen Pickel an der Wange. Muss das sein?
Na ja, es muss nicht, aber es ist schon praktisch.
Weshalb?
Weil man mit den Mikrofonen relativ koppelfest beschallen kann.
Man kann was?
Koppelfest beschallen. Das bedeutet, es fängt nicht so schnell an zu pfeifen. Kennen Sie vielleicht von Veranstaltungen mit Publikum: Wenn ein Zuschauer eine Frage stellen will, ihm ein Mikrofon gereicht wird, und er zu nah vor der Lautsprecher-Box steht. Dann gibt es so einen sehr unangenehmen Ton, und man versteht nichts mehr. Das wollen wir möglichst vermeiden.
Und mit den Knöpfen am Kragen geht das nicht?
Nein. Das Problem mit Ansteckmikrofonen ist: Sie sind sehr weit vom Mund entfernt, daher ist das Nutzsignal dort schon sehr schwach. Wenn man sich noch bewegt, sich dreht oder in eine andere Richtung spricht, wird das Tonsignal nochmal leiser. Man braucht aber ein möglichst lautes Signal, um kräftig beschallen zu können, ohne dass es fiept. Vor allem im Theater und Musical ist das oft schwierig. Und da kommen Nackenbügelmikrofone ja auch her.
Das sind also diese hautfarbenen Pickel.
Genau. Früher hat man einfach die Geräte zum Anstecken genommen und die Klammern entfernt. Das Mikrofon hat man den Darstellern dann mit so einem Schwämmchen ins Gesicht oder in die Haare geklebt, damit es möglichst nah an den Mund kommt. Das haben natürlich auch die Mikrofon-Hersteller bemerkt und dann irgendwann gesagt: Da kümmern wir uns mal drum. Seitdem gibt es dieses Headset mit dem Draht und der Mikrofon-Kapsel vorne dran.
Und jetzt wollen das alle haben.
Ja, das hat sich relativ schnell rumgesprochen. Man hat ja auch beim Fernsehen solche Probleme. In der Talkshow von Günther Jauch war das zum Beispiel so.
Was war da das Problem?
Das wurde in Berlin im Gasometer produziert, und durch die Glaskuppel war es dort extrem hallig. Und da haben die Gäste dann Nackenbügelmikrofone getragen.
Sonst sieht man das in Talkshows aber nicht so häufig.
Normalerweise werden Talkshows ja auch in akustisch günstigen Studios produziert – außer Günther Jauch eben.
War das da nicht so wichtig?
Da lag es wohl daran, dass die Kulisse sehr gut aussah.
Was ist denn zum Beispiel mit Fußballübertragungen? Da haben die Reporter die Mikrofone ja oft noch in der Hand.
Ja, und da ist es ja manchmal sogar so, dass man auch mit den Handmikrofonen fast nichts mehr versteht, weil es im Stadion so laut ist.
Und was kann man dann noch machen?
Das ist manchmal tatsächlich kompliziert. Die größten Probleme gab es damals bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Da hätten die Kommentatoren eigentlich auch Headsets gehabt. Aber sie haben nicht mit den Vuvuzelas gerechnet.
Irgendwie hat man sie aber dann doch verstanden.
Das war allerdings nicht so leicht. Man ist dann auf eine ältere Mikrofontechnik ausgewichen, sogenannte Lippenmikrofone. Mit denen ging das. Die Reporter mussten sie sich allerdings auch ganz nah unter den Mund pressen. Störgeräusche sind aber übrigens nicht nur beim Fußball ein Problem. Die haben sie teilweise auch im Studio.
Wie kommt das?
Es wird eben nicht immer an den Ton gedacht. Ein populäres Beispiel ist unsere Bundesliga-Sportschau. Da stehen im Hintergrund fahrbare LED-Wände. In denen sind ganz unglaublich viele Lüfter, und die machen einen Höllenlärm. Das ist aber noch nicht alles. Zusätzlich klebt die ganze Decke voller sogenannter Moving Lights. Das sind bewegliche Scheinwerfer mit kleinen Motoren drin.
Ich stelle mir das Geräusch gerade vor.
Wir haben schon versucht, die leisesten Moving Lights zu finden, die es gibt. Aber man kann ja nun auch nicht 20 LED-Wände danach aussuchen, ob sie laut oder leise sind. Da spielen ja auch noch andere Parameter eine Rolle.
Im Fernsehen hört man davon aber auch nichts.
Ja, man kann solche Geräusche herausfiltern, wenn sie gleichmäßig sind. Und das kommt eigentlich vom Film, wo man es oft mit lauten Klimaanlagen zu tun hat, und wo man den Lärm dann später in der Postproduktion entfernt, damit man die Schauspieler überhaupt versteht.
Aber bei Live-Sendungen gibt es keine Postproduktion.
Da verwendet man ein spezielles Gerät, einen so genannten Denoiser. Der filtert das Geräusch dann gleich während der Übertragung heraus. Und da sind dann auch wieder die Nackenbügel-Mikrofone sehr hilfreich.
Inwiefern?
Nehmen Sie zum Beispiel die Wahlsendungen. Da haben Sie einen unglaublichen Umgebungslärm. Und Herr Schönenborn muss seine Grafiken mit der einen Hand immer weiterklicken, während er mit der anderen auf sie zeigt. Wenn er das Mikrofon nicht direkt vor dem Mund hätte, würde man ihn gar nicht verstehen.
Glauben Sie denn, dass man die Mikrofone in einigen Jahren nicht mehr sehen wird? Die Kabel sind ja schon unsichtbar.
Ja, ja, das unsichtbare Mikrofon – da träumen wir alle von! Aber ich wüsste nicht, was man da noch verändern sollte – außer vielleicht die Baugröße.
Tut sich da noch viel?
Es gibt gerade eine neue Mikrofonserie, die noch mal kleiner ist als die Geräte, die wir verwenden. Und da kommen dann natürlich auch immer gleich Moderatoren und fragen, ob wir uns die nicht mal kaufen können.
Der Pickel im Gesicht stört sie also schon.
Alles, was mit Aussehen zu tun hat, spielt natürlich eine Rolle. Aber es geht auch darum, sich mit den Mikrofonen wohl zu fühlen.
Sie sind aber doch auch jetzt schon sehr klein.
Die Mikrofone selbst ja. Aber dann hängt ja auch noch der Sender dran und der Empfänger vom Ohrwurm – also diesem Ding, das der Moderator im Ohr trägt. Da gibt es schon Unterschiede. Einige Geräte sind recht groß. Und wenn sie zwei dieser fetten Plastikklötzchen an einem Flatterkleidchen befestigen, fällt das natürlich schon auf.
Welche Mikrofone würden Sie denn eigentlich einsetzen, wenn es nur nach den Toningenieuren ginge?
Wir haben es natürlich am liebsten einfach. Für uns sind die Nackenbügelmikrofone schon sehr gut, weil der Ton sehr trocken bleibt, auch wenn es laut wird. Wenn wir dürfen, nehmen wir aber auch gerne mal einen Handsender. Nur das ist eben nicht mehr so gewollt.
Von wem?
Die Moderatoren wollen das oft selbst nicht. Die hätten dann gern lieber so ein Headset, weil sie das schick und modern finden, außerdem bleiben die Hände frei Und dafür nehmen sie in Kauf, dass man das Headset sehen kann – auch wenn der Toningenieur das gar nicht für nötig gehalten hätte.
Serie: Wieso ist das so?
Gibt es etwas in den Medien, beim Fernsehen, im Radio, bei Print oder Online, bei dem Sie sich immer wieder fragen: Wieso ist das so? Fragen Sie uns, dann fragen wir Leute, die sich damit auskennen! wieso@uebermedien.de
Danke für das Interview! Ich finde die technischen Bedingungen des Medienbetriebs spannend und freue mich, darüber etwas zu lesen.
Sehr interessantes Interview.
Wirklich aufgefallen im TV-Masseneinsatz sind mir diese Nackenmikros erstmals bei den Moderatoren von DSDS 2002/2003.
Was mir aber immer wieder auffällt: Den Ton finde ich bei weitem schlechter als bei den üblichen Hand- oder Ansteckmikros. Herr Bozzetti nennt es ‚einen sehr trockenen Ton‘. Das passt. Er meint es vermutlich positiv, für mich klingt es wirklich mies.
„weil sie das schick und modern finden“
Absolute Geschmacksverirrung.
Herr Bozzetti hat zwar ein paar sehr schöne Erklärungen und Ausreden für den Einsatz dieser ganz unmöglichen Dinger parat, eine Entschuldigung ist der Einsatz der Pickel im Gesicht nirgends. Sie klingen einfach immer scheiße.
Seitdem die Tagesthemen aus dem neuen Studio gesendet werden, habe ich keine einzige Sendung gesehen. Ich kann es mir beim besten Willen nicht anhören, wie die Moderatoren mit den durch die Videowand bedingten Mikrofone klingen. Das lenkt dermaßen ab, dass man sich nicht mehr auf das Gesagte konzentrieren kann.
Bei der normalen Tagesschau kann man wenigstens noch die normalen Anstecker verwenden, aber wenn man sich die Sendung im Radio oder per Kopfhörer anhört, merkt man, welche akustischen Probleme dieses Studio hat. Dann doch lieber wieder mit Greenscreen und ohne fliegende Kameras. Dann macht die Form auch nicht den Inhalt kaputt.
Dass damals bei der WM in Südafrika im Vorfeld niemand etwas von Vuvuzelas gehört haben wollte, ist auch mal wieder ein hervorragendes Beispiel für westliche Ignoranz. Genau wie die abschließende unverschämte Diskussion. ¯\_(ツ)_/¯
Moin.
Ich arbeite selbst im Tongewerbe. Und ja, Headsets klingen oft nicht richtig schön. Der gesprochene Ton strahlt nun mal eher nach vorne, leicht nach unten, vom Mund ab. Anstecker am Revers klingen aber auch meist nicht toll. Warum? Naja, machen Sie doch mal folgenden Versuch:
– Halten sie sich zuerst mal ein Ohr zu (erst dann hören Sie wie ein Mikrofon).
– Dann bewegen Sie Ihr eines offenes Ohr mal an die Stelle bei Ihrer/m Partner/in an der sich ein Anstecker, ein Headset oder ein Handmikrofon befindet. Welche dieser drei Positionen würden Sie bevorzugen und warum?
Können Sie sich vielleicht noch an Zeiten erinnern, als Mikrofone sichtbar im Bild z.B. auf dem Tisch standen? Oder schauen Sie sich mal Schulz und Böhmermann auf ZDFneo an, die machen das nämlich auch.
Optimal in ‚normalen‘ Räumen (z. B. Wohnzimmer) befindet sich ‚ein‘ Mikrofon mit halber bis ganzer Armlänge auf vielleicht Brusthöhe entfernt. Einen Ton möchte man nicht zu trocken hören (erst recht nicht auf Kopfhörern). Man wünscht sich den Raum als Einbettung.
Die Probleme verursachen nun die Bedingungen im Raum und erfordern starke Abweichungen vom Idealpunkt. Wird in einem Raum beschallt kommt es schnell zu Rückkopplungen (hohes Pfeifen), die auch gesundheitsschädlich sein können. Hat der Raum stark reflektierende Wände kommt der Schall mit hoher Energie von der Wand wieder zurück und stört. (Sie würden Ihr Wohnzimmer vermutlich auch nicht fliesen, oder?) Eine Glaskuppel, wie das bereits angesprochene Gasometer, kann dazu führen, dass der reflektierte Ton wie in einem Parabolspiegel noch massiver gebündelt wird und noch mehr stört.
Die meisten technischen Gerätschaften geben Geräusche von sich, die man mit ‚einem‘ Ohr (das Mikrofon) viel störender empfindet. In einem Fernsehstudio gibt’s heutzutage eine Menge davon (mehr als früher). Und leider (aus tonlicher Sicht betrachtet) spielt das Aussehen von Deko und Elementen eine sehr herausragende Rolle. Auch die lauten Lampen (Moving Lights) sind für das gute Aussehen da. Der optische Eindruck schlägt die tonlichen Belange beim Fernsehen. (Aus meiner Wahrnehmung viel, viel mehr als früher – Sie erinnern sich noch an Tagesschauen vor 20 Jahren? Dort stand das dezente Mikrofon auf dem Sprechertisch.)
Am Ende ist Fernsehmachen meist ein einziger Kompromiss. Und der Ton hat längst nicht den Stellenwert, den er verdient. (Schauen Sie mal einen Film ohne Ton oder hören Sie mal einen Film ohne Bild. Was funktioniert besser? Wo werden die meisten Emotionen erzeugt?) Aber alles meckern hilft nicht. Wir Tonleute leben mit den Gegebenheiten, die wir kriegen, kämpfen für bessere Bedingungen, merken immer an, wenn tonliche Belange gestört werden, aber sind am Ende auch kompromissbereite, umgängliche Kollegen, die Ratschläge geben, jedoch keinen Krieg führen.
Meine Prognose: sollte irgendwer eine praktikable Möglichkeit erfinden, ein Mikrofon immer dort zu platzieren, wo es uns Tonleuten am besten gefällt, ohne dass es sichtbar ist, der wird den Friedensnobelpreis erhalten.
Gruß, Conrad
P.S. Gehen Sie öfter mal mit nur ‚einem’ offenen Ohr durch die Welt und Sie werden massiv mehr Verständnis für tonliche Probleme entwickeln.
Mag alles so sein. Ändert nichts daran, daß die Menschen mit den Dingern einfach nur bescheuert aussehen.
Claudia Roth trägt so ein Mikro schon seit Jahrzehnten. Die kann man immer wunderbar verstehen.
Das Mikro würde sich auf jeden Fall harmonischer in die natürlichen Zusammenhänge fügen, wenn es an einem kurzen Draht von der Nase baumeln würde.
Mich stören die „Pickel“ nicht, aber ich finde die Hintergründe, Pros und Contras interessant zu lesen.
Gerne mehr davon!
Wir können halt nicht aus unserer Haut. Erst Pickelhaube und jetzt Pickelmikrofon!
Es gibt jede Menge Live-Shows im deutschen Fernsehen, die auch ohne diese kieferorthopädisch anmutenden Konstruktionen einen guten Ton liefern. Seit Jahrzehnten hat das funktioniert, auch bei wilden Studioaktionen. Warum gerade bei Talkshows, wo die Leute fest auf einem Sessel sitzen, Ansteckmikros nicht funktionieren sollen, bleibt ein ewiges Geheimnis von Tontechnikern a la WDR. Und von Regisseuren, die sich von solchen Tontechnikern beschwatzen lassen.
Wenn es überhaupt einer technischen Verbesserung bedarf, dann sind es diese zu großen klobigen Sender der Mikrofone, die mitsamt ihren Antennen ständig aus Gesäßtaschen herauslugen oder bei Frauen mühsam unterm Rock verklebt werden müssen. Eigenartig, dass da seitens der Hersteller wenig optimiert wird.
Der Artikel hat den Namen „Pardon, der Pickel an der Wange – muss das sein?“, aber diese Frage wird gar nicht beantwortet.
Da wird zwar die Antwort „Es ist schon praktisch“ gegeben, aber dabei geht es nur noch um die akustischen Eigenschaften. Warum hakt Ralf Heimann nicht einmal nach, warum diese Mikrofone denn wie Pickel an der Wange aussehen müssen?
Warum sind diese Dinger alle hautfarben? Das sieht doch so aus, als hätte man versucht, sie unsichtbar zu machen, das aber nicht geschafft. Es macht also diesen Eindruck von „gewollt, aber nicht gekonnt“. Das ist wie ein Bild, das ein bisschen schief hängt. Entweder sollte man es gerade aufhängen, oder man sollte es richtig schräg aufhängen, so daß dies als Absicht erkennbar ist. Wenn man die Mikrofone schon sieht, warum werden die dann nicht in schwarz deutlich vom Aussehen der Haut abgesetzt? Warum dieser hautfarbene Knubbel?
Mit der Überschrift macht Ralf Heimann deutlich, daß er sich an dem Aussehen des Mikrophons als Pickel stört. Und er weckt die Erwartung, daß in dem Interview geklärt wird, warum die Mikrophone die Größe und Farbe von Pickeln haben. Aber Ralf Heimann hakt da kein bisschen nach, er lässt die Frage unbeantwortet. Warum?
@12 Daniel Rehbein: Überschriften müssen nicht zwangsläufig vom Autor stammen.
Die in der ersten Frage fast wortgleich auftretende Formulierung („Und jetzt haben im Fernsehen plötzlich alle einen hautfarbenen Pickel an der Wange. Muss das sein?“) somit auch nicht?
@14 Daniel Rehbein: Doch. Und ich fürchte, Sie müssen leider selbst herausfinden, weshalb diese Mikrofone nicht schwarz sind.
Ich arbeite im Bereich der prof. Medientechnik und ja, hautfarbene (Entschuldigung, fleischfarbene) Mikros für Live-Produktionen sind ganz normal.
Es kommt ja auch etwas auf den Kontext an:
In einer Polit-Talk Runde soll ja nciht die Technik im Vordergrund stehen, sondern der Inhalt, weshalb man die Technikseite versucht unsichtbar zu machen, damit der Zuschauer nicht abgelenkt ist.
Mein Tipp zur Chronologie:
Damals gab es nur große, klobige Hand-Mikros.
Dann kamen die kleinen zum anstecken und ca. gleichzeitig die Headsets.
Die waren „must have“ (neu und cool), gab es aber nur in schwarz weil noch nciht etabliert.
Irgendein Produktionsleiter fand, dass die schwarzen Headsets zu stark auffallen – Fleischfarben ist halt am nächsten an des Durchschnittseuropäers Hautfarbe, weiß oder grün wäre ja irgendwie kontraproduktiv.
Daraufhin wurde eine Alternative gesucht und bei irgendeinem Anbieter gefunden oder individuell beauftragt.
Auf den Zug der fleischfarbenen Headsets sind dann andere Hersteller aufgesprungen, als man diese häufiger im TV sah und umsatzpotential witterte.
Wie gesagt, nur eine Aneinanderreihung von Plausibilitäten.
Meine Meinung: Besser fleischfarben, als schwarz. Und das sage ich als überzeugter Metal-Fan.
Außerdem gibt es ja eine ganze Menge Sendungen, bei denen auch schwarze, klobige Headsets zum Einsatz kommen, weil sie zur Inszenierung gehören: Football Live-Übertragungen, E-Sports im TV, etc.
Da passt das dann auch wieder.
@12:
„Es macht also diesen Eindruck von „gewollt, aber nicht gekonnt“.“
Immer noch besser als nicht gewollt.
@16, Anderer Max:
„Ich arbeite im Bereich der prof. Medientechnik und ja, hautfarbene (Entschuldigung, fleischfarbene) Mikros für Live-Produktionen sind ganz normal.“
Beim Zappen durch deutsche Live-Shows sind die noch nicht „normal“, es geht also auch ohne.
„In einer Polit-Talk Runde soll ja nicht die Technik im Vordergrund stehen, sondern der Inhalt, weshalb man die Technikseite versucht unsichtbar zu machen, damit der Zuschauer nicht abgelenkt ist“
Warum setzt man sie dann überhaupt bei Talkshows ein?
Und warum gibt es Sendungen mit LED-Wänden, die NICHT Headsets erfordern? Warum gibt es im Studio der Sportschau einen „Höllenlärm“, nicht aber im Studio der Tagesthemen? Boris Rosenkranz wird dazu vermutlich sagen, auch diese Fragen müsse man sich selbst beantworten…
@17 Theo: Ich habe gerade mit Boris Rosenkranz gesprochen, und er hat gesagt, dass Fragen immer willkommen sind. Und dass in dem Interview da oben ja auch schon einige spannende Fragen angesprochen wurden. Und er sagt, dass sie sich da bei Übermedien auch über Fragen zu anderen Medienthemen freuen. Soll ja eine Serie sein. Er lässt übrigens grüßen!
@18, Boris Rosenkranz:
Danke :-) In einer der nächsten Folgen könnte diese Serie der Frage nachgehen, ob Stereo-Mikrofone eine Persönlichkeitspaltung besser abbilden als Mono. Gruß zurück an Sie beide!
Danke!
Danke!
Was mir gestern bei der Orkantief-Panik-Berichterstattung im mal wieder auffiel: Warum müssen sich deutsche Reporter diese riesigen Fellpuschel-Dildo Mikros inins Gesicht halte (auch wenn sie in einem völlig windstillen Innenhof stehen), aber die US-amerikanischen Hurrikan-Reporter stehen bei 180km Böen mit normal aussehende Mikros im peitschenden Regen und bleiben trotzdem verständlich?
Hat die US-Tontechnik geheimen Vorsprung oder arbeiten dort einfach mehr Ästheten?
Das diese Reportagen der Amis Blödsinn sind, steht außer Frage, darüber brauch man nicht diskutieren. Mich interessiert nur die technische Frage.
Moin Schnellinger,
ich finde auch, daß diese großen Windkörbe manchmal etwas unschön aussehen, sie sind oft jedoch durchaus hilfreich.
Wind erzeugt vor (und hinter – wenn die Richtcharakteristik des Mikrofons nicht kugelförmig ist) der Membran chaotische, schnell ändernde Luftdruckverhältnisse. Schall ist auch nichts anderes als Luftdruckänderung. Um mein Nutzsignal, die Sprache, nicht nur halbwegs verständlich sondern auch in guter Qualität aufzunehmen brauche ich eine große Differenz der beiden luftdruckändernden Ereignisse.
Also bemüht man sich um größtmöglichen Windschutz. Das funktioniert besser je größer der Raum zwischen der Mikrofonkapsel und dem windbremsenden Element ist. Will man also ein Mikrofon gut vor Wind schützen ist ein großer Korb fast zwingend. Das Fell darum hilft zusätzlich das Windchaos zu beruhigen. Soweit die Theorie.
Nun zur unterschiedlichen Praxis in USA und Deutschland. Früher wurden Reportagen und Nachrichten auf Film aufgezeichnet. Dafür brauchte man einen Kameramann, einen Kameraassistenten (der nicht nur das mordsschwere Stativ getragen hat, sondern unter anderem auch für das Einlegen von neuem, unbelichteten Filmmaterial im Dunkelsack verantwortlich war) und einen Tonmann. Ton wurde zu der Zeit nicht auf dem selben Film aufgenommen sondern auf einem separaten Tonbandgerät. Dieses schwere Gerät trug der Tonmann samt der bekannten Angel mit dem schon angesprochenen Korb und Fell.
In den 80ern wandelte sich die Aufzeichnung hin zu einer elektronischen Aufzeichnung (elektronische Berichterstattung – EB). Video zog ein. Die Bilder waren zwar wesentlich schlechter, aber viel schneller weiterzuverarbeiten. (Film mußte vorher entwickelt werden). Außerdem konnte man nun das schwere Tonbandgerät weglassen, da auf dem Videoband noch Platz für 2 Tonspuren war. Spätestens hier trennt sich nun die Arbeitsweise der Amerikaner und der Deutschen.
Während in Deutschland weiterhin mit 3 Leuten gedreht wurde (plus dem/der Autoren/in) setzte sich in Amerika das 1-Mann-Team durch. Der amerikanische Kameramann (so langsam gab es aber auch Frauen) machte die Bilder alleine und ließ den Ton so nebenbei über das Kopfmikrofon (den sogenannten Japaner) mitlaufen. Die Qualität des Kopfmikros ist miserabel. Tiefe Töne werden weggeschnitten, da man sonst viel zu viele Griffgeräusche von der Kamera hören würde. Es ist nicht mehr so gut vor Wind zu schützen, da die Kamera ja handlich bleiben muss. Außerdem befindet sich das Kopfmikro oft nicht dort, wo das Schallereigniss stattfindet. Macht der Amerikaner ein kurzes Interview stöpselt er ein Hamdmikrofon in die Kamera und lässt die Automatik die richtige Lautstärke aussteuern.
Natürlich wird auch in Deutschland Personal gespart wo es geht, jedoch werden die meisten Drehs immer noch mit 2 Personen an der Technik gemacht. Einer macht die Bilder, der zweite die Töne. Weil der 2. sich unabhängig vom 1. bewegen kann, kann er die Angel nutzen und sie dahin bewegen, wo das beste Schallereigniss vermutet wird.
Somit ist bei „Reportagen“ aus deutschen Stürmen mit dem Angelmikro im Korb zu rechnen. Amerikanische Kollegen sind oft noch nicht mal im Besitz einer Angel.
Ja, meistens kann man die Töne der amerikanischen Reporter im Wind auch verstehen aber qualitativ eher fragwürdig. Und bevor wir hier die Notwendigkeit einer gewissen Qualität diskutieren: niemand würde sich freiwillig Erbsen in die Ohren schieben und so hören wollen. Man kann immer noch alles verstehen.
Gruß, Conrad
@Theo: jedes Studio ist anders. Größe spielt eine Rolle, Architektur, Dekoration, Publikum, Anzahl der theoretisch gleichzeitig sprechenden Menschen, Art der Beleuchtung und vieles mehr. Außerdem hat sich der Geschmack der Zuschauer und -hörer geändert.
Niemand akzeptiert mehr ein einziges, räumliches Mikrofon in der Mitte des Tisches, wie es früher durchaus vorgekommen ist. Kaum kennt man noch geangelte Reportagen – 1 Mikro (nämlich die Angel) ist da wo der Zuschauer als Begleiter sich befände – sondern alle Protagonisten werden mit Ansteckmikros ausgestattet und hören sich immer nah und direkt an, auch wenn sie sich sehr weit von der Kamera entfernt befinden und es dem natürlichen Hören widerspricht. (Anstecker sind in der Reportage jedoch mit weniger Personal zu händeln – der Tonmensch wird eingespart.)
Eins bedingt das andere und so gibt es nun mal Entwicklungen die man zwar nicht unbedingt gutheißen muss, aber doch zumindest akzeptieren kann, wenn man die Hintergründe kennt.
Gruß, Conrad
@Conrad
Super, danke für die ausführliche Erklärung, hier lernt man noch was.
Die Amerikaner brüllen bei diesen Reportagen aber auch extrem in ihre Mikros und sind wahrscheinlich am nächsten Tag heiser währen der Deutsche locker noch 2-3 Stürme weiter moderiert.
Allerdings hatte der deutsche Reporter bei dem es mir gestern auffiel, gerade weil er im windstillen Hof stand, ein Handmikro mit Riesenpuschel und keine Angel.
Ästhetisch bleibe ich aber bei Ablehnung solange ich vermute dafür müssten unschuldige Puscheltiere sterben ;-)
Die unschuldigen Puscheltiere heißen im Jargon und in den Bestelllisten z.B. „dead wombat“, „tote Katze“, „Wolf“ und „Fiffie“ gehören jedoch zur Rasse der Polyester. Kein unschuldiges Polyester musste dafür sterben, sie sind so geboren.
Und im Zweifel lasse ich den Puschel lieber drauf, als überraschenderweise vor lauter Gepolter nichts mehr zu verstehen.
Super Artikel. Ich habe mich schon ofters gefragt, warum man früher keine Mikros gesehen hat und jetzt diese häßlichen Dinger.
Tolle Interview Idee!
@17:
„Beim Zappen durch deutsche Live-Shows sind die noch nicht „normal“, es geht also auch ohne.“
Klar, dann hat man halt dicke Handmikros, die ja total viel schöner und unauffälliger sind.
Überwiegen (subjektiv) tun mittlerweile die Headsets, was auch gut so ist.
„Warum setzt man sie dann überhaupt bei Talkshows ein?“
Wie gesagt, die Alternative sind noch auffällligere Handmikros oder die schwarzen Clipdinger die das Outfit von weiblichen Talkshowgästen ruinieren.
Ist eine Philosophiefrage des Produktionsleiters würde ich sagen.
„Und warum gibt es Sendungen mit LED-Wänden, die NICHT Headsets erfordern? Warum gibt es im Studio der Sportschau einen „Höllenlärm“, nicht aber im Studio der Tagesthemen?“
Sind nun also fleischfarbene Headsets doof weil einige finden, dass sie doof aussehen?
Naja, Geschmacks- und Philophiefrage des Produktionsleiters, wie gesagt.
Ich finde die dezenten Knubbel anner Wange jedenfalls besser, als Handmikros oder auch die Ansteckteile.