Nordrhein-Westfalen

Funkes Medienminister: Alles nur Unterhaltung

Nordrhein-Westfalen bekommt einen neuen Medienminister: Stephan Holthoff-Pförtner, Mitglied der CDU, ehemaliger Rechtsanwalt von Altkanzler Helmut Kohl und Mitgesellschafter der Essener Funke-Mediengruppe.

Der drittgrößte Zeitungsverlag Deutschlands gibt unter anderem die „WAZ“ und das „Hamburger Abendblatt“ heraus — und „Die Aktuelle“, die kürzlich den Eindruck erweckte, Caroline von Monaco liege im Sterben:

Im Artikel dazu ging es dann lediglich darum, dass Caroline in vier Monaten bei einer Veranstaltung auf ihren Noch-Ehemann Ernst August treffen könnte und nun entscheiden müsste: Hingehen oder nicht? (In derselben Ausgabe erschien übrigens auch, wie auf der Titelseite zu sehen, eine Gegendarstellung von Helene Fischer, weil das Blatt zuvor fälschlicherweise behauptet hatte, die Sängerin habe einen Heiratsantrag von einem polnischen Supermarktbesitzer bekommen.)

Wie der designierte Minister zu solchen Schlagzeilen steht, kann man in einem aktuellen Interview des  so genannten Branchendienstes „kress“ nachlesen. Auf die Caroline-Titelseite angesprochen, sagt er:

Über so eine Schlagzeile kann man natürlich lang und breit diskutieren oder sie einfach als das akzeptieren, was sie ist: Unterhaltung. Das ist doch der wesentliche Unterschied. Hier wird nicht manipuliert und schon gar nicht irgendwelche demokratischen Werte infrage gestellt. Und wer Yellows kauft, weiß, dass er Unterhaltung bekommt. Nicht mehr und nicht weniger.

Nun wissen wir nicht, was erschreckender ist: Dass der künftige NRW-Medienminister jeden Diskussionsversuch gleich mit dem Totschlagargument „Unterhaltung!“ im Keim ersticken möchte, oder dass er mit der Behauptung, hier werde „nicht manipuliert“, dieselbe Realitätsverweigerung an der Tag legt wie „Die Aktuelle“, wenn sie ihre Geschichten dichtet.

Denn natürlich wird hier manipuliert. Das ist das Geschäftsmodell.

(Ja – vor seinem Unfall.)

(Auf dem Foto trinkt sie Apfelsaft.)

(Nein, es geht nicht zu Ende. Aber hätte ja sein können!)

(Angeblich.)

Aber wieso diskutieren? Ist ja bloß: Unterhaltung.

Das zweite zentrale Argument Holthoff-Pförtners ist, dass die Leser der Regenbogenpresse ja genau das bekämen, was sie wollen – und das auch wüssten:

Ich traue es der großen Mehrheit der Leser durchaus zu, zwischen Yellows und der Nachrichtenpresse zu differenzieren und auch mit den darin enthaltenen Informationen entsprechend umzugehen.

Heißt wohl: Dass sie nicht alles für bare Münze nehmen, was da drinsteht, weil – Unterhaltung.

Das Problem ist aber: Sehr, sehr viele Menschen tun genau das. Wir bekommen oft Zuschriften von Lesern der Regenbogenpresse, aus denen deutlich hervorgeht, dass sie eben keine großen Zweifel an den Geschichten haben, die „Die Aktuelle“ und andere Blättchen in die Welt setzen. Das ist auch gar nicht so verwunderlich: Die meisten Yellow-Leserinnen sind, wie Media-Analysen zeigen, relativ gering gebildet, mehr als die Hälfte von ihnen ist zudem über 70 Jahre alt und gehört damit einer Generation an, für die das gedruckte Wort immer noch eine enorme Glaubwürdigkeit besitzt.

Auch im Gespräch mit betroffenen Prominenten zeigt sich das immer wieder. Ein deutscher Moderator erzählte uns einmal, dass er vor einiger Zeit einen Anruf von einer Bekannten bekam, die weinend fragte, ob sie irgendetwas tun könne. Sie hatte am Kiosk die Titelseite einer Klatschzeitschrift gesehen, die suggerierte, das Kind des Moderators sei an Krebs erkrankt. In Wirklichkeit war in der Turnhalle des Kindes Asbest entdeckt worden.

Auch Helene Fischer sagte erst neulich noch in einem Interview, dass sogar ihre eigene Oma immer wieder auf die Geschichten der Regenbogenpresse hereinfalle.

Titel der Zeitschrift "Kress Pro" mit einem Foto des designierten NRW-Medienministers Stephan Holthoff-Pförtner: Er sitzt, schaut nach links in die Kamera – graue, längere Haare, Brille, er fasst sich dabei leicht an die Wange mit der linken Hand.
Cover: Kress Pro 05/2017

Kurioserweise bestätigt Holthoff-Pförtner an einer anderen Stelle des „kress“-Interviews dann auch selbst, dass vielen Lesern das Unterscheidungsvermögen zwischen falschen und echten Nachrichten fehle – als es um Soziale Netzwerke geht:

Wir geben uns viel mehr Mühe bei dem, was wir essen, als bei dem, was wir lesen! (…) Oftmals gewichten die Menschen die Berichte und vielen Lügen nicht, die sie in den sozialen Netzwerken aufschnappen. Ihnen fehlt – anders als bei Milch oder Eiern – das journalistische Markenbewusstsein.

Den Lesern der Regenbogenpresse aber gesteht er genug Medienkompetenz zu, um zwischen Lüge Unterhaltung und Wahrheit unterscheiden zu können. Lesern des „Goldenen Blatts“ zum Beispiel, ebenfalls ein Produkt der Funke-Mediengruppe – über deren Redakteure der neue Medienminister sagt:

Wichtig ist: Wer das „Goldene Blatt“ macht, muss es mit der gleichen Verantwortung tun wie derjenige, der die „WAZ“, das „Hamburger Abendblatt“ oder die „Morgenpost“ produziert.

Holthoff-Pförtner ist also offenbar der Meinung, dass es genau so ist: Dass die Macher des „Goldenen Blatts“ genauso verantwortungsvoll vorgehen wie die Redakteure der „WAZ“ oder des „Hamburger Abendblatts“.

Nun – ein kurzer Blick auf ein paar Ausgaben der vergangenen Jahre:

(Sie sind bis heute verheiratet.)

Ob Holthoff-Pförtner sich eigentlich für Zeitschriften aus seinem Haus schäme, will „kress“ am Ende des Interviews noch wissen.

Nein, dafür gibt es keinen Grund. Im Gegenteil bin ich stolz auf die Vielfalt des Funke-Portfolios. Ich lese selbst gerne das ein oder andere unserer Klatschblätter und das mit großem Genuss! Ich weiß, was ich dort bekomme.

Und diesen Mann macht der neue nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nun also zum Minister für Bundesangelegenheiten, Europa, internationale Beziehungen – und Medien. Und das ist leider nicht nur Unterhaltung.

13 Kommentare

  1. Manche Übermedienartikel – so auch dieser – brauchen dringend eine größere mediale Verbreitung.

    Es ist erstaunlich wie traurig, daß soetwas auf so wenig Widerhall stößt.

  2. Eine Überraschung? Wohl nicht.
    Wie lange gibt es BILDblog? Ein TopfvollGold? Diverse Literatur?
    Die Leute in diesen Häusern sehen es wohl eher als Ansporn, immer so weiterzumachen und oft genug noch einen draufzusetzen.
    Immerhin macht es sie wütend und schadet ihrer Halsschlagader, wie J.Reichelt beweist, wenn BILDblog oder Übermedien mal wieder den wunden Punkt getroffen haben. Ist doch schon was.

  3. ein Minister, der die ständigen Lügen und Verdrehungen der Klatschblätter als „Informationen“ bezeichnet, hat ganz gewaltig einen an der Klatsche und sollte besser heute als morgen abtreten ohne weiteren Schaden anzurichten. Einfach unglaublich, was für Realitätsverweigerer und Ignoranten in der Politik etwas werden dürfen. Was für ein Schwätzer!

  4. Was der Herr Minister wohl wettern würde wenn, sagen wir mal, der Postillion eine „Kampagne“ gegen ihn fahren würde, dauernd nur in den Schlagzeilen irgendwas suggerieren was der Text nicht hergibt.

    Und beim Postillion handelt es sich erwiesenermaßen um Unterhaltung. Und das wissen seine Leser auch, nur die Schreiber anderer Magazine manchmal nicht.

  5. @Ekkehard
    Ich habe meine Zweifel ob im Weltbild solcher Typen der Gedanke an einen Rücktritt überhaupt je einen Platz haben könnte

  6. Mich wundert, dass die Kritik an der Ernennung eines Verlegers zum Medienminister an irgendwelchen Klatschblättern festgemacht wird, die der betreffende Verlag produziert. Ich finde es viel schlimmer, dass er auch Tageszeitungen herausgibt.

    Es ist natürlich völlig legitim, wenn sich ein Zeitungsverleger als Person politisch äußert und positioniert. Und natürlich darf er auch die Seiten wechseln(!) und ein öffentliches politisches Amt übernehmen. Aber beides gleichzeitig geht gar nicht. Ein einflussreicher Zeitungsverleger als Medienminister – das hat tatsächlich was von Bananenrepublik und offenbart ein sehr oberflächliches Demokratieverständnis.

    Angesichts solcher Personalien gehen einem im Diskurs mit den Lügenpresse-Krakeelern langsam die Argumente aus.

  7. Warum habt ihr die paar Titelbilder über die angebliche Scheidung immer wieder geklont? Ist das nicht die gleiche Manipulation, die Sie anprangern???

  8. @Nr. 8 W.Lohan: Keine Ahnung, ob Ihr Kommentar witzig gemeint ist. Falls Sie die Bemerkung ernst meinen: Die Titelbilder sind keine Fälschungen. So sieht es tatsächlich aus in diesem Segment.

  9. Eine wunderbare Fundgrube für die Opposition im Landtag NRW.
    Was allerdings auch mich weit mehr bewegt: Dieser Minister wird weitreichende Entscheidungen im Hinblick auf Medienpolitik und Medienwirtschaft zu treffen haben. Und damit auch Entscheidungen im Hinblick auf seine Zeitungen und sein Vermögen. Interessenkonflikte sind doch vorprogrammiert!
    Zudem: Hat die Regierung Laschet jetzt auch offiziell ihre eigenen Zeitungen? Wie unbefangenen und kritisch können oder wollen die Redakteure der WAZ die Regierung ihres Eigentümers begleiten?

  10. Es wundert mich aber doch, daß ausgerechnet dieser Mann Medienminister werden konnte. Hat Herr Laschet sich nicht vorher informiert? Seriös ist das für mich jedenfalls nicht. Verkommt Deutschland jetzt wirklich noch zu einer „Bananenrepublik?

  11. @Nr. 9 oh, sorry… eine höhere Auflösung hätte bei „Finde den Unterschied“ geholfen ;-)

  12. @12 naja, war auch schwierig, da sie immer nur das Foto mit der Kapitansmütze verwenden. Diese Redaktion kann echt ein Algorithmus übernehmen.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.