Gratis-PR für Paulaner

„Spezi-Streit“: Ein Softdrink als Medienliebling

Die Brauerei Paulaner zieht im Streit um ihr Cola-Orange-Getränk gegen Konkurrenten vor Gericht. Und Medien? Berichten darüber bereitwillig – zum Vorteil des Unternehmens.

Haben wir etwas verpasst, und der Bayerische Rundfunk (BR) dreht jetzt auch PR-Videos für Getränkehersteller? Der Beitrag der „Abendschau“ vom 8. August sieht zumindest in Teilen danach aus. 

Es geht darin um die Münchner Brauerei Paulaner, die sich vor Gericht erneut gegen einen Konkurrenten durchgesetzt hat. Sie hatte gegen den Hersteller Berentzen aus dem Emsland geklagt: Die Etiketten der „Mio Mio Cola-Orange-Mische“ seien ihren eigenen Spezi-Flaschen in Farbe und Design zu ähnlich, entschied das Gericht. Die Tage des „Mio-Mio“-Etiketts seien „gezählt“, so der BR-Kommentar aus dem Off. Das Landgericht München I habe der Klage entsprochen, weil die „Mio Mio“-Etiketten „allzu leicht zu verwechseln“ seien mit dem – Zitat – „Platzhirsch“, der Spezi-Flasche von Paulaner. 

Der BR-Beitrag ist von Anfang an seltsam wertend. Der Cola-Mix von Berentzen habe einen „eigenwilligen Namen“, sagt der Sprecher des Beitrags. „Paulaner Spezi“ dagegen wird im besten Licht präsentiert. Im Video sieht man, wie eine Hand eine Flasche „Paulaner Spezi“ öffnet und der Kronkorken in Zeitlupe davonfliegt, so wie man es aus Werbefilmen kennt. Danach gibt der BR einen Überblick über die Werbeartikel von „Paulaner Spezi“. Unterlegt von zünftiger Blasmusik wird die Produktpalette im Online-Shop – Socken, Leggings, Sporttaschen – gezeigt. Dass später kurz auch andere Spezi-Marken im Bild zu sehen sind, wirkt da eher pflichtschuldig.

Paulaner Spezi ist ein Medienliebling. Nicht nur, aber besonders beim BR. Im August brachte das Nachrichtenportal BR 24 innerhalb einer Woche drei Artikel über die jüngste Klage: über den Erfolg von Paulaner in erster Instanz, die Berufung von Berentzen und die Klagen allgemein

Besondere Kooperation zur Starkbierzeit

Dazu muss man wissen: Der Bayerische Rundfunk und die Brauerei Paulaner haben ein besonderes Verhältnis. Jedes Jahr überträgt der Sender den traditionellen Starkbieranstich auf dem Nockherberg direkt aus dem Hause Paulaner. Ein ganzes Abendprogramm, das sich nicht nur um Politsatire dreht, sondern auch um den „Salvator“, das Starkbier von Paulaner. Das bedeutet zwar nicht, dass es zwischen Sender und Brauerei auch beim Spezi so eine besondere Kooperation gibt. Aber dennoch wirkt die umfangreiche Berichterstattung des BR über die Brause aus München vor diesem Hintergrund so, als sei man der Brauerei und ihren Erzeugnissen auch über die Starkbierzeit hinaus sehr wohlgesonnen.

Generell ist die Aufmerksamkeit unverhältnismäßig groß. Auch ARD, ZDF, NTV und viele andere Medien berichten über den „Spezi-Streit“. Dabei wird kaum infrage gestellt, ob die Klagen angemessen sind: Die „Mio Mio“-Flaschen beispielsweise haben eine andere Form als die von Paulaner, Name und Logo sind völlig anders, ebenso die Schriftart, das „Mio Mio“-Etikett hat Kreise, das von „Paulaner Spezi“ Wellen, lediglich die Farben sind ähnlich. 

Spezi von Mio Mio neben Spezi von Paulaner
Fotos: Berentzen, Paulaner / Monate: Ü

Erst im März 2025 setzte sich Paulaner erfolgreich gegen die Homburger Brauerei Karlsberg durch. Ein Gericht war der Meinung, dass deren „Brauerlimo“ farblich zu ähnlich gestaltet sei. Nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichteten über den Erfolg der Münchner Brauerei, sondern auch der Saarländische Rundfunk und natürlich der BR

Obwohl es also bisher nur zwei derartige Rechtsstreite ums Design zwischen Paulaner und seinen Konkurrenten gab, kann man den Eindruck bekommen, Paulaner klagt ständig, um den Look seiner Spezi-Flaschen zu schützen. Der BR titelt „Darum zieht Paulaner immer wieder vor Gericht“ und NTV meldet „Paulaner siegt im nächsten Spezi-Prozess“.

Zum „Kult“ erkoren

Medien haben fleißig am Ruhm von „Paulaner Spezi“ mitgeschrieben. „Süddeutsche Zeitung“ und „Bild“ nennen es „Kultgetränk“. Die „Augsburger Allgemeine“ schreibt über das  „Kult-Etikett“, die Münchner „Abendzeitung“ über den „Kult-Status“ von Paulaner generell. Die Comedians Carolin Worbs und Miguel Robitzky haben für ihren NDR-Podcast „Too many tabs“ sogar einen ironischen Jingle im Nachrichten-Stil erfunden. Damit läuten sie eine eigene Rubrik ein, in der sie ihrem Publikum Updates zum „Spezi-Krieg“ geben und sich auch über die unverhältnismäßig große mediale Aufmerksamkeit lustig machen.

Ein netter Nebeneffekt für die Münchner Brauerei: Dank der medialen Aufmerksamkeit assoziieren sicher viele das Wort „Spezi“ mittlerweile direkt mit dem Getränk von Paulaner. Auch wenn man nach „Spezi“ googelt, liefert die Suchmaschine überwiegend Bilder vom Paulaner-Etikett. 

Wie alles begann

Dabei ist die Münchner Paulaner-Brauerei nicht der Erfinder, sondern die Augsburger Brauerei Riegele. Die hat seit den 1950er-Jahren die Rechte am Namen „Spezi“, andere Hersteller dürfen ihn mit Lizenz nutzen. Mit Paulaner hatte Riegele 1974 eine sehr günstige Sondervereinbarung getroffen. Für einmalig 10.000 DM darf das Unternehmen bis heute den Namen nutzen. Weil der Cola-Mix-Absatz von Paulaner in den vergangenen Jahren aber so stark gewachsen ist, focht Riegele 2022 den alten Vertrag an und forderte höhere Lizenzgebühren von Paulaner – vergeblich. 

Der Medienhype um die Spezi von Paulaner erinnert an die überbordende Berichterstattung über das alkoholfreie Helle der Münchner Brauerei Augustiner im vergangenen Jahr. Der BR schaltete in der „Abendschau“ in einen Getränkemarkt, der die Abgabe an Kunden rationieren musste. Auch die SZ arbeitete sich am Hype ab (unter anderem hier, hier und hier). Und wenn Apple sein neues iPhone herausbringt, starten Medien wie „Bild“ und „Stern“ Live-Ticker. Nur hat man sich so an die Produkt-Berichterstattung gewöhnt, dass es oft gar nicht mehr auffällt, wenn einseitige und übermäßige Berichterstattung zur Gratis-Werbung wird.

11 Kommentare

  1. Ich sehe zwischen den beiden Etiketten keine Verwechslungsgefahr.
    „Kult“ und „Ikone“: Kandidaten für die Haßwortkolumne bei uebermedien.de

  2. Also bitte, wie kann man die zwei verwechseln. Das ist ja lächerlich. Aber mir war Paulaner schon nach dem Lizenzstreit mit Riegele dermaßen unsympathisch, dass ich sie seither boykottiere.
    Ist aber schon faszinierend wie viele Medien diese PR Streitereien mitmachen.

  3. Offenbar klickt sowas gut. Wäre spannend zu verstehen, was die Menschen daran so fasziniert. Jetzt aber zuviel Durst, um darüber nachzudenken,

  4. @D W B (#1):

    „Kult“ und „Ikone“: Kandidaten für die Haßwortkolumne bei uebermedien.de

    Das wär schön. Leider ist die Kolumne von einer launigen Sprachkritik zu einer gänzlich humorfreien Anprangerungszone verkommen, in der ein Wort wie „Knödelexpress“ nicht nur eine blöde Redaktions-Kopfgeburt ist, sondern wütend mache, weil es Tschechien diskriminiere. Und was den Gazakrieg betrifft, dürfe man kein anderes Wort als „Völkermord“ mehr verwenden. Sonst böse.

    Früher habe ich immer mit Begeisterung auf die Kolumne geklickt. Heute graust es mich davor ein wenig.

  5. Zu #1, #4:

    Liebe:r DWB, danke für die Vorschläge!

    Lieber Kritischer Kritiker, das finde ich interessant. Welches war denn das letzte Hasswort, das Ihnen noch gefallen hat, bevor die Kolumne zu ernst wurde? Und über welche Wörter würden Sie gerne mal etwas lesen?

    Grüße aus der Redaktion!
    Annika Schneider

  6. Liebe Frau Schneider,

    danke der Nachfrage! Habe mich gerade durchgeklickt und muss mich korrigieren: Es gab immer schon „Hasswörter“ mit sprachpolitischem Impetus. Da geht es dann weniger um sprachkritische Überlegungen als um politische Überzeugungen, die an einem Wort aufgehängt werden, obwohl man sie auch ganz anders darstellen könnte.

    Das „Hasswort“ gefällt mir am besten, wenn es Phrasen- oder Jargonkritik im Sinne eines Karl Kraus ist – also das, was es der Kolumnenbeschreibung nach sein sollte:

    Eine Redewendung oder Formulierung, die nervt, sinnlos ist oder gerne falsch eingesetzt wird – die man aber ständig hört oder liest, in Texten, im Radio oder im Fernsehen.

    Am Anfang waren das Wörter wie „spannend“, „offenbar“ oder „selbsternannt“ – Ausdrücke, die man ständig liest, die aber jeden greifbaren Sinn verlieren, wenn man genauer hinschaut. Dazu gehören auch Begriffe wie „Weltraumbahnhof“ oder – in jüngster Zeit – der ausgelutschte und oft missbrauchte „Wählerwille“. Oder Modewörter, die plötzlich allgegenwärtig sind und irgendwann (hoffentlich) wieder verschwinden wie vor ein paar Jahren „nichtsdestotrotz“.

    Von den letzten drei Hasswort-Kolumnen fällt am ehesten noch „Brandmauer“ in diese Kategorie. Leider finde ich, dass der Autor diese – tatsächlich totgerittene – Metapher falsch interpretiert. „Knödelexpress“ hingegen ist einfach eine Redaktionsblödelei wie „Schwangere Auster“ oder „Telespargel“ und in etwa so diskriminierend wie „Weißwurstäquator“. Und „Ethnische Säuberung“ ist ein Euphemismus für „Vertreibung“; aber der Kolumne geht es erkennbar darum, dass die Autorin „Völkermord“ bzw. „Genozid“ als einzig mögliche Beschreibungen für den Krieg in Gaza durchsetzen will.

    Damit wären wir dann wieder beim Problem des „Concept Creep“, aber das führte jetzt zu weit. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich hätte gern wieder häufiger „Hasswörter“, die in leichtem Ton mit ernstem Ziel Medienphrasen aufs Korn nehmen.

    Einer meiner Favoriten wäre derzeit „Alarm schlagen“ wie in „Der Bund der Steuerzahler schlägt Alarm“ – Google News zeigt 23 Treffer auf den ersten drei Seiten. Alle aus den letzten zwei Tagen. Gleich auf Seite 1 schlägt ein Förster Alarm, weil auf einem Waldparkplatz Parkgebühren erhoben werden. Wenn das nicht mal ein Kandidat wäre…

  7. Ich finde bei den Etiketten ist schon eine optische Nähe gegeben, die ich als Markeninhaber nicht wollen würde. Milka würde auch keine lila Schokoladenverpackungen akzeptieren, auf denen eine Ziege abgebildet ist.
    Das Thema hat durchaus auch einen Informations- und Unterhaltungswert.
    Wäre es besser, wenn Medien, für die wir Geld bezahlen, mit mehr Distanz zu Paulaner berichten würden? Doch das wäre es.

  8. Als Bayerin ist für mich ein Spezi ein Mischgetränk aus Cola und Orangenlimo (letzteres auf gar keinen Fall Fanta, igitt!), und so wird das auch bestellt, egal, ob die jeweilige Wirtschaft einen Vertrag mit Paulaner oder sonstwem hat. Finde diese Berichte belanglos bis nervig, und sie lösen bei mir eher Trotz zulasten von Paulaner aus, d.h. ich würde wenn möglich eher zum Produkt eines anderen Herstellers greifen. Die Farbwahl des beanstandeten Etiketts ist allerdings ziemlich sicher nicht zufällig, sondern gewollt.

    OT: So, und nachdem ich jetzt mein Soll erfüllt und was zum Artikel geschrieben habe ;-) jetzt auch noch zu meinem ultimativen „Hasswort“ bzw. Medienfloskel: neu erfinden. Gebräuchlich vor allem im Feuilleton, wenn das neueste Produkt eines Künstlers oder einer Künstlerin rezensiert wird. „XY erfindet mit [neue Platte] den Jazz neu“, ja, mitunter „erfindet“ sich so jemand auch „selbst immer wieder neu“. Was soll das überhaupt heißen? Dass da jemand öfter mal den Stil wechselt und was anderes ausprobiert? Ja, dann schreib das halt. Arghhh. (Abgesehen davon kann das „Hasswort“ meiner Meinung nach gerne auch politisch sein. Das letzte fand ich gut und erhellend, weil ich selbst darüber ehrlich gesagt nicht nachgedacht hatte).

  9. Was mich an der Firma immer am meisten nervt: Paulaner hat gar keinen Garten!

    zur Hasswortfrage: Bittebitte „wir“, gerne auch mit toternsten Hass auf alle und alles, wo „wir“ gesagt wird, ohne das klar ist, wer „wir“ ist.

  10. Zur Farbe des Etiketts, was vermutlich der Hauptbestandteil des Verwechslungsproblems ist:
    Das sind nun mal die Farben welche am ehesten die Farbe des Getränks widerspiegeln. Finde ich bei diesem Produkt eher nicht beklagenswert.
    Kleiner Tipp, gebt mal Cola Mix in eure Suchmaschine ein, auf Bilder gehen und ihr werdet sehen dass die Farbgebung doch sehr ähnlich sind.
    MMn daher auch nicht vergleichbar mit der lila Verpackung von Milka. Das haben die sich ja selbst ausgedacht.
    Manche übertreiben es einfach mit ihren Markenrechtlichen Ansprüchen wie der neuste Fall von Ritter Sport auch gut zeigt.
    Zudem finde ich es eher bedauernswert wenn Firmen so wenig Vertrauen in die Qualität ihrer Produkte hat dass die da so ein Fass aufmachen müssen.

  11. Die Ähnlichkeit ist (optisch) schon so, dass man ohne genaueres Hinsehen (wer tut das schon?) auf jeden Fall den Zusammenhang herstellt.
    Ganz so simpel wie damals bei Apples „Patent auf runde Ecken“ war es ja auch nicht, obwohl das Geschrei groß war. Fast alle Handys haben heute immer noch runde Ecken, das seinerzeit beanstandete Tablet sah aber insgesamt dem iPad dermaßen ähnlich, dass man es auf einem Tisch am Ende des Raumes liegend nicht hätte unterscheiden können.

    Hier geht es aber um die mediale Begleitung. Die richtet sich nach dem, was (messbar) gelesen und kommentiert wird.
    Die Frage müsste daher sein: muss man die Berichtfrequenz drosseln, nur weil ggf. eine Firma davon profitieren könnte?

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