„Welt“-Liveschalte

Stefan Aust erzählt was vom Klima-Pferd

Direkt vom Pferdefest in Aachen: Stefan Aust betet seine Klimawandelungläubigkeit herunter. Mal wieder. Und mal wieder ohne gute Argumente. Denn was schon oft Klicks gebracht hat, klappt auch noch mal.

Der Journalist Stefan Aust steht am Rande des Aachener Pferdestadions und spricht in sein Smartphone. Sein Mund wird von einer Einblendung des Senders verdeckt.
Live vom Pferdefest: Aust in Aachen Screenshot: „Welt“

Stefan Aust, der frühere „Spiegel“-Chefredakteur und spätere „Welt“-Herausgeber, war am Dienstag beim CHIO, dem „Weltfest des Pferdesports“ in Aachen, und grimmte dort aus dem himmelblauen Hemd. Grund für die schlechte Laune: nicht die Hitze, sondern das Klima. Aber nicht das Klima an sich, sondern die Diskussion darüber.

„Züge einer ziemlich verrückten Religion“ habe das inzwischen angenommen, sagt Aust im „Welt“-Interview. „Wie vielleicht im Mittelalter, wo man sich dann damals prügeln musste, um trotzdem in den Himmel zu kommen“. Und diese „sinnlosen, gigantischen Abgaben für CO2-Ausstoß und dergleichen“, das nutze ja alles überhaupt nichts!

Aust bestätigt: Es ist warm, „sehr warm, keine Frage“. Er fühlt es also auch, ein gutes Zeichen. Aber warm, sehr warm, das sei besser, „als wenn es in Strömen regnet“. Das hat er nämlich auch schon mal erlebt, da beim Pferdeturnier, früher. Und deshalb kombiniert Sherlock Aust: „Das Wetter ändert sich gelegentlich.“ Im Hintergrund lacht ein Pferd.

Die „Welt“ hat Austs Sätze live gesendet. Man muss auch dankbar sein für so viel Comedy-Gold. Wie er da steht, neben dem sattgrünen Pferderasen, und ziemlich verrückt übers Wetter, das Klima und den „Quatsch“ in sein wackelndes Smartphone redet.

Geschichts-Galopp

Meteorologen und Klimawissenschaftler, zum Beispiel: Pff, können nicht mal voraussagen, wie das Wetter in mehr als fünf Tagen wird, meinen aber einfach zu wissen, wie es in 50 Jahren ist. Absurd. Okay, das Klima ändere sich, „unter anderem auch natürlich durch menschlichen Einfluss“, sagt Aust. Aber.

Aber es gebe wegen weniger Industrie heute weniger Ruß und deshalb weniger Wolken, also mehr Sonne. So einfach. Aust vergaloppiert sich durch die Geschichte: 30 Jahre nach dem Krieg, zur Zeit des Römischen Reichs, damals bei den Wikingern – mal warm, mal nicht, „so ist das nun mal“. Das erzählt Aust immer wieder gerne in Interviews, auch wenn das gar nicht mal so gute Argumente sind. Und so schlimm wie bei den Wikingern stehe es um Gletscher in Grönland gerade ja nun auch nicht. Also mal ruhig.

Dann pfiffige Polemik: Selbst wenn die Deutschen morgen aufhörten zu atmen, wenn man die Industrie abstellen „und am besten die Deutschen alle irgendwie sich umbringen würden“, haha – selbst dann würde das nichts ändern am CO2-Ausstoß, null, nichts, atmet Aust in Aachen. Denn das mit dem Atmen, das hat sich er sich irgendwann mal so ausgedacht, als kleinen Witz. 2023, zum Beispiel, sagte er das bei „Welt TV“, auch 2021 in einem Interview – es ist sein bisschen welker Evergreen:

„Da die 83 Millionen deutschen Bürger und Bürgerinnen zusammen pro Jahr bis zu 30 Millionen Tonnen CO2 beim Ausatmen produzieren, könnte man ja auch das gerichtlich untersagen; wir sind ja auch Verbrennungsmotoren. Das würde allerdings wegen des natürlichen Kreislaufes wenig helfen.“

Denn ob das CO2, „dieses Teufelsgas“, wie Aust es nennt, einen wesentlichen Einfluss auf den Klimawandel habe, na, da sei er „ziemlich ungläubig“.

Genau das ist die Klimakrise für ihn: kein weltliches Problem, sondern Religion. Nicht Wissen, sondern Glauben. CO2: der Teufel. Erkenntnisse dazu, sogenannte Fakten: nur heiße Luft. Der Klimawandel: eine große Erzählung, weil man damit ja viel Geld verdienen kann. Und ja nicht nur mit „Klimapanik“, könnte man hinzufügen, sondern auch damit, den Klimawandel und CO2 klein zu quatschen. Wie zum Beispiel Stefan Aust.

Dass er dem Menschen kurz Einfluss aufs Klima zubilligt, ist nur eine Nebelkerze, um dann im Nebel weiter zu wettern. Und die „Welt“-Moderatoren halten ihm Stöckchen hin, über die Aust dann locker springreiten kann.

Windige Suggestivfragen

Gleich zu Beginn zaubert Moderatorin Fanny-Fee Werther ihm eine schöne Frage: „Auf den meisten Kanälen“ (?) würden „Warnungen zum Klimawandel heruntergebetet. Ist diese Hysterie – viele sagen, es ist Hysterie – berechtigt?“

Toll. Viele sagen, dass es eine Suggestivfrage ist, aber Stefan Aust freut sich. Hysterie. Herunterbeten. Da kann er anknüpfen.

Später noch mal: Klimaaktivisten, sagt Frau Werther, würden ja behaupten, Deutschland müsse mit gutem Beispiel vorangehen, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. (Als sagten das nur „Klimaaktivisten“.) Sie will deshalb wissen, wie „unsinnig“ das sei, gemessen am CO2-Ausstoß hierzulande. Woraufhin Aust hibbelig auf der Stelle trabt und wiehert: „Das ist vollkommener Quatsch!“ Denn – das klassische Nicht-Argument: Was soll das kleine Deutschland schon ausrichten in der Klimawelt?

Der Journalist Stefan Aust steht am Rande des Aachener Pferdestadions und spricht in sein Smartphone. Hinter ihm posieren junge Leute fürs Foto.
Stefan Aust, 79 Screenshot: „Welt“

Dieses ganze absurde „Welt“-Aust-Theater ist in seiner dauernden Wiederholung traurig, aber eben auch ein Witz. Schon das Setting. Wie der Springer-Sender Aust vom Pferdespielplatz zuschaltet, ihn, den legendären Windkraft-Gegner, den berufsmäßigen Klimawandelungläubigen, weil’s mal wieder „Klartext“ braucht, der sich so prima einfügt ins „Welt“-Geschäftsmodell, das mit Klimaprovokation Klicks und Quote generiert. Das hat so oft geklappt, das klappt auch noch mal anlässlich der aktuellen Hitzewelle.

Aust hilft jedenfalls gerne, jederzeit. Auch wenn es, wie am Dienstag, sein Geburtstag ist; im Pferdestadion und bei „Welt“ ist er 79 Jahre alt geworden. Und während er seinen Unglauben herunterbetet, posieren zwischendurch im Hintergrund junge Menschen in Kostümen. So jung, dass sie noch viele Jahre werden schwitzen müssen.

1 Kommentare

  1. Vielleicht sollte man das Wort „Klima“ einfach nicht mehr benutzen, es scheint ja zu schwer zu sein. „Langfristige Wetterbeobachtungen“, „Wettertrends“ oder sowas. Dass man dann sagt „Langfristige Wetterbeobachtungen zeigen, dass kurzfristige Wetterextreme häufiger werden“. Der Hund fängt dann vielleicht nicht direkt an zu sabbern, wenn die Glocke etwas anders läutet.

Einen Kommentar schreiben

Mit dem Absenden stimmen Sie zu, dass Ihre Angaben gemäß unseren Datenschutzhinweisen gespeichert werden. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.