Unseriöser Journalismus

„Nius“ und die erfundenen Zitate

Das Wutportal von Julian Reichelt zitiert Menschen mit Sätzen, die sie nie gesagt haben. Mehrere Fälle sind bisher bekannt. Die Fake-Zitate sind teilweise trotzdem weiter online. Nachfragen werden nicht beantwortet.
Exklusiv für Übonnenten
Blauer Hintergrund, auf dem „Achtung, Fake Nius“ steht, mit dem Logo der Seite „Nius“.

Julian Reichelts rechtes Wutportal „Nius“ ist nicht gerade bekannt dafür, seriösen Journalismus zu machen. Kürzlich erst verbreitete es zum Beispiel eine gefälschte dpa-Meldung, die dann ohne Hinweis wieder gelöscht wurde. Vor zwei Wochen aber fiel „Nius“ mit einem ganz anderen Kaliber journalistischen Versagens auf. Nachdem US-Präsident Donald Trump in seiner Rede vor dem Kongress aus einem Brief des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zitiert hatte, zitierte „Nius“ scheinbar ebenfalls daraus:

„Mr. Trump, ich bedaure zutiefst meine jün…

1 Kommentare

  1. Redaktionen sollten sich wirklich nicht auf Künstliche (Un-)Intelligenz verlassen. KI verfälscht manchmal nicht nur Zitate, sondern neigt auch dazu, falsche Annahmen von Anfragenden zu bestärken und sie weiterzuspinnen. Ich habe mal die KI-Version „ChatGPT-3.5“ getestet und sie zum frei erfundenen „Bremer Gänseliesel“ befragt. Statt meine Falscheingabe zu erkennen und zu korrigieren, halluzinierte die KI wild drauflos. Je nach Formulierung meiner Anfragen kam zum Beispiel heraus: Das Bremer Gänseliesel sei „ein Symbol für die Jugend und die Unschuld und wird oft mit der Tradition des Gänselieselsprungs während des Freimarkts in Verbindung gebracht“. Gänselieselsprung? Gut erfunden! Oder: „Die Statue stellt eine Gans dar, die auf dem Rücken eines Esels steht, der wiederum auf einem Hund steht, der auf einem Katzenkopf balanciert.“ Offenbar eine Anspielung auf die Bremer Stadtmusikanten, die aber keineswegs solche akrobatischen Leistungen vollbracht haben. Als Erschaffer der angeblichen Gänseliesel-Statue wurde einmal die „Bildhauerin Gerhard Marcks“ genannt (in Wirklichkeit war der eindeutig männliche Bildhauer Marcks der Erschaffer der Bremer Stadtmusikanten-Statue), ein anderes Mal erwähnte die KI einen nicht existenten „Heinrich Wiegand“. Und als ich die KI zu frei erfundenen Politiker-Namen befragte, lieferte sie prompt die angeblichen Lebensdaten und Amtszeiten: „Werner Bier lebte von 1890 bis 1959. Er war von 1945 bis 1946 Bürgermeister von Bremen.“ Erst bei meiner Anfrage zu den Lebensdaten von „Werner Bölkstoff“ erkannte die KI: „Der Name ‚Werner Bölkstoff‘ ist wahrscheinlich fiktiv und stammt aus der deutschen Comicreihe ‚Werner‘ von Rötger Feldmann, auch bekannt als Brösel.“

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