Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche?
Kürzlich wandte sich ein Übermedien-Leser an die Redaktion: Er sei auf der Suche nach Nachrichten für Jugendliche, habe aber keine gefunden. Nicht einmal bei Funk, dem „jungen Angebot“ von ARD und ZDF. Ob er etwas übersehen habe? Ich glaube: ja. Und damit ist er nicht allein.
Unserem Leser schwebt so etwas wie die ZDF-Kindernachrichtensendung „Logo“ vor, nur eben für Jugendliche: ein Format mit Einspielern, in dem ein- bis zweimal pro Woche in Jugendsprache die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Tage wiedergegeben und eingeordnet werden. So etwas, in dieser spezifischen Form, konnte ich auch nicht finden. Die Frage lautet nun: Ist das schlimm? Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche?
Man könnte sagen: Ja, klar! Immerhin haben Jugendliche andere Lebensrealitäten als Erwachsene. Andere Interessen und Zugänge zu Medien. Aber mal ehrlich: Ist die Idee von Nachrichten für Jugendliche nicht auch ein klitzekleines bisschen paternalistisch?
Betrachten wir die Ausgangsfrage semantisch: Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche?
Wer ist wir?
Jugendliche (und im Übrigen auch Kinder) sind Menschen. Nur halt mit viel weniger Kohle und quasi keiner Lobby. Sie sind bei solchen Sachen wie Menschenrechten oder dem Rundfunkauftrag mitgemeint. Theoretisch. In klassischen Nachrichten finden jugendliche Perspektiven und Thematiken aber nur in Ausnahmen statt, etwa am Weltkindertag oder wenn Susanne Daubner das Jugendwort des Jahres vorliest. Dabei soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk die gesamte Gesellschaft mit Informationen versorgen. Nicht nur einen Teil. Beispiel: Börsenberichterstattung. Es ist ein gewohnter Anblick: Eine (meistens) weiße Person im (Hosen-)Anzug steht vor Tafeln voller Zahlen und redet über Aktienkurse und Firmenübernahmen. Jugendliche haben kein Kapital und keine ETFs, es sei denn, ihre Eltern haben einen für sie angelegt. Das heißt aber nicht, dass sie kein Interesse an Wirtschaft und Preisentwicklungen haben. Nicht umsonst ist die Frage „Wann Döner wieder drei Euro?“ längst fester Bestandteil der Meme-Kultur.
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Ist Ihnen bei der Frage „Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche?“ etwas aufgefallen? Sie suggeriert, dass es ein der Norm entsprechendes „Wir“ gibt und „die Jugendlichen“ davon abweichen – obwohl „Wir“ ja eigentlich wir alle sind. Und dieses „Wir“ hat ein Problem mit Adultismus, das sich auch in den Medien widerspiegelt. Es handelt sich dabei um eine altersbedingte Asymmetrie was Macht und Repräsentanz betrifft. Dem liegt die mehr oder weniger bewusste Annahme zu Grunde, dass Erwachsene wertvoller als Jugendliche und Kinder seien. Und vor allem: schlauer.
Junge Menschen werden häufig als inkompetent, unreif, ungebildet oder faul wahrgenommen. In Bezug auf Politik und Medien auch gerne als desinteressiert. Der Logik folgend muss man die „halben Erwachsenen“ natürlich nicht für voll nehmen. Aber, könnte man einwenden, sind Erwachsene denn nicht tatsächlich kompetenter, reifer, gebildeter und disziplinierter? Allein schon, weil sie länger auf der Welt sind und bereits zur Schule gegangen sind? Gegenfrage: Sind Erwachsene automatisch reif, kompetent, gebildet? Mir fallen auf Anhieb etliche Erwachsene in Machtpositionen ein, die weder reif, noch sonderlich gebildet noch kompetent sind. Einer von ihnen ist seit kurzem wieder US-Präsident.
Die Angewohnheit, auf junge Menschen herabzublicken, ist uralt. Schon Aristoteles soll beim Anblick der Jugend an der „Zukunft der Zivilisation“ verzweifelt sein. Von Platon und Sokrates, den Gen…
Ich weiß, dass das Thema eigentlich ein anderes ist, begrüße es aber sehr, dass ENDLICH mal jemand fragt, wer eigentlich diese „wir“ sind, von denen dauernd geredet wird.
„Man könnte fragen: Brauchen Jugendliche Nachrichten für Jugendliche?“ Warum sollte irgendwer diese Frage anders formulieren als SO? Weil sonst gemeint ist: „Brauchen wir nicht-jugendliche Medienschaffende ein Medienformat, dass sich speziell an Jugendliche richtet, oder verdienen wir mit sowas kein Geld bzw. erfüllen unseren Bildungsauftrag nicht?“ Oder generell: wenn man das „wir“ in solchen Fragen mit „ich“ ersetzt und feststellt, dass die Frage dann irgendwie bescheuert klingt, ist man mir dem „wir“ entweder nicht mitgemeint, oder die Frage ist generell bescheuert.
Ich weiß, dass das Leben kein Wunschkonzert auf einem Ponyhof ist, aber ich wäre mehr als glücklich, wenn das nächste Hasswort „wir“ ist.