Für Kinder gibt es „Logo“. Doch eine eigene Nachrichtensendung für Jugendliche fehlt bislang. Ist das schlimm? Nein, findet unsere Autorin. Medien sollten junge Menschen ernst nehmen. Aber eine „Tagesschau“ in Jugendsprache ist nicht die Lösung.
Kürzlich wandte sich ein Übermedien-Leser an die Redaktion: Er sei auf der Suche nach Nachrichten für Jugendliche, habe aber keine gefunden. Nicht einmal bei Funk, dem „jungen Angebot“ von ARD und ZDF. Ob er etwas übersehen habe? Ich glaube: ja. Und damit ist er nicht allein.
Unserem Leser schwebt so etwas wie die ZDF-Kindernachrichtensendung „Logo“ vor, nur eben für Jugendliche: ein Format mit Einspielern, in dem ein- bis zweimal pro Woche in Jugendsprache die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Tage wiedergegeben und eingeordnet werden. So etwas, in dieser spezifischen Form, konnte ich auch nicht finden. Die Frage lautet nun: Ist das schlimm? Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche?
Man könnte sagen: Ja, klar! Immerhin haben Jugendliche andere Lebensrealitäten als Erwachsene. Andere Interessen und Zugänge zu Medien. Aber mal ehrlich: Ist die Idee von Nachrichten für Jugendliche nicht auch ein klitzekleines bisschen paternalistisch?
Betrachten wir die Ausgangsfrage semantisch: Brauchen wirNachrichten für Jugendliche?
Wer ist wir?
Jugendliche (und im Übrigen auch Kinder) sind Menschen. Nur halt mit viel weniger Kohle und quasi keiner Lobby. Sie sind bei solchen Sachen wie Menschenrechten oder dem Rundfunkauftrag mitgemeint. Theoretisch. In klassischen Nachrichten finden jugendliche Perspektiven und Thematiken aber nur in Ausnahmen statt, etwa am Weltkindertag oder wenn Susanne Daubner das Jugendwort des Jahres vorliest. Dabei soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk die gesamte Gesellschaft mit Informationen versorgen. Nicht nur einen Teil. Beispiel: Börsenberichterstattung. Es ist ein gewohnter Anblick: Eine (meistens) weiße Person im (Hosen-)Anzug steht vor Tafeln voller Zahlen und redet über Aktienkurse und Firmenübernahmen. Jugendliche haben kein Kapital und keine ETFs, es sei denn, ihre Eltern haben einen für sie angelegt. Das heißt aber nicht, dass sie kein Interesse an Wirtschaft und Preisentwicklungen haben. Nicht umsonst ist die Frage „Wann Döner wieder drei Euro?“ längst fester Bestandteil der Meme-Kultur.
Susanne Daubner liest traditionell das „Jugendwort des Jahres“ vor. Screenshot: tagesschau.de
Ist Ihnen bei der Frage „Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche?“ etwas aufgefallen? Sie suggeriert, dass es ein der Norm entsprechendes „Wir“ gibt und „die Jugendlichen“ davon abweichen – obwohl „Wir“ ja eigentlich wir alle sind. Und dieses „Wir“ hat ein Problem mit Adultismus, das sich auch in den Medien widerspiegelt. Es handelt sich dabei um eine altersbedingte Asymmetrie was Macht und Repräsentanz betrifft. Dem liegt die mehr oder weniger bewusste Annahme zu Grunde, dass Erwachsene wertvoller als Jugendliche und Kinder seien. Und vor allem: schlauer.
Junge Menschen werden häufig als inkompetent, unreif, ungebildet oder faul wahrgenommen. In Bezug auf Politik und Medien auch gerne als desinteressiert. Der Logik folgend muss man die „halben Erwachsenen“ natürlich nicht für voll nehmen. Aber, könnte man einwenden, sind Erwachsene denn nicht tatsächlich kompetenter, reifer, gebildeter und disziplinierter? Allein schon, weil sie länger auf der Welt sind und bereits zur Schule gegangen sind? Gegenfrage: Sind Erwachsene automatisch reif, kompetent, gebildet? Mir fallen auf Anhieb etliche Erwachsene in Machtpositionen ein, die weder reif, noch sonderlich gebildet noch kompetent sind. Einer von ihnen ist seit kurzem wieder US-Präsident.
Die Angewohnheit, auf junge Menschen herabzublicken, ist uralt. Schon Aristoteles soll beim Anblick der Jugend an der „Zukunft der Zivilisation“ verzweifelt sein. Von Platon und Sokrates, den Generationen vor ihm, sind ähnliche Zitate überliefert. Der US-amerikanische Soziologe David Finkelhor hat dafür einen Begriff gefunden: Juvenoia, eine Mischung aus juvenil und Paranoia.
Wer sind die Jugendlichen?
Man könnte fragen: Brauchen Jugendliche Nachrichten für Jugendliche? Wir haben festgestellt, dass Jugendliche Menschen sind. Dass Menschen Nachrichten für Menschen brauchen (und nicht etwa für Waschbären), ist klar. Warum aber werden Jugendliche dann nicht auch von Journalist*innen immer mitgedacht? Warum sollte es spezielle Formate für Jugendliche geben, aber nicht für, sagen wir, Rentner*innen? News Stroll statt News Flash? Nachrichten wie ein gemütlicher Spaziergang für die verkalkten Tattergreise über 70, die eh kaum noch was kapieren? Fühlt sich irgendwie … diskriminierend an? Eben.
Das Alter allein scheint schon mal keine allzu gute Kategorie zu sein, nach der wir Medienangebote ausrichten sollten. Besonders absurd wird das, wenn man sich vor Augen führt, wer im Journalismus meist gemeint ist, wenn von der jungen Zielgruppe die Rede ist. Nämlich die 14- bis 29-Jährigen, die halt übrig bleiben, wenn man Kinder und Erwachsene abzieht. Wobei damit immer noch nicht geklärt wäre, warum Menschen vor Gericht zwischen 18 und 21 erwachsen werden, vor dem Bildschirm aber erst mit 30.
Für die Marktforschung gelten die 14- bis 29-Jährigen seit den Neunziger Jahren als konsumfreudige und daher für die Werbung relevante Zielgruppe. Die Medienforschung hat offenbar diese Einteilung mit der Zeit für die Analyse von Nutzungsverhalten übernommen und so fand sie Eingang in die Programmplanung und Zielgruppenansprache von Medien. Warum genau das so ist, und vor allem warum das nicht hinterfragt zu werden scheint, konnte ich nicht abschließend klären. Funk, das „junge Angebot“ von ARD und ZDF, richtet sich jedenfalls an genau diese Zielgruppe. „Das können wir natürlich nicht mit ein und demselben Angebot“, heißt es auf der Website. „Denn eine 14-jährige Schülerin sucht im Netz nach anderen Dingen als ein 29-jähriger Berufstätiger.“
Auch ein, sagen wir, 50-jähriger Mensch dürfte eine andere Lebensrealität haben als ein 65-jähriger. Beide können aber aus dem vollen Spektrum der Formate wählen, da sie als Erwachsene das Privileg genießen, nicht anhand ihres Alters in viel zu große Schubladen einsortiert zu werden. Der überwiegende Anteil der Medienangebote ist für sie gemacht und sie dürfen sogar entscheiden, ob sie sich mehr für Kultur, Politik, Sport, oder Wirtschaft interessieren. Jugendliche haben ebenfalls diverse Interessen. Und dann sind Jugendliche auch nicht einfach nur jugendlich. Sie sind vielleicht auch schwul. Sie sind Schwarz. Behindert. Arm. Und so weiter. Aber da ist noch etwas …
Brauchen wir überhaupt Nachrichten?
Könnte es sein, dass Nachrichten überschätzt werden? Also, als Format? Wie informativ sind Nachrichten wirklich? Wie zeitgemäß sind sie noch? Wie zugänglich? So mittel, würde ich sagen.
Der Lehrbuch-Klassiker „Einführung in den praktischen Journalismus“ von Walther von La Roche definiert eine Nachricht so: „Eine Nachricht ist (…) die um Objektivität bemühte Mitteilung eines allgemein interessierenden aktuellen Sachverhalts in einem bestimmten formalen Aufbau.“ Am Begriff „Objektivität“ gab es bereits viel Kritik, auch hier bei Übermedien. Sollten wir ihn vielleicht durch „Transparenz“ ersetzen? Der Mainzer Journalistik-Professor Tanjev Schultz sagt, man bräuchte „im Prinzip eine Gebrauchsanweisung für jedes Format“, weil für das Publikum ja nicht immer klar ist, wo eine Nachricht aufhört und eine Meinung anfängt.
Ich würde vorschlagen, die Idee mit Blick auf die Positionierung zu erweitern. Wer spricht aus welcher Position und mit welcher Erfahrung zu wem? Ein Beispiel: Ein Journalist bemüht sich, einen objektiven Beitrag über die Entdeckung Amerikas für ein historisches TV-Format zu produzieren. Er achtet auf einen möglichst deskriptiven, nicht wertenden Sprachgebrauch und seriöse Quellen. Ist das Ergebnis ein neutraler, objektiver Fernsehbeitrag? Nein. Denn schon allein das Wörtchen „Entdeckung“ impliziert die europäische Blickrichtung. Ein Journalist mit indigenem Hintergrund würde vielleicht eher von „Invasion“ statt „Entdeckung“ sprechen. Es reicht nicht, das Wort „Ich“ zu vermeiden, um die Ich-Perspektive zu überwinden.
Wie steht es um „Mitteilungen“? Können Nachrichten ohne einordnende Bemerkungen unserer vernetzten, dynamischen und überkomplexen Welt überhaupt je gerecht werden? Müssen sie das? Was heißt „allgemeines Interesse“? Kinder und Jugendliche scheinen als eine der marginalisierten Gruppen schon einmal nicht inbegriffen zu sein. Wie gehen wir damit um? Ist Aktualität, also Schnellsein, im Zeitalter der Digitalisierung immer eine Tugend? Wie sinnvoll ist der klassische Aufbau – einer Nachricht selbst, aber auch von Nachrichtenformaten? Und wie viel bleibt von den kurzen Beiträgen in rascher Abfolge eigentlich hängen? Also ich habe beim Wetter die Hälfte der Nachrichten oft schon wieder vergessen. Und Sie?
Für wen sind Nachrichten wichtig?
Bei aller Skepsis gegenüber dem Generationenbegriff: Ich lehne mich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich vermute, dass es vor allem die Boomer und die Generation X sind, die klassische Nachrichtenformate für unverzichtbar halten. Allein schon aus Gewohnheit. So zeigt etwa der Reuters Institute Digital News Report 2024, dass in der Altersgruppe ab 55 Jahren für 58 Prozent das lineare Fernsehen weiterhin die wichtigste Nachrichtenquelle ist. Während laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2023 82 Prozent der 14- bis 29-Jährigen täglich Videos im Internet schauen, sind es bei den 50- bis 69-Jährigen nur 38 Prozent. Der Journalist Peter Laudenbach schrieb 2022: „Würde die ‚Tagesschau‘ einfach weitermachen wie gewohnt, wäre sie bald ein Nischenprogramm für Rentner.“
Medienforschende am Hans-Bredow-Institut haben die Nachrichtennutzung und -kompetenz von jungen Menschen untersucht und die Ergebnisse der „Use the News“-Studie 2024 veröffentlicht. Die Studie bestätigt, dass die Nachrichtennutzung junger Menschen „in starkem Kontrast zu der älterer Generationen“ steht. Jüngere Generationen wiesen ein geringeres allgemeines Interesse an Nachrichten und Politik auf. Sie konsumierten Nachrichten weniger und passiver. Außerdem hauptsächlich über Online-Medien und Soziale Netzwerke.
Dann stimmt es also doch, das Klischee der desinteressierten Jugendlichen, die den ganzen Tag nur auf TikTok und Instagram rumhängen! Nix mit Adultismus!
So einfach ist es nicht. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus der Studie ist: „Es gibt nicht DIE Jugendlichen oder DIE jungen Erwachsenen.“ Die Forschenden definieren vier Typen:
Journalistisch Informationsorientierte. Merkmale: „hohes Nachrichteninteresse, umfangreiche Nutzung und große Relevanz journalistischer Quellen bei geringer Relevanz nicht-journalistischer Angebote; gut informiert.“
Gering Informationsorientierte. Merkmale: „geringes Nachrichteninteresse, keine Nutzung und Relevanz journalistischer Quellen bei ebenfalls geringer Nutzung und Relevanz nicht-journalistischer Angebote; nicht gut informiert.“
Umfassend Informationsorientierte. Merkmale: „hohes Nachrichteninteresse, umfangreiche Nutzung und große Relevanz journalistischer und nicht-journalistischer Angebote; gut informiert.“
Nicht-journalistisch Informationsorientierte. Merkmale: „mittleres Nachrichteninteresse, keine Nutzung und Relevanz journalistischer Quellen bei hoher Relevanz nicht-journalistischer Angebote; nicht gut informiert.“
Die Adultismus-Falle wäre damit also bestätigt, nicht widerlegt. Sie besteht in der verallgemeinernden Annahme, dass Jugendliche generell kein Interesse an Nachrichten hätten, obwohl das nur auf einen Teil zutrifft. Auch in der Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren finden sich Menschen, die „nicht gut informiert“ sind. Trotzdem wäre mir neu, dass man dieser Gruppe pauschal Desinteresse, Faulheit oder Blödheit unterstellen würde.
Warum sollten Jugendliche Nachrichten gucken?
Wenn es nicht an den Jugendlichen selbst liegt, woran dann? Die Forschenden machen mehrere Faktoren aus. Einer davon: Bildung. In der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen mit formal niedriger Bildung werden 52 Prozent dem Typ „Gering Informationsorientierte“ zugeordnet. In derselben Altersgruppe mit formal hoher Bildung schrumpft der Anteil auf 25 Prozent. Die Gruppen der „Journalistisch Informationsorientierten“ und der „Umfassend Informationsorientierten“ bilden hier zusammen die Mehrheit von 68 „gut informierten“ Prozent. Weitere Gründe: Bei journalistischen Nachrichten fehle jungen Menschen oft der Bezug zum persönlichen Alltag. Auffällig sei außerdem, dass die Jugendlichen, die das Gefühl hätten, politisch etwas bewegen zu können, deutlich mehr Interesse an Informationen über das aktuelle Geschehen äußerten.
Einfach gesagt: Warum sollten Jugendliche Nachrichten gucken, wenn sie sich darin nicht wiederfinden, nur die Hälfte verstehen und sowieso das Gefühl haben, dass das alles keinen Sinn ergibt, weil sich keiner für sie interessiert und sie selber auch nix ändern können?
Darauf muss der Journalismus Antworten finden. Und „Logo“ 2.0 in Jugendsprache ist keine. Zumindest nicht wenn das bedeuten soll, dass dieselben Menschen, die die normalen Nachrichten machen, nebenbei noch eine pseudo-authentische Version für die etwas hängengebliebene Jugend produzieren. Das wäre dann einfach nur, nun ja, cringe. Medien sollten junge Menschen lieber ernst nehmen und ihrem Auftrag nachkommen. Dass das auch durchaus lustig sein kann, zeigt das Comedy-News-Format „un.logo“. Darin fragt die Journalistin und Schauspielerin Bianca Olek in ihrer Rolle als Paul etwa Bundeskanzler Scholz, was sein größter Flex ist oder eben: „Wann Döner wieder drei Euro?“
Wenn ich fordere, Medien müssten Jugendliche ernst nehmen, dann gehört zur Wahrheit dazu: DIE Medien gibt es genau so wenig wie DIE Jugendlichen. (Und wo wir gerade dabei sind: TikTok und YouTube sind keine Quellen, sondern Plattformen. Dort finden sich gute wie weniger gute Inhalte – was auch aufs Fernsehen zutrifft.)
Was machen junge Formate anders?
Die „Tagesschau“ ist bereits seit November 2019 auf TikTok und hat dort derzeit 1,6 Millionen Follower. Seit Juli 2024 gibt es einen Kanal von „ZDFheute“ auf TikTok. Auf YouTube gibt es mit „ZDFheute live“ ein interaktives Format, bei dem Zuschauende bei laufendem Stream Fragen stellen können. Ein vergleichbares Format ist „Tagesschau together“, von dem im Oktober und November 2024 versuchsweise vier Streams auf der Plattform Twitch ausgestrahlt wurden. Auch begleitend zur „Wahlarena“ und zum „TV Duell“ zwischen Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) gab es Streams von „Tagesschau together“. Da wäre außerdem das Format „News-WG“ vom Bayerischen Rundfunk auf Instagram. Oder der News-Podcast „0630“ von 1Live. Und von Funk gibt es den Nachrichten-Podcast „Was die Woche wichtig war“.
Felix Edeha und Hanin Kleemann im Format „Tagesschau together“ Screenshot: Twitch/ARD
Diese Formate haben gemeinsam, dass sie in nahbarer, authentischer Sprache und Sprechhaltung Nachrichten einbetten. „Was?“, „Wer?“, „Wann?“ und „Wo?“ werden erweitert um: „Was bedeutet das?“, „Was folgt daraus?“, „Wie war es vorher?“, „Wie ist es dazu gekommen?“ und weitere. Im Podcast „0630“ vom 16. Dezember 2024 zum Beispiel wird die Vertrauensfrage von Kanzler Scholz folgendermaßen umschrieben: „Das ist (…) ein bisschen so als würde ich Schluss machen wollen und ich frage dafür meinen Freund: Willst du mich heiraten?“
Und dann wären da noch zahlreiche Formate, die zwar keine Nachrichten im engeren Sinne sind, dennoch aber über politische Debatten und aktuelle Ereignisse berichten – vielleicht sogar besser als klassische News das könnten, wie das YouTube-Format „Die da oben“ und der dazugehörige Podcast „Absolute Mehrheit“.
Was steht im Medienstaatsvertrag?
Tatsächlich hat Funk keinen expliziten Nachrichtenauftrag. Für News sind die Landesrundfunkanstalten zuständig. Laut Paragraf 26 des Medienstaatsvertrags haben ARD und ZDF den Auftrag, Information anzubieten. Dazu gehören laut Begriffsbestimmung auch Nachrichten. Paragraf 33 definiert den Auftrag von Funk: „Das Jugendangebot soll inhaltlich die Lebenswirklichkeit und die Interessen junger Menschen als Zielgruppe in den Mittelpunkt stellen und dadurch einen besonderen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nach § 26 leisten.“ Im zweiten Absatz heißt es, das Jugendangebot sei inhaltlich und technisch dynamisch und entwicklungsoffen zu gestalten. Mit anderen Worten: Die Erfüllung des Rundfunkauftrags ist nicht an konkrete Formate gebunden.
Hauptsache informiert
Die freie Journalistin Victoria Reichelt, Jahrgang 1996, ist Host bei „ZDFheute live“, bei „Die da oben“ und bei „Absolute Mehrheit“. Ich habe ihr ebenfalls die Frage gestellt: Brauchen wir Nachrichten für Jugendliche? Ihre Antwort: Jein. „Es braucht auf der einen Seite Formate für junge Leute, die sie auf den Plattformen abholen, auf denen sie unterwegs sind. Das ist eher nicht der Fernseher.“ Gleichzeitig würden sich die jungen Nachrichtenformate nicht vor Älteren verschließen, sagt Reichelt. „Im Gegenteil, denen gefällt es auch, wenn eine einfachere Sprache verwendet wird und mehr Hintergrundinformationen geliefert werden.“
Nachrichten zu schauen, bedeutet nicht zwingend, informiert zu sein. Andersherum sind Menschen nicht zwingend uninformiert, wenn sie keine News-Sendungen gucken. Victoria Reichelt sagt: „Die jungen Menschen bekommen die Nachrichten schon mit, aber sie wenden sich an uns, damit wir die Ereignisse einordnen.“
Ein Beispiel: das ursprünglich mal geplante Rentenpaket II der Ampelregierung. Auf den ersten Blick nichts, wofür Jugendliche sich interessieren. Reichelts Team von „Die da oben“ hat es aufgegriffen. „Wir wissen das Thema ist wahnsinnig undurchsichtig“, sagt Host Jan Schipmann zu Beginn des Beitrags, „und deshalb dröseln wir euch in diesem Video die Renten-Shitshow verständlich auf.“ Der Renten-Karren fahre gerade für alle jungen Menschen mit 180 km/h in Richtung Wand. Das ist doch mal eine Aussage, die wirklich jeder versteht, auch ohne Ahnung von Politik und Finanzen. Anders als in den klassischen Nachrichten werden hier die Basics des Rentensystems erklärt – und nicht einfach vorausgesetzt.
Vergesst die Quoten
Das Beispiel vom Rentenpaket zeigt auch, dass es nicht die Aufgabe von Journalismus sein kann, Menschen nur mit Spiegelbildern ihres eigenen Alltags zu versorgen. Politik betrifft auch Jugendliche und Kinder. Die haben aber kein bzw. ein beschränktes Wahlrecht. Die Entscheidungen treffen Erwachsene. Es sind also nicht nur die Jugendlichen, die Formate brauchen, die etwas über ihren Alltag erzählen. Auch die Erwachsenen müssen hinschauen und wissen, wie sich ihre Entscheidungen auf Jugendliche auswirken. Und was es auch braucht, sind positive Erzählungen über Jugendliche.
Auch der Erfolg von Formaten muss anders gemessen werden. Möglichst große Zielgruppen und hohe Quoten sind nur bedingt sinnvoll. Auch die Herausforderungen in den Sozialen Medien sind andere. Der Meta-Konzern etwa, zu dem auch Instagram gehört, entschied Anfang 2024, politische Inhalte zu drosseln. Victoria Reichelt reagierte darauf, indem sie auf ihrem Instagram-Kanal Schminkvideos mit politischem Content kombinierte.
Aus der „Use the News“-Studie geht außerdem hervor, dass Kontakte zu journalistischen Angeboten eher zufällig entstehen. Das ist nur logisch, da sie auf den Plattformen mit unzähligen anderen konkurrieren. Zudem bevorzugen Algorithmen emotionalisierende Inhalte und Desinformation. Viele Medienschaffende haben deswegen Skrupel, ihre Inhalte an die Drittplattformen rauszugeben. Oder sie haben Zweifel, dass die Conversion, gewissermaßen der „Umzug“, vom Post zum Beitrag auf der eigenen Plattform gelingt.
„An Social Media führt kein Weg vorbei. Das ist einfach die Realität. Man kann das betrauern, aber man muss es akzeptieren“, sagt Victoria Reichelt. „Die Herausforderung für den Journalismus der Zukunft ist, journalistische Standards zu wahren, während wir gleichzeitig nach den Regeln der Plattformen spielen müssen. Dieser Balanceakt ist schwierig, und wie man ihn optimal löst, darauf habe ich selbst noch keine endgültige Antwort.“ Aber einen Wunsch hat Victoria Reichelt: „Gleichbehandlung von Fernsehen und Online, auch bei den Budgets.“ Denn eines ändert sich nie: Guter Journalismus braucht Geld, egal auf welcher Plattform. Und wer möchte, dass Jugendliche sich mit Nachrichten beschäftigen wollen, dem muss das etwas wert sein.
Die Autorin
Foto: Hella Wittenberg
Laura Lucas ist freie Journalistin. Sie ist im Ruhrgebiet aufgewachsen und hat in Dortmund und Berlin studiert, unter anderem Journalistik, Politik und Kultur- und Medienmanagement. Sie ist Autorin bei Deutschlandfunk Kultur und regelmäßig im feministischen „Lila Podcast“ zu hören.
1 Kommentare
Ich weiß, dass das Thema eigentlich ein anderes ist, begrüße es aber sehr, dass ENDLICH mal jemand fragt, wer eigentlich diese „wir“ sind, von denen dauernd geredet wird.
„Man könnte fragen: Brauchen Jugendliche Nachrichten für Jugendliche?“ Warum sollte irgendwer diese Frage anders formulieren als SO? Weil sonst gemeint ist: „Brauchen wir nicht-jugendliche Medienschaffende ein Medienformat, dass sich speziell an Jugendliche richtet, oder verdienen wir mit sowas kein Geld bzw. erfüllen unseren Bildungsauftrag nicht?“ Oder generell: wenn man das „wir“ in solchen Fragen mit „ich“ ersetzt und feststellt, dass die Frage dann irgendwie bescheuert klingt, ist man mir dem „wir“ entweder nicht mitgemeint, oder die Frage ist generell bescheuert.
Ich weiß, dass das Leben kein Wunschkonzert auf einem Ponyhof ist, aber ich wäre mehr als glücklich, wenn das nächste Hasswort „wir“ ist.
Ich weiß, dass das Thema eigentlich ein anderes ist, begrüße es aber sehr, dass ENDLICH mal jemand fragt, wer eigentlich diese „wir“ sind, von denen dauernd geredet wird.
„Man könnte fragen: Brauchen Jugendliche Nachrichten für Jugendliche?“ Warum sollte irgendwer diese Frage anders formulieren als SO? Weil sonst gemeint ist: „Brauchen wir nicht-jugendliche Medienschaffende ein Medienformat, dass sich speziell an Jugendliche richtet, oder verdienen wir mit sowas kein Geld bzw. erfüllen unseren Bildungsauftrag nicht?“ Oder generell: wenn man das „wir“ in solchen Fragen mit „ich“ ersetzt und feststellt, dass die Frage dann irgendwie bescheuert klingt, ist man mir dem „wir“ entweder nicht mitgemeint, oder die Frage ist generell bescheuert.
Ich weiß, dass das Leben kein Wunschkonzert auf einem Ponyhof ist, aber ich wäre mehr als glücklich, wenn das nächste Hasswort „wir“ ist.