Wie funktioniert so eine eidesstattliche Versicherung im Journalismus?
Bei seinen Berichten über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar stützte sich der rbb auf eidesstattliche Versicherungen. Wir erklären, was das ist, welche Risiken es gibt – und ab wann sich jemand strafbar macht.
Wenn Medien über Themen wie Machtmissbrauch oder sexuelle Übergriffe berichten, spielen anonyme Quellen oft eine wichtige Rolle. Um deren Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, erwähnen Journalistinnen und Journalisten in ihren Texten dann oft, dass die Personen eine eidesstattliche Versicherung (EV) unterzeichnet hätten. Auch im Fall der mittlerweile gerichtlich untersagten Berichterstattung des rbb über den Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar geht es um eine eidesstattliche Versicherung. Allerdings eine, die offenbar gefälscht wurde.
Nach aktuellem Stand hat sich eine grüne Bezirkspolitikerin gegenüber dem rbb als „Anne K.“ ausgegeben – diese Person gibt es in Wirklichkeit jedoch nicht. Als diese Fake-Persona hat sie laut dem Sender auch eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, in der sie einen angeblichen Übergriff Gelbhaars geschildert hat und auf die sich der rbb in seiner Berichterstattung bezog. Vergangene Woche wurde die Berichterstattung zurückgezogen. Das führt zu der Frage: Was ist eine eidesstattliche Versicherung – und was ist sie überhaupt für die journalistische Berichterstattung wert?
Medien sind keine Behörden
Der Regensburger Strafrecht-Professor Henning Ernst Müller erklärt im Gespräch mit Übermedien: „Die eidesstattliche Versicherung hat eigentlich den Zweck, dass eine Person gegenüber einer Behörde oder einem Gericht dafür garantiert, wie sie eine Tatsache wahrgenommen hat. Die EV soll Verfahren vereinfachen, indem man sich eine mündliche Zeugenvernehmung spart. Eidesstattliche Versicherungen gibt es zum Beispiel bei Insolvenzverfahren, da muss der Betroffene seine Vermögensaufstellung eidesstattlich versichern.“
Juristisch gesehen ist das, was Quellen gegenüber Journalisten bzw. einem Medienhaus schriftlich bezeugen, also noch keine eidesstattliche Versicherung, weil Medienhäuser eben keine Behörden sind. Erst vor Gericht spielt das, was die Quelle gegenüber Journalisten schriftlich zu Protokoll gegeben hat, juristisch eine Rolle.
Wenn Medien in ihren Texten also schreiben „XY hat uns das eidesstattlich versichert“, meinen sie eigentlich: „XY hat ein Dokument unterschrieben, dass wir im Falle einer juristischen Auseinandersetzung bei Gericht vorlegen dürfen und das dort als eidesstattliche Versicherung dient“. Diese Formulierung klingt natürlich etwas umständlich – es ist daher legitim, dass Medien das auf diese Weise vereinfachen.
Es gibt keine presserechtlichen Vorgaben, dass Medien dazu verpflichtet sind, ihre Recherchen auf diese Weise zu belegen. Es sind Abwägungen der Redaktionen und Justiziariate, wie man die eigene Berichterstattung möglichst wasserfest und unangreifbar macht.
Die Autorin
Lisa Kräher ist Redakteurin bei Übermedien. Sie hat bei der „Mittelbayerischen Zeitung“ volontiert und von 2013 an als freie Journalistin und Filmautorin gearbeitet, unter anderem für epd. Sie ist Autorin für die „Carolin Kebekus Show“ und Mitglied der Grimme-Preis-Jury.
Kein Freibrief für Journalisten
Klar ist: Nur, weil jemand etwas in einer eidesstattlichen Versicherung angibt, ist das nicht zwingend richtiger bzw. glaubhafter als Aussagen anderer Quellen. Deshalb ist eine eidesstattliche Versicherung auch kein Freibrief für Journalisten, Inhalte oder deren Absender weniger genau zu überprüfen als andere Aussagen.
Im Falle des rbb hat man diese nötige Überprüfung der Quelle ganz offensichtlich unterlassen. So berichtet der „Tagesspiegel“, dass „Anne K.“ den angeblichen Übergriff von Stefan Gelbhaar gegenüber dem rbb lediglich in Telefonaten geschildert habe, persönlich getroffen habe die Redaktion die Frau nicht. Auf welchem Wege ihre „eidesstattliche Versicherung“ zustande kam, ist nicht klar.
Allerdings dürfen Medien natürlich mit gutem Grund annehmen, dass eine Quelle eher die Wahrheit sagt, wenn sie dazu bereit ist, dass ihre Erklärung als eidesstattliche Versicherung später bei Gericht eingereicht wird – woraus wiederum handfeste Konsequenzen folgen können.
So teilte der rbb in einer Stellungnahme mit, man habe ausschließlich über die Vorwürfe „detaillierter“ berichtet, bei denen Frauen ihr eigenes Erleben eidesstattlich versicherten. „Das war deshalb wichtig, weil eine eidesstattliche Versicherung bedeutet, dass sich Menschen strafbar machen, wenn sie in einer solchen schriftlichen Erklärung falsche Behauptungen aufstellen.“
Das ist so aber auch nicht ganz richtig, mindestens jedoch verkürzt. Denn: Eine Quelle, die gegenüber einem Medium falsche Angaben macht, macht sich damit nicht automatisch strafbar, sondern eben erst, falls es zu einem presserechtlichen Verfahren kommt und das Medium die Erklärung dort auch einreicht. Die Person, die sich gegenüber dem rbb als „Anne K.“ ausgegeben hat, hat sich laut Strafrechtler Müller nun also nicht wegen falscher eidesstattlicher Versicherung strafbar gemacht, sondern möglicherweise wegen Verleumdung (weil sie mutmaßlich einem Politiker einer falschen Straftat bezichtigt hat) und wegen Urkundenfälschung (wegen der gefälschten EV). Müller hat das Thema in einem Beitrag auf seinem Blog ausführlich beleuchtet.
Achillesferse des Quellenschutzes
Das mit der Glaubhaftigkeit von eidesstattlichen Versicherungen gegenüber Medien hat somit durchaus ein Gewicht – sofern sie von den Journalisten gut geprüft wurde. Zumal Quellen, die nicht namentlich im Text genannt werden wollen, sich darüber im Klaren sind, dass das von ihnen unterzeichnete Dokument im Falle einer juristischen Auseinandersetzung um den Text von Medien bei Gericht angegeben werden kann. Damit gehen sie das Risiko ein, dass ihr Name in einem presserechtlichen Verfahren dann doch bekannt wird. Das ist bei Verfahren im Zuge von #MeToo-Berichten schon öfters passiert.
Die eidesstattliche Versicherung ist damit die Achillesferse des Quellenschutzes. Natürlich steht es Medienhäusern frei, welche Belege sie in ein presserechtliches Verfahren einbringen. Aber Stellen in einem Text, die nicht durch eine EV belegt werden können, sind juristisch angreifbarer.
Was heißt das also für die journalistische Praxis? Eidesstattliche Versicherungen können ein Instrument sein, eine Berichterstattung juristisch weniger angreifbar zu machen, und gleichzeitig den Quellenschutz aufheben. Journalisten sollten die Identität der Absender und Plausibilität ihrer Aussagen daher genauestens prüfen. Henning Ernst Müller sagt: „Man muss mit diesen Menschen persönlich geredet haben. Am Telefon oder per E-Mail, wo man so leicht seine Identität verschleiern kann, ist das nicht seriös.“
Misstrauen ist in diesem Fall geboten und bedeutet nicht, dass man mutmaßlich Betroffene nicht ernst nimmt. Vielmehr geht es darum, die Leserschaft ernst zu nehmen und die eigene Arbeit transparent zu machen. Dafür reicht es nicht, einfach nur zu erwähnen, Person XY habe eine EV abgegeben – sondern man sollte durchaus auch erklären, wie man die entsprechenden Aussagen überprüft hat.
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