Bericht über Benjamin Fredrich

Bei der „Katapult“-Kritik am „Spiegel“ geht es weniger um Journalismus als um PR

Im Dezember hatte der "Spiegel" kritisch über Benjamin Fredrich berichtet. Jetzt wirft der "Katapult"-Gründer der Reporterin Manipulation und Falschberichterstattung vor. Manche Vorwürfe sind nicht nachprüfbar, andere fadenscheinig, einige wenige bedenkenswert. Eine Analyse.

„Der Spiegel manipuliert Mitarbeitende von KATAPULT“, titelte das „Katapult“-Magazin vergangene Woche. Kurz vor Weihnachten hatte der „Spiegel“ in einer langen Geschichte online („Einmal Hochmut – und zurück“) und im Print („Ewig Anfänger“) über „Katapult“-Gründer Benjamin Fredrich und einen von ihm in Chemnitz eröffneten Buchladen berichtet. Fredrich und seine Mitstreiter warfen der „Spiegel“-Autorin daraufhin eine verfälschende Berichterstattung vor.

Instgram-Kachel: "Der Spiegel manipuliert Mitarbeitende von Katapult"
Screenshot: katapultmagazin/Instagram

„Katapult“ ist ein Print-Magazin aus Greifswald, das vor allem mit seinen knallig-einprägsamen Grafiken und Karten bekannt wurde. Gründer Fredrich brach mit seinem Projekt 2015 erfolgreich diverse Branchenregeln (Print statt online! Greifswald statt Berlin!). Inzwischen hat „Katapult“ nach eigenen Angaben eine Auflage von 100.000 Stück und eine halbe Million Follower auf Instagram, betreibt außerdem Projekte wie eine Regionalzeitung in Mecklenburg-Vorpommern und eine Geflüchtetenunterkunft. Fredrich, der zu großspurigen Ankündigungen neigt, ist für seine Art, ständig neue Projekte aus dem Boden zu stampfen, allerdings auch kritisiert worden (unter anderem bei Übermedien – siehe Kasten weiter unten).

„Spiegel“ berichtet über Erfolge und Kritik gleichermaßen

Um all das geht es in dem „Spiegel“-Text. Die Autorin Vicky Bargel erzählt die Entstehungsgeschichte von „Katapult“, nennt Erfolge und Rückschläge und thematisiert Kritik an Fredrichs Vorgehen, die es über die Jahre immer wieder gab. Außerdem war sie bei der Eröffnung eines neuen „Katapult“-Buchladens in Chemnitz Mitte November dabei und beschreibt ihre Eindrücke.

In ihrer Replik darauf fährt die „Katapult“-Redaktion nun schwere Geschütze auf: Die Rede ist von „verfälschten Zitaten und falsch dargestellten Ereignissen“, der Betrugsfall um Claas Relotius wird erwähnt, und es heißt, der „Spiegel“ habe offensichtlich bis heute keine Gangart gefunden, „Reportagen hinreichend zu überprüfen“. Die Reporterin gefährde somit „das Vertrauen in den Spiegel und den Journalismus in erheblichem Maße“. Wer nur diese Vorwürfe liest und nicht den Artikel, auf den sie sich beziehen, hat schnell den Eindruck, der „Spiegel“ betreibe mit seinem Text schlimmsten, liederlichen Kampagnenjournalismus.

Außerdem richten sich einige Vorwürfe gegen die „Spiegel“-Redakteurin selbst. Sie habe Mitarbeitende von „Katapult“ „herabgewürdigt“ und „manipuliert“, dazu wird ihr Frauenfeindlichkeit vorgeworfen. Zu Beginn der„Katapult“-Replik äußert sich Fredrich persönlich, bevor er mehreren Unterstützern aus Chemnitz das Wort überlässt, die teilweise im Text zitiert werden.

Ergänzt wird diese Anklage von einem zweiten Beitrag mit zehn „Berichtigungen“ – also Hinweisen auf vermeintliche Fehler im „Spiegel“-Text. Wer die Punkte durchgeht, landet schnell bei kleinsten Textdetails, nicht alles ist unabhängig nachzuprüfen. Zusammenfassend lässt sich aber sagen: Viele der Vorwürfe gegen den „Spiegel“ weisen bei näherem Hinsehen Ungereimtheiten auf. Andere lohnen einen genaueren Blick und weiteres Nachdenken. In jedem Fall liest sich daraus das Bemühen, die Kritik so drastisch wie möglich zu formulieren.

Weite Teile des „Spiegel“-Artikels werden von „Katapult“ gar nicht kritisiert. Es ist nicht so, dass Fredrich und seine Projekte darin durchgängig schlecht wegkommen. Seine für die Branche überraschenden Erfolge, sein Ehrgeiz, seine klare Positionierung für Demokratie und gegen Rechtsextremismus: All das wird in der Reportage gewürdigt.

Im Text steht aber auch, dass ehemalige Mitarbeitende anonym von unerträglichem Druck bei „Katapult“ berichten. Dass seit Mai 2022 fast 30 Mitarbeitende das Unternehmen verlassen haben. Dass das „Katapult“-Festival nach der Premiere 2023 nicht noch einmal stattfinden soll, weil es zu teuer und aufwendig war. Dass die geplante Journalistenschule nie zustande kam und bereits angenommenen Schülern kurz vor Start abgesagt wurde.

Katapult-Gründer Benjamin Fredrich
Immer ein neues Projekt am Start: „Katapult“-Gründer Benjamin Fredrich Foto: Katapult

Gegen all diese Textteile erhebt „Katapult“ keine Einwände. Das Magazin geht gegen den „Spiegel“ – nach Aussage des „Spiegel“ – bisher auch nicht rechtlich vor, was naheliegend wäre, wenn sich im Text nachweislich falsche Fakten fänden. Auf Instagram schreibt „Katapult“, man prüfe den Rechtsweg.

Viele der „Berichtigungen“ sind keine

Einige der kritisierten Punkte erwecken zwar den Anschein, „Spiegel“-Aussagen zu korrigieren, widersprechen diesen aber bei näherem Hinsehen gar nicht. Zum Beispiel steht im „Spiegel“-Text, dass Fredrich noch nicht genau wisse, wie sein nächstes Zeitungsprojekt „Katapult Sachsen“ konkret aussehen soll. In der „Katapult“-Richtigstellung steht, das stimme nicht, er habe der Autorin „mehrere Ideen“ genannt – was ja belegt, dass er noch kein klares Konzept hat.

Auch andere Kritikpunkte sind keine Berichtigungen im eigentlichen Sinne: Sie werfen dem „Spiegel“ zwar eine falsche Darstellung vor, deuten aber nur vage an, was stattdessen richtig gewesen wäre. Die Gründe dafür, dass Mitarbeitende das Unternehmen verlassen haben, seien „lückenhaft und manipulativ dargestellt“, heißt es zum Beispiel bei „Katapult“. Welche Gründe im „Spiegel“-Text fehlen sollen, steht nicht dabei.

Ein größerer Teil der „Katapult“-Kritik bezieht sich allerdings nicht auf solche grundsätzlichen Fragen, sondern auf die Reportageszenen im „Spiegel“-Text – und hier wird es spannend. Mit den Szenen von der Buchladeneröffnung in Chemnitz umrahmt die Autorin ihre Geschichte und malt das Bild, das sie im Rest des Textes von Fredrich zeichnet, anschaulich aus: Fredrich, der Macher-Typ, der ständig neue Projekte startet, sich dabei immer wieder übernimmt, immer wieder neue Mitarbeitende für sich einzuspannen weiß und frustrierte Menschen zurücklässt.

Sechs von zehn der sogenannten „Berichtigungen“ und alle sieben Statements von Mitarbeitenden kritisieren diese szenischen Beschreibungen des „Spiegel“. Es geht um Details, zum Beispiel, ob eine Mitarbeiterin namens Janna Fredrichs Auto getankt hat. Das klingt spitzfindig, ist aber relevant, weil Kleinigkeiten wie diese das beschriebene Bild von Fredrich stützen. Dahinter steht also eine größere Frage, nämlich die, ob die Reporterin die Realität „verzerrt“ hat, wie ihr „Katapult“ vorwirft.

Manipulation nur dünn belegt

Auch für die Kritik an den im Text beschriebenen Szenen gilt: Nicht alle Punkte sind gleichermaßen nachvollziehbar. Dass die „Spiegel“-Autorin die Bücherregale „eher unsortiert“ fand, ist keine falsche Berichterstattung, nur weil „Katapult“ darauf hinweist, die Bücher seien in vier Genres aufgeteilt – was jemand als Ordnung empfindet, ist wohl eher subjektiv. Stutzig macht auch, dass sich im „Katapult“-Text sieben Menschen äußern, die bei der Buchladeneröffnung mitgeholfen haben und die der „Spiegel“ – nach Ansicht von Fredrich – mit seiner Berichterstattung „degradiert hat“. Von diesen sieben Menschen werden drei in dem „Spiegel“-Text aber gar nicht erwähnt.

Auch der Vorwurf, die Reporterin habe „manipuliert“, ist nur dünn belegt. So wirft Fredrich ihr vor, beim Interview „strategisch motiviert“ seine Eltern und seinen verstorbenen Bruder angesprochen zu haben. Das zeichnet das Bild einer skrupellosen „Wittwenschüttlerin“, die für eine gute Geschichte alles tun würde. Was „Katapult“ nicht erwähnt, den Vorwurf aber entscheidend abschwächt: Fredrichs Eltern sind in seinem Unternehmen angestellt, haben also einen direkten Bezug zu seinen Projekten. Und der Tod seines Bruders wird prominent gleich am Anfang von Fredrichs Wikipedia-Artikel erwähnt, ist also öffentlich bekannt.

So lassen sich viele der „Katapult“-Vorwürfe zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Andere lassen sich nicht nachprüfen, es steht Aussage gegen Aussage. Der „Spiegel“ bestreitet, dass er von „Katapult“ vor der Veröffentlichung der Kritik mit den konkreten Vorwürfen konfrontiert wurde, auch wenn „Katapult“ behauptet, man habe „Presseanfragen“ verschickt. Weder der „Spiegel“ noch „Katapult“ wollen sich auf Anfrage von Übermedien zu detaillierten Nachfragen äußern.

Trotzdem oder gerade deswegen bleibt beim Lesen der Stellungnahmen ein ungutes Gefühl zurück. Das beruht weniger auf der Möglichkeit, dass einzelne Details im „Spiegel“ nicht ganz akkurat sein könnten (was schlimm genug wäre, aber nicht bewiesen ist), sondern vielmehr auf den Aussagen einer Reihe von Menschen, die sich von der „Spiegel“-Geschichte getäuscht oder in ein falsches Licht gerückt sehen.

Die Chemnitzerin Doreen, die in einem Satz erwähnt wird, behauptet, sie habe gar nicht gewusst, dass sie in einem „Spiegel“-Artikel vorkommen werde. Ein Mitarbeiter namens Ole beschwert sich, dass die Reporterin geschrieben habe, dass er Bücher allein in den Laden getragen habe, obwohl im Laufe des Tages fast alle Leute mitgeholfen hätten. In dem „Spiegel“-Text heißt es: „Ole trägt die Bücher allein vom Paketauto in den Laden. Er ist einer von rund einem Dutzend Unterstützern, die mit anpacken.“ Auch hier: Was im „Spiegel“-Text steht, widerspricht Oles Aussage gar nicht – es geht eher um die unterschiedliche Wahrnehmung einer Situation.

Die Sache mit den Suggestivfragen

Es scheint also mindestens zu einem Missverständnis gekommen zu sein, bei dem es weniger um falsche Tatsachenbehauptungen geht als um die Frage, welche Beobachtungen es wie in eine Geschichte schaffen. Es ist ein Missverständnis mit ungleichen Machtverhältnissen: Auf der einen Seite eine Reporterin, die für das größte Nachrichtenmagazin Deutschlands schreibt. Auf der anderen Seite Menschen, die mutmaßlich selten in der überregionalen Presse auftauchen und nicht allzu viel Erfahrung mit Magazinjournalisten haben.

Vielleicht hatten die Menschen vor Ort andere Erwartungen an den Text, denn er kritisiert ein Projekt, das sie selbst als wichtiges „Kleinod“ empfinden. Der Artikel klinge, als hätte jemand den Auftrag, „Katapult“ zu diffamieren, schreibt Unterstützerin Doreen in ihrem Statement. Wobei es bei einer „Spiegel“-Reportage natürlich erwartbar war, dass sie Kritik an Fredrichs Vorgehen – die ja schon lange in der Welt ist – nicht ausspart.

Auf der anderen Seite steht die Recherche einer überregionalen Journalistin mit all den entsprechenden Notwendigkeiten, Gepflogenheiten, Routinen, Verlockungen. Unvoreingenommen ist Bargel sicher nicht nach Chemnitz gefahren, schließlich hatte sie sich vermutlich schon vorher mit der Kritik von ehemaligen Mitarbeitenden auseinandergesetzt. Die ehrliche Begeisterung der Engagierten vor Ort war für sie gar kein Widerspruch, sondern ein Beleg dafür, wie Fredrich Menschen für sich gewinnt: „Vor allem aber vertrauen die Menschen nach wie vor ihm“, beschreibt sie ihren Eindruck im Text.

Womöglich hat sie diese These gar nicht verheimlicht, sondern die Mitarbeitenden journalistisch korrekt direkt damit konfrontiert – was diese aber als Voreingenommenheit interpretierten. „Bargel stellt Suggestivfragen, die bereits eine falsche Annahme beinhalten“, steht in dem „Katapult“-Text. Die zitierten Menschen finden auch, dass die Begeisterung und der Team-Spirit im „Spiegel“-Text nicht zur Geltung kommen. Darüber lässt sich streiten, denn im Text wird durchaus deutlich, wie engagiert die Chemnitzer im Bücherladen mit anpacken. Und natürlich ist ein Text nicht automatisch „falsch“, nur weil er nicht 1:1 dem eigenen Empfinden entspricht.

Alle außer Fredrich sind im „Spiegel“-Text Statisten

Sicher ist, dass die Menschen, die sich in Chemnitz engagieren, im Text die Rolle von Statisten übernehmen. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal dieses „Spiegel“-Textes, sondern in solchen Reportageformaten üblich, vielleicht sogar notwendig. Die beschriebenen Personen werden nur in wenigen Zeilen erwähnt und tauchen deswegen nur mit den Handlungen und Eigenschaften auf, die der Story dienlich sind. Dabei werden sie nur mit Vornamen genannt, der „Spiegel“ kann sich also darauf zurückziehen, dass sie ohnehin nicht erkennbar sind. Die Autorin zolle „Arbeitsleistungen und Karrieren“ keinen „angemessenen Respekt“, findet hingegen das „Katapult“-Team, weil die erwähnten Frauen im Text als Helferinnen rüberkommen, die typische Frauenaufgaben verrichten.

Geschichte über Benjamin Fredrich im "Spiegel"
Ausriss: „Der Spiegel“

Womit wir beim schwerwiegendsten Vorwurf gegen die Reporterin wären: dass ihre Perspektive „patriarchal geprägt und misogyn“ sei, wie es Unterstützerin Janna formuliert. „Katapult“ macht das daran fest, dass die weiblichen Unterstützerinnen „als reine Gehilfinnen“ im Text auftauchen, „die nicht selbst selbstbestimmt entscheiden können“.

Das ist eine, vorsichtig gesagt, ziemlich weitreichende Interpretation. Sie verschiebt die Kritik in einen moralischen Bereich jenseits überprüfbarer Tatsachenbehauptungen. Sie verbreitet Annahmen über die Reporterin, die auf sehr schmalen Anschuldigungen fußen. Und sie hat natürlich das Potenzial, zu „ballern“, wie es „Katapult“-Gründer Fredrich wohl ausdrücken würde – weil Kritik an Frauenfeindlichkeit in der „Katapult“-Community immer gut funktioniert.

Am Ende landet man beim Lesen der Vorwürfe bei Grundsatzfragen des Journalismus. Die Kunst einer guten Reportage besteht darin, in wenigen Sätzen eine Szene zu schildern (nicht zu erschaffen!), die für etwas Größeres, Bedeutsameres steht. Es ist eine Gratwanderung, welche Informationen in einen Text hineinmüssen – die Meinungen von Beteiligten und die journalistische Einschätzung können und dürfen dabei auseinandergehen.

Das zeigt ein letztes Beispiel: Der „Spiegel“-Text beschreibt das inzwischen geschlossene Café im „Katapult“-Redaktionsgebäude und erwähnt, dass Koch und Angestellte gekündigt wurden – noch ein geplatztes Projekt von Fredrich, so die Lesart. Das ist richtig, laut Fredrich wurde der Ort aber für Veranstaltungen weiter genutzt. Das hätte die Journalistin schreiben können, aber hätte sie es auch müssen? Fredrich zufolge hätte sie auch erwähnen sollen, dass sich in dem Gebäude ein Geflüchtetenheim befindet, damit das Greifswalder Areal nicht wie ein „gescheiterter Ort“ herüberkommt. Andererseits erwähnt die Journalistin die „Katapult“-eigene Baumschule mit eigens gezüchteter Apfelart – es ist also nicht so, als würde alles Gelungene systematisch ausgeblendet.

Der schmale Grat zwischen Storytelling und Verzerrung

Es ließe sich anhand von diesem Text, noch besser aber an vielen anderen Texten lange darüber diskutieren: Wo verläuft die Grenze zwischen Storytelling und Verzerrung der Wirklichkeit? Müssen Journalisten in Zeiten homogener Social-Media-Bubbles viel mehr erklären, was sie mit ambivalenter Berichterstattung bezwecken, also bei Interviews Risiken und Nebenwirkungen immer mit kommunizieren? Ist es fair, dass Menschen lange Gespräche mit einer Reporterin führen, um im Text dann einen Satz über sich zu finden, den sie noch nicht einmal zutreffend finden? Und falls das nicht fair ist: Was hieße das für journalistische Reportagen?

Ganz sicher taugt Bargels Text aber nicht als das Paradebeispiel für katastrophalen und voreingenommenen Journalismus, zu dem „Katapult“ ihn nun aufzublasen versucht. Bei den im Text zitierten Frauen seien „größte Verletzungen“ entstanden, heißt es in der Kritik am „Spiegel“. Das mag stimmen, aber die wenigen spröden, unpersönlichen Zeilen, die sich im „Spiegel“-Text über diese Frauen finden, wirken von außen wenig verletzend und die Gefühle von Beschriebenen sind zwar unter Umständen relevant, können aber nie alleiniger Maßstab für Berichterstattung sein.

Übermedien hat „Katapult“ mehrfach mit einem detaillierten Fragenkatalog kontaktiert. Diesen werde man „aus Mangel an Vertrauen gegenüber Übermedien“ nicht beantworten, heißt es daraufhin per Mail, unterzeichnet nicht von Fredrich, sondern unpersönlich mit „KATAPULT-Redaktion“ (siehe Kasten). Auch auf die Bitte, einen direkten Kontakt zu den Unterstützenden aus Chemnitz zu vermitteln, geht „Katapult“ nicht ein (die Betroffenen können sich gerne hier melden!).

Aber auch der „Spiegel“ beantwortet einen ausführlichen Fragenkatalog von Übermedien nicht, unter anderem dazu, welche Zitate der „Katapult“-Mitarbeitenden autorisiert worden sind und welche nicht. Auch wie die „Spiegel“-Reporterin ihre Arbeit vor Ort transparent gemacht hat, ob sie zum Beispiel für alle Mithelfenden als Reporterin erkennbar war, beantwortet die Redaktion nicht. In einem allgemeinen Statement heißt es, der „Spiegel“ prüfe die Vorwürfe wie bei jedem entsprechenden Hinweis und werde das Ergebnis „zu gegebener Zeit“ kommunizieren.

Wofür die Geschichte sehr wohl als Paradebeispiel taugt, ist die unverfrorene PR, die „Katapult“-Gründer Fredrich, in eigener Sache betreibt. Die wenige sachliche Kritik, von denen sich Teile gar nicht überprüfen lassen, bläht er moralisch auf zu einer Debatte über guten und schlechten Journalismus. Die Reporterin greift er persönlich an, wirft ihr gar Manipulation vor. Das Ganze versieht er pseudo-selbstkritisch mit einer Schein-Entschuldigung, indem er einräumt, er hätte die Journalistin besser gar nicht einladen sollen.

Kritischer Kommentar auf Instagram überBenjamin Fredrich
Screenshot: Instagram

Ein anonymer Instagram-Kanal legt inzwischen nahe, dass der Bericht im „Spiegel“ von Ex-Mitarbeitenden von „Katapult“ ganz anders wahrgenommen wird, nämlich als berechtigt. Kritik unter dem Post von „Katapult“ sei allerdings zum Teil schnell verborgen oder gelöscht worden, so der Vorwurf auf dem Kanal, der Screenshots dieser Kommentare veröffentlicht hat. Übermedien liegen die ungeschwärzten Originale der Screenshots vor, ihre Echtheit konnten wir im Austausch mit Menschen aus dem Umfeld von „Katapult“ teilweise bestätigen. Es passt dazu, dass Fredrich Kritik an anderen gerne maximal hochjazzt – mit Kritik an ihm selbst aber wohl nicht so gut umgehen kann.

 

Update, 14.1.2025: Wir haben den Link zu dem Instagram-Profil mit Screenshots kritischer Kommentare aktualisiert und einen Satz zu deren Echtheit im Text ergänzt. 

6 Kommentare

  1. Schade, dass (wie immer beim Thema Katapult) die differenzierte Betrachtung fehlt, die Übermedien ansonsten ausmacht und -zeichnet :(

    Statt der üblichen fundierten Analyse, die eine ernsthafte Betrachtung der unterschiedlichen Perspektiven und Herausforderungen von Journalismus vornimmt (und ja durchaus eine ganze Reihe an wichtigen Punkten zu Details, PR etc. herausarbeitet), bleibt der Eindruck einer klaren Agenda und entsprechendem Spin des Artikels.

    Tiefpunkt ist dann wohl das Ende mit anonymen „Instagramprofil“ und entsprechendem Geraune, dass m.E. nun wirklich nicht Standards entspricht, die doch gerade Übermedien sonst an anderen Medien zurecht kritisiert… :(

  2. Was etwa verleitet die Autorin zu dieser Einordnung:
    „Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass „Katapult“ damit die Autorin dieses Textes selbst so darzustellen versucht, als sei sie „unmündig““

    Warum lasse ich das nicht einfach weg? So lade ich so direkt wie nur möglich zum Vorwurf „tendenziöser und nicht ergebnisoffener“ Berichterstattung ein?

  3. Zu #1:
    Wir haben die auf dem Instagram-Profil geteilten Screenshots von kritischen Kommentaren ungeschwärzt vorliegen und konnten ihre Echtheit zum Teil bestätigen. Ich ergänze einen Hinweis dazu gleich noch im Text.

  4. Ich bin Übermedien-Fan und Katapult-Fan, habe beides abonniert. Auch ich bin immer wieder etwas unzufrieden mit den Übermedien-Texten zu Katapult. Hier stört mich:

    Obwohl Katapult mMn mit dem Vorwurf der Manipulation zu weit geht und Dinge aufbläst, entsteht doch beim Spiegel-Text (nur in Bezug auf den Laden) der Eindruck, man möchte seine These von Fredrich dem „Rattenfänger“ mit dieser Art des Storytellings untermauern.
    Für mich entsteht durch die einzelnen kleinen Teile zu den anderen Beteiligten im Buchladen durchaus der Gesamteindruck, dass diese eher Handlanger für Fredrich als Mitarbeitende auf Augenhöhe sind. Und wenn diese sich als Letztere fühlen, wie sie es ja in ihren Statements ausgedrückt haben, dann haben da Aussagen von enttäuschten ehemaligen Mitarbeitenden bei anderen Projekten erst einmal nichts mit zu tun (hätten sie vielleicht, wenn wir uns den Buchladen als gescheitertes Projekt in der Rückschau anschauen würden). Das hat für mich schon den herabwürdigenden Charakter von „sie wissen es einfach noch nicht besser, aber wir sehen die Anzeichen eindeutig“.

    Und ob es um Befindlichkeiten der Beteiligten vor Ort geht oder um Maßstäbe bei Berichterstattung finde ich einen sehr wichtigen Punkt. Denn was es zum Beispiel auch viel auf Instagram bei den Kommentaren gab: Andere enttäuschte Menschen, die mal mit dem Spiegel (oder anderen Zeitungen) gesprochen haben und sich völlig falsch dargestellt gesehen haben. Natürlich ist das anekdotische Evidenz und hier nicht mal überprüfbar, Evidenz also eher in Anführungszeichen. Trotzdem stimmt es doch, dass das Vertrauen der Einzelnen (und ihres Umfelds) in Journalismus verloren geht, wenn sie sehen, dass ihre Wirklichkeit vor Ort überhaupt nicht der eines journalistischen Texts entspricht. Dass diese Leute sich dann fragen, ob das bei anderen Texten zu „wichtigeren“ Themen auch so ist, ist logisch.

    Besonders der erste Teil gilt natürlich nur insofern, dass die Vorwürfe von Katapult korrekt sind. Ich finde es schade und enttäuschend von beiden Seiten, dass sie auf die Anfragen von Übermedien nicht mit hilfreichen Antworten reagiert haben.

  5. Man sieht an den Kommentaren, dass dies ein emotionales Thema ist. Hat etwas von Fussballfans.
    Als neutraler Beobachter habe ich diese Einordnung auf uebermedien schon erwartet und finde es ansprechend. Schlussendlich bestätigt sich für mich das Bild, was schon besteht. Eine gute Sache (Katapult) kommt immer wieder in die Medien wegen dem eher nicht so guten Führungspersonal.
    Dieses Ping Pong an Artikeln könnte ja auch erspart werden, wenn man nicht eine Replik auf den Spiegel Text geschrieben hätte.

  6. Gelungene Darstellung und Analyse des Diskurses. Finde auch, dass die Katapult-Kritik massiv aufgepustet ist. Alleine „Manipulation“ geht als Vorwurf schon viel zu weit, „Frauenverachtung“ sogar noch viel weiter. Klar, dass bei so viel Butter auf der Stulle dann auch ein Relotius-Bezug noch irgendwie fallen muss. Das ist in meinen Augen lächerlich, Populismus. Schön, dass wie dieser Text hier das näher betrachtet und rasch durchschaut. Finde auch, dass die anderen Kommentatoren vor mir daneben liegen, wenn sie behaupten, die Autorin sei voreingenommen oder einseitig. Ihr Text ist differenziert und blickt ebenso kritisch auf den Spiegel. Allerdings ist der Spiegel-Artikel eben weit weniger kritikwürdig.

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